Neues Pester Journal, Mai 1877 (Jahrgang 6, nr. 120-149)

1877-05-28 / nr. 146

sks (s.«., Be + 3 MJ I Jahrgang Nr. 146. u »s- re « Wibonnement: Gangs: fl. 14, Halbj. fl. 7, viertels. fl. 3.50, monatlich) fl. 1.20. Das „Neue Bester Journal“ erscheint täglich, auch an Montagen. ter Montag, den 28. Mai 18. Journal, und Administration: Leopoldft. Kirchenplat Nr. 2. Einzelne Nummern 413 Inserate nagy anfliegendem Larif, Redaktion Die Stellung Serbiens. ‚Meber die Haltung Serbien wird uns von einem gut unterrichteten K­orrespondenten aus Se­m: Lin geschrieben : . ..Ich hatte dieser Tage Gelegenheit,eine poli­­tische Persönlichkeit von maßgebendem Einfluss ein Serbien zusprechen­ und habe durch dieselbe erfah­­r­ en,daß die Haltung des Fürsten­­thums kaum lange mehr so reservirt bleiben werde,wie es bisher war-Es hän­gt wohl Alles von den nächsten En­t­­scheidungen auf den Schlachtfeldern ab.Wenn Ruß­­land siegreich über die Donau vordringt,dann sind die Serben unter seinen Umständen mehr zu Halten. Riftics selbst soll es in diesem Sinne geäußert haben. Zwar­ haben die Mächte allesnment, wie mein Gewährsmann ver­­sichert, auch Rußland, den Fürsten jede Betheili­­gung an der Aktion widerrathen. Der Fürst geht auch seineswegs mit Luft in den Kampf, wie denn Dilan niemals ein großer Kriegsheld vor dem Herrn gewesen; aber will er nicht den Thron riskie­ren. Dann muß er nolens volens mit. Vorläufig wid sich Milan nag Rumänien be­geben, um den Graf in BPlojesti zu be­­gehen. Auch diese Neffe soll dem Fürsten von Petersburg aus widerrathen worden sein, aber die Abmahnung muß nit gar so ernst ge­­wesen sein, denm Milan geht ja doc. Der Erfolg D­ieser Neffe wird das Weitere lehren. Wen der Car ernstlic­h bestrebt ist, Serbien von der Theil­­nahme am Kampfe abzuhalten, dann befikt er auch die Mittel, dies zu verreihen; es sind Dies einfach die Geldmittel, die er dem Fürsten Milan Berm weigern muß ; denmm ohne ausgiebige materielle Unterftügung können Die ausgelogenen Serben 100& aller Begeisterung Teinen Krieg anfangen.“ Nach einer uns heute aus Konstanti­­nopel zugehenden telegraphiigen W­eldung hat dagegen Herr Christlich den Vertretern Ser­­biens der Pforte gegenüber die ganz präzise und bestimmte Versicherung abgegeben, daß Ser­­bien neuntral bleiben wolle. Sndessen enthält diese Neutralitätserklärung noc­h seines­­wegs ein apodistisches Dementi­umserer obigen Mittheilungen aus Gremlin. Bekanntlich hat Ser­­dien im vorigen Jahre der Pforte wie den Mäch­­ten so­ Lange Versicherungen seiner Friedensliebe zu­ gehen Lassen, bis 5 den Krieg vom Zaune brach, und 63 wäre daher nur eine Versietung der kurz­jährigen Aktionspolitik, wenn Serbien wieder der Pforte und den Mächten so lange Land in die Augen streute, bis Rußland den ersten größeren Erfolg errungen hat und Serbien darauß den nöthigen Muth schöpft, sich dem „heiligen­­ a­­vischen Kriege“ anzuschließen. Zur Tagesgeschichte. Heber den Umfang und die Bedeutung der Ereignissse in Konstantinopel, welche der Verhängung des Belagerungszustandes vorhergingen, liegen noch immer sehr widerspre­­ende Nachrichten vor. Ein anscheinend der türkischen Botschaft in Wien entstandendes Communique bezeichnet die