Neues Pester Journal, November 1878 (Jahrgang 7, nr. 303-332)

1878-11-19 / nr. 321

.. «mzaxggnggAr.321i Est­­ f:;)iensta·g,den19"." Youemser 1878. 5 «ft ese TT TTI Michonneneni: Ganzj. fl. 14, halbj. fl. 7. | Das „Reue Vetter Journal“ erscheint tägid, aid­ an Montagen. viertelj. fl. 8.50, monatlich­ fl. 1.20. b. .’ · ..» vé Redaktion und Noministration: Leopoldst. Kirchenplak Nr.2. Einzelne Nummern4 Te Sufernte nach anfliegendem Tarif. 2. Ein Attentat gegen König Humbert. Budapest, 18. November. Es ist vielleicht nicht wohlgethan, von der grafirenden Attentats - Epidemie in ernstem Tone zu sprechen ; die englische Sitte, Jeden, Der einen Mordanfall auf die Königin unternimmt, ins Sere­rhaus zu stehen, scheint uns eine hessere Schuß­­wehr gegen die Seuche, als das in Rußland und Deutschland beliebte Verfahren, demzufolge große Völker für­ den Wahnwng eines einzelnen ver­­kommenen Subjekts dadurch, büßen müssen, daß ihnen ein Polizeif­ebel angelegt wird. Daß die scheußlichen Mordversuce wider gefrönte Häupter nichts Ungewöhnliches mehr sind, it. nicht zum ge­ringsten Theile den zwiderlichen Orgien zuzuschreiben, in welchen Neugierde und ehrliche oder geheichelte Loyalität sich anläßlich der Schandthaten Hoedel’s und Nobiling’s ergingen, und dem gelungenen Ver­­suche, Bismarc’s, Die gegen Kaiser Wilhelm ver­­suchten Verbrechen zur Inauguiirung einer brutalen Reaktion zu mißbrauchen. Im Handumprehen wurde eine Hoedel-Literatur geschaffen, welche an Umfang die Werke der deutschen Geistesherren übertraf. In allen Schaufenstern prangte inmitten der Bildnisse von Weltberühmtheiten und regierenden Häuptern das Porträt des seit Kindsbeinen verlumpten Menschen.­ Nach dem kleinsten Detail seiner­­ Vergangenheit wurde mit einer Gründlichkeit gespürt , wie unsere trefflichsten Geschichtsforscher sie nicht auf die bes­deutendsten geschichtlichen Ereignisse verwenden. Jeder Diffen, seiner Menu’s, jede seiner Mienen, und, Be­­wegungen, jedes seiner Worte wurde des Langen und Breiten beschrieben; das Spenferbeil, unter welchem sein Kopf gefallen, wurde von einem wissen­­schaftlichen Institute tagelang gegen Entree zur Schau gestellt und seine Statue prangte im Panoptikum. Dergebens warnten­ denkende Männer vor­­­iesem Unfug, der anläßlich des Attentats Nobiling’s wiederholt wurde, um welch’ Lebteren sich ein forme tiher Sagentreis bildete. Um Hoedels willen wurde der deutsche Reichstag aufgelöst; die Namen’ ver’ beiden Berliner Verbrecher erklangen wochenlang in der geießgebenden Versammlung. It es ein Wunder, das Angesichts des, freilich herostratischen Welt­­ruhmes der Attentäter Naturen mit anormaler Gehirn­­bildung — und nur solche sind zu Mordversuchen fähig, die beinahe noch Dimmer, als ruchlos sind — nur die von geistiger Beshränftheit untrenn­­bare Eitelkeit auf den Spuren Hoedel’s vorwärts­ getrieben werden? Bei Moncafi, einem Menschen mit minimaler Bildung, doch von unwiderstehlicher Zeieluft, it der Einfluß des (in Form von Kund­­gebungen des Abscheues betriebenen) Hoedel-Kultus unverkennbar. Auf das gestrige Attentat gegen König Humbert scheint nicht völlig ohne geistigen Zus­­a­mmenhang mit den Berliner Mordanfällen zu fiehen. Nicht daß wir meinten, auf den Verbrecher, den Koh Parlamento, habe irgend­welche sozialistische Propaganda eingewitzt. So weit sind die Süditaliener noch nicht, daß unver­­standene Schlagwörter aus einem sozialistischen System Reiz für sie und daß dort die unteren Klassen für andere, als religiöse Vereine Interesse hätten; ihr Sozialismus und Kommunismus ist rein wissenschaftlich aufgepußter, sondern der na­­turwüchsige der Diebe und Räuber. Bas gilt besonders von den Bewohnern der Basilicata, aus welcher der Verbrecher stamm­t. Dieser Bezirk, an der M Wasserscheide zwischen den nach dem Golf von Tarent und den ins Thyrrhenische Meer eilenden D Bächen gelegen, an dem Bunfte, wo der Appen­­nin sich gabelt, um Sohle und Abrat des italie­­nischen Stiefels zu bilden, ist gewissermaßen die Verkörperung der Vorstellung, welche wir mit dem Worte „Abruzzen“ verbinden. Dort herrscht noch der tollste, mit den Formen der römischen Kirche umkleidete heidnische Aberglaube. In den wild­ zerristerten, theils