Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1889 (Jahrgang 51, nr. 115-151)

1889-11-21 / nr. 136

7 uE 1.65 Kasch­au, Donnerstag, Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. SL. November — BE a Ng ÍTETT Pränumerationspreis ohne „Zunftr: Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl.“ 5.—, halbjähr: fl. 2.50, vierteljähr. N; 1.25 5% Kaschau ; it Postversendung : ganzj. fl 6.60, „N 3.30, ik Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 tr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. Mit, dem „Jliustr.. Unterhaltungsblatt‘ ganzjährig A. 7.­­, halbjähr.­­ 3.30, vierteljähr. fl. 1.75 a­n Re­lé mehemen und öfter eingeschaltet werden <zu­­. KASSA-EPERJESI ERTESITO. Redaction nnd Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. Für Kaschau : Mit Wortnersendung : ganzi.. il. 8.60 Bei Inseraten, welche größeren Raum i EH Git | * 2 [13 bi­s € | Neueste Nachrichten­ gegen Ungarn. Die Opposition plant einen großen Angriff Ti­pa und wird die Frage der Repatiürung Kossuth­ s als Anlaß hinzu nehmen. 23. Mitglieder der Unabhängigkeitspartei wollen aus derselben austreten und eine „radikale­“ Partei bilden, weil es ihnen mißfällt, das Irányi mit Tipa wegen obiger Frage nicht Oesterreich­ in ihrem Sinne paktiren will. Die Vertheidiger der samosen Aus­­wanderungsagenten, gegen welche­ jegt in Wadowice verhan­­delt wird, protestirren dagegen, daß­­ der Staatsanwalt die Anklage gedruckt unter die Geschworenen vertheilen ließ — oder sie sollen, eine Gegenschrift unter die Geschworenen ver­­theilen dürfen. Der Gerichtshof lehnte beides ab. Rußland. Hier beschäftigt der Sturz Dom Pedror alle Kreise, hauptsächlich­ den Hof und den Czar, welches große Theilnahme für diesen Fall an den Tag legte. Belgien. Die Anti-Sklaverei-Konferenz tritt Montag zusammen. Großbritannien. Der­ Polizeichef von London, Mon­­roe, will zurücktreten, da die Verhaftung von Aristo­­kraten, die in eine Skandalaffaire verwidelt sind,­ die sich in einem vornehmen Londoner­ Club ereigneten, durch die Intervention hochstehender Persönlichkeiten verhindert wird. Im Falle dieser Demission wäre das Unterhaus ge­­zwungen, sich mit der Sache zu befassen und wenn es sich bewahrheiten sollte, daß der Minister des Innern, Mathew, die Ausführung des vom Polizeirichter ausgegebenen Ver­­haftsbefehls vereitelte, wären die Tage des ganzen Kabinets gezählt. Im Ganzen sind einundsechzig Mitglieder der höch­­sten Aristokratie kompromittirt, von denen eines nach Indien, zwei nach Frankreich geflüchtet sind, die Uebrigen halten sich verborgen, Spanien und Portugal. In Madrid und Lissa­­bon soll ein Militäraufstand ausgebrochen sein. Nähere Nach­­richten fehlen. Italien. Der Deutsche Kaiser hat den König Hum­­bert und den Prinzen von Neapel für den nächsten Sommer auf einige Jagdparteien eingeladen, aus welchem Anlasse dann auch die Königin von Italien der Deutschen­ Kaiserin einen Besuch abstatten dürfte. Crispi wird eine Vorlage in der Kammer einbringen, welche die Verbindung Roms mit dem Meere durch einen Canal bezieht, dessen Herstellungskosten auf neunzig Millionen Francs veranschlagt sind. ürfei. Der armenische Kurdenhäuptling M­ussa Bey, welcher wegen der ihm zu Last gelegten schweren Mifjeldaten nach Konstantinopel kam, hatte vorgestern vor dem Kriminalgerichte in Stambul ein Verhör. Die erste öffentliche Verhandlung des Prozesses findet am nächsten Samstag statt. Rumänien. Das neue Ministerium hat am 17. den Eid abgelegt.