Neues Pester Journal, Mai 1878 (Jahrgang 7, nr. 120-150)
1878-05-30 / nr. 149
»k- I FAR I WEN. Jahrgang. Ar. 149. \ N = m nam aztat a. zat > ESSEUER BEEEDS EEE coMponnement: Gangi. fl. 14, halbi. 1. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlig) fl. 1.20. l . Das „Neue elter Sournal“ erscheint T täglich, an an Montagen. | Medaition und Administration t 1878. Einzelne Nnummern 4 Tr, Infernte nach anfliegendem Tarif. «»W Morgen(Freitag)Früh erscheint unser Blatt wie gewöhnlich. « Andrassy’sneuestesEXpos-Z Budapest, 29. Mai. Graf Andrassy hat gestern den Delegationen sein neuestes Exposé vorgetragen. Aufklärungen über die äußere Lage haben die Delegirten durch dieses Expose nicht erhalten und die „mannhafte” Sprache, die Graf Andraffy spricht, dürfte wohl kaum irgend jemandem imponirt haben. Dafür aber singt allen Hörern und Lesern des Expose’s der Nefrain desselben in die Ohren, Der da lautet: Wir brauchen Geld! Graf Andraffy braucht Geld, wenn zwischen Rußland und England der Krieg entbrennt, er braucht nicht minder Geld, wenn alle abschwebenden Differenzen applanirt werden, wie immer die europäische Konstellation Ti gestalte. Graf Andraffy regt seine Hand auf Die bewilligten 60 Millionen, um dieselben ihrer Realisirung zuzuführen. Das Erpose des Grafen Andrasfy betont an jeder Stelle immer und immer wieder die absolute Nothwendigkeit, von 60 Millionen Kredit zu realisiren. Aber ist es nicht ebenso merkwürdig als auffällig, daß diese Nothwendigkeit erst jekt eintritt, daß sie bisher nicht fühlbar wurde? Seit nahezu zwei Jahren haben wir alles Mögliche und Unmögliche ruhig über uns ergehen Lasfen und Graf Andeaffy fühlte nicht die mindeste Nothwendigkeit zur finanziellen „Mobilisirung”. Wir ließen Serbien und Montenegro in den Krieg ziehen und schwiegen, obwohl wir wußten, daß dieser Krieg nur das Vorspiel eines größeren, blutigeren sei, obwohl Niemand zweifelte, daß dieser Krieg die Aufrollung der Orientfrage bedeute: "Wir ließen schweigend Rußland den Pruth überschreiten, obwohl wir wußten, daß Rumänien damit dem russischen Einflusse verfallen sei; wir sahen müssig allen Phasen des Krieges zu von dessen Ausbruch bis zur Katastrophe von Plevna und von da bis zum Frieden von San Stefano ; nichts störte den Grafen Andrasiy in seiner Beschaulichkeit, nichts verlobte ihn zu einem kräftigen Anlaufe, nichts bewog ihn, an Vorbereitungs- und Vorsichtsmaßregeln zu denken und die finanzielle Mobilisirung in Angriff zu in ‚näher nehmen. Exit jet, „wo der Kongrek —— a even arm nern namen Siht if, wo dem äußeren Anscheine nach die allerschwierigsten Differenzen für den Augenblick wenigstens beseitigt sind, erst fest ist in dem Grafen Andrasigg das Bedürfniß nach den 60 Millionen erwacht; mag der Kongreß die Orientfrage regeln und die neue europäische Rechtsordnung schaffen, mag das geplante Werk mißlingen und der Kongreß resultatlos auseinandergehen — für den einen, wie für den anderen Fall kann Graf Andraffy Die vollsten 60 Millionen nicht entbehren. Klingt das nicht eigenthümlich und feltsam? Muß nicht um militärlicher Verdacht erwachen, daß jene 60 Millionen ihren genau firirten Bwed haben, dem sie zugeführt werden sollen, sobald die Vertretungskörper ihre Sommerferien antreten, den man aber heute noch nicht nennt, weil man solche Pläne nicht als Pläne, sondern als vollendete Thatsachen den Parlamenten zu präsentiren pflegt ? Unsere politischen Zwede, so versichert freild) Graf Andraffy, sind heute unverändert Die nämlichen, welche die Regierung von Anfang an geleitet haben. Aber welche sind diese Zwede ? Wer rennt sie? Sind sie in einer der zahlreichen Enunziationen Andraffy’s und Tipa’s je definirt worden? Haben die Minister je irgend eine Weußerung gethan, die sich über das Niveau der banalen Phrase und des platten Gemeinplates erhob ? Eben heute richtet der österreichische Delegirte Dr. Sturm an den: Minister der Meußern Die Frage nach den Punkten des Friedensvertrages von San Stefano, deren Abänderung die Monarchie fordert und nach der Nichtung, ‚i, welcher diese Bunkte modifiziert werden sollen. Dieselbe Frage wird aber in Ungarn seit Monaten von aller Welt aufgeworfen, ohne daß irgend jemand