Neues Pester Journal, Februar 1878 (Jahrgang 7, nr. 32-59)

1878-02-26 / nr. 57

. Aboummme Ganzj.fl­.14,halbj.fl.7. Das „Neue Peter “ Journal erscheint täglich, auch­ an Montagen „viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. Redaktion und Administration: L­eopoldft. Kirchenplat Nr.2. Einzelne Nummern 4 fr. Inferate nach anfliegenden Tarif. Der Mobilisirungskredit. Budapest, 25. Februar. Der gestrige Kronrath ist, wie unser jüngstes Blatt berichtet hat und wie übereinstimmend­ von allen Seiten bestätigt wird, darüber schlüffig ge­­worden, den Delegationen eine Vorlage über die Bewilligung eines Mobilisirungskredits zu machen.­­ Nur über die Form und die Höhe dieses­­ Kredits gehen die Meldungen auseinander, die Thatsache selbst kann als: unbestritten ‚betrachtet werden. Wäre es heute das erste Mal, daß uns von Wien über derartige­ Maßnahmen berichtet wird, wir könnten und würden dieselben in sehr­ ernster Weise aufnehmen und dieselben als bezeichnendes Symp­­tom in der Richtung betrachten, daß, die­ Orient­­frage in ein neues, britisches Stadium getreten ist. Allein es it nun seit Dreivierteljahren, das dritte Mal, daß von Wien her Alarmnachrichten mit ab­­sichtlicher Gefliffenheit verbreitet werden. Im Hoch­­sommer, als die Ausfen zum ersten­ Mal über den Balkan drangen, trat der große Kronrath zusam­­men und, wie die Offizieren damals zu­ berichten wußten, erhielt Graf Andraffy die­ Vollmacht, vom Kriegsminister "eventuell, die, Kriegsbereitschaft­ zu fordern. Im Herbst, ungefähr zur Zeit­ des Szét­lerputsches, kam der zweite Alarmruf aus , Wien "und nicht weniger als die Aufstellung von drei Armeekorps wurde damals angekündigt. Nun sind wir gewiß weit davon entfernt, den­­ wesentlichen Unterschied in der Situation zwischen damals und heute zu bestreiten, aber man wird es uns all zu Gute halten müssen, wenn, wir nun durch­ die wiederholten Aufregungen, etwas abgestumpft und vom Gifte der Skepsis angekräuselt­ sind. Nach Allen, was geschehen ist und nach der ganzen Art, wie heute verfahren wird, können wir unmöglich von Glauben aufkommen lassen, daß Graf Andrasfy f ihr zu reiner Kraftanstrengung auf­­gerafft habe, die ihm bisher völlig fremd geblieben war. Worin: besteht die ganze große Aktion ? Man lobt­ eine Woche vor dem Zusammentritte der­ De­­legationen die Vorlage in die­ Welt hinausposaunen, man will die Vorlage auch thatsächlich einbringen, will die Delegirten zu einem P­ertrauensvotum für den ‚Grafen Andrassy veranlassen und wenn das Alles­ sich glatt abge­­spielt hat, wird sich der Minister des Neußern in’s Eisenbahn-Coupe regen und, " gestärkft durch das Vertrauen der Delegationen, frischweg gen Baden Baden zu dampfen, vorausgeseßt, daß­ bis dahin noch ein Mensch in­­ Europa an die Konferenz denkt. Denn um eine Vertrauens-Manifestation han­­delt es sich bei der Kreditvorlage vor Allem ; Graf Andraffy it naiv genug, zu glauben, daß er euro­­päische Fragen­ mit Vertrauenspoten­ lösen, Ruß­­lands Webergreifen mit einer papierenen Kreditbe­­­willigung, von der er heute noch nicht weiß, ob und wie sie zu b­egleiji­en, sein, wird, zur­eweisen kann. Wir sind minder naiv und halten die De­­monstration, " so weit sie ihre‘ Spike gegen Ruß­­land haben soll, für ein großes Nichte, mit dem man seinen Kojaten von seinem often verjagen wird. Wenn Graf Andrasiy sich­h — wie heu­te be­­richtet wird — durch die Bewilligung des Kredits starr genug fühlt, um seine „Friedenspolitif” zu ‚garantiren, dann ist er auch ohne jenen Kredit gleich start; er wird allem Anscheine nach mit und ohne Kredit dieselbe „Friedenspolitif” verfolgen, die bisher Rußland in den Stand fegte, alle seine Wiünsche zu befriedigen. An die Delegationen tritt aber die Pflicht heran, gewissenhaft die Situation zu prüfen und vorsichtig bei Beh­rung des Kredits zu Werke zu gehen. Wenn Graf Andrágy in diesen ernsten Augenblicke ein­­ Vertrauensvotum fordert, dann müssen die Delegirten auch wissen, wofür sie Berz trauen wollren sollen und das darf keineswegs auf ein bei geschloßenen Thüren vor einem Dutend ‚Ausschubmitgliedern vorgetragenes Erpose hin ge­­blichh, wo man an die Wölfer der Monarchie , mit der Forderung nach Opfern an Gut , herantritt, haben auch diese, Wölfer ein wohlerworbenes Recht, zu­ erfahren, wofür sie nöt­igenfalls die Opfer bringen sollen.