kahlen, theils waldbedeckten Ber­­gen vor ausgebrannter Krater, den spärlichen Dörfern, den winzigen Städten sind Naub und Mord an der Tagesorönung Gin Mirtum von Budapest, 18. November. Kaum läßt sich für die Rede, mit welcher Joseph Szlávy heute in die Adreßdebatte eintrat, eine zutreffendere Kritik denken, als der Eindruck, welchen die einzelnen Theile dieser vielfach ange­ Eimdigten und mit einer gewissen Ungeduld erwar­­, griechischen , arabischem und armantischen Blut geten Enunziation auf Die verschiedenen Parteien ‚amerikanischen Fein anderes. pocht heiß in den Adern der Kolossal unwissenden, den gleichfalls unmissenden Klerus Blind gehör­­enden Bevölkerung und der böse Wille fährt bei dem ummchtigsten Anlasse in die Faust und ins Meier. Wenn vollends ein Sirocco Das Blut focht und die Nerven reizt — und gestern hat wahrsceinlich in Neapel der Wind, aus der Gar­bara herübergeweht — dann ist ein bisschen Todt­­ichlag oder Mord bei einem Sohne der Basilicata nichts Auffälliges. Das freil­ ift­ die Frage, , warum Balla­­mento das Messer gegen den König und den Mi­­nisterpräsidenten zichte. Erzefsiver Freiheitsdrang kann ihn nicht getrieben haben, denn das italienische Bolt genießt­ heute ein so vollgerütteltes Maß der freien Beweauung,wie außer dem englischen und dem nord. Unter dem Ministe­­rium. Cairoli sind Verfolgungen von Journalen zur Mythe­ geworben, Vereine, welche den Namen eines wegen Snjubordinationen, hingesichteten Soldaten führen, sind gestattet, republikanische und soziali­ tie Dofteinen werden in Zeitungen­ und Volks­­versam­m­lungen straflos verkündet ; die gegenwär­­tige­ Regierung hat jede Spur eines ungefeglichen Drudes auch wann vershhieden, also die unsinnigen Manifestationen "der Irredenten ihr ernste Vere­legenheiten, bereiteten. Wer zu dem im Kampfe für Vaterland und Freiheit errungenen­ Narben, mit welchen der Leib Cairoli’s bededt ist, eine neue Wunde fügt, der hat für Vaterland und Freiheit nie gefühlt. Wenn also der Verbrecher von politi­­schen Motiven getrieben wäre, so könnten nur bour­­bonische und pfäffische Agitationen sein Messer ge­­lenkt haben. Hat doch seine Heimrath häufig starke Kontingents zu den Horden gestellt, durch welche der Ne Lazzarone und der Ne Bomba die Konsti­­tutionellen abschlachten sehen. Noth und erlittene Misbhandlungen einerseits ud, andererseits Eitel­­keit, gewedt durch jene gekor­zeichnete, mac­hen Berliner Attentaten eingetretene V­erirrung, mögen den Menschen zu seiner Unt­at angetrieben haben. Koch hat­ jeder Mordanfall auf gefrönte Häupter das Gegentheil des Erfolges erreicht, den die Attentäter erhofft­­ hatten. Auch in Italien wird sich diese Erscheinung bewähren., Schon hatten die radikalen fü­ditalienischen Intriguanten,, woran der ehemalige bourbonische Mouhard Nicotera und der Trigamist Crispi,­ Minen gelegt, um das Ministerium Cairoli in der am Donnerstag begin­­nenden P­arlamentssession in die Luft zu sprengen. Das gestrige Attentat muß Cairoli’s große Popu­­larität ins Unneßbare steigern; der offene Mund seiner neuen Wunde wird mit u­n­iderstehlicher Beredsamkeit für ihn sprechen und seine Regierung wird vorläufig unüberwindlich sein. “Cairoli’s ab­­solute Ehrlichkeit und seine weitgehende Freisinnig­­keit­ bürgen dafür, daß nicht das kleinste Volksrecht Italiens dem neapolitanischen Mordgesellen zum Opfer gebracht wird. Das junge Königreich wird seinen Schritt aus seiner gejeglich basirten Position thun, nit nach renftionärer, nicht nach radikaler Seite hin. Und daß diesem Attentate, ungleich den früheren Schandthaten, außer dem positiven auch der negative Erfolg fehlen wird, das führt vielleicht ein Ende jener gräßlichen Geistesepidemie herbei, die von Hoedel bis Parlamento reicht — vorausgefegt, daß in Italien jener Unfug vermie­­den wird, der in Deutschland anläßlich der Atten­­tate getrieben wurde und der Eitelkeit der Mörder überreiche Genugthuung schaffte. Werden einmal die kontinentalen Attentäter nicht dem Irrenhaus, sondern dem Spenferblod oder der Garotte über­liefert, so sollen sie wenigstens nicht zu berühmten P­ersonen gestempelt, sondern der Verachtung und dem Bergeffen anheim gegeben werden, des Hauses machten. Der