darauf eine Antwort zu geben wußte. Wir bezweifeln auch .ernstlich, daß. Graf Andrasfy, auf die Interpellation des Dr. Sturm eine gerade Antwort ertheilen wird ; bestenfalls wird auch Diese Antwort mit dem Refrain schließen : Wir brauchen Geld ! Wir brauchen die 60 Millionen ! Wir unsererseits halten an unserer oft auszgesprochenen Weberzeugung fest, daß es nichts Ueberflüssigeres gibt, als die finanzielle Mobiltiezung, wenn es sich lediglich um die Fortgebung der bisher befolgten Bolitit ‚handelt. Denn darüber besteht für uns sein Zweifel, daß an dem Zurückweichen Rußlands,an der günstigeren Wendung der Situation die Politik des Grafen Andrässy,wenn überhaupt einen,so eisten minimalen,geradezu verschwindenden Antheil gehabt hat. Wenn Rußland klein beigibt und sich dem Ausspruche des Kongresses widerwillig beugt, dann ist dieses Resultat einzig und allein dem energischen und muthigen Hervortreten Englands zu danken, das seine Entschlossenheit befundete, der russischen Vergewaltigung Gewalt entgegenzufegen. Hätte England geschmiegen, dann wäre der Friede von San Stefano im günstigsten Falle mit einigen nichtssagenden, formalen Aenderungen europäisches Recht geworden ; Graf Andraffy hätte sich damit abgefunden und hätte vielleicht auch seine Zustimmung gegeben, daß Oesterreich-Ungern aus Rußlands Hand das Danaergerdhent Bosnien und die Herzegowina empfange. Und die Politis, welche ohne Englands Dazwischentreten zu solchen Resultaten geführt hätte, soll nach Der gestrigen Erklärung Andraffy’s fortgelegt werden und zu ihren Fortjegung braucht Graf Andraffy Geld, braucht er 60 Millionen. Wir denken, daß die Fortjegung dieser Politis um einen billigeren Preis ges leistet werden konnte. Voltaire und Jeanne d’Arc. Budapest, 29. Mai. Zwei Fahnen werden morgen über zwei Feldlagern wehen, in welche Frankreich gespalten ist: Name „Voltaire“ strahlen und das andere Banner auf der einen wird in sonnenhellen Lettern der wird im unklaren, ruhenden Schimmer eines qualmenden Sceiterhaufens den Namen der Jungfrau von Orleans lesen lassen. Es war eine glückliche Inspiration: der dem Propheten des gesunden Menschenverstandes zu bringenden Huldigung einen internationalen Rahmen dadurch zu geben, daß Die zur Weltausstellung in Paris versammelten Vertreter aller Nationen zu Theilnehmern oder dach Zeugen der Säcularfeier gemacht würden. Mochte sich nationale Eitelkeit in diesem Plane spiegeln, sie war berechtigt, denn in den Tagen Poltaire’s marscirte Frankreich wirklich an der Spike der Civilisation, und wenn auch in England und Deutsche von Hängerinen und Tänzerinen. (Original-genilfeton besm „Neuen Befter Journal") sind Die Damen vom Theater heute eine gröztere Macht als früher? Wenn man erwägt, um wie viel größere Achtung Der Stand des Bühnenkünftlers heutzutage genießt als noch zu Anfang Dieses Jahre hundert3 , wenn wir Die riesigen Gagen und Honorare in Betracht ziehen, welche gefeierte Künstler. und namentlich Künstlerinen erhalten, sowie Die Auszeichnungen von Seite der Potentaten, Würdenträger und Des publikums, deren je theilhaftig werden, wenn wir uns erinnern, weld nachgerade europäisches Aufsehen seinerzeit die Ehehändel der Lucca oder im Vorjahre exit der Scheidungsprozeß der Batti hervorriefen. So könnte man sich fast versucht fühlen, jene Frage zu bejahen. Hadek gelten die Theaterdamen in Wahrheit heutzutage günstigen Falles so viel wie in früherer Zeit, wahrscheinlich ist in unseren so eminent , politischen Tagen ihr Einfluß ein geringerer geworden ; und nur unsere Neuvorttát unsere sinnliche ‚ Reizbarkeit kommt den Künstlerinen noch zu GStatten. Sene hohen Gagen, über die wir uns gerne wundern, je wurden |wiß nach Dem heutigen Geldwerthe das Dreifachebe: ‚den Sängerinen und Ballerinen [chon im vorigen Jahr: | tragen würde, Melde Künstlerin von heute bezieht hunderte gezahlt ; wie hätte auch, sonst der, Begründer aber. 45.000 fl. Jahresgage ? Wahrscheinlich eine! Mit der Nationalökonomie als einer Wissenschaft, Adam ‚ihrem Manne erhielt Faustina. 