Kornemann, Ernst: Die unsichtbaren Grenzen des Römischen Kaiserreiches (Budapest, 1934)

Die Grenzprobleme des Imperium Romanum bedürfen aus mehr als einem Grunde einer erneuten Behandlung. Tacitus bezeichnet an einer berühmten Stelle das römische Reich von aussen her gesehen für die augusteisch-tiberische Zeit als „mari Oceano aut amnibus longinquis saeptum“, wodurch das Prob­lem der Wassergrenze für das letzte der antiken Weltreiche in klassischer Weise formuliert wird. Mit dieser Stelle ist eine an­dere aus der Hadriansvita der História Augusta zu verbinden* wo neben die flumina als Grenzen die limites gestellt werden. Hier ist die Rede von Grenzräumen d. h. von „loca, in quibus barbari non fluminibus sed limitibus dividuntur“. Oceanus, flumina, limites sie stellen also dem antiken Historiker die sicht­baren römischen Reichsgrenzen dar, wenn er ein allgemeines Bild von denselben erzeugen will. Wie aber der Oceanus überschritten und von Claudius und seinen Nachfolgern, in Verfolg des Programms Iulius Caesars, Britannien dem Reich angegliedert worden ist, so sind auch den flumina seit Domitian stellenweise limites vorgelagert bzw. zur Verbindung der Wasserstrassen gebaut worden ; aber die limi­tes sind nach ihrer Neutracierung seit Hadrian, wobei die Grad­­linigkeit derselben in den Vordergrund tritt, ihrer militärischen Brauchbarkeit entkleidet worden. Ein Reich aber ohne militä­risch brauchbare Grenzen, zumal ein Reich, das überall in sei­nen äussersten Randgebieten an Unkultur oder Halbkultur an­grenzte, bedarf anderer Sicherungsmittel. Diese fand Rom seit alter Zeit in der Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen man­nigfachster Art gegenüber den Grenzstaaten, den sogenannten Klientelrandstaaten, mit denen wir uns heute beschäftigen wol­len. Denn dadurch erhalten wir hie unsichtbaren Grenzen des Römerreiches, von denen der Titel dieser Arbeit spricht.

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