Ungarische Rundschau für Historische und Soziale Wissenschaften 5. (1916-1917)

1916-1917 / 1. szám - Dr. Milan v. Sufflay: Biologie des albanesischen Volksstammes

2 Ungarische Rundschau. Kulturdiagramm aber in stetem, langsamem Aufsteigen gerade im geschichtlichen Mittelalter (vor dem Einbrüche der Türken) seine auch relativ wirklich hohe Kulmination, dann aber rapid sinkend, einen unheimlichen, an den Urzustand grenzenden und bis auf den heutigen Tag anhaltenden Tiefstand erreichte. An der Grenze zwischen Orient und Okzident, als eine Monade des Balkankosmos im Mittelalter mit allen seinen lateinischen, romanischen, griechi­schen, byzantinischen, slavischen Schattierungen, als ein Fokus der unverwelkten Traditionen von Byzanz, Griechenland, Serbien, Bul­garien, die hier unter den feudalen Ausstrahlungen des Westens in der Linse des albanischen Substrates zusammenfließen, eine dop­pelte Taufe des verwandtschaftlichen und des im gemeinsamen Kampfe vergossenen Blutes erhalten und die wunderlichen Er­zählungen eines Musachi (1510) zeitigen, — fällt das vom alba­nischen Kern bewohnte L|and unter die Türkenherrschaft. Und jetzt, im Zwielicht der eben für sie einbrechenden Neuzeit, sollen dieselben Albanesen als ein Naturvolk dastehen?! Es ist dies kein petrifizierter Urzustand, sondern eine palingenetische Er­scheinung in der Ontogonie eines Volkes, in welchem die stete Türkengefahr die Urinstinkte in der Masse entfesselte und den starken Kulturfirniß durch allmähliche Vernichtung der einzelnen Träger vollständig verwischte; Erscheinungen, die einerseits viel­leicht vorsichtige Ausblicke auf die Phylogonie der illyrischen Ahnenreihe gestatten würden, andererseits aber gewiß zur Hoff­nung berechtigen, daß die zukünftige kulturelle Entwicklung dieser Nation infolge der latenten apperzeptiven Momente der Vergangen­heit einen überraschend schnellen und vorteilhaften Gang annehmen wird. Obige Thesen durch Details zu bekräftigen, ist die Aufgabe dieses Kapitels. Es ist dies ein Versuch einer Biologie des albanischen Vol­kes, worin die an die Chronologie gebundene Geschichte nur als ein Hilfsmittel erscheint. I. (Der Volksname, seine Entstehung und seine Surrogate. Die Zentrallage des Stammes der Arber an der Via Egnatia; Skipetaren, Tosken und Gegen. Die Stellung des Albanesischen. Einwirkungen des Lateinischen, Romanischen, Slavischen und Türkischen. Altgriechische Spuren verwischt. Die Komprimierung des Volksstammes durch die slavische Einwanderung. Illyrier oder Thraker? Die römische Kolonisa­tion und ihr ethnisches Mçdium. Nivellierung der romanischen Kompromißsprachen im Binnenlande. Rumänische Flut infolge der slavischen Invasion. Albanesisch­­rumänische Zonen im Nord- und Südosten des albanischen Kernes. Ein ethnischer Zyklon im Pindus- und Grammosland an der Wende des 14. Jahrhunderts. Isochro­matische Polarisationserscheinungen im Albanischen, Rumänischen, Bulgarischen

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