Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1885 (Jahrgang 47, nr. 113-151)

1885-11-21 / nr. 135

Nr. 135. Kalschauer 3 KASSA-EPERJESI ERTESITO. XLVIE Jahrgang 1885. Kashan, Samstag, 21. November. . Bräm­merstionspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. 5.— , halbjähr. fl. 2.50, vierteljähr. fl. 1.25 60. fl 3.30, fL 1.65 Für Kaschau: it Postversendung: ,, fl. 6. „ „ Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr für jede Anzeige. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redactions- und Expeditions - Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. ailung. Mit dem „Illustr. Unterhaltungsblatt". ür Kaschau : it Bostversendung: ,, ganzjährig fl. 7.--, halbjähr. fl. 3.50, vierteljähr. fl. 1.75 fl. 860, fl. 4.30 „ Bei Inseraten, welche größeren Raum einnehmen und öfter eingeschaltet werden, wird ein entsprechender­ Nachlaß gewährt. —__ 1 „ A­e­­r neueste Nachrichten. Man erfährt Einzelheiten über ein ser­bisc­­türkisches Abkommen, wonach, wenn die ser­­bischen Truppen Sophia eingenommen haben werden, König Milan nicht mit dem Fürsten Alexander, sondern mit dem Sultan Frieden s<ließen "wird. Serbien erhält einen Gebietszuwach­s, da die Pforte nicht allein gleichgiltig gegen die Zerstüclung Bulgariens ist, sondern ein starkes Serbien einem mäch­­tigen Bulgarien vorziehe. Die Delegationsbereihungen wurden am 18. b. für beendet erklärt, nachdem Reichs-Finanzminister Benjamin v. Kulay die von Sr. Majestät sanctionirten Beschlüsse überreichte und den Dank des Monarchen für das ein­­müthige Wirken der Delegationen aussprach. Wegen der Höhe der Quotensumme wird die Regni­­colarcommission entscheiden. Ungarn. Budapest.­­Der heute (21. d.) zusammtretende ungarische Reichstag wird Schon Montag die meritorischen Berathungen beginnen und vorerst den Gelegentwurf über die Modificirung des Gesetzes über die königlichen Notare verhandeln. Gleichzeitig wird der Fi­nanzausflug den nächstjährigen Budget-Voranschlag in Verhandlung ziehen, und auch die übrigen Ausschüsse, so namentlich der Justizausfluß, werden ihre Thätigkeit wieder aufnehmen. Offiziös dementirt man kategorisch die von einem Wiener Blatte angeblich bevorstehende in Umlauf gelegten Meldungen über Veränderungen im m­e­garischen Ministerium Oesterreich. Wien. Als zukünftiger Polizeidirektor von Wien wird Graf La­mezan und Hofrath S­tein­­tal, Polizeidirektor von Prag genannt. Rußland Petersburg 63 ist das Ge­büdt vom bevorstehenden Rücktritte des Ministers des Reußern, Gier 3 und der Abberufung des russischen Gesandten Berfiani aus Belgrad verbreitet. Graf Ignatiew sei vom Czar in längerer Privat-Audienz empfangen worden, und man halte es für wahrscheinlich, daß der Graf in außergewöhnlicher Mission sich nach Wien, Berlin, Paris und London begeben werde. Andere behaupten dagegen, Graf Ignatiew werde eine Reise nach De ar­en unternehmen, wo er große Popularität erb­e. Deutschland. Berlin. Der Bundesrath nahm sämmtliche Etat­e an. Der Militär-Etat wurde erheb­­lich gefürzt, so daß die Erhöhung der Matri­­ceular-Beiträge von 24.960.000 auf 21­­, Mil­­lionen reducirt ist. Das Befinden des Fürsten Bis­mar­k soll, nach Aeußerungen Dr. Schweninger’s, vorzüglich sein. Großbritannien. London. Die Berichte der liberalen