Pester Journal - Abendblatt, November 1877 (Jahrgang 4, nr. 158-182)

1877-11-21 / nr. 174

Budapest, Mittwoch ganz Ähnlich der, welche nach den Yuli-Kämpfen bei Blemna eintrat und den Rückzug Gurko’s zur Folge hatte. Auch hier kann die Folge eine ähnliche sein, denn nehmen wir an, daß die ruffiiche Gerinnungslinie nicht nur­­ buchbrochen wird, sondern daß die ruffiiche Armee, zwischen Osman und Mehemed Ali eingekeilt, eine Niederlage erleidet, welche den Zürlen gestattet, auf die Rückzugs- und Verpfles­sungslinie zu marschiren, — melche Berspektive ! Warum es übrigens die Nuflen mit dem Balkan­ - Medergang anscheinend so eilig haben, ist unschwer zu erklä­­ren. Einmal find­et die asiatischen Siege, melde unseren Generalstab nicht schlafen lassen, dann aber ist es das ‚aus­­geprägteste Friedensbedürfnis. (8. 3.) - fifche Die Lage bei Plewna. Budape­st 21. November. Man schreibt der waffenfreundlichen „Pol. Core.” aus­­ BZimniba, 15. November: Die xuffishernmännige Cirkumvallationz:Tinie um­­ Blemna wird täglich enger und der Bewegungsraum für die Armee Osman Paschas umso beschränkter. Armee hält Luftlinie Die tür: jeht einen sich von Osten nach Westen ungefähr 18 Kilometer, von Norden nach Süden 8 Kilometer erstreckenden Flächenraum besett. Die äußersten türrkischen Stellungen sind in der folgendermaßen zu be­­zeichnen: Nordwestlich von Goxnjes M­etropolje und über den Vib-Flub bis zum Berge Opanes ; nördlich von Opanes bis 3 Kilometer vor Bulova ; nordöstlich von Bulova bis zum Kloster des heiligen Nestorius; östlich bis Grivige Nr. 2; südöstlich von Grivije bis zur Nebotte "Chafis-Bey-Zabia" und den Schanzen von Radifovo (wilden dem Tucheniza­­und dem Griviga-Bache) ; südllich von Nabifovo bis zum Grünen Berge (Zelenci,Gora) bei Krifin (vor welchem das befestigte türkische Lager etabliet if); Tübmestlich von Keifin bis zum Leinen Dorfe Giftlit und über den Vid-Fluß bis Dicevica , westlich von Dicevica bis Gornje-M­etropolje Um die euglischen Stellungen zu fennen, braucht man nur 3 bis 5 Kilometer vor diesen bezeich­­eten Linien andere zu ziehen und man wird sich damit ziemlich genau den Gerinnungsring anschaulich gemacht haben. Auf der Ost- und Nordseite sind die Befestigungen so ziemlich bekannt, so daß eine Beschreibung­­ derselben nur eine Wiederholung wäre. Auf der Südseite hat sich die Lage etwas verändert, seitdem die Division Skobeleff dem verschanzten türkischen Lager an den Leib gerückt is. Dort haben die Russen starre Schanzen aufgeworfen und eine mächtige Artil­­l­e­ierie in Position gebracht (11 Batterien, so daß ein Ausfall der Türken auf ein konzentrisches Feuer fußen m wü­rde, wel­­ches ein V­orladen starker Kolonnen unmöglich macht. Das Hauptaugenmerk der russisch-rumänischen Kriegsleitung ist seit 3 Wochen auf die Sicherung des südwestlichen, unwestlichen und nord­westlichen Theiles der Gerinnungslinie gerichtet wor­­den. Ohne in die detaillirte Beschreibung einzugehen, kann man anführen, dab die fildmestliche Stellung der Ausien bins­ter Blewna auf zwei Seiten Front macht und daher auch im zwei verschiedenen Richtungen ganz besonders verstärkt is. Die eine Front ist begreiflicherweise gegen Plemna gerichtet erstrebt sich bis Telis und Madomirce. Der einzige noch locere Punkt der Cirkumvallationslinie wurde endlich vor beiläufig 12 Tagen unwestlich und nordwestlich ausgefüllt und damit das fette Glied der Gerinnungskette geschaffen. Auf dieser Seite ist die natürliche Beschaffenheit des Zerrains, welches nach dem Flor und der Donau in