Pester Journal - Abendblatt, Mai 1877 (Jahrgang 4, nr. 3-25)

1877-05-28 / nr. 23

f ..c»»­ ­ : 1877, IV. Jahrgang Ne. ABENDBLATT. Montag, beit 23. Ma Das Abendblatt des „Belter Journal” erscheint täglich, mit Ausnahme von Sonn: und Feiertagen Nachmittags nach 2 Uhr. Medaillon : Göttergasse 9. Adminiftration Göttergas 2 : a Einzelne Nummern des Abendblattes 2 kr. Anferate für das Abendblatt werden so 6. billigst berechnet. Abonnement für Budapest mit täglich zweimaliger Zustell­ung, für die Provinz „einmal. Bestversendung : monatl. fl. 1.10, zweim. fl. 2.15, viertell. fl. 3.10, halbj. fl. 6. VERMÁMSZ SE IABSZRTMIR Re KOZT Eine Schwenkung. Budapest, 28. Mai. Alle Zeichen deuten darauf hin, daß wir vor einer Wendung in der Orientfrage stehen. Wie wir­­ vorhergesagt, erweist sich dieser Feldzug alg reich an überraschenden Wendungen, überraschend darum, weil die Kabinete diesmal mit den Bölfern ein Blindeluh- Spiel arrangirt hatten. Wir laden England aus dem heißesten Enthu­­siasmus, für den Bestand der Türkei, aus fanatischem Haß­ gegen Rußland plöglich in die kühleren Regionen des Egoismus, sich. zurückziehen. In einer weitern Phase vermäßigte sich der Antagonismus Englands gegen „Rußland zu einem sehr zweideutigen “ e­währen lassen, welches die Türkei gegen Eng­­land, den 'einstigen Burenfreund, fast noch mißtraui­­jcher ‚machen mußte, "als gegen den dem offenen xruffi­­schen Feind. Rußland, welches mit seinem Friedens­­bruch Anfangs isolirt dazustehen und ganz Europa gegen­ sich ‚herauszufordern schien, Handelt jegt nach dem Diktat Europas Ee fügt sich den englischen Forderungen bezüglich­ der Demarkationslinien des Krieges. ‚Auch­ die­ Beziehungen Aufßlande zu unserer Monarchie­ fangen an, in ein freundliches Licht zu treten. Man­ respettirt unsere gerechten Forderungen, wie es sich, gebührt. Man fügt sich den Vorschriften, welche wir unsererseit, bezüglich der Abgrenzung des Kriegsterritoriums, ziehen, man hält die Kriegspartei in Serbien­ nieder, man­ gebietet Montenegro Nähe, man gibt die Donau rufsischerseits frei. Korzum Alles athmet Frieden an unsern Grenzen und selbst unser Handelsverfehr darf nicht Leiden unter dem Kriege. Wir­ sind der festen Ansicht, daß wenn Ausland sich nicht muthwillig in einen europäischen Krieg stürzen will, die Lofafisirung des russisch-türkischen Duells und ein sowohl sie die Freiheitsfrage als für unsere speziellen Interessen günstiger Ausgang dersel­­ben zu erwarten ist. ‚Man spricht davon, daß M­ußland einen Theil Serbiens offupiren und die Morama als Grenze nach Westen gelten lassen will. Wir glauben nicht recht an diese Version. Man weiß in Petersburg, wie in Wien, nur zu gut, daß jede Dffupation fer­i­­igen Bodens als eine diverte Propora­­tion Ungarns angesehen werden würde. Weder in Wien, noch in Petersburg wird man gern si unnötige Schwierigkeiten bereiten wollen. Und die Ofsupation Serbien ist strategisch total überflüss­ig. Da Rußland nur den Fred haben kann, das am trost­­losesten­­ mitgenommene Bulgarien zu befreien, resp. demselben eine­ menschlichere Zukunft zu sichern, so können Die russischen Truppen in ihrer ganzen breiten Aufstellung in Bulgarien einmarschigen, ohne einen Supbreit serbischen Bodens zu betreten. Die Exobe­­rung der Linie Widdin, Nissch, Sofia bedingt durchaus nicht die Einbeziehung Serbiens in das Kriegsterri­­torium. Rußland würde durch eine unnöthige Ossu­­pation auch nur eines Theils von Serbien Mißtrauen gegen sich erwecken, welches nicht nur die Kriegführung, sondern auch den F­riedensschluß erschlieren würde. Wie­­ die Dinge jebt Liegen, hat das Wiener Kabinet eher mit der Türkei, al mit Rußland abzurechnen. Es ist eine der merkwürdigsten Wendun­­gen in­­ Diesem Kriege, daß Oesterreich-Ungarn seine erste gehharnishte Note nach Kon­stantinopel senden mus. Die „Montagsrevue" theilt in nichtauthentischer Analyse den Inhalt einer gepfefferten Note mit, welche Graf Andrasy aus Anlaß der Störung der Donauschifffah­rt durch die Türken an die betreffende Adresse gerichtet haben sol. Wir warten erst den authentischen Wortlaut dieser Note ab, um sie unsern Lesern mitzutheilen.