erste Theil, die Schilde­­rung der Lage Europa’s und der Türkei vor dem Kriege, die Ausführung, daß eine Allianz der Monarchie­ mit der Türkei ein verfehlter Schritt ge­wesen wäre, überhaupt die Kritik unserer Orient: Bolitit vor der verhängnißvollen Ossupation, fast den ungetheilten Beifall in den Reihen der Negie­­rungspartei. Wie mit einem Schlage verstummten aber die Beifallsrufe der Nechten, als Szlávy zum zweiten Theile der Rede, zur Kritik der Offupation selbst überging. Als er darlegte, daß das erzielte Resultat die gebrachten Opfer nicht werth sei, daß­ die Beschaffung der Offupationskosten die Kräfte der Nation übersteige, daß es zweifelhaft sei, 05 nicht unvorhergesehene P Verhältnisse eine Aussehe­nung der Offupation auf weitere Gebiete e­rheiischen werden, daß ein Staat, der Ex­pansivpolitif treik wolle, so ein halbes Jahrhundert darauf vorbei reiten, seine staatliche Konsistenz, seine centripetale Kraft und seine Finanzen stärken müsse, daß wir aber nach jeder Nichtung Hin für eine Expansiv- Politif unvorbereitet seien, da erbraufte der Saal vom­ Applaus der Linken. As dann endlich Szláva seine Nede damit schloß, daß er den Glauben nicht aufgeben künne, es werde der Negierung gelingen, die aufgetauchten­­ Besorgnisse zu zerstreuen, da athimete die Nechte sichtlich auf ,und sie belohnte den Nebner für die Befreiung von dem drühenden Alp mit einer kräftigen Elfensalve. Die Erklärung für­ diese nicht alltägliche Ers­cheinung fällt kaum schwer. Der erste Theil und die Schlußworte der Niede konnten von einem un­bedingten Negierungsanhänger,, der zweite Theil konnte von einem entschiedenen Oppositionellen ges­­prochen sein. Nichts lag Herrn v. Szlávy ferner, als es beiden Theilen recht machen zu wollen, vielmehr ‚war es offenbar seine Absicht, es weder dem­­­einen , wo dem­ anderen Theile recht zu machen, ‚und diese Absicht Hat er vollständig er­reicht: ‚von feiner Nede ist weder die Negierungs­­partei, noch auch die Opposition­­ befriedigt. Die Wahl zwischen zwei diametral entgegengelegten Richtungen fällt sichtlich Herrn v. Szlávy und sei­­nen Freunden schwer, und so verflacht sr die Aktion dieser Gruppe in das ängstliche Streben, zwischen zwei Strömungen in der Mitte zu blei­­ben. Sie will die Offupation tadeln, aber­ sie will ihrem Tadel seine persönliche Richtung geben; sie will die­ schädlichen Folgen der Okkupation kenne­zeichnen, aber sie will die Konsequenz vermeiden, daß die Offupation rückgängig gemacht werden muß; sie konstatirt die Besorgnisse des Landes, aber sie kann sich des Glaubens, nicht entschlagen, daß die Regierung diese Besorgnisse als unbegründet zerstreuen werde. Ihre Manifestation ist ebensowohl ein Vertrauensvotum ohne Vertrauen, wie ein Mißtrauensvotum ohne Mißtrauen, sie it eine Halbheit, ein Zwitterding und das bedauern wir nit nur im Interesse der in Verhandlung stehen­­den Frage, sondern auch im Interesse der Autorität, deren sich die Koryphäen der alten Denkpartei in so hohem Maße erfreute. Groß dieser Schwächen mag Szlávya Nede für den Ministerpräsidenten, dennoch­ sei „Aufanges nehm gewesen sein. Es ist jedenfalls­ bemerkens­­werth, wenn ein so maßvoller und vorsichtiger Staatsmann­ mit so überzeugungsvoller Wärme den Gedanken ausführt, daß Oesterreich-Ungarn nach seiner Nichtung hin­­auf eine Erpansivpolitik vor­­bereitet war. Der Monarchie fehlt heute noch die innere Konsistenz . Diesseits wie jenseits der Leitha gibt es widerstrebende, unzufriedene Nationalitä­­ten, sind centrifugale­ Kräfte wirks­am; diesseits wie jenseits der Leitha sind die staatenbildenden Elemente nur in der relativen, nur in der abso­­luten Majorität und seineswegs in einem solchen Ueberge­wichte, daß sie im Stande wären, neue, ungleichartige Elemente in sich aufzunehmen und zu affimiliren.­ D­iesseits wie jenseits der Leithe schließt die norm­ale Bilanz mit einem namhaften Defizit ab und von Jahr zu Jahr erscheint Oester­­reich nicht weniger als Ungarn als Ansehenswer­­ber auf dem Geldmarkte. Und eine fote Monarc­hie will Expansivpolitik treiben, will neue Terri­ " $zlávys Rede. ERS Die heutige Paummer unfacht zwölf Seiten. 3 - _ i sk­­x

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