breite Thäler sanft abfällt, für eine Gerinnung weniger geeignet. Außer dem Wid-Flufse und seinem Heinen Nebenflusse Zirula-Zoffu hatte eine aus dem Thalkessel Blemnas heraus­­brechende Armee seinen taktischen Hindernissen zu begegnen. Daher mußte in der Nichtung der Gerinnungsring mehr fünftfich durch Nedouten und allerhand Befestigungen ver­­stärkt werden. Dieses geschah auch, indem der Höhenzug, wel­­cher von Rjagi-Dolnje bis Gornje Metropolnje läuft und an dessen Fuße das obengenannte Nebenflüßchen der Wib flieht, von anderthalb rumänischen Divisionen und acht Batterien belegt wurde, welche jecht schon eine ganze Serie von Erd­­werten errichtet haben. Dentt 9­3 m­a­n Bajba an einen Durchbruchsver­­such, so macht jeder verstrichene Zug ein solches Unternehmen sch­wieriger. Ruderweise stellen sich täglich Deserteure bei den russische rumänischen V­orposten. Aus ihren einflimmigen Aus­­sagen geht hervor, daß die Lage der türkischen Armee eine trostlose ist: Wenn man nur halbwegs ihren Aussagen glau­­ben sollte, so müßten bereits Entbehrungen jeglicher Art den moralischen Halt der Armee so tief erschüittert haben, daß ein Durchbruchsversuch nur ein aussichtsloses Blutvergießen zur Folge haben würde. Aus diesem Grunde herrscht bei den nicht­ weniger als fanguinisch raiionierenden Fachleuten die Meinung vor, dab man nach dem ersten unglü­dlichen Durch­­bruchsversuche Kapitulationsunterhandlungen einleiten wird, und erstredt sich bis vor Dolnje Dubnil, Wid-Brüde und das ganze Wid:Thal bis vor Plewna bes herricht wird. Die andere Front ist gegen Süden gerichtet und bezwect die Sicherung der Orhanie-Srake vor einem Entragversuche, der von Sophia aus bemerkstelligt werden­­ könnte. Dieselbe hat Gornitl-Dubnit zum Mittelpunkte und von wo aus die . Hbenpblatt des Befter Zonrnal. 21. November 187m. Der Winter und der Krieg. Budape­st, 21. November. Aus Berlin wird geschrieben: In ruffop­hilen Organen, so neulich in der "Pol. Corr.", endet man oft die Behauptung, daß der bevorstehende Winter den Türken im Felde viel gefährlicher sein werde als den Ruffen, da diese als ein Bolt des Nordens mehr an die Kälte gewöhnt seien. Es haben ss dagegen fon einzelne widersprechende Stimmen vernehmen lassen ; allein es dürfte dem großen Publikum ganz neu sein, hab man in der wissenschaftlichen Welt jenem Bor­urtheil nicht­ weniger als zustimmt. Einer der hervorragendsten französischen Gelehrten, Charles Martins, Direktor des botanischen Gartens von Montpellier und semnwohl auf dem Gebiete der Botanik wie auf dem der Meteorologie und physischen Geographie, trefflich beschlagen, macht in seinem­ berühmten Werte : „Von Spitbergen zur Sahara" (1868 ins Deutsche überlegt), auf die üb­erraschende Thatfache aufmerksam, daß gerade die nörd­­lichen Völker empfindlicher gegen die Kälte sind, als die süd­­lichen, und führt dafü­r interessante Thatfachen an. Im Norden", sagt er, „wird man überrascht, wenn man die dichten Pelzwerke sieht, womit sich die Auffen, Schmweden, Norweger bei Temperaturen bedecken, bei denen man sich in Frankreich mit einem einfachen Weberzieher begnügt." Als er und sein Freund Bravais, der Rhysifer, im September 1839 in Finnland waren, konnten sie es in den Bauernstuben wegen der darin herrschenden erfriddenden Hite von 20—25 Grad, bei welcher die Bauern um den Ofen herum schliefen, nicht aushalten und zogen es vor, in der Scheune zu schlafen, wo das Thermometer um den Ge­­­­frierpunkt herum schwanzte. Nach Montpellier zurückgekehrt, mwunderte sich Martins, wie wenig