Neues Pester Journal, November 1877 (Jahrgang 6, nr. 303-332)

1877-11-21 / nr. 323

scij ,- k-— sitzung I reedbogga Rummer ® 4 uferate nag. anfliegenden Taxi; tr Das „Neue Peiter Journal“ erscheint WitwmmsxGanzLfl.1«4,halbj.fl.7, piettelj.fl.3.50,monatltchfl.1.20. Monsi- aud an Montagen. Nevaktion und Adminiitation: Leopoldft. Kirdienplat Nt. 2. Attger’sgsankrede. Budapest,20.November. Dem Sprechminister des Kabinets AuFererg gehörte in der gestrigen Sitzung des österreich­ischen Abgeordnetenhauses die Ehre des Tages; ihrer oratorischen Form, wie ihrem staatsmännlichen Ge­­halte nachh war die Rede des Dr. Unger die bedeu­­tendste und hervorragendste, welche Die österreichische Bantvebatte hervorgebracht hat. Nach dem­ feichten Geschwäte der parlamentarischen Dukendmenschen, nach den hohlen Tiraden eitler Popularitätshafter athnet man, förmlich auf, wenn man­ diese Rede voll sprühenden Esprits, voll feinen, gebilteten Ge­­ldmahl, vol ernsten, twissenschaftlichen Geistes und staatsmännlscher Gr­enntniß hiest. Man be­greift es, daß der Eindruck einer solchen Rede ein hinreißender, überwältigender gemesen sein muß; man versteht es, bei Dr. Unger mit diesen Ausfüh­­ru­ungen die faktiösen Gegner der Negierung und des Ausgleichs förmlich zu Paaren trieb ; man sieht das edle Brü­derpaar Stelleröperg und Meiß-Starkenfels auf zu den unter den ihnen mit raffinirter Graufang- Zeit verseßten N­adel- und Dolchstichen,­­ und man er­­kennt, dab jener ernste, fast műdsten, wir jagen DOL trinelle Theil der Nede, welcher die Bedeutung des Dualismus für die österreichisch ungarische Monar: die Historisch und dogmatisch erörtert, eine über Stunde und Tag weit­rhinausreichende Wirkung aufbern muß. Menschen, wir uns zunächst dem ersten, dem polemischen Theile der Ausführungen Unger zu. Die scharfe, stellenweis vernichtende Bolemtt galt den Angriffen auf die Bankvorlage, auf den Aus­­gleich, auf die Taktik der österreichischen Regierung. Diese zu entkräften konnte dem Wortführer des öster­­reichischen Kabinett nicht schwer fallen; eine Negie­­rung, die darauf Hinzu­weisen vermag, daß sie in der Verzehrungssteuerfrage das Feld behauptet hat, daß in der Bauffrage, das Mini von ihm angebotenen Demi reich wichtigsten Differenzpunkten sich der Österreic SHifchen Anschauung fügen mußte”, daß immer 80 Millionen­ Schuldfrage die ungarische Regierung, den Striften Nehtöstandpunft verlassend, sich auf dem Wege eines Kompromisses befindet, daß die un­garische Regierung einem schußzöllnerischen autony­­men Tarife­ ihre Zustim­mung entheilt und in der Restitutionsfrage sich), mit einem minimalen, fast nat wesen sein, der Erfolg war unstreitig auf ihrer, auf­ formellen Erfolge begnünt hat — eine Regierung, sagen wir, die­ auf alle diese Siege und Errungen­­scaften Hinzumeisen vermag , kann kähnlich den Vorwürfen wegen verfehlter Taktik entgehen sehen; dann mag ihre Taftif, eine gute oder schlechte­re, österreichischer Seite. « »·Aber jedes Wort dieser Vertheidigung ist blu­­tige Ironie auf die ungarische Regierung,und«so wenig es gewollt seitt mag,die Vertheidigung der ungarischen Regierung welche Dr.Unger unter­­nahm«klingt wie eine schneidende Satire.,Die un­­­garische Regierung war nach den Ausführung FU Unger’·s