Kaschauer Zeitung, Juli-September 1888 (Jahrgang 50, nr. 75-111)

1888-09-11 / nr. 103

ir Fünfzigster Jahrgang 1885. farban­er Zeitung. fl. 1.25 fl. 1.65 Nr. 103. Kaschau, Dienstag IL. September. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Pränumerationspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. 5.—, halbjähr. fl. e. vierteljähr. r Kasc­hau : it Postversendung: ganz). fl. 6.60, § 3.30, % Bei Y Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder, deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. fü­r jede Anzeige. Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. wird­ ein entsprechender Nachaß gewährt. . x Mit dem „Zlufte. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig X. 7.—, halbjähr. f 3.50, vierteljähr. A. 1.75 +. „1.4.30; 6 fl. 2.15 Für Kaschan : Mit Postversendung : ganzi.. fl. 8.69, Bei Inseraten, welche größeren Raum einneh­men und öfter eingeschaltet werden KASSA-EPERJESI ERTESITO. .. : —. ..­­... - Keneite Nachrichten. Ungarn. Man strebt von wahrhaft patriotischer Seite die Fusion der Parteien an, damit im Reichstage dem Landes- Wohle ersprießliche Gelegentwürfe nicht dem Parteikader zum Opfer fallen zum Schaden des ganzen Landes. Oesterreich Die Deutschen und Böhmen werden auch in diesem Landtage nicht erscheinen. In den Provinz­­städten des Kaiserthums finden allenthalben Jubiläumsvolks- Feste statt. Bei dem in Wels erschien am 8. auch der Kron- Prinz. Mlenthalben wird auch die 40. Jahreswende der Ro-­gottaufhebung gefeiert , hauptsächlich in Schlesien, wo seit Kudlich, der Fürsprecher der Bauern im 1848er Reichs­­tage weilt. Ruhland. Wie verlautet, ist ein weiterer Schritt aus­geregt, um die Wisser­ung der baltischen Provinzen auch mag Außen zu markiren. Es sollen nämlich die Namen : Livland, Kurland und Esthland als offizielle Bezeichnungen gänzlich beseitigt werden, weil sie zur Erin­­nerung an eine Sonderstellung dieser Provinzen Anlaß geben. Es liegt in der Absicht, diese Provinzen in der Zukunft in Niga'sches, Mita­u'sches und Re 4­a­liches Gouvernement um­zutaufen.­eutschland.­ Der Bundesrath wird bereits Ende September zusammentreten und sich zunächst mit der Ver­­längerung des kleinen Belagerungszu­­standes in Berlin Hamburg, Frankfurt und Stettin beschäftigen. Der Kaiser war einen Tag lang bei den Manövern in "Posen. .. Italien. In Tripolis sollen Derwische mehrere it­al­­ienische Kaufleute ermordet und beraubt . PIELER sich diese Nachricht bestätigt, dürfte sie ernste Folgen nach sich ziehen Man meldet, ferner, daß nicht Kaiser-König Franz Josef, wohl aber Kronprinz Rudolf den König H­u­m­bert besuchen werde. Bulgarien. Der Minister des Aeußeren N­ac­h­es vics hat einen 14-tägigen Urlaub erhalten, um sich in Fi pe ee 2) nag Konstantinopel um Bukarefft zu begeben. . nn << Unser Nachwuchs. Die Einschreibungen in die Schulen lieferten wieder den Beweis, daß sich mehr den wissenschaftlichen Studien zudrängten, als wohl dazu berufen sind. Denn wir halten es noch immer für ein unglücliches Bestreben, wenn die Söhne unbemittelter einfacher Eltern, wenn ihr Talent nicht ein aus­­gesprochen glänzendes ist, sich den höheren Berufen widmen wollen, wo sie zum großen Theile das geistige Proletariat vermehren, während sie bei Einhaltung der ihrer Stellung passenden Grenzen, bei gründlicher Schulbildung im Gewerbe­­und Handelsstande eine glänzende Rolle spielen könnten. Ernste und weitblldende Männer haben schon oft ein­­dringlich gemahnt, die Jugend solle sich mehr der industriellen und kaufmännischen Laufbahn zuwenden, leider aber mit geringem Erfolg : Wir haben in Ungarn dreimal so viel Juristen und eineinhalbmal so vil Philosophen, wie in Deutscland! Und doch ist Ungarn mehr auf schaffende Hände ange­­wiesen, die ihm eine Stelle unter den industriellen