bisherigen Schilderungen der Softa­­bewegung als übertrieben und prognostizirt, daß der eventuelle Kabinettmechiel sich nach „konstitur­tionellen Normen“ vollziehen wird. Wenn dies von den Machthabern der Cerailclique beabsich­­tigt wird, dann läßt sich nicht absehen, zu­mel: dem Bewede der Belagerungszustand verhängt wurde. ALS jene Minister, deren Entlassung zu aewärtigen ist, bezeichnet obige Communique den Großvezier und Saviet Baida. Charakteristisch gung wird in diesem Commu­nique der Entlas­­ung de Cerassiers gar nicht gedacht. Biel ernster singen die Mittheilungen des „Fremdenbl.“ Nach demselben sind die Vorgänge in Stambul als Bez ftandtheil einer weitreisenden Kombination zu bet­­rachten, mit welcher der Name Midhat B­az 1043 in­­ Verbindung zu bringen wäre. Man versichert, daß nicht wenig Hochstebende Persön­­lichkeiten kompromittirt seien. Ob es sich um einen simplen Ministers oder einen Thron­wechsel handelt, läßt sich sehiwer bestimmen. Hervorheben wollen wir, daß der Sultan am Mitwoch die beiden­ Söhne des entthronten Abdul Aziz, näml lich Yussuf Sazeddin und Djel al-Eddin, empfan­­gen hat. — In Bezug auf die Verhängung­­ des­­ Belagerungszustandes, durch welchen zum.­ Theile auch die Rechteverhältnisse der fremden­­ Untertha­­nen berührt werden, Haben die Botschafter der Mächte bei der Pforte die nöthigen Schritte ges that, um die durch die Kapitulationen stipulirten Rechte der fremden Unterthanen­­ zur sichern. Die russische engalischen Bor­dHandlungen sollen endlich zu einem positi­­ven Resultate geführt haben. Nur noch wenige Hindernisse sollen nach einer Petersburger Meldung­­ der vollen Verständigung im Wege stehen und der Beseitigung dieser Schwierigkeit wird im Peters­­bu­rger diplomatischen Kreisen m­it Zuversicht ent­­­gegengesehen. Der Abschlag der Verhandlungen soll nach der Nachfehr Schumwaloff’s in London er­­folgen, welche für den 4. Juni angeregt ist. Eine weite Abwesenheit Schuwaloff’3 und Nowitoffs ein Shften. Die russische Regierung will in lästi­­gen Anfragen entziehen, welche in Wien und Lon­­don leicht gestellt werden können und deshalb läßt sie si in dieser britiischen Zeit in diesen Beiden Städten nur durch Geschäftsträger vertreten, w­ahe unbequeme Anfragen mit der Gr­widerung abfer­­tigen können, sie seien über den Gegenstand der Interpellation nicht informirt. a . Mac Mahon, gibt sich inzwischen alle Mühe, dem Staatöstreide jede aggressive Sorge nach Außen zu nehmen und die Besorgnisse zu zerstreuen, welche der Staatzstrei, insbesondere in den industriellen und in den handeltreibenden Karsen, heraufbeschworen hat. So in Gompiègne, so bei dem vorgestrigen Besuche der Ausstehungs- Arbeiten. Bei der sppteren Gelegenheit dementirte der Marschall-P­räsident selbst die über­ die Befra­gung der Ausstellung eb­füh­renden Gerüchte. In­zwischen fest das Sabinet Broglie unverfroren sein „Purifikationswert” fort und hat dasselbe nunmehr auf die Armee ausgedehnt. Die republi­­kanisch gesinn­ten Generäle Clinhaut­ und Lewal sollen zur Disposition gestellt und während der im Falle der Budgetverweigerung auszuscreiben­­den Wahlen sül der Belagerungszustand über ganz Frankreich verhängt werden. Uebrigens