­­ Und noch einen Umstand werden die Dele­­gationen wohl zu beherzigen haben­.Die Worte Bosnien und Herzegowina schwirren wieder durch die Luft und speziell ein hochoffiziöses Wiener Or­­gan wird nicht müde,Tag für Tag die Politik der Okkupation­ zu predigen.Die Delegationen würden ihre Pflicht versäumen,wenn sie bei Ertheilung einer so weitgehenden­ Vollmacht nicht durch eine klare,­unzweideutige Bestimmung die Möglichkeit ausschließen würden,daß der Kredit, sei es mit,sei es ohne Zustimmung des Grafen Andrafsy,zu­r Verwirklichung"von­ Okkupations­­und Annexionsgelüsten verwendet werde.Es kann heute,wie Graf Andrässy im gestrigen Kronrathe erklärt­ haben soll,die Verwendun­g des Kredits noch nicht spezifizirt werden,wofür der Kreditaxef keinen Fall verwendet werden darf,das kann nicht nur,daß muß sogar unter allen Umständen an das Genaueste spezifizirt werden., Der Ziriede von Konstantinopel. Budapeft, 25. Februar. Sn­ Wien wurde ‚berathen und ‚die russische Diplomatie vollbrachte Thaten. Das Hauptquartier des Großfürsten Nikolaus ist gestern nach San­ Stefano (am Marmara-Meer), einem der nächsten­ Vororte Stambul’s, verlegt worden und­ die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien soll heute erfolgt sein. Rußland hat die Ernte seiner mehr diplomatischen, als kliegerischen Erfolge unter Dach und Fach ge­bracht — Fein Wunder, daß die, Petersburger OOffiziesen sich fest geberden, ‚als sei der­ Kongreß­­plan, aus Sortschatoff’s Haupt i entsprungen. Europa erhält die Erlaubniß, den Frieden von Konstantinopel zu sanktioniren, und sollte Graf Andraffy es vor­­ziehen, den Pakt für nicht rechtsverbindlich zu er­­klären, so wird das — wie von Fürst Bismarc dargelegt hat — dem mosfowitischen beatus possidens die Verdauung erleichtern. Weiter unten veröffentlichen wir nach Reuter’s Office ein Nejume der Friedenspräliminarien. Die telegraphische Mittheilung, bedarf offenbar der Be­­richtigung und Vervollständigung. Beispielanreise ist sein Wort von dem türkischen Bejagungsrecht in einzelnen bulgarischen Festungen, 10 in Barna und Schumla, gejagt und was über die neuen Grenzen gemeldet wird, Klingt theilweise vag. Nur so viel it. sicher: die europäische Türkei hat zu einftiren aufgehört. Denn was Rußland von dem Nierenbiffen übrig gelassen, besteht aus zer freuten Gliedern, deren Vereinigung zu einem Staatskörper absolut unmöglich ist. Allerdings soi die Herrschaft der Pforte auch fünfzig von Novi bis Konstantinopel weichen, aber zwischen die Weberreste einzelner Provinzen sind überall russische Vasallen­­staaten wie Keile getrieben worden. Da Serbien durch das Sandskalat von Nisd, Montenegro nach Nordosten hin vergrößert werden sol, so wären Bosnien und Die Herzegowina vollständig jeder Kommunikation mit allen anderen türkischen Landes­­theilen beraubt. Albanien, im Norden zu Gunsten Montenegro’s verkürzt, wird der Tebteres und auch die westlichen bulgarischen Provinzen von Thrazien und Mazedonien abgeschnitten. Der Ver­­kehr mit Thessalien und Epirus wird der Pforte­n gleichfalls nur auf dem Seewege möglich sein. Ohne jede Unterftügung von dem ohnmächtigen, ver­­blutenden osmanischen Centrum her, ohne direkten Verkehr mit dem seiteren, muß das staatstreue Element im ganzen Westen der Balkanhalbinsel, welcher das Gesicht dem adriatischen Meere zu­­wendet, absterben wie ein unterbundenes Glied. Die wilden Bergwölfer werden nicht lange mehr im Zaume zu halten und ein gegenseitiges Hinmorden wird die Folge davon sein, daß die dominirende türkische Hand abgehauen worden. Der Osten und das Centrum­­ der europäis­che. Grenzlinie des­ bulgarischen Staates­­ wird sie etwa von Kuru-Burun am schwarzen Meere über Kirkiliffe, nördlich an Adrianopel vorüber zum Despoto-Dagh ziehen, dann sich der Küste nähern, zwar — wie es scheint — die Halbinsel Challis­ und Saloniki nicht einschließen, aber sie doch nur in flachem Bogen umgehen und sich dann bis zur Dibra nah. Albanien , hinein, bis­ an Montenegro und Serbien heran ziehen., Die neue ruffische Proz­vinz — und etwas Anderes wird: und kann Bul­garien ‚nicht sein.