man dort sich und die Häuser gegen die Winterkälte verwahre ; dagegen Hagen die Auffen, Schweden und Bolen, melde in Montpellier den Winter zubringen, daß sie in ihren Zimmern vor Kälte wittern. Martins sagt dann weiter: 534 habe dieselben Be­merkungen in Konstantinopel gemacht ; es schneit daselbst jeden Winter, und doch scheinen die Morgenländer, welche Sommers mit so großer Empfindlichkeit die Kälte aufsuchen, gegen die Strenge des Winters unempfindlich zu sein. Die Araber Algeriens bivouah­ren, von ihren Burnuffen bedeckt, unter freiem Himmel, und die Turcos waren es, welche die beiden strengen Winter der Belagerung von Sebastopol am besten aushielten . . . Aus dem verhängnißvollen russischen­­ Feldzuge (1812) hat man voll Verwunderung Tonstatirt, dab die aus Leuten des Südens formirten Regimenter besser als die Deutschen Widerstand leisteten, und man weiß recht, daß die Kälte in der wufltischen Armee ungeheure Verheerungen angerichtet hat." Diese Beispiele dürften genügen, um das Vorurtheil von der größeren physiologischen Widerstandskraft der Rusfen gegen die Kälte zu erschütttern. Wir werden viel verlieren, wenn England allein und ausschließlich sich an den künftigen Friedensverhandlungen betheiligen und wenn wir in Frankreich nicht ein Gegen­­gewicht England gegenüber finden sollten. Wie freundschaft­­lich Preußen auch zu uns gesinnt ist, allein in dieser Sache kann es uns seine wesentliche Hilfe gemähren, da schon wegen seiner geographischen Lage seine Interessen in der orientalis­­chen Frage zu abstratt und schwach sind, als daß seine Stimme Bedeutung und Einfluß haben könnte. Preußen wird auch seine Beziehungen zu den anderen Mächten, um der idealen Liebe willen, welche es zu uns hegt, nicht vers­iegen wollen, ja wir sind auch nicht berechtigt Dies zu ver­­langen. Finden wir somit seine Unterstüsung in Frankreich, so werden wir auch bei den Friedensunterhandlungen mit eben denselben Feinden — der Türkei und England und mit demselben zweifelhaften Freunde — Oesterreich zu thun haben. Inwieweit können wir jedoch auf Frankreich rechnen ? Das ist eine Frage, auf welche die stattgefundenen Wahlen uns­ eben seine Antwort gegeben haben. Es wird freilich am besten sein, wenn die Regierung Mac Mahon’s in ih­m eigens der Betrachtung verharrt : e3 wird dadurch nur Frankreich verlieren, allein das ist seine Sache. Wenn aber die Negier­­ung Mac Mahon’s aus irgend­welchen privaten und per­­sönlichen Rücksichten England wird unterfragen wollen, selbst zum Schaden Frankreichs, so wird unser diplomatischer Krieg ‚nicht leichter als der jenige sein. Wenn Napoleon II. die Rolle einer wäthselhaften Sphinz künftlich gespielt hat, so haben wir jebt in Frankreich eine natürliche Sphinz, deren Entscheidungen das geschäftige und überall anmefende England zuvorzukommen bemüht ist.“ Ein Schrecklicher dílenleh. (őorziehung.) Sinore drücke das Zardentuch gegen die Au­­gen. Wenn sie ihren Mann auch in ihrem Innern vor sich selbst verurtheilte, anderen Leuten, selbst ihren Eltern gegenüber, suchte sie ihn doch noch zu ents­c­­tändigen. „Scheiden Lassen ! das Wort ist leichter außge­­sprochen , als die Sache gethan. Oskar ist nur leicht» sinnig , sein schlechter Mensch. Ich weiß auch, das Aht Tage nach dem Begräbniß des Heinen Diar sah ich ihn­ zum ersten Male be­trunken. Da trat der alte Kommerzienrath ins Zimmer, noch glühend vor zorniger Aufregung. „Rein, Litdore so geht es nicht länger fort, so kann es nicht länger gehen. Das Benehmen Deines Mannes wird immer skandalöser. Fett