Der Spiegel, 1840. július-december (13. évfolyam, 53-105. szám)

1840-09-16 / 74. szám (75. szám)

ihr — denn eitel ist ja selbst bas unschuldigste Geschöpf. Mathilde war sechSzehn Jahre, ihre Eltern waren frühzeitig gestorben, eine gutherzige Muhme nahm sich der verlassenen Waise an und bei dieser verlebte sie ihre jungen Tage; da besorgte sie das kleine Hauswesen» war emsig und bescheiden und in ihrem In­nern recht zufrieden, weil — sie nichts Besseres kannte. Gleichheit der Lage wird zur Gewohnheit, Gewohnheit aber führt nie zur Unzufriedenheit, denn diese Gift­pflanze gedeiht nur bei Aenderung der Verhältnisse. Die alte Marthe, so hieß die Vase, war eine recht gute Frau, man konnte mit ihr prächtig auskommen und Mathilde verstand das aus dem Grunde. „Höre, liebes Tildchen", sagte die Vase eines Tages, „du bist nun in den Jahren, wo der Mensch aufhört, ein Kind zu sein, wo er sich einen Plan für sein künftiges Lebensglük entwer­fen muß. Ich bin alt, werde täglich gebrechlicher und es thut mir im Herzen tbehe, wenn ich denke, daß es dem Allmächtigen gefallen könnte, mich plözlich von dieser Welt abzurufen und ich dich dann allein und verlassen zurük lassen müßte." Hiebei wischte sich die gutherzige Alte eine Thräne aus dem Auge und Mathilde sprang auf von ihrem Roken und streichelte und küßte die gefurchten Wangen. „Ei, liebe Vase," sagte sie, „wir wollen beten, daß dich der gute Gott noch lange bei mir läßt, denn, siehst du, wenn du einmal tobt bist und dich die schwarzen Männer in die Grube scharren, dann mag ich auch nicht mehr leben und ich könnte auf das böse Schiksal recht ernsthaft zürnen." — „Mein gu­tes Kind," erwiderte die Vase, „das ist nun so der Lauf der Welt, wir Alten müssen den Jungen Plaz machen, die Erde zieht täglich ein neues Gewand an, neue Geschöpfe werden geboren, und die alten erscheinen in (veränderter Form, der Mensch von heute ist nicht mehr der Mensch von gestern und wird morgen wieder ein anderer fein ; aus dem Samen keimt die Blume, sie sproßt empor, prangt dann in voller Pracht, dann welkt sie wieder, die Blätter zer­fallen und sie kehrt in ihr Nichts zurük, aus dem sie entstanden. So ist es ge­rade bei uns Menschen, nur scheint uns die Dauer dieser Perioden länger und doch ist das Leben des Menschen eben so kurz, wie das Leben der Blume, denn Jahr und Tag sind im Verhältnisse zur unendlichen Ewigkeit ganz gleich­bedeutende Ausdrüke. Der Mensch zählt nur nach Jahren, die Ewigkeit weiß nichts von Jahren; wer es versucht die Zeit in Theile zu sondern, der glaubt das Weltmeer tropfenweise auszuschöpfen, ein Tropfen nach dem andern kömmt heraus und das Weltmeer wird doch nicht kleiner, so auch die Zeit, was man ihr nimmt, fällt wieder in sie zurük und wir sind die momentanen Seifenblasen, die da entstehen, um wieder zu vergehen und für kurze Augenblike der Welt zum Schmuke dienen — kömmt dann eine neue Mode, so wirft man den alten Tand bei Seite. Mein Vermögen ist klein, liebes Kind, und meine Pension dauert nur, so lange ich lebe — jezt gibt sie uns beiden Unterhalt, doch dann — sieh' Mathilde, du sollst heirathen." — „Heirathen?" fragte erstaunt daS Mädchen und mit kindlicher Unbefangenheit fegte sie hinzu, „ja, liebe Vase, wenn du glaubst — ich will heirathen." — „Hast du vielleicht dir schon einen Mann ausgesucht, sei aufrichtig," fragte die Alte mit forschendem Vlik. Mathilde aber sah ihr offen ins Gesicht und sagte mit festem Tone: „Nein, liebe Tante, ich habe noch gar nicht daran gedacht, aber wenn du eS haben willst: so werde ich mir jezt einen Mann suchen , der mir gefällt und gut ist." — „Das muß sich von selbst finden," entgegnete lächelnd Frau Martha, „ich meinte nur, ob

Next