Kaschauer Zeitung, Juli-September 1893 (Jahrgang 55, nr. 75-113)

1893-09-16 / nr. 107

EZE E RUS RER EEE EEE EEE ER ER TEE VE IEEE Du GEN SCH TVE: = ee IS ES EHI SPIEL a 2 SE; ee Tees A 6 Fünfundfünfzigster Jahrgang 1893. Xr. 107. Kaf­ag 16. September. oschauer Zeitung. KASSA-EPERJESI ERTESITÖ. Brämumerationspreis der „Kasc­hauer Zeitung “ Dus, vierteljähr. A. 1.25 1.65 Für KafHan : ganzjährig fl. 5.—, halbjähr. fl. und Samstag. it Postversendung: ganz]. fl. 6.60, = a 30. “ Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Z Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. |! Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag. Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 64. | Pränumerationspfeis Ber Fär Kaschau : Mit Pofstversendung : ganzi. fl. 6.60 £ KasSauer Zeitung“ ganzjährig A. 5.—, halbjähr. E­lle viertelt, § er Bei Anjeraten, welche größeren Raum einnehmen, und wird ein entsprengender Rath gewährt, eingeigalte werden Einladung zur Pränumeration auf die „Ka­schauer Zeitung“ für das IV. Quartal 1893. Erscheint : Dienstag, Donnerstag und Samstag. Mit 1. October 1893 beginnt die „Kasc­hauer Zeitung “ das IV. Quartal des 55. Jahrganges mit dem Vertrauen auf die fernere Gunst ihrer geehrten Leser, welche bisher dem Blatte seiner Haltung wegen, wie auch dessen Bestreben nach Befriedigung in publizistischer Hinsicht anerkennend, ihre­­ Gewogenheit bewahrten. Pränumerations-Preis: Ganz­. mit Postversend. fl. 6.60 für Kaschau fl. 5.— Halbj. „ 5. fl. 3.30 „ „ 4.2.50 Viertel]. „ = fl. 1.65 , = fl. 1.25 Inserate finden nurbringendste Verbreitung, da unser Blatt in Kaschau fast in jedem Hause und in ganz Ober­­ungarn bei der Intelligenz verbreitet ist und dadurch einen stabilen Abonnentenkreis errungen hat ; dieselben Haben deshalb auch stets sicheren Erfolg, senden wir auf Verlangen Probe-Nummern gratis und franco ein. Diep t­­auwärtigen Bränemeran 4­e­n werden ersucht, bei Erneuerung der Pränumeration, der Bequemlichkeit und Vereinfachung wegen sich gefälligst­­er Boftanweisung zu bedienen. Die Administration der „Kaschauer Zeitung“. Kasc­hau, Hauptgasse Nr. 64. 104 a SE de SE or uam uns. = Te RIED, Neueste Nachrichten. Ungarn. In Belényes und in den umliegenden Dörfern herscht eine so gereizte Stimmung, daß die Ruhe nach der Ansicht des Oberstuhlrichter3 fortwährend gefährdet ist. Mit Nachsicht auf das gespannte Verhältniß zwischen dem dortigen Ungarn und Rumänen will die Komitats-kongregation die Regierung bittet, in Belényes ständig einige Kompagnien Militär zu disloziren, i­­n Apatin verdlu­­ten die Bauern, weil man die dif­­ferin­g franfen Kinder in eine separate Barake transportirte und mißhandelten die betreffenden Wärter. Die Anstifter wurden in­s Zomborer Gefängniß gebracht.­­ Oesterreich. Die „Wiener Zeitung“ v. 12 b. veröffentlicht zwei kaiserliche Verordnungen, welche über Prag und Um­gebung den Aus­nahms­zustand verhängen. Die 88, 12 und 13 des Grundgesetes über die allgemeinen Bürgerrechte sind bis auf Weiteres suspendirt, somit sind das Versammlung­srecht, das Vereins­recht, die Rede­ und die Preßfreiheit aufgehoben. Auch ist für die Dauer eines Jahres die Schwurgericht­sbarkeit im ganzen Prager Landesgerichts-Sprengel suspendirt. Der bezügliche Vorschlag des Gesammtministeriums an den Kaiser datirt vom 22. August