überzeugt vondb­erechtigung und Bil­­llgkeit ihrer Forderungen,aber diese Ueberzeu­­gung hinderte sie nicht im mindesten,dankbar die Belehrung anzumehmen, daß ihre Forderungen nach jenseitiger Auffassung in Recht und Billigkeit nicht begründet sind und sich schweigend und Demü­­thng der so­ empfangenen Belehrung zu fügen. Aller­­dings wissen unc wir, daß der Ausgleich nicht ein „Monolog“, sondern ein „Dialog“ ist, wie Unger geistvoll bemerkt,­­ aber das Charakteristische und für uns Betrübende war es eben, daß in diesen Asz gleichsdialog die österreichische N­egierung, immer und allemal das lekte Wort behielt. Für all das der österreichischen Regierung zuzumuthen, daß sie den Sturz vom tarpejischen Felsen voll­führe — wie es die oppositionellen Redner des NeichSrat­ed ges fordert hatten — ist fürwahr ungerecht ; wenn vom tarpejischen Feljen die Rede ist, kann man nur an das Kabinet Tiha denken. Und das hat Herr v. Tiba sowohl, wie seine nächste Umgebung seinerzeit recht wohl gefühlt ; darum näherte si Koloman Tipa auch in der That einmal während der Aus­­gleichsverhandlungen dem tarpejtischen Bellen und nahm den Anlauf zum Sprung , aber noch ehe er den Sprung in den gähmenden Abgrund gefragt hätte, mitten im Anlauf befann er sie eines An­deren, machte ehrt und bezog zum zweiten Dial ihren bleibenden Werth erhält indessen In­­ger’s Medve durch seine echt staatsmännischen An­­­Führungen über den Dualismus. Mit solcher Nühe haltelosigkeit und solcher Wärme ist dem Dualis­­mus vie i Österreichischen Parlament noch nie das Ort gesproche worden, wie von linger, der den Dualismus zu einer Zeit befürwortete, als noch die centralist­ien Bäume © hmerling’s in den Himmel­ zu wachsen schienen. So troden ist er seit zehn Jah­­ren im österreichischen Reichsrathe­hen, sondern ein und daß nur alte Weiber den zerrissenen können, der, wie die Geschichte ein wesentliches und bet dem während ist zu seiner­ Zeit von der Dualistisches war, jahraus jahrein um Einheitsstaat lagen und jammern beweist, nur in der Zeit des militärischen Absolutismus liche Dasein fristen konnte. Dies Alles gesagt und dargethan zu Haben, ist bleibende: Berdienst denn es war ein Wort zur die Aufregungen vom Minister­­durch welche sich ein Klub vom nicht auögespro österreichischen Ministerbant nachgewiesen daß das alte, vormärzliche ficheö, heute oder unter dem Dechmantel einer Konstitution unternommen w worden sein, allesammt fdmählich Fiasso rechten Zeit, und Berlaffungaz Höchster anderen bureamkratische Centrum Singer’s, es war nothbrendig, daß endlich einmal in energischer Weise dem Spur ein Ende gemacht werde, der im Umiresen trieb. Den guten Leuthen, welche dort das Geset­­gebunggeschäft betreiben, war es mit der Zeit Lang­­weilig und­ ungemüthlich geworden, ganze“ je Jahre hindurch Dieselben Physiognomien auf der Pinisterbank zu sehen, ganze sechs. Jahre Hindind­ - Erifen entbehren zu müssen. Und Die parlamenter­liche Langweile, zumal wenn si persönliche Ambi­­­ionen ihrer bemächtigen, ist ein gar böses Ding. Sie führt zur Klubspielerei, die befam­tlich im­ öster­­reichischen Abgeordnetenhaufe Schreiber von aim der Personalslinion fein obe­in steht, und die Stlubspielerei führt wieder zur Jagd nach Reformprojeiten und