­­ Nachdem Herr Holban aus rein persönlichen und nicht politischen Gründen das ihm angebotene Portefeuille des Unterrichts nicht annehmen konnte, wurde Justizminister Rosetti mit der interimistischen Leitung des Unterrichts­­ministeriums betraut. Griechenland. Das im Piräus ausgebrochene Dengfieber greift wieder um sich. Wie versichert wird, wurden 2000 Personen, darunter auch der österreichisch-unga­­rische und der türkische Konsul, von demselben befallen. Brasilien. Dom Pedro II. erhält '2'­, Millionen Dollars, sowie­­ 450.000 Dollars Jahrespension als Ent­­schädigung. Nordamerikanische Einflüsse scheinen den brasilia­­nischen Vorgängen ebenso wie bei der jüngste Umwälzung in Venezuela nicht fremd zu sein. Der Herzog von Nemours bestätigte in einem Tele­­gramm an die Königin von England, daß der Kaiser von Brasilien sich nach Europa eingeschifft habe, ohne irgend­­welches Ungemach erfahren zu haben. Aus dem Reichstage. Sikung vom 18. b. Das Abgeordnetenhaus begann heute unter ziemlicher Theilnahmslosigkeit die General-Debatte über das Budget, welche nach den bisherigen Anzeichen kaum mehr als zwei bis drei Ligungen in Anspruch nehmen dürfte, da die Parteien das Hauptgewicht auf die Detailberathung zu legen wünschen. Die Nothwendigkeit der dauernden Herstellung des Gleichgewichtes wurde allseits hervorgehoben. So­­wohl Referent Hege­düs, wie insbesondere Abgeordneter Rakovsky mahnten eindringlichst zur Sparsamkeit. Ab­­geordneter Helfy, der Financier der äußersten Linken, hielt heute dem Minster-Präsidenten Tisza ein ganzes Sündenregister vor. Er besprach namentlich die staatsrechtlichen Fragen und betonte, T­i­p­a habe in diesen eine so unglück­­liche Hand, daß, wenn die Majestät schon bereitwilligst den ungarischen Wünschen gerecht wird, dies in einer Weise ge­­schieht, daß neue staatsrechtliche Gravamina entstehen müssen. Redner berührt die Mo­norer Fahnenaffaire und findet es unverantwortlich, daß, wenn wirklich nur von Signal­­fahnen die Rede ist, die Regierung der Krone einen so ve­­hementen Ausbruch der Indignation anräth. Was habe Gra K­al­noky bei dem Handschreiben in Angelegenheit des Titels der Armee zu suchen ? Es sei zu bedauern, daß der Minister-Präsident sich“ nicht eine solche Stellung zu erringen wußte, daß das Handschreiben an Dann sprach Redner von der i­hn gerichtet worden wäre. Ver­waltungsreform und sagte, von jeden Minister wisse man mehr oder minder was man von ihm zu erwarten habe, nur vom Minister des Innern wisse man nichts. Tisza, der stets für die Auto­­nomie der Municipien eingetreten, hätte sich anständigerweise zurückziehen , ehe er sich für staatliche Verwaltung er­­klärte. Die Ausführungen des Redners fanden auf der li­n­ken Seite des Hauses Beifall. IVR Der zweite Tag der Budgetdebatte brachte Kornel Albranyıs Rede gegen Tipa, der „an Allem Sc­huld“ sei. ad am sd 3 1 RA­HE TITADIKE 4 de­nk. B Lofal-Nachrichten., Das Namensfest der Königin wurde hier in jener soleinen Weise begangen, die den Gefühlen entspricht, welche ganz Ungarn für die geliebte Königin hegt. Tagüb­er waren alle­ öffentlichen Gebäude, Anstalten und Säulen, so wie viele Privatgebäude behißt und der Beginn des Jahr­­marktes trug dazu bei, ein belebtes Bild des Verkehrss in unserer Stadt zu schaffen, das zu dem Festtag? eine gute Staffage bildete. j Se. bischöfliche Gnaden Dr. Sigismund Bubics celebrirte. unter großer Assistenz das Hochamt, dem tieren des Civil- und­ Militärstandes und eine große Honora- Anzahl Andächtiger beiwohnten. : — Se­ bishöfl. Gnaden gab gestern anläßig der Glühwünsche des hw. Capitels zum Anniversarium des An­­trittes des Kaschauer Bischofssitzes eine Festtafel, zu welcher die hw. Capitelgeistlichkeit geladen war. — Dank der Negierung. Der kön­ ung. Mi­­nister für Cultus und Unterricht drückte dem Diözesanvisc­hof von der Zips, Se. Hohm würden Georg C 34 ß ka den Dank aus Anlaß dessen aus, daß er zur Ergänzung des Gehaltes des Lehrers der Hngileczer Säule im Komitate