ist es noch sehr zweifelhaft, ob das Sabinet die Ermächtigung zur Auflösung vom Senate erhält ; wird diese ver­­weigert, dann ist es leicht möglich, daß die Krise sich, nicht auf das „Kampfes = Ministerium” bes­chränft, sondern auch den Marschall:Präsidenten er­faßt. In der That wird bereits in republikanischen Kreisen diese Eventualität in Aussicht genommen und die Namen Thierd’ und Grépye als die der Kandidaten für den Präsidentschaftsposten genannt. Die Komöldie, welche mit der Aus­weisung 063 Don Carlos aus Paris gem­ielt wurde, hat übrigens in Berlin und Rom wenig verfangen. 65 hätte gar nicht des nachträglichen offiziösen De­­menti’S der Halboffizies gemeldeten Austweifung bedurft, um über die Bedeutung des Ausweifungs­­befehles larheit zu verbreiten; das vollständige Schweigen der ultramontanen Bariser Breffe diesen h Atte gegenüber war beredt genug. König Victor Emanuel sol zwar — dem „Temvs” zufolge — an Mac Mahon ein Schreiben gerichtet haben, in welchen er seine vertrauensvolle Sympathie für den Marshall Bund gibt; das­­ hat aber De­­pretis durchaus nicht gehindert, in der gestrigen Kammerfigung auf die Eventualitäten hinzuweisen, bei deren Auftauchen die Ehre und die Interesfer andere Version bringt aber, in die gleichzeitige Zeit­ Italiens nothwendig erheijden, auf die Tapfer: Eine geheim­nisvolle Affaire. (Drig-Feuilleton des „Neuen Better Journaf“.) London, 23. Mai. Wie interessant immer der gegenwärtige Krieg auch für die Londoner sein mag, it es jedoch in den rechten Tar­gen einem­ sensationellen : Ereignisse gelungen, die­ Aufs werksamkeit­­ des Publikums der britischen Hauptstadt in hohem Grade in Anspruch zu nehmen. Die Theilnahme für­ diese­ Affaire ist um­so größer, als diese Lebtere in der Hauptsache unaufgeklärt ist und so durch ein geheime auißvolles Dunkel reizt. Jh will versuchen, ihren Lesern die Sache so verständlich zu schildern, als dies unter den obwaltenden Umständen überhaupt möglich­ht. Im April 9. 9. starb in Benge in der Pfarre Bes­denham, einem Orte des Londoner Weichbildes, unter bes­cenklichen Umständen, die wir näher bezeichnen werden, eine Frau, Namens Harriet Staunton. Dieselbe war, wie jet erui­t ist, eine­ der drei Töchter der Mi­­ffre; Richardson, einer Schwester der­­ verstorbenen Lady Niver. Don diesen drei Töchtern heirathete die eine din verstorbenen Earl of Widlom. Die zweite wurde Mistred SEalsabianca, und die dritte, Harriet, welche als geitesschwach galt, sollte nach den Willen ihrer Verwandten in eine Irrenanstalt gebracht werden. Im Juni 1875 heirat­ete Harriet ohne die Zustimmung, ihrer Familie­ und gegen deren Wünsche einen Herrn Louis Staunton, der bei einem Auktionator als Cfer( Sekretär­ bedienstet war. Sie zählte da vierunddreißig Jahre und hatte ein ihr gehöriges Baarvermögen von 2500 Pfund Gterlina ; außerdem Tob­te sie nach Deus Tode ihrer Tante Gatte, Mr. Staunton, brachte binnen Kurzem die ges nannte Mitgift durch und verkaufte auch die An­wartschaft seiner Frau auf die Hinterlassenschaft der Lady Rivers um jene Summ­e, die er eben­ dafür bekam. "Im März 1876 gebar" Harriet einen Sohn. — Die Hebamme, die sie" bei der Geburt unterstühze, sagt jecht aus, da die Verstor­­bene