d. J. Er ist sonach auf die ans­tidynastischen Gemeinheiten zurückzuführen, in denen sich der jungezechische Mob in Prag am Geburtstage Sr. Majestät gefiel. Die Verordnungen selbst tragen das Datum vom 12. September, das Datum des September-Reskriptes welches vor 22 Jahren die böhmische Königskrönung in Aussicht ge­­stellt hatte. Am 14. wurden in Prag 13 Mitglieder des sozialisti­­schen Geheimbundes „Omladina“ verhaftet und dem Strafgericht eingeliefert. Die Zahl der bisher Verhafteten beträgt 60. An einigen Punkten wurde der deutsche Text der Aufnahmebundmachungen herabge­­rissen oder desirmiert und mit Exemplaren der „Narodni“ überklebt. Großbritannien. Die liberale nationale Vereinigung erließ ein Manifest, worin das Oberhaus heftig angegriffen wird, welches durch die Ablehnung der von dem Unterhause angenommenen Ho­­­­­­m­mertifes Bill nur sich selbst vertrete. Das Manifest protestirt gegen die Anmaßung der Lords, eine Auflösung des Unter­­hauses herbeiführen zu wollen. Die Frage das Ob­erhaus abzuschaffen, oder umzugestalten, werde künftighin einen wich­­tigen Plan im Programme der Liberalen einnehmen müssen. Die erste Division der englischen Eskadre wird vom 11. bis 31. Oktober in Italien verbleiben und die Häfen von Tarent, Catania, Neapel, Castelmare, Spezia und Genua besuchen. Nordamerika. In Pittsburg wurde ein Advocat verhaftet, der ein Complott gegen das Leben Clevelands organisirte. Lolal-Rahm­d­en. = Bürgerfest. Donnerstag feierte die hiesige Bür­­gerschaft in zwei Acten das Fest der Verleihung des königl. Raths-Titels­ an den Präsidenten der Handels- und Gewerbes­kammer Herrn Alexander N­o­v­ell­y sen. Vormittags ver­­sammelten sich die Mitglieder genannter Kammer nebst den Deputirten des Handelsgremiums und der Gewerbecorpora­­tion und Vertretern anderer Stände im Saale der Kammer, u wo auch der Herr Obergespan Sigmund von Psay er­­schien, von allseits mit freudigen Essens und vom Kammer- Vicepräses Herrn K. Szakmáry mit kurzer Anrede empfangen. Der Herr Obergespan drückte in seiner dießfall. Ant­­wort seine stete Bereitwilligkeit aus, immer zu Gunsten der Handels- und Gewerbewelt interveniren zu wollen, sobald sich jemand die Mühe, an ihn sich zu wenden, nicht vers­crießen läßt. Der neue königliche Rath wurde alsbald von a. einer ihn abholenden Kommission in den Saal gebracht, wa­­ derselbe, mit allgemeinen Essen­ s empfangen, nach kurzer aber sehr treffender Ansprache des Obergespans sich sehr für­ die ihm dargebrachte Ovation bedankte. Nachdem sprach Eugen De­il, Korporationspräses Kr­otkov­sky und der Han­­delsgremium-Sekretär Julius Tattarsky, denen­ der Gefeierte nur kurz dankend antwortete. Herr Kammersekretär D­e­il dankte noch dem Herrn Obergespan für seine warme persönliche Theilnahme und Mühe beim heutigen Feste, worauf dieser wiederholt seine stete Be­­reitwilligkeit zur Unterstüßung jedes Strebens brach, was Die heutige Nummer umfaßt 8 Seiten. «endlich siegte die Senilleton. Dämon Liebe. Roman von Hermann Thom. (Bortregung.) Aber man belästigte sie selten. — Großmuth und­­ Mitleid waren ihrer Seele fremd ; sie legte den Brief mißmuthig bei Seite, aber immer wieder fiel ihr Blik auf das nach Art der Landesleute vieredig zusammengelegte Schreiben mit­­ einem Siegel, das offenbar mit einem anderen Gegenstande, als ein­eBeiichaft aufgedrüht war. Sie belastete ihn, das Rapier war Did; es konnte wenig oder viel enthalten, enzierde. — Sie öffnete ihn und blickte mag der Unterschrift. — Leichenbläffe bedecte ihr Gesicht. Der Brief enthielt nur wenige Beilen : „Ich bin sterbend, wenn Du wissen willst, was mit “Deinem Kind geschehen, so komme eiligst. — Schließe ich die Augen, ohne Dich gesegen zu haben, wirst nimmermehr Wissen es zu finden. Barbara Kettner.