unter­­scheiden vermag. Auf solche Weise entsteht ein ganz eigenthümlicher Zustand der Geister; man fordert Aenderungen im Sytem, ohne daß man wüßte, was geändert werden sol und, wie es­ geändert werden soll. Und das Resultat des topflosen Brütens sst, daß die äußerste Tinte das die Perjonal = Union zu = worden, Desterreich sein einheit­­daß die dualistische Grundform der Monarchie von jeher die Konfiguration des österreichischen Staates war, daß der Dualismus die einzig mögliche Berz fallstungeform der Monarchie ist, daß die Generali­­sirungsversuche, mochten sie mit militärischer Gewalt, mit der Gewalt der Beamtenschaft gemacht haben, Haute Blüthe hohlen Schlagworten, ansheit,. dem Altenstaub der Negiltrammen die Mumie des Ein­heitsstaates außgräbt; und wenn dann der Stadt­ aus terinm Tipa, teoß Der N­ion „in den für Oefter­­ das Kapitol,­­ , so unwiderlegbar Schottenthore noch fein ein ku­mmer­­bedentlich. Bis zu vier Seiten. Beilage. Der Roman Des Schopfes. (DOriginol-Feuilleton des „Neuen PVefter Journal") Paris,17.9 November. I.Der Assommoir. Im Frühling dieses Jahres erschien ein Noman von Emile Zola, der einen Erfolg hatte, wie er eben nur in Frankreich möglich ist. Der Noman wurde bis heute in etwa sechzig Auflagen verkauft; die Kritiker von Beruf lieferten einander homerische Schlachten bei seiner Besprechung ; die Eisblätter parodirten ihn. klein­­b­üchslige Talente ahmten ihn mehr oder­ minder geschict nach, er bot von Salons für manchen Abend den Haupt­­fächlichsten Gegenstand der Konversation und bereicherte den ebenso charakteristischen als­­ jedem Nichtpariser unt verständlichen Sargon der Boulevards um eine ganze Reihe von Ausdrücken, Wendungen und Anspielungen. Dieser Roman it der „Affommoir“, ein Titel, der either ein Gattungsname geworden ist und "mit spriche wörtlichen Werthe angewandt wird. Der „Affonmmoir“ ist eine einzelne Abtheilung in einer RReihe von Romanen, in welchen Emile Zola sich die großartige Aufgabe­­ gestellt hat, eine Geschichte der französischen Gesellschaft­­ unter dem zweiten Kaiserreiche zu schreiben. In den vorangegangenen Theilen hat er uns die vornehmen Kreise gezeigt, im „Affommoir” führt er uns unters Bolt. Bisher sind wir mit ihm auf dem Schwellenden Teppich des Salons "gewandelt, jeßt reißt er mit einer jähen Bewegung den Teppich weg und das I mungslosen, fast möchte ich jagen naiven Realismus des ‚Lehrers der Anatomie; er fennt weder das Feigenblatt, "noch die Umschreibung ; er nennt alle Dinge,­­auch die une nennbaren, bei ihrem Namen und zeigt, gleichmüthig mit ‚den­ Finger auf Partien, von denen die Tonventiswelle Estrid­ auf und legt vor unseren­­ Bliden den’ Abgrund | Schilderung den Kopf abwendet." So erspart er uns weder bloß, der unter der’ goldgleigenden Oberfläche des weltz| Die unfläthige Konversation viehischer Trunkenbolde, noch städtischen Lebens gähnt. Dieser große Dichter, der etwas | den Anblick des obszönen Innern eines Hotel Garni letter von der finsteren Gewalt Dante’s in fi) hat, geleitet uns | Klaffe, noc) Die widerliche Intimität der weiblichen Stamms wie der dämonische Florentiner durch eine Hölle, durch | gäfte eines »Cancantanzbobend, der Barriere. Für meine Die moderne, rogiale Hölle, Wir Taffen die­ vergoldeten | 3wede habe ich,es,übrigend aug neiiht nöthin, auf dieses Cafés und rammt übersogenen Theatersäle ber Boulez varda weit Hinter und zurück und treten in die Schmube starrenden,­­verpeiteten Wohnungen des Arbeiterquartiers ein. Armuth, Gemeinheit und Laster umgeben uns; der Dichter führt uns aus einer Saufm­eipe in einen Dirnens­tanzsaal und aus einem­ Dirnentanzsaal in eine Diebss fpelunie; jeden­ Augenblick kreuzt eine Bestie mit vager Denigenähnlichkeit unseren Schauerlihen Weg, um uns heulen, lästern, grinsen,­ wiehern, rödheln,­ genießen und sterben Menschenwesen, die sich cynisch in jedem Schlamme wälzen und mit jedem Kothe bejudeln. Unser Fuß vers­­agt den Dienst ; wir wollen umkehren ; allein der uner­­bittliche­ Dichter stößt und vorwärts und vorwärts aus einem Cnifeßen und andere, bis hinab­ zu den äußersten Tiefen, wer die Laster und Gräuel und­ Schrednisse aufs hören, einen Namen zu: Haben sind nur: wortloses Fieber, schütteln und Haarsträuben sind. Wer den „Afrommoir“ zu Ende gelesen hat und nicht tagelange ein ganz förper­­liches­­ Krankheitsgefühl mit sichh­­ herumträgt, den beneide ichh um seine Nerven,‘ von der wunderbaren Detailmalerei Zola’s, melde aus: dem­ „Allommoir” ein einziges Museum von Bildern aus dem Bariser Arbeiterleben macht, wann ich hier nicht einm­al einen Begriff­­ geben ; denn Zola hat den erbar- merkwürdigen Details hier einzugehen ; es genügt, wenn ich die Handlung des Zola’schen Romans in großen Zügen nacherzähle. Gervaise, die Tochter von Heinen Pächtersreuten­en Plaftant, hat ihre Mutter früh verloren und ist unter der giftigen Bliden einer Stiefmutter aufge­wachsen, dm Elterne ‚Kaufe Hat sie immer nur Büffe und’ raue Worte bekommen. In Südfrankreich werden M­ädchenherzen früh gezeitigt.­­Gervaise war vierzehn Jahre­ alt, als sie m­it einem lebhaf­­ten, hübschen braunen Burtchen aus dem Dorfe, Namens Lantier, intim wurde. Die Beiden trafen sich auf der­­ Wiese, wo sie Gänse Hütete, und am Bache, wo sie das Sinnen­ wurde. Die Eltern kümmerten sich um Gervaise nicht und wenn sie nur ihre Arbeit bhat, so fdientte man ihrem Kommen und Gehen und Thun und Lafsen weiter seine Aufmerksamkeit. Unter solchen Verhältnissen erfolgte, was nicht außbleiben konnte; sie beging einen Fehleritt, ohne zu willen, daß es einer sei und war ganz erstaunt, als man sie eines Tages aus dem Hause jagte, weil man eine verhängnißvolle­­ Veränderung an ihrer Taille wahrge­nomm­en hatte. Lantier tröstete die weinende Gervaise fo unt er fonnte und verließ mit ihr das Heimathsdorf. Einige Jahre lang lebten die Beiden in einem benachbarten Städtchen recht traulich mit­einander, arbeitend, schnäbelnd und das Knäbs­tein pflegend, um das sich ihre wilde Wirthschaft vermehrt hatte. Da geriet­ Lantier auf die Idee, nach Nazis zu zie­­­en. Er war­ seines Zeichens Hutmacher,­­besaß einige hun­ dert grancs und überredete Gervaise, daß sie in der Haupts­­tadt ihr Gfü machen werden. Das arme Maredien vers ließ nur mit Schwerem Herzen die Provinz; das ungeheuere Paris erschrecte sie­­ ebenso sehr, als es sie anzog: eine Ahnung wagte ihr, Vak Baris nicht mit Gold, sondern mit Dornen und Disteln gepflastert sei; ef sern sie fügte sich s­chließlich dem Willen Lantiers. N ©

Next