Staaten sichern helfen sollen. Wir müssen unseren Nachwuchs nicht blos für das gesellschaftliche und staatliche Leben, für die Politik und das Beamtenthum, für Advokatur und Professuren 2c. erziehen und unterrichten; — wir brauchen praktische Leute auf dem Gebiete des Handels und Gewerbes, wir müssen einen industriellen Geist schaffen, der bis jezt uns und unserem Nachwuchse abgeht. Nur zu sehr bewegen wir uns noch in der Ansicht, ‚Ungarn, der Agrikulturstaat, könne seine Kinder in deren noblen Passionen immer noch aushalten und unterstoßen, die ernste­­ Arbeit sei für andere Völker bestimmt, nicht für uns. Das hat aufgehört; in Ungarn wir­d gearbeitet werden müssen, da wir aber aus anderen Ländern z. B. Böhmen, Deutschland nicht gerne arbeitsame Leute hier ansiedeln sehen, die den Impuls zur Verallgemeinung der Industrie und Gewerbe geben möchten, aus Furcht vor Slavisirung und Germanisirung, so müssen aus unserer Mitte die Apostel erstehen, die einftirenden wenigstens aufmerksam angehört werden. Der verstorbene Tiefort war einer der Ersten derselben : „Da e.Top o:Me der idyllischen Zeiten sind vorüber, wir müssen eine Industrie schaffen!” sagte er in einem Brief vom 30. Juni d. h. und hat damit das Richtige getroffen. Seine Besorgnisse um die finanzielleu wirthschaftliche Zukunft des Landes distirten ihm diese Worte. Ist diese eine präcäre, so ist auch die politische Zukunft Ungarns gefährdet ! Jene und Diese uns zu sichern, müssen wir mehr in­s Feld zu stellen wissen, als unsere Bodenprodukte und unser Roh­­material, denn nur aus diesem besteht unser Exportbetrieb,­­ während wir unsere Bedarfsartikel in einem um 35 Millionen Gulden größerem Maße vom Ausland beziehen. So lange aber der reiche Bauernsohn sich säämt, als Gymnasist nach Hause in die Bauernstube zu kommen, der Sohn des reichen Professionisten in der Hauptstadt den Mag­­naten spielen wird, so lange es unserer „Jugend nicht als Ziel vorschweben wird, dem Praktischen, Reelen nachzustreben, statt die Zahl jener zu vermehren, die troß der vielen Protestionsämter doch nicht mehr in Amt und Würde gelangen können und irgendwo als Diuinisten und Kopisten ein dürftiges Dasein fristen, haben wir seine Heil­­sam­e Wandlung zu gewärtigen. So lange unserer Industrie, so wie in Deutschland, nicht alljährlich eine Anzahl junger Männer zuströmt, die neben vollendetem Fachwissen auch ein hohes Maß der Allge­­meinbildung besaßen, wie solche an einer gut geleiteten Mittel­­schule sich angeeignet werden kann, Industrie nicht vorwärts kommen, so lange wird auch unsere An unseren leitenden Männern des Unterrichts ist es, während der Schulzeit der Sucht der Jugend entgegen zu arbeiten, sich selbst, dem eigenen Interesse zu leben und den Staat als eine Melkkuh anzusehen — und in der Jugend nicht jene ganz und gäbe Charakterlosigkeit aufkommen lassen, welche sich allem beugt, was von Höheren kommt, weil zu sie nichts durc eigene Kraft, Alles durch die Gunst Anderer hofft. Man bilde eine selbstbewußte Jugend, die ihr Ideal nicht in einem guten Amte, das nichts zu thun, zu verdienen gibt, sucht, sondern dort am Felde der aber viel Conkur­­renz gemeinnüßiger Thätigkeit, an der Spize Ruhm und Ehre bringender Unternehmungen — in den Reihen der Männer der Arbeit, der Industrie und des Gewerbes. Lo­kal-Nachrichten. — Jubiläum Se.Hw., der Jubilar-Priester, Abt u. Lector- Domherr Johann W­o­l­ny beging am 8. September, ganz still, im Kreise seiner nächsten Anverwandten wieder ein Ju­­biläum , nämlich den 30. Jahrestag seiner­ allerhöchsten Er­­nennung zum Domherrn, körperlich unter der Last seiner 79 Lebenjahre gebrochen, jedes frischen Geistes wie früher. — Gleich wie sein vor sechs Jahren und lebhaft begangenes 50jähriges Priester-Jubiläum ihm blos einen Anlaß