ein sehr unglückliches Leben geführt habe. "Man­eva­­ raubte ihr nicht, ihr Kind zu süillen, und sie war mit nur zu guten Grunde eifersüchtig auf ihren Mann­, der mit s einen jungen Mädchen, Mr. Alice Rh­od­es , der Schwes­­ter der Frau seines Bruders Patric, ein Liebesverhältnis unterhielt. Nach den weiteren Aussagen der Hebamme war Hab­riet Staunton in der That geistesschwach und immer in Thränen, im ihren Gewohnheiten Täuberlich und maße haltend ;' sie wurde’von ihren Angehörigen vernachlässigt und schlecht behandelt, und war "namentlich" in der rechten Zeit, wie die Hebamme sich ausdrückte, viel zu sehr her­­untergebracht, umsglück­t zu sein. Gegen Ende des Jah­­re 1876 nahm Louis Staunton eine Farm "von einund­­zwanzig "Acres" Flächeninhalt bei Cudham in der Graf­­schaft Kent, wo sein Bruder Batrid,­­der'seines ‚Zeichens Landschaftsmaler ist, eine Cottage besaß.­­ Bald darnach wurde Harriet Staunton’mit ihrem Skinde in das Haus Batrid’s gesgafft und war von da an, eins oder zweimal ausgenommen, bis zu ihrem vor einigen Wochen erfolgten Tose unsichtbar für Hedermann. Unterdessen lebt er ihr Gatte in offenem Konfubinate mit der Schwägerin seines Bruders, der Mik Alice NRHo­­bes, welche in der Nachbarschaft als sein Weibi galt. "Louis Staunton selbst gibt zu, er habe Sich von feier Fran­ge: Grund der Trennung sei ihr halbverrückter Zustand gewes­­en ; sie habe nur seine Liebschaft mit Alice Rhodes­ gewußt und dieselbe stillschweigend geduldet ; ihre Abschließung von der Welt sei ihr schon deshalb Lieb gewesen, weil sie in bes­­tändiger Furcht lebte, ihre­ Verwandten möchten sie aufs suchen und, wie fon einmal, versuchen, sie in ein Lizenz­haus zu bringen. In der That machte die Mutter der Har­­riet, Mistred, Butterfield (sie hatte in zweiter Ehe, einen Geistlichen der anglikanischen Kirche, Namens Butter­field, geheirathet) ; alle möglichen Versuche,­­ ihre vom­ Schauplate­n verschwundene Tochter zu entdecken;. sie bes­­tellte Policemen, welche die Umgebung zu belauern halte er, ob nicht die Geruchte irgendwie zum Vorscheine füme; ja sie ging selbst nach Gudham, wurde aber nicht vorgelassen. Am 8. April b. 5. Morgens brachte Batrid Stauns­ton das Kind seines Bruders in das Guy’s Hospital, wo es noch am selben Tage, wie man behauptete, an­ Entkräftung starb . Montag darauf wurde es unter­ falsschem Namen begraben. Dienstag erschienen im Orte Benge bei einer Ber­­rieb­erin bescheidener Wohnungen. Namens Mrs. Ch­af­­fin, Louis Staunton und die Frau seines Bruders und wieb­eten ein Quartier für eine Lady, die sehr unmohl sei und einer besseren ärztlichen Pflege bedürfe, als sie in Ende hant finden könne. Noch an demselben Abende wurde b diese Lady gebracht, begleitet von Louis Staunton, Patrick Staunton und dessen Frau und Alice Rhodes... 68 wurde nach einem Arzte gesandt, der aber erst am nächsten Morgen kommen konnte und die Patientin da in sehr besorgnißer­ei­gendem Zustande fand. Er ordnete an, er müsse eine ges ígicte Krankenwärterin kommen und der­ ranfen jee­­ Lady Rivers einige " weitere Summen: erben, Harriet’s­­ trennt, und zwar, in gegenseitigem­ Ginvernehmen, der —

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