G­ö­mö x, einstweilen für drei Jahre, je 40, also im Ganzen 120 Gulden aus eigener Privatkasse gespendet hat. — Edle Spende. Anläßig der Vermählung ihrer Tochter Fräulein Bertha Weinfeld mit Herrn Schrift­­steller und Redakteur Josef V 8r­t­e 88 in Budapest spendete Frau Josef Weinfeld dem hiesigen i3r. wohlthätigen Frauenverein 25 fl., wofür der Verein seinen innigsten Dank ausspricht. : EN 8. Die Testamentsflanfel. Novelle von Marie Widdern. Fortießung. Endlich gegen drei Uhr, nachdem Egon lange wieder daheim und vergeblich gesucht hatte, sich Ruhe in die Seele zu schreiben, war Lola wieder bei den Ihren. Aber sie sah verweint, fast verstört aus. Ohne das versprochene, erklärende Wort, und mit einer kurzen Entschuldigung, daß ihr nicht wohl sei, begab sie sich sofort hinaus in ihr eigenes Stübchen. . „Welch' ein wunderliches Benehmen !“ rief der Referen­­dar jedoch in höchstem Unmuth. Auch Frau von Wangern zeigte sich­ mißgestimmt. Sie sprach etwas von nicht verdien­­ter Verschlossenheit und einem Stolz am falschen Plan. Dann klingelte sie­ und gab dem eintretenden Mädchen den Befehl, das Fräulen zu fragen, ob sie ihr das Mittagessen, welches für ihr warm erhalten worden, nach oben bringen dürfe. Aber Lola wollte nichts genießen. Sie ließ nur um die Erlaubniß bitten, allein bleiben zu dürfen : eine Viertel­­stunde — eine halbe , was wußte sie. — „Es ist ihr ohne alle Frage etwas sehr Unangenehmes, sie in ihren innersten Gefühlen verlegendes widerfahren !" sagte Frau von Wangern, als die Magd hinausgegangen. „Und ich bleibe dabei,“ setzte sie hinzu, „daß es sie um Ottilie handelt, welche jedenfalls in der allertraurigsten Verfassung zurückgekehrt ist . . . Aber ich war gleich dagegen, das Mäd­­chen dazumal mit den landfremden Leuten in die weite Welt ziehen zu lassen.“ Der Besuch der Frau Gerichtsrath Lehmann, welche eine nahe Bekannte der Wangern war, unterbrach das Zwie­­gespräch zwischen Mutter und Sohn. Letterer wollte die Da­­men sofort allein“ lassen, als der Gast mit sonderbarer Erre­­gung sagte : „Aber die Herrschaften scheinen noch gar nicht zu wissen, was passirt ist ? — Hat die Schredensnachricht, die die ganze Stadt in Aufregung verseßt, Sie denn wirklich nur nicht erreicht ?" „Welche Schredensnachricht ?“ kam es von zwei Paar Lippen. Und­­­ sonderbar­­ in der Seele Frau von Wangern8 tauchte der Gedanke auf, daß diese Schreiens­nachricht auf irgend­welche Weise in Verbindung mit Lola's verstörtem Wesen stehen müßte. „Also, wahrhaftig, Sie wissen noch nichts ? Man hat Ihnen noH nicht die Nachricht gebracht, daß — Fräut­­lein Lätitia Giovelli = ermordet — vergiftet worden ist ? !" „Lätitia — ermordet — vergiftet ?" Mutter und Sohn waren starr“ vor Schreden. „Aber wann ist die fürchterliche That vollbracht worden ?“ fragte Frau von Wangern, an allen Gliedern zitternd. „Vor einer — zwei Stunden vielleicht !“ erwiderte die Räthin „Ich traf vornhmn meinen Hausarzt, der, noch ganz verstört, direkt aus der Villa­­ kam. Ihm danke ich die erste Nachricht von dem grausen Ereigniß. Und er erzählte mir auch, daß­ er die Leiche noch warm gefunden.“ „Aber um Gottes willen, das ist ja entseßlich ! — Und hat man seine Ahnung, wer der Thäter war ? — Weiß man nicht, ob ein Raubmord vorliegt ?" fragten Mutter und Sohn wie aus einem Mund.­­ „Das legtere muß ich verneinen ! Was aber den Mör­­der anbetrifft," sagte die Gefragte, „so soll zuleit eine junge, bildhübsche blonde Dame bei dem Fräulein gewesen sei, welche dem Portier und dessen Tochter aber ganz unbekant war. Der Mann ist übrigens erst seit einem Jahr in der Villa, und überhaupt noch ganz fremd in der Stadt.“ „Eine junge blonde Dame !