­­ Bringt die halboffizielle Analyse auch nur stellenweise das Richtige, so ist Die erste energische Em­igration um­­sere8 auswärtigen Amtes in der Orientkrise gegen die Türkei gerichtet. In dieser Note wird der Ziffer nicht weniger, als der Abgang jedes Rechtsgefühls, Respektlostigkeit gegen die Berträge und Aehnliches vorge­­worfen, s­owie— gar mit der Forderung des Schadei­­erjabes für gefaperte Schiffe gedroht. Diese Schwenkung unseres auswärtigen Amtes wird nicht verfehlen, hier neuerdings böses Blut zu machen, obwohl man hier ich nach und nach mit dem Gedanken einer Abrechnung mit der Tiürfet ver­­traut zu machen beginnt. Holt man­ doch bereits Verböczy hervor, um das Historische Rechtlingrrng auf sämmtliche Ballanlä­nder biß zur Donaumündung zu erweisen! Wir lernen schnell ! Budape­st, 28. Mai. % Die Mitglieder der Regnisolardepu­t­ati­on haben sich mit dem heutigen Schnellzuge nach Wien begeben.­­ Die Beschwerden der ungarischen Bahnverwaltungen wegen der aufgendäthigten Verwendung der in den Fönigl­ ung. Merken erzeugten treuwereren Eisenschienen haben zunäcst die Verpardytung des Dies GHörer Eisenmwerkes an die belgische Coderill-Gemerkschaft veranlaßt. Die Vebteer hat die bestehenden MWerkzeinrichtun­­gen um iiren Preis ü­bernommen, und gedenkt wie, man und mittheilt derartige Amvestitionen zu machen, daß beim ersten Jahre 150,000, später jährlich 300,090 Bir. Stahleschienen erzeugt werden können, nach Ab­­lauf des Bachtes fallen sämmtliche Investitionen dem Staate als Eigenthum zu.­­ Die Arbeiten an der großen Ringeisenbahn um Paris werden mit großem Eifer betrieben. Es ist dies eine ausschließlich zu strategischen Zwecken ge­baute Bahn und dürfte in wenigen Wochen vollständig fer­­tig sein. x. Der russische türkische Krieg wird auf dem Gebiete der Eisenbahntechnik eine interessante Neuerung hervorrufen. I­n der zwischen Rußland und Rumänien abgeschlossenen Konvention heißt es: „Zur Vermeidung der Ueberladung wird die Gleichheit der Spurweite hergestellt werden.” Diese Anordnung it schon deshalb bemerkensnwerth, weil sie eines der interessantesten Probleme für die Eisenbahntechniker, nämlich die Frage lösen wird, wie es möglich sei, den russis­­chen Bahnverkehr in direkten Anschluß mit andern Bahnen zu bringen. Bis jebt hat das einfachste Auskunftsmittel, näm­­lich die Legung einer dritten Schiene auf dieses Geleite, be­­friedigende Resultate geliefert­­ en RN Anden Der Krieg. Buda­pest, 28. Mai. Die Nachrichten aus Rumänien wollen wissen, der Donauübergang der Nufsen werde noch min­destens vierzehn Tage auf sich warten lassen, während von anderer Seite vor wenigen Tagen noch gemeldet wurde, die diesbezügliche Aktion der russischen Donau- Armee werde mit der Ankunft des Czaren in Plo­­jeschti zusammenfallen. Thatjache it, daß der Auf­­marsch der russischen Armee in Rumänien noch nicht ganz vollendet it und derselbe vielleicht noch einige, wenn auch kurze Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Die Befestigungsarbeiten längs der Donau sind fertig. Bei der Abreise der Czaren sol in St. Petersburg eine Konferenz der russischen Botschafter stattfinden. Hiermit dürfte auch die Be­rufung des russischen Botschafters am Wiener Hofe, den v. Novitoff, zusammenhängen. Den Unruhen in Konstantinopel scheint die Verhängung des­­ Belagerungszustandes vorläufig ein Ende gemacht zu haben. Der Scheikul-Islam forderte die Chodschas auf, auf die Gemüther der Sof­­ta­ beruhigend einzumirken. M­ehrere Chodschas gehen mit ihren Schülern als­ Freiwillige auf den Kriegs­­schauplan. Ueber Veränderungen im Mi­­nisterium liegt noch immer seine offizielle Meldung vor. Privatnachrichten signalisiren zwar­ ­ doch Scheinen das nur grundlose Gerüchte solche, zu sein. So lange indessen die Veränderungen nicht thatsächlich stattfinden, dürften die Unruhen in­ Kon­tantinopel vielleicht momentan pansiren, werden aber immer wieder ausbrechen, da deren Keim nicht aus der Welt geschafft ist. Später aber dürfte sich der öffentliche Un­wille direkt gegen den Sultan rich­ten, der seine schlechten Grab­geber nicht entfernen will. Und so betrachtet man Konstantinopel in politi­­schen Kreisen mehr als je für einen Sulfan, der äußerlich ruhig scheint, aber bald wieder­­ Verderben speien dürfte. Steuerlich verlautet, Kriegsminister RAhHedif Pajda ,solle" zur Armee nach Anatolien abgehen. Damit wäre eine der mißliebigsten Bersön­­lichkeiten aus Konstantinopel entfernt, wenn — Diese Entfernung wirklich Stattfindet. € Ben asiatischen Kriegsichanplate wird der „R. Fr. Pr.“ gemeldet : Gestern aus dem türkischen Hauptquartier zu Honfian über OLti zurückgez­­ehrt, bin ich in der Lage, über die unter Kommando Moushtar Baichas stehende Armee Folgendes zu melden: Die Arme st [hd nach und in den Defileen des Kalıy-Dagh und Soghanly-Dagh, sowie bei Achaldaba zerstreut, aber durchaus Kriegstücht­e, die Gesammtstärfe beträgt 30.000­ Kombattanten. Das Zentrum mit neun Bataillonen steht am Soghanly-Dagh , der Tinte Flügel, 14 Bataillone stark, bei Ardanutsch und Plenefgerd, die Reserve im Ol­i; der rechte Flügel mit 16 Bataillonen ist um Delibaba aufgestellt. Die Gar­nison von Ardahan ist großentheils versprengt und sammelt sich bei Ardanuith. Der Fall Arda­­hans Hat beim Landwolfe große Betrübung erregt, aber dasselbe auch zu opferwilliger Widerstandsbereit­­schaft entflammt. Die Wege sind ungemein schlecht. Die Ruffen rüden von Ardahanı aus in sehr langsamem Tempo vor. — Andere Berichte wollen von dem ral den Bor­­rüden der Ruffen gegen Erzerum wissen. Die Er­­eignisse werden uns darüber belehren, welche Nachricht echt hat. Die finanzielle Mobilmachung. Budapest, 28. Mai. Seit daz Ministerium Simon (buchtäblich „über Nacht") gefallen und ein Ministerium Broglie dasselbe erfeßt hat. Spricht man wieder vielfältig von der Möglichkeit eines deutsch-französischen Krieger Im­mittelbar fürs Losschlagen ist Deutschland besser gerüstet (wir sprechen nur von der finanziellen Schlagfertigkeit). Die unmittelbare finanzielle Schlagfertigkeit (wenn man uns dieses Wort gestatten will) it natürlich sein Zeichen der ökonomischen Ueberlegenheit, wenn man mill, sogar das Gegentheil! England beispielsweise empfindet nicht das Be­dürfniß, sechs Millionen Pfund Sterling in gemünztem Golde a­m Kriegsfchat im Tower einzusperren, weil der englische Schachkanzler sich der Thatsache recht wohl bewußt ist, daß er bei Beginn eines Krieges sich mit leichter Milche so viel Geld verschaffen kann, als er braucht. An Preußen,Deutschland ist man vom Gegentheil über­­zeugt. Fürst Bis­mar­c hat selbst im deutschen Reichs­­tage gesagt, daß zur Zeit, als Frankreich den Krieg an Preußen erklärte, für Tebteres, resp. für Norddeutschland „nicht nur sein Geld unter Bedingungen, wie sie ein ordent­­lich wirthschaftender Staat annehmen könne, zu haben ge­­mweien si,sondern daß überhaupt sein Geld zu haben gemwefen Set!" Das hat der deutsche Kanzler ansprüchlich Tonstatirt und damit die Nothunwendigkeit der Etablirung eines deutschen Reichs­ Kriegsf­aßes an Stelle des verbrauchten und nicht wieder etablirten preußischen Staatsfehates begründet. Man wird fie ja auch erinnern, daß die bei Kriegsbeginn aufgelegte norddeutsche Anleihe Fiasco machte und erst nach der Schlacht bei Wörth Abnehmer fand. Gelangen wir nun zur Frage, über welche Ressourcen bei Ausbruch eines Kriegs Deutschland verfügt. Zuerst it, wie schon gesagt, der goldene Schach im Julius­­thurm zu Spandau disponibel — 120 Millionen Mark in gemünztem Golde. In zweiter Linie tűme dr Reich &

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