“ Wie ein Donnerschlag traf sie die Nachricht. Sie dachte, es wäre gestorben. Was kümmerte sie jezt der Fraß, ob er lebt oder tot ist , wahrscheinlich in Noth und Elend „aufgewachsen, behaftet mit den Lastern, welche in diesen allen nur zu häufig sind. Was sollte sie damit ? Jett, wo je auf dem Punkte­ steht, in einem anderen Welttheil unter den glücklichsten Auspicien ein neues Leben zu beginnen an der Seite eines geliebten Mannes, wo der Himmel ihr vielleicht Kinder geben würde, die nur mit Verachtung auf das verwahrloste Pfand einer jugendlichen Verirrung bilden “würden. Ein Kind, welches ihr fremd und im besten Falle ‚ein ewig lebender Vorwurf sein würde, ein Dorn in ihrem Fleisch. Nein! In wenigen Stunden tritt sie in den Ehestand .Und nun sollte sie den Himmel ihres Glückes trüben, durch „einen Blik in die Vergangenheit “ nimmermehr. Sie zerriß den Brief in kleine Stücke, ohne auch nur die darin enthaltene Adresse zu lesen und zündete die einzel­­nen Fragmente bei der Spirituslampe an. Sie war eben fertig geworden, als ihr Bräutigam zu­­rückkehrte.­­ Er reichte ihr ein duftendes Sträußchen, dann theilte „er ihr mit, daß er noch eine Ueberraschung für sie habe. „Und nachdem er sie hin- und herrathen ließ, überreichte er ihr das Dienstbuch der Lisel.­­ „I< habe das Mädchen gleich fest mieten lassen , da ‚aber derlei Landmädchen sehr geschwäßig sind, so denke ich, „ wir lassen sie erst am Bahnhofe zu uns kommen. Mich braucht sie vorläufig gar nicht zu sehen, bis wir aus dem Bereich der österreichischen Behörden sind. Vorsicht schadet nie.“ Sidonie antwortete nicht ; sie zeigte keine Freude über die engagirte Zofe, ihre Gedanken waren bei dem Kinde, das ihr jeßt so ungelegen in­s Gedächtniß gerufen worden war. Sylvio bemerkte die Zerstreuung. „Du denkst an etwas Anderes,“ sagte er lächelnd. Unwillkürlich seufzte sie. — Wenn es der Unglücklichen einfiel, ihr das Kind zu senden, wenn es jekt käme, wo er da ist, eine Stunde vor der Mit unsäglicher Mühe kämpfte Trauung. — Eunt­erlich ! — sie die Aufregung nieder. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß man ja nicht so leicht ihren Aufenthalt entdecken würde. Wer sucht Frau von Brandenthal in Fräulein Falk ? — Das Frühstäb war bald vorüber und dann vers<wand sie, um sich umzukleiden. — Dennoch konnte sie die trüben Ahnungen nicht 108 werden. Mit zitternder Hand beendete sie ihre Toilette. Bei jedem Schritt, jedem Geräusch erbebte sie. Warum solche Kinder nicht sterben können, Die lezte Nadel war gestedt und nun trat sie im Hofzeitsputz hinaus zu ihrem Bräu­­tigam, der, sie wohlgefällig musternd, ihr den Arm reichte. Am Rathhaus gab es einen großen Auflauf. Eine Hochzeit erregt immer Aufsehen ; es sammelt sie eine neu­­gierige Menge, um das Brautpaar in der Nähe zu sehen. „Ein paar hübsche Leute," hieß es: „Freilich scheint sie ein paar Jahre älter, wie der Bräutigam , aber heutzu­­tage ist das keine Seltenheit mehr. Die Braut sieht aber nicht heiter aus.