— sichert die ruffische Verbin­­dung mit Serbien und Montenegro und die Be­­herrschung­­ dieser Staaten, die bisher in der öster­­reichische ungarischen Machtsphäre gelegen haben, welch’ legtere freilich, Dank der am Wiener Ball plate herrschenden Verblendung, seit Jahren eine Ohnmachtssphäre ge­wesen ist.. Meppig, fruchtbar, vom größten europäischen Strome bespült, von den größten türkischen­ Binnenwästern — Marita und Vardar — durchzogen, mit­­ drei Eisenbahnen Ruftihui Barna, Samakow-Adrianopel und Mittoz­wiga-Salonichi — und guten Häfen ausgestattet, wohlhabend. Dank der übermäßigen türkischen Mide noch nicht _Ärarisch erproitirt, so­ bildet Bulgarisch­­Rubland eine Erwerbung von unjrägbarem Wer­­the, und seine­ Kraft, und seine geographische Lage­­ ,sichern den früher oder später verfolgenden Anfall von­ Rumänien, Montenegro und­ Serbien, welchen die herrenlose, nach der Adria­ gewandte, und jet shhon­ durch Montenegro zerspaltene Westtürfei bald folgen muß: ». Der Pforte selbst bleibt in Europa nur­ die schmale, thrazische, Landzunge , von Adrianopel bis Konstantinopel, und ein s­chmaler Küstenstich am ägäischen Meere,­ vielleicht auch, falls sie nicht vom Kongreß für­ Griechenland gefordert werden, Epi­­rus und Thessalien. Das ewig störrische Albaniern und Bosnien und die Herzegowina sind, wie ge­sagt, absolut nicht unter türkischer­ Botmäßigkeit zu erhalten. Wen Nußland die beiden reßtgen­­ten Provinzen zugedacht hat, wir wissen es sei Und Albanien­­ ist zur Beute für­ italienische Län­dergier präparirt. In Asien sol die Pforte das unbezwungene Batum, ferner Ardahan, Kara und Bajazid vers­lieren ; die Grenze wird sonach durch den Tichorus= Su von der Mündung aufwärts, den Soghanli= Dagh und eine Linie von diesem in der Richtung auf Täbriz bezeichnet werden, 0. b. Die große Hand­­elsstraße von Trapezunt nach Persien wird über russisches Gebiet führen, und der englische und österreichisch ungarische Export nach Persien wird ein Ende haben. Zwei Bestimmu­ngen des Präliminarvertrages sind offenbar­ zu goldenen Brüchen für die Grafen Andraffy und Derby ausersehen: Die­ bedeutende Vergrößerung Serbiens nach der bosnischen Seite hin und Die Auslieferung von sechs türfischen Panzerschiffen an Rußland. Kronion wird wieder die Zoden schütteln, Rußland wird gern nachgeben, da der Stachel enttäuschter, serbischer Hoffnungen sich gegen Oesterreich-Ungarn richten wird, und laut werden abermals aus der Wiener Herrengasse die Sanfaren ob des meisesten und größten Staatsz­mannes der Erde erklingen. Wir fennen das. Bee­treffs Der Dardanellen ist wörtlich fi­pulirt, was Bismard verkündet hat; die Meerengen bleiben im den Händen der Türken, die jegt nichts als ruf­­fische Vorposten sein dürfen. 50.000 Rufen sollen Bulgarien belegt hab­en und eine ruffische Kon­­mission soll die Konstituirung des neuen Staates überwachen. Auch in dieser Beziehung it für einen ungefährlichen Sieg des Grafen Andrasiy gesorgt ; die Ossupation wird auf einige Jahre limitirt wer­­den, an Stelle der ruffischen Kommission tritt ein ruffischer Statthalter, genannt Fürst oder Hofpodar, und statt der 50.000 Rufen werden 100.000 bul­­garische Soldaten, von Ruffen, gebrillt und bez­fehligt, in unserer Flanke stehen. Im Hebrigen aber wird doch die Bestimmungen über die Kriegs­­entschädigung auch die seht rein asiatisch gewordene Türkei, welche in Europa nur noch einige Brüden­­töpfe befigen wird, zum tributpflichtigen zufü­gen, einer, Kreditforderung 204 Die heutige ‚Nummer umfaßt zehn Seiten. "EG ? 49 , —

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