bot, die sehr arme Pfarre Sáros-Szentmihaly durch eine Stiftung im Kapitalbetrage von 1000 fl. zu bessern ; — eben­so gab dem­­selben auf das nun begangene dreißigjährige Domherr-Jubi­­läum die Veranlassung, eine Stiftung im Capitalbetrage von 1100 fl. zu Gunsten des Organisten und Schullehrers in Sacza-Buzinia, — wo er früher als Pfarrer und De­­kant wirkte, — zu gründen, welche Stiftung vom hochwür­­digsten Herrn Bischof mit Herzlich innigen Dank genehmigt, mit Dekret bestättigt, an die hierortige Verwaltung der From­­­men Didcefan-Stiftungen geleitet wurde. sb — Sitzung des Verwaltungs-Ausschusses. Die­­ Verwaltungs-Kommission des Abauj-Tornaer Komitats mumnicipiner wird ihre diesmonatliche ordentliche Si­­tzung im Hotel Europa nächsten Donnerstag d. i. den 13. l. Mti nach 10 Uhr Vormittags abhalten. Ein Märtyrthum der Liebe.­ ­ Novelle von Bernhard Sc­holz. Ein schöner Sommermorgen lag auf der Landschaft zwischen den Alpen und der Erbene. In voller Klarheit und oldenen Strömen floß das Licht über die Erde. Kein Nebel fin aus dem See, sein Duft verhüllte die Spitzen der Berge. Die Wiesen dufteten wohl frischer, aber kein Thau drückte das Gras ; schon in früher Morgenstunde gewann die Sonne ihre volle Kraft. Ein Alpensee an einem Sommermorgen. Wenn das Frühlicht die Ufer streift und über dem Wasser­­spiegel flimmert, kein Windhauch den Glanz der Ufer trübt, kein Wellenschlag die Fläche des Sees — es ist ein Bild, so schön die Erde eines hat. Sein Glück, sein Glanz und der Frieden einer großen, ergreifenden Natur erfüllt die Men­­schenseele. Wer glücklich sein kann, ist es hier ; die Hoffnung lächelt in solchem Glanz goldener und die Erinnerung athmet tiefer, en zuhiger. a’ Hugo, den Die­igen Schläge seines Herzens nicht Hatten schlafen lassen, war früh herausgegangen an das Ufer des­ Sees. Unruhig schritt er dort auf und ab, kehrte in das us zurück zu dem Frühstü> und nahm zerstreut an demsel­ 1. Theil. Mechtilde saß ihm wie gewöhnlich gegenüber­ Alice an seiner Seite. Es konnte nicht fehlen, daß seine Verstreutheit bemerkt wurde und er, er hatte ja seinen An­­laß, aus ihrer Ursache ein Geheimniß zu machen. Voll Ueber­­raschung hörte die muntere Gesellschaft die Nachricht seiner Ein- Berufung und die Gewißheit des Krieges. Aber nur ein Antlitz unter allen entfärbte sic: das Mechtilden­‘s. Alice war, als die jüngste der Töchter, unmittelbar ehe Hugo sprach, Hinausgegangen, eines Auftrags der Mutter wegen, sie empfing die Nachricht erst, als sie zurückkehrte. Sie war überrascht,­­aber sie erbleichte nicht. Lächelnd trug sie Hugo, ob er dem Befehl unbedingt folgen müsse, ob er nicht Hier unter ihnen bleichen könne. „Dann müßte ich meinen Abschied nehmen. „Und warum than Sie das nicht ?“ antwortete Alice unbefangen. Hugo erhob sein Auge zu ihr, aber schön hatte sie ihren Kopf herumgedreht und sprach mit ihrem Nachbar auf der anderen Seite weiter. Mechtilde war still geblieben. Ein flüchtiger, glühender Bli> fiel aus ihrem Auge auf Hugo, als dieser die Gesell­­schaft in Kenntniß setzte, von der Nachricht, die übrige Zeit sah sie stille vor sich hin. Sonst wurde während des Früh­­stürs das Programm des Tages entworfen, welches Morgens gewöhnlich mit einer Wasserfahrt begann. Diesmal vergaß man's; man erhob sich, auch zeitiger von dem Tische, als sonst. Jedes Glied von der Gesellschaft fühlte sich etwas ge­­stört duch Hugo’s Mittheilung, denn man hatte ihn lieb gewonnen und dachte ihn aus diesem fröhlichen Kreise sobald nicht scheiden zu sehen. Nur Alice empfing von der Mutter einen Vorwurf, als sie unmittelbar nach dem Frühftüd in irgend einem Gespräch hell und froh auflachte. „Du sc­heinst Dich über den nahen Abschied unseres Gastes nicht zu grämen, böses Kind“, sagte die Mutter. „D­­er wird ja nicht