Agenten aus allen Theilen des Landes lauten dar­aus nicht so zuversichtlich wie früher; sie melden Un­­zufriedenheit und wahrscheinliche Enthaltung von der Wahl bei einer großen Zahl von früheren Liberalen. Mit königlicher Proklamation wird das Parlament aufgelöst und das neue Parlament für den 12. Jänner einberufen. Frankreich. Paris. Wie es scheint, ist die Vertagung der Ministerkrise in Aussicht genommen. Man beabsichtigt, den Congreß am 30.d. oder Anfang­ December abzuhalten, worauf die Kammer sich bis 15. Januar vertagen soll. Dadurch wäre eine Frist gewonnen, und vielleicht ist bis dahin die Stim­­mung eine andere Herrn Der Gesandte in Stockholm, Graf Va u­n­ay, wird Barrére in Kairo ersehen, welcher aus Ge­sundheitsrücksichten nach Europa zurückkehrt. Schweiz. Ba­sel. Der große Rath des Kantons und der Stadt Basel nahm das Gefäß betreffend die un­­entgeltliche Beerdigung für sämmtliche Einwohner an. Spanien. Madrid Falls Deutschland die Entsceidung des Papstes in der Carolinen-Frage nicht annimmt ‚will Spanien die diplomatischen Beziehungen abbrechen, doch ist eine Einigung wahrscheinlich. — Der­ Commandant des „San Quintin“, Es­panna, wegen des Verhaltens auf der Y­a­p-Insel vor ein Kriegsge­­richt gestellt, wurde freigesprochen, weil er nur seine Ordred ausführte. Türkei. Konstantinopel. Zu der legten Situng der Konferenz einigten sich die Mächte auf Grund des französischen Vorschlages dahin, daß die Türkei an den Fürsten von Bulgarien die Aufforderung ergehen lasse, nach Bulgarien zurückzukehren, und die Rumelioten in einem Sendschreiben ermahne, daß diese die gesetzliche Ordnung wieder respectiren sollen. Marshal Mustapha Assym Pascha verließ Berana, um nach Scutari zurückzukehren, nachdem er ernstlich erkrankt ist. Man sagt, er wäre bei seinem Sou­­verän in Ungnade gefallen. Dievet Pas<a, tür­­kischer Minister-Resident in Cettinje, wurde nun zum Com­­missär für die türkisch-montenegrinische Grenzregulirung ernannt. Die Pforte protestirt gegen das Eindringen Serbiens nach Bulgarien, weil hiedur­ die Hoheitsrechte, des Sultans verlegt werden. Garaschauin replizirte, daß Serbien keine Feindseligkeiten gegen die Türkei vorhabe und die Hoheitsrechte des Sultans wahren wolle. Er entsc­huldigt das Vorgehen Serbiens durc das Verhalten Bulgariens, durch welches Serbien zur Aktion gezwungen worden sei.­­ Die türkische Antwort auf die serbische Note, welche die Kriegserklärung an Bulgarien notifizirt, und auf das bulgarische Hilfegesuch ist­ im Einvernehmen mit dem deutschen Botschafter abgefaßt worden; man vermuthet, daß sie den Intentionen der Kaisermächte entspreche. Man versichert hier, der weitere Verlauf der Konferenz werde zeigen, daß Serbien auf territoriale Gewinne wird ver­­zichten müssen. (Siehe Neuestes.) Bulgarien. Soph­i­a. General Leschjanin hatte am 16. zwischen Kula-Adlia und Widdin, wo das große bulgarische Widdiner Corp concentrirt war, nach einem heftigen Kampfe die Bulgaren total ges<lagen und zersprengt Das von den Bulgaren verlassene Schlachtfeld war mit Todten bedeckt. Mehr als 1000 Bulgaren wurden gefangen; serbischer­­seits ist der Verlust ein verhältnißmäßig geringer. Im Laufe des 17. b. Mts. griffen die Serben Slivnicza von der linken und regten Flanke mit zahlreichen