“ hauchte Frau von Wan­­gern, und Leichenblässe überzog ihr Gesicht. Aber sie faßte sich sofort wieder. — Welch­ eine grause, widersinnige Idee war ihr da gekommen ? — Wie konnte gerade sie, die edle, harmlose Frau so etwas denken. — Es war nun selbstverständlich, daß — der Besuch der Ge­­richtsrät­in heute nicht allzu lange währte. Die Dame begriff sehr wohl, daß die Nachricht, die sie in das Wangern'sche Haus gebracht, im höchsten Grade erregen mußte. Sie mußte ja, wie die ganze Stadt, welcher Umschwung in den pekuniären Verhältnissen der Familie durch Lätitia's Tod eingetreten.­­ Gerade als sie das Haus verließ, um zu anderen Freun­­dinnen die prinlende Schreienskunde zu tragen, hielt ein ge­­schlossener Miethswagen vor dem Port an. Frau Ruth Lehmann war eine echte Evastochter, neugierig in einem Grade, der aller Beschreibung spottete, und so konnte sie denn auch nicht unterlassen, „stehen zu bleiben, um zu sehen, wer dem Ge­­fährt entstieg. Wie erstaunte — erschrak sie aber, als sie in den drei Herren, die sehr auf der Schwelle des Wangern'schen Hauses standen, Bedienstete der heiligen Hermandad erkannte. War es denn denkbar — möglich ? Konnte selbst dieses Engel antlig nur eine Larve sein, die sich über eine schwarze, unwürdige Seele breitete, eine Seele, die selbst vor dem Aeußersten nicht zurückschreite ? ! — So ging es von Mund zu Mund. Ueberall standen auf den Straßen Menschen zu­­sammen und fragten sich : „Haben Sie denn schon gehört, die budlige Italienerin in der Villa Steinberg ist vergiftet worden, und die die That vollbracht, war Niemand anders als die Schüßlingin Frau von Wangerns. Sie wissen doc, die Tochter der armen Hartmanns auf dem Weinberg, die dazumal — vor Jahren bei dem großen Feuer in der Stadt so elend um das Leben gekommen sind “."­­ „Was sagen Sie — „Ja, ja!!! Ein junges die Lola — ? !“ war kurz vor dem Unglück bei blondes, bildhübsches Mädchen der Giovelli, und die Bedien­­steten der Ermordeten haben einen heftigen Wortwechsel zwischen den beiden Damen gehört. Dann aber sah der Portier die Fremde blaß und verstört ihr Taschentuch zurückgelassen aus dem Hause stürzen. Sie hat und einen Handschuh . . Als vielleicht eine Stunde darauf die Giovelli nach ihr­er Wirthschafterin klingelte, fand letztere die Herrin schon im Verscheiden. Die Unglückliche hatte kaum noch die Kraft­ sagen : . Lola Hartmann war hier­­— sie hat mich vergiftet zu !“ „Und liegt ein Raubmord vor ?* Si „Wahrscheinlich ! Eine“ prachtvolle Kassete, die vor der Todten auf dem Tische stehend gefunden wurde, war wenig­­stens vollständig geleert. Uebrigens liegen auch noch andere Ursachen der fürchterlichen That zu Grunde. Lola Hartmann ist die Braut des jungen Wangern. Und mit dem Tode der Italienerin tritt laut dem Testament des alten, verrückten Steinberg, der dem Höckerchen zuliebe seine nächsten Verwand­­ten enterbte, der Referendar doch noch in den Besitz der hinterlassenen ee des Verstorbenen.“ „Ah — sl' M­ ENE lie man hin und her. Im Wangern’schen Hause aber herrschte grenzenlose Verwirrung. Freu von Wangern lag weinend auf dem Sopha in der Wohnstube. Der Referendar jedoch rannte wie ein Irrsinniger umher. Hatte doch Frau Fama insofern die Wahrheit geredet, als seine kleine, holde Braut wirklich auf das Dringenste jenes entsetzlichen Mordes verdächtig wurde, der ihn, Egon von Wangern, doch noch zum Universalerben seines Onkels machte. Und das Fürchterlichste war noch : Man hatte Lola bereits verhaftet. In einem verschlossenen Mieths­wagen führte man das junge Mädchen nach dem Kriminalgefängniß­­ aus dem Hause hinweg, in dem sie so lange eine Heimath gesehen. Und sie hatte doch so inständig gebeten, daß man an ihre Unschuld glauben möge ! ! Fortlegung folgt. | |

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