Neues Pester Journal, November 1878 (Jahrgang 7, nr. 303-332)

1878-11-21 / nr. 323

Wzayrgang. Mr. 323. pm NEUES Einzelne Nummerna­u DM be­ta redaktion und Nom­inistration: keopoldít. Kirchenplat Nr.2. je Abonnement: Lanzj. fl. 14, Balbj. fl.7, viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. Das „Neue Pester Journal” erscheint täglich, auch an. Montagen. Das Korbbuch. Budapest, 20. November. Eine der ersten Thaten, welche Graf Andrasfy in seiner Eigenschaft als Minister des Auswärtigen vollzogen hat, war die Abschaffung der vom Grafen Beust nach dem Muster aller anderen ehrlich -konstitutionellen Länder eingeführten Sitte: den be­­rufenen Repräsentanten Sammlungen diplomatischer Aktenfunde vorzulegen. In umfangreichen­ Reden suchte der Minister diese Unterbiücung zu rechte fertigen, indem er sich auf den diplomatischen Hand­­werksbrauch berief und darauf Hinwies, Daß die Blau­, Grün, Gelb, u. s. w. Bücher eitel Humbug waren, nur bestimmt, die Parlamente über die wirkliche Richtung der auswärtigen Politik irre­­zuführen. Als Gebot und Triumph der Ehrlich­keit stellte er die Unterdrückung hin und mit freudigen, leider so schwer getäuschten Vertrauen billigte die ungarische und zögernd, widerstrebend sanktionirte die österreichische Delegation sein Vor­­gehen. Heute vollbringt Graf Andraffy, was er im Beginn seiner seligen Funktionen als Humbug ge­­kennzeichnet hat. Seine Parteigänger werden auch in der Vorlage des weiter unten flitzirten Noth­­buches ein Gebot und einen Triumph der Ehrlich­­keit entdecken; uns aber will scheinen, als habe der Chef des auswärtigen Amntes nur seine einstigen Behauptungen praktisch beweisen wollen. Der Be­­weis ist gelungen. Die in der vorigen Gersion unterbreitete Mitensammlung und der erste Theil Des für die gegenwärtige Vession der Delegationen be­­stimmen Mothbuches betrafen abgeschlossene politische hajen und brachten nichts, absolut nichts, was nicht Bebermann aus den Zeitungen wußte. Der heute ausgegebene zweite Theil des Rothbuches aber reicht bis in den laufenden Monat herein und bis zu Den Dirbeiten der ostrumelischen Kommission, nicht also den Schein zu mweden, als enthalte er Aufschlüsse über aktuelle Fragen, als werfe er Licht auf die noch dunklen Partien der Wiener auswärtigen Politik. u Wahrheit ist unter Den zweihundertneinund­­­echzig Aktenstücen nicht ein einziges, welches auch für den geringsten Anhalt zur Beurtheilung der pirtlichen Wpolitik des Grafen Andrasfy brächte. Bas Die Bevölkerung der Monarchie zu wissen vel­­angt und zu willen ein Hecht Hat, it verschwiegen, nd was gesagt wird, ist längst aus anderen Bublikationen bekannt. Derartige N­othbücer nd allerdings Humbug und ihre Unterdrücung it ein Gebot der Ehrlichkeit; aber derartige Noth­­b­er sind bisher nur vom Grafen Andraffy, nicht an anderen Ministern des Auswärtigen den Re­­päsentationen vorgelegt worden. Das erste Aftenítüd Datirt vom 7. April 577, sonach vom Beginn des russischen Feldzuges gen die Türkei. Der Schlüssel zu der Politif 5 Wiener auswärtigen Amtes ist aber längst on dem Kriege, bei der St. Petersburger Entre­­te, in Berlin und namentlich in Neichstadt ge­­pfriedet worden. Nach den Mittheilungen Bogol­­ceanu’s steht fest, daß schon in Neichstadt der Ki­che aubzug und die Auslieferung der Do­­humündungen verabredet worden is. Koloman­ipa hat nur den Abschluß eines Reichstädter Ver­­leges geleugnet ; da es jedoch mannigfache andere tmen der Abmachung gibt, hat seine Ableugnung­­ den Werth eines Wortspiels. So lange über den Abschnitt der Halbvergangenen Ereignisse heim­niß gebreitet wird, 10 