Berzeviczy Albert: Baron Josef Eötvös als Kulturpolitiker - Ungarische Rundschau. 3. Jahrg. 1. (Budapest, 1914)

80 Ungarische Rundschau. Ihre Freundschaft ist gegenseitige Aneiferung, gegenseitige instink­tive Ergänzung ihres Wesens, ihres Schaffens. Stellt man ihre, oft als «doktrinär» bespöttelten Tendenzen richtig in den Gesichtswinkel der Reformepoche Széchényis, so erscheint Eötvös in dieser mäch­tigen Arbeit der Umgestaltung mit seiner edeln Begeisterung für die Ideen des Humanismus und der Demokratie, mit seiner abge­klärten, weitausblickenden Beurteilung unserer staatsrechtlichen Stellung, während Szalay der Entwicklung mit der Vertiefung und Ausbreitung der historischen Erkenntnis einen festen, nationalen Boden schafft. Szalay zeigte — wie Eötvös sagt — «der jüngeren Generation in seinen Werken die einstige Größe unserer Nation, in seinem Leben aber all die Tugenden, welche die Lebensbedingungen jeder natio­nalen Größe sind». Seiner werden wir noch im Laufe dieses Jahres in einer, ausschließlich ihm gewidmeten Sitzung gedenken. Doch auch heute, nur wenige Tage nach der hundertsten Jahreswende seiner Geburt, bei dieser feierlichen Gelegenheit, sind wir den Tribut der Pietät seinem Andenken schuldig, der seine, leider zu kurz be­messene Lebenszeit so opferwillig einer staunenswerten Tätigkeit widmete, indem er die verschiedensten Gebiete unserer Literatur mit Werken unvergänglichen Wertes bereicherte. Er verewigte seinen Namen in der juridischen, besonders in der strafrechtlichen Literatur, ja sogar in den Annalen unserer Rechtsentwicklung; seine publizi­stische Tätigkeit zeichnete sich ebenso durch die Glut seiner edeln Überzeugung, wie durch den vornehmen Ernst seiner Argumenta­tion aus; er wurde der eigentliche Schöpfer unserer periodischen Literatur, und indem er sich durch seine meisterhaften Lebens- und Charakterbilder sozusagen selbst eine Schule dazu gründete, ging er mit einem, alle seine Vorgänger überragenden Beruf an die Be­arbeitung unserer vaterländischen Geschichte. Auch als Torso ist dieses Werk eine der kostbarsten Quellen der Erkenntnis und be­sonders der Beurteilung unserer nationalen Geschichte und sichert an sich schon Szalay in der wissenschaftlichen Literatur Ungarns die Unsterblichkeit. Außerdem aber müssen insbesondere wir uns voll Dankbarkeit dessen erinnern, mit welcher Hingebung dieser ausgezeichnete Mann als Generalsekretär die letzten Jahre seines Lebens unserer Akademie gewidmet hat, mit deren Geschichte seine Person, wie sein Name unzertrennlich verbunden bleiben. Und nun sei mir gestattet, auf den eigentlichen Gegenstand meiner Rede, die Würdigung des Barons Josef Eötvös, überzugehen, über dessen dichterische Bedeutung noch im Verlaufe dieser General­versammlung ein berufeneres Mitglied sprechen wird; ich möchte

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