“ =­ In der That, ein düsterer Ausdruch beschattete ihr Gesicht. Eine Civilehe dauert nicht lange. Keine Predigt, keine Ansprache, kurz und bündig wird das Band geknüpft. Si­­donie und Sylvie sind Mann und Frau. Schweigsam gehen sie die breite Treppe hinab. Kein Beistand — keine Kranzjungfer — nichts. Sie hatten als Zeugen zwei von den Beamten im Rathhause gewählt ; sie sind fremd hier, hieß es — um das Andere kümmert man si nicht. Gruppen kommen und gehen. Bauern, Steuer­­pflichtige, Alles stößt und drängt sich. Viele bemerken das Brautpaar gar nicht. Endlich ist der Hausflur erreicht, die Menge, vor dem Rathhaus schreit : „Jetzt kommen's,­“ und da bleiben auch einige Bauern stehen, die eiligst in das Thor treten wollten. Der Vorderste, ein alter Mann, steht der Braut gerade gegenüber, eben als sie in den Wagen steigen will. Ein Bli in ihr Gesicht und er wird fahl. „Fina !“ ruft er laut, indem er sie am Arm faßt, „Fina erfennst Du mich nicht ?" Sidonie, zu Tode erschreckt, bleich wie ein Gespenst, sucht sich dem starken Arme des Bauern zu entwinden. „Sind Sie verrüct ?“ fragte ihn Sylvio, der den Bauer zurücstoßen will. Sie sind nur wenige Schritte von dem Wagen entfernt, aber die Menge vertritt ihnen den Weg und drängt und stößt sich, um besser­ zu hören und zu sehen, was es giebt. Wuthentbrannt hebt der alte Bauer die Hand gegen Sylvio, der sich anschiut, ihn mit Gewalt zu entfernen. „Lassen Sie los,“ schrie er „sonst hau' ich Sie nie­­der!" — „Schanddirne”, sagte er, sich zu der Braut wen­­dend, „so sage ihm doch, wer ich bin und daß ich ein gutes Recht habe, Dig zur Rechens<aft zu ziehen. — Wo ist Dein Kind, die Frucht Deiner ersten Sünde, die Du verstoßen und dem Elende preiggegeben ?" „So habe Sie in meinem Leben nie gesehen, Sie ver­­kennen mich,“ stammelte sie. „&so muß ein Narr sein,“ sagten Einige. „Sa, wie heißt denn die Braut?“ fragt ein Anderer. Sylvio ist kreidebleich; doppelt ist die Angst, die ihm Kehle zuschnürt. Schon heißt er: da kommt Großer Gott, wenn man ihn verhaftete, die Sicherheitswache . Mit aller Kraftanwendung stößt er den folger Gewalt, daß er zu Boden stürzt ; sein Kopf Bauer mit fällt auf das Pflaster und einige Blutstropfen färben den Stein. Er­­ mit Gewalt seine halbohnmächtige Frau in den agen. „Fahren Sie, was Sie können,“ ruft er dem Kutscher zu, „der Mann muß wahnsinnig sein,“ schreit er mit bleißen Lippen in die Menge hinaus. Der alte Bauer rafft fi auf, das Blut rinnt ihm über das Gesicht, aber er hat nuH Kraft genug, um laut auszurufen : „Ich verfluche Dich, Ungerathene — Dich und Deine Kinderkinder," dann fällt er bewußtlos zurück auf das Pflaster. Ein berittener Wachmann holt den Wagen schnell ein. „Stehen bleiben !“ ruft er dem Kutscher zu, dann sieht er in den Wagen hinein. „Bitte um Namen und Adresse.“ „Sysel,“ antwortet Sylvio mit erkünstelter Ruhe, „Goldenes Kreuz, Mariahilf. =­ I< werde sofort Anzeige machen, so etwas ist unerhört,“ sagt er zum Wachmann. Dieselbe Adresse ruft er dem Kutscher zu. „Der Bauer ist entweder verrückt oder betrunken,“ fügt er entrüstet hinzu.­­ Der Sicherheitswachmann enthält sich jeder Bemerkung. (Fortsehung folgt). 7

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