eben holt mich der alte Klein, unser ältester Stuhlmeister, in die Fa­­brik, wo mein Herr Schwiegersohn und Kompagnon betrunken auf einem Tisch fitt und den Leuten Ko­­mödie vorspielt­, sich und und zur Schande. Das muß Anders werden, Isidore. Wir müssen einen Entschluß fassen . Ich sehe feinen andern Aus­weg , u­nd Du Did von Deinem Meanne scheiden Läffert." Und mit großen Schritten , unter welchen die Dielen snarrten , ging der erregte Kaufherr auf und nieder. Scheiden! Zweimal in kaum einer Minute hatte man die Forderung an sie gestellt. „Es ist mir eine Genugtäuung, daß Du jeßt endlich auch einsiehst, daß ich Necht Hatte, als ich ge­­gen diese Verbindung war. Hätte Isidore den Baron von Holzhausen oder den Herrn von Steinbergen ges heirathet :" „So wären wir heute gerade so schlimm daran, wie jebt ; denn Der Baron von Holzhausen ist ein Taugenichts, den sie vor sechs Jahren nicht einmal als Lieutenant in österreichischen Diensten gebrauchen konnten und deshalb fortschieten. Und wenn unser Herzog sich nicht feiner erbarmt und ihn zum Ober-­T lieutenant gemacht hätte, weil er einer der ältesten Adelsfamilien unseres Landes angehört, so wäre er längs­­ verhungert. Lebt bei der Webernahme des Militärs durch die Preußen Haben sie ihn glückich pensionirt. Und der Herr von G Steinbergen ? Der nicht? mehr auf der Erde zu suchen hat, wenn er auf einen Apfelbaum steigt ?" „Aber Herr Huth, dieser Mutter eines Geschäfts­­mannes, war eine bessere, wirdigere Bartie für die Tochter des Kommerzienrathes Brunner,” antwortete gereizt die Kommerzienräthin, und warf dabei den Kopf Hin und Her, daß die Kaffeebraunen Bänder­­ ih­­rer Haube wie Fahnen aufflogen. „Mit diesen Vorwürfen, Malchen,“ jagte der Kommerzienrath mit jener Ruhe, die er immer dann zeigte, wenn seine Frau gegen ihn aufbrauste, „kom­men wir nicht weiter und ändern wir an der Sache nichts. So tant er unmöglich bleiben. Ich mag Fsi­dore nicht Länger unglückich reden, und deshalb sage ich noch einmal: Scheidung.“ Isidore schlug die Augen nieder. „3% sagte schon der Mutter, das Wort ist leichter außgesprochen als die Sache gethan. Ich Leibe am meisten unter meines Mannes Lebensweise. Aber wir hätten ihn vorher mehr prüfen sollen. &3 ist uns fere Schuld, und was man verfuldet, muß man tragen.‘ g "Sie sprach mit Ruhe,aber mit einer Bes­­timmtheit,welche ihren Vater überrascht aufblicken seß . Die Kommerzienräthin zuchte die Achseln, als wollte sie sagen­, das sind überspannte Ansichten. „Das ist nicht meine Meinung von der Sache, liebes Kind," sagte der Kommerzienrath, dem dieser Widerstand unerwartet und überraschend Tan. Dein Mann hat das nicht en was er verspro­­chen hat. Er hat sich verstellt, er Hat v3 getäuscht.“ „Er kann sich ändern, befsern. Werden wir ges­chieden, dam­­it er unrettbar verloren.“ „Mein liebes Kind, das sind Ideen, die Euch, die Romanschreiber in den Kopf feßen , wie schön er sei, eine Menschenseele zu retten! Darauf kannst Du Gift nehmen, Isidore, Dein Mann ist unverbesserlich, da ist Hopfen und Malz verloren. ‚Nein, nein, ich will nicht, daß unser Haus eine Besserungsanstalt, für zum er trifft. Scankreichs Rolle bei den friedens- Verhandlungen. Budape­st, 21. November. Ein Artikel der ufra­hen Petersburger Zeitung“ vom 9. b. M., betreffend das Gewicht Franke veichd in den künftigen Friedensverhandlungen dürfte nicht unbemerkt bleiben. Der Artikel lautet in auszüglicher Niederregung : „Auf ganz Europa, meldes den Gang des Mahl:

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