1731 am furfürstlic Smith, in seinem großen Werke die vielleicht richtmählishen Hoftheater im Dresden Dieselbe Summe, tige, aber jedenfalls unhöfliche und grämliche Bemner- nämlic 12.000. Thaler, was, mit Rücksicht ‚auf die bez fung madten können, daß, wir derlei, Leute nur darum ‚sheidenen Berhältnisse eines, Heinen Hofes noch erorz so hoch bezahlen, um sie einigermaßen ‚für unsere Berz |bitanter heißen muß. — Eine ‚andere Operngröße des achtung zu entschädigen, der sie nothwendig verfallen, |vorigen Jahrhunderts, die „Jungfer Schmehling“, weil sie ihre Kräfte dem Gemeinmwohle „entziehen ‚und |später als Madame Mara in ganz Europa gefeiert, auf so unntge Dinge, wie Tanzen und Singen, wer:die Tochter eines armen Muftilehrers und Instrumenwenden. Die „Liebesgeschichten und Hearathsjahen” |tenmachers in Kassel, hüßlich, Durch Krankheit verlümder Theatespringerfnnen haben die Welt früher ungleich [ mert, daher als Biolinistin in Wien und London nur mehr aufgeregt als heutzutage, und, bei der ,erzeption peinlichen Gindrud hervorrufend, ward nach ihrer Ausweilen und heitenstellung, welche die, Bühnenkünst‚bildung zur Sängerin von großen, Friedrich, kejjen lernen wie alle Frauen von öffentlichem Charakter Abneigung gegen deutsche. Sängerinen, die durch ihren einnehmen, hat es an weichem Stoff für die Chronique scandaleuse hierin nie gefehlt. Was für eine welterschütternde Begebenheit wäre in der harmlosen Epoche fürstlichen Persönlichkeiten sind schon im vorigen Jahrhundert nicht unerhört gewesen und haben gewiß in früherer Zeit, ala ie Standesunterschiede, weit lebhafter gefühlt wurden, auch weit sensationeller gezwirkt, als in unseren hiefür abgestumpfteren Tagen. Es ist von Interesse, diese Thatsachen an geren Beispielen der legten 150 Jahre zu verfolgen. gunächt Die hohen Gagen der Sängerinen und Tänzerinen. Eine der berühmtesten Sängerinen des achtzehnten Jahrhunderts, die Venetianerin Faustina Halle geborene Bordoni, die Gattin des Kompoisten und Denoristen Haffe, wurde im Jahre 1724 an die kaiserliche Oper in Wien mit 15.000 fl, engagiirt — ein ungeheuerer Preis für jene Zeit, Der geland schon Helden des Gedankens den Franzosen vorausgeeilt waren, so waren doch die von ihnen herrlichen Gesang zu überwinden wußte, an der Berliner Oper mit 3000 Thalern angestellt, was, so bes fcheiden er uns vorkomme, für den filzigen König und des Vormärz die Affaire Patti-Nicolini gewesen! Wir den Inidern den Hof von Preußen eine große Dumme Epigonen bringen troß unserer Patti-Schwärmerei die war. Obendrein erhöhte der König dieses Gehalt bald dem unerquidlichen Handel doch nur sekundäres Inter darauf auf 6000 Thaler , und wie viel Staatsbeamten sie entgegen. Auch die Heirathen der Künstlerinen mit mochte es Damals in Preußen geben, die so gut bezahlt wurden ? — Die große Sängerin in der Zeit Napoleons I., Angelica Catalani, errang sich in Madrid in einem einzigen Konzerte 12.000 schwere Viarter, 0. i. 22,500 Gulden. Die Bummen, die sie in England, Deutschland, Rusland und Italien durch ihre Kunst sich erwarb, müssen geradezu enorm gewesen sein, wenn man bedenkt, daß sie troß eines von allem Zitrus umgebenen Lebens und ee namhafter Berz lufte, die sie als Direktorin der italienischen Oper im Paris erlitt, nebenbei im Ganzen zwei Millionen Francs den Armen zuwandte. Nicht alle Künstlerinnen waren mit ihren Neichthümern so knauserig, ala Hdelina Batti in unseren Tagen; neben der Catazzani können als Muster von Mohlthäterinen vor Armen und Dürftigen genannt werden die Malibran=-Garcia und Semy Lind-Gold Schmidt Die Erstere machte von ihrem Vermögen, daß sie sich ganz erjungen, zu Humanitätszwecken einen geradezu verschmendernden Gebrauch) ; die Vegziere war, seitdem sie sich 1852 in Dresden niedergelassen, besonders groß in frommen Stiftungen, die sie reichlich dotirte. Medrigens verstand Lenny Lind, die Nilsen der Vierziger-Jahre (Beide sind Schwmerzen), sich auch vorzüglich aufs Geldgüft ; sie machte 1850 mit dem famosen Barnum ihre bekannte Kunstreise durch Amerika, von der sie eine schwere Dollarernte heimbrachte und hatte 1843 an ihr Engagement in Baris To eyorbitante Bedingungen gesnüpft, daß man ‚von demselben abstehen mußte. Allerdings soll sie sich durch dies Benehmen für die fahle Aufnahme gerät haben, die ihr bei ihrem BET Die heutige Auer anfaßt vierzehn Heilen. "U . 7