gehen“, erwiderte sie fröhlich und flog die Thüre hinaus. Hugo hatte die Worte gehört, ein schmerzliches Zucken spielte um seinen Mund. Mechtilde war nicht mehr zu­gegen, sie hatte zuerst das Zimmer verlassen. In wenigen Minuten war die ganze Gesellschaft, die sonst vereinigt und heiter hinab nach dem See zog, getrennt, jeder ging mit seinem Gedanken allein. Hugo sah Alicen in der Küche, er selbst trat in den Park. Dort fand er­ Mechtilden ; sie war in demselben tief gegen den See hinabgegangen und saß auf einer Bank, an eine Linde gelehnt, die weithin sichtbar war. Hugo bat um die Erlaubnis, ihr Gesellschaft leisten zu dürfen, mit leiser Stimme bat sie ihn Platz zu nehmen. Ein paar gleichgiltige Worte wurden gewechselt, aber die Herzen beider waren zu voll, er konnte nicht lange so bleiben. Eine gepreßte Stille, ein bebendes Wort von Seiten Hugo’3 . und Mechthilde vernahm, was ihr klang, wie vernichtender Donner , ungeahnt, unvorbereitet traf ihr Herz der Schlag, der das Todesurtheil ihrer Hoffnung und ihres Glückes war. Nur das Zittern von Hugo’s eigenem Blute, die brennende Gluth, welche im sein Auge getreten war, ver­­hütete, daß er das Erbleichen Mechtildens gewahrte und jenen Sturm, der alle Blütheit ihres Lebens mit einem Male über die Größe starker Seelen be­­ginnt, wo ihre Hoffnung endet. Ein Augenblick des Zitterns, der tiefsten Zerknirschung zahlt der menschlichen Natur ihren Tribut; eben trat Dich der, an dessen Lippen Dein Glück, in den Staub schüttelte. Deine Hoffnung hing, kalt und theilnahmslos in den Staub, aber schon in der nächsten Minute, indem Du der Hoffnung entsagst, ebenso wie der Rache, stehst Du hoch, himmelhoch über ihm und. Dein Segen wäre eine Gnade, die er erflehen würde, wenn er die Größe: Deines Unglücks und Dein­er Entsagung ahnen könnte. „Ich kenne Alicen's Empfindungen nicht,“ sagte Mech­­tilde, „aber wenn sie auf mich hört, und sie pflegte es sonst zu thun, so glaube ich, Sie werden nicht bereuen, sich an mich gewendet zu haben. Gehen Sie inzwischen zu unsrer Mutter und erwarten Sie mich vor Tische.“ ee. Voll Entzüden faßt Hugo Mechtilden's Hand und faßte sie. Daß sie eisfalt war, fühlte er nicht. Hastigen Schrittes entfernte er sich. Mechtilde blieb zurück. Sie sah ihm nicht nach, sie hörte nicht mehr auf seinen Tritt, wie sie sonst zu thun pflegte, sie blickte still und schweigend hinaus in­ die stille frühlingstruffene Welt. Die Lerchen sangen, im Blau verloren, über ihrem Haupte und vom Ufer des Sees tönte ein leiser, leiser Wellenschlag ; ein­ frischer Morgenwind strich spielend über die tiefblaue Wasserfläche daher, kämpfte Inmitten dieses Friedens und der Herrlichkeit der Natur sie ihn durch den schwersten Kampf ihres Lebens. Nicht in Strömen von Thränen löste sich ihr Schmerz, lang­­sam in großen Pausen rann eine Thräne über ihr Antlitz, deren Spur sie jedoch rasch­­ wieder mit ihrem Taschentuch tilgte. Ein Lächeln, jenes der Hoffnungslosigkeit und eines aus­­gefumpften schweren Kampfes flog dann über ihre bleichen Züge, aber auch dies verschwand bald, sowie die Thräne, und dann blieb der Ausbruch ihres Gesichtes wieder lange Zeit unbewegt. Was aber in ihrer Seele vorging, wer möchte dies sagen ! Denn mit dieser Hoffnung sank ihr Leben und blieb immer blüthenlos und lichtlos. Sie hatte als Kind eine Schwester sterben sehen, schön wie Alice war; sie wollte sie damals von der geliebten Tochten nicht trennen, man mußte sie mit Gewalt hinwegführen. Sie hing an der Ent­­schlafenen noch jet mit aller Kraft ihrer Erinnerung und ihre abgöttische Zärtlichkeit für Alice mochte wesentlich daher kommen, weil diese der Verstorbenen ähnlich sah wie einem Zwilling sich weiter. (Fortsezung folgt.) “ 3­­ + (Fortsetzung). IV, Ve 2

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