Streitkräften an, wurden aber auf beiden Seiten von den Bulgaren zurückge­wiesen, welche hierauf die Offensive ergriffen und die Serben fünf Kilometer weitverfolgten. Die Bulgaren fügten den Serben große Verluste zu und machten Ge­­fangene. Milans Hauptquartier wurde nach Pirot zurück­­verlegt. Fürst Alexander unterwarf sich dem Sultan telegraphisch. Griechenland. Athen. Minister-Präsident Der l[yanis wies den Geschäftsträger Nhangabe in Sophia an, Karawelow gegenüber wegen der nicht zu rechtferti­­genden Belästigungen hellenischer Unterthanen und der Verunglimpfung der Bildnisse der griechischen Majestäten , bulgarische Funktionäre eine ernste Sprache zu ühren. Afghanistan. Ru­knabad. Die Delegirten der englischen und russischen Grenzregulirings:Gommission sind am 10. b. in Zulfikar eingetroffen und haben am 12. die Regulirings-Arbeiten begonnen. Der erste Grenz­­pfahl wurde zwei Werft nördlich von­ Zulfikar aufgerich­­tet. Die Commission bleibt voraussichtlich zwei Wochen in Zulfifar und geht sodann nach Kus<k. Tonking. Ha:Noi. Die Truppen machen tüch­­tig auf die Piraten Jagd, welche überall umzin­­gelt sind. Viele sind bereits getö­tet oder gefangen. Die Eingeborenen unterstoßen die Action der Truppen. Die Colonne Jaumont hat mehrere Punkte zwischen dem Klaren Flusse bejegt. Ich komme! &3 weht der Wind, der Herbsteswind, Gntblättert ist der Wald. Auf Wiedersehn, mein süßes Kind! Ich komm', ich komme bald. 63 war so schön die Welt im Mai, Voll Lust und Minnesang, Der Lenz ist aus, die Lust vorbei, Das Minnelied verklang. Der Sänger schweigt, das Lied verklang, 63 naht das Abendroth, Mir ist so bang, so todeslang, Mein Lieb, mein Lieb ist todt. Und lebt mein liebes Lieb nicht mehr, Mas soll das Leben mir? Die Welt ist öd­, die Welt ist leer, Mein Lieb, ich komm' zu Dir. Raoul­­ en Budapester Brief. Erster philharmonisten Konzert. — Beethoven's „Missa solennis“. — Frau Ma­­rie Wilt. — Neues aus der Oper — Franz Jauner — Teksisko. M. E. L—f. Eine Konzert- und Theater-Revue der lesten acht Tage kann sich unmöglich auf alle Vorkomm­­nisse erstrecken, wenn sie sich nicht ins Angemessene verlieren soll. Wir begnügen uns damit, einzelne wichtigere Mo­­mente in zusammenhängender Besprechung zu berühren, nachdem ja die meisten derselben in ihrer Bedeutung als Tagesereignisse ohnehin dem Verdienste nach gewürdigt haben. Wenn einmal die Geschichte unsseres Konzertwesens geschrieben wird, dann werden die philharmoni­­schen Konzerte in Bezug auf ihren Einfluß und ihre Bedeutung für unser Musikleben nicht genau gewür­­digt werden können. Erst jüngst haben die Philharmoniker bei ihrem ersten­­ Concerte wieder bewiesen, was die Seele ihres Orchesters leisten kann. Das Programm dieses Kon­­zertes brachte wieder manches Neue und Interessante. Namentlich waren es die „Schubert'schen Varia­­tionen“, welche uns im süßen Schwelgen brachte. Ur: wüchige Erfindungskraft, Entschiedenheit und Wahrheit der Charakteristik und Energie des Ausdru>35, feurig ber­geisterter Schwung neben höchster Zartheit, eine ganz merkwürdig glücliche, im volksthümlichen Boden wurzelnde und dennoch edle, poesievode Melodiebildung : alle diese Eigenschaften fanden sich in dieser Schöpfung. Die unmit­­telbare Darauffolge von Li­ß­t's sauber und durchsichtig gearbeiteten, aber ziemlich seichtem Tonspiel. „Hamlet“ ließ uns Mendelsohn's Vorbild recht deutlich er­­kennen; auch Mendelsohn ist von dem Fehler nicht frei­­zusprechen, daß er oft redete, wo er nichts zu sagen hatte. Die Aufführung war, wie schon oben erwähnt, eine ge­­rundete, präzise und vollendete. Unsere Chorgesangs-Vereine sind mit löblichem Wett­­eifer thätig, das immer wachsende Interesse des Publi­­kums für Oratorien und Chorwerke zu betriedigen. Auf den glänzenden Erfolg, welche der Verein der Musikfreunde durch die Aufführung Beethoven's „Missa solennis“ am Anfang dieser Woche erzielt hat, kann er mit Stolz zurückh­olen. Die montägige Aufführung der „Missa solennis“ hat nicht jenes Staunen im Publikum hervorgerufen, wie es bei Schumann's „Faust“ bei Brehm’s „Requiem“ auf allen Gesichtern zu lesen gewesen; die Verwunderung ist gewichen, sie hat der lauten Bewunderung Plas gemacht für die Leistungen eines Vereins, der kaum regen irt, so überraschend schnell sich dem künstlerischen Zenith nähert. A­ Z die ersten leisen Akkorde des Chores : „Kyris eleison, Christe eleison, Kyrie eleison", erzitterten und BE Die heutige Nummer umfaßt 8 Seiten = immer machtvoller schwellend durc den Raum dahinbran­­sten, da ging es wie ein heiliger Schauer dur die dicht= erfüllten Reihen. Worin liegt diese mächtige Wirkung der Messe, der selbst der eingefleischte Gottesleugner sich nicht zu entzie­­hen vermag? In erster Reihe zweifellos8 in der Musik, die auf ihre ureigenste Darstellungskraft angewiesen, hier die höchste Vollendung des Ausdruches erreicht, zugleich aber" ein Hörer selbst, der den aufgenommenen Ton mit der lebhaft­en­ und aufgeregten Einbildungskraft zum Bilde umgestaltet. Eine musikalische und poetische Perle ist das Gloria. Wie ist Dog hier Alles in die höchste Schönheit des Klan­­ges getaucht, welche Andacht und welche Demuth verräth diese Musik und wie klingt der Anfang so herrlich „Ich glaube an einen Gott, den Vater den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, des Sichtbaren alles und Unsichtbaren“. Endlich das Agnus Dei „Lamm Got­­tes, dad Du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme Dich unser­ Gieb und Frieden“ erschließt jenes reiche har­monische und melodische Leben, das wir in Beethoven in höchster Entwicklung antreffen. Alle Chöre wurden mit einer Präzision, mit einer Sicherheit des Einsaßes und mit einem Schwunge gefragt, welche das rüchak­älofeste Lob verdienen. Von den Solisten sei zuerst der Frau Marie Wilt mit wärmstem Lobe gedacht. Sie sang die Re­­citative, die in der Missa zu hoher Bedeutung gelangen, sinnig und ausdruckvoll und ließ einen jugendfrischen, in der Höhe Leichenhaft sc metternden Sopran hören. Wars mer Beifall lehnte die überraschende Leistung. Wir können mit Fug und Recht sagen, daß Frau Marie Wilt durc ihren künstlerischen Geschmach, durch die in ihrer Person Ah vollziehende Verschmelzung voll­­endeter Technik und Dramatik unter der höheren Einheit des rein Musikalischen, einzig allein dasteht. Ihre Leistung in dieser unsterblichen Schöpfung Beet­­hoven­s kann ihr Niemand nachmachen. Der gestern im kleinen Redoutensaale unter Mitwirkung des Pianisten Geezy abgehaltene Wilt-Abend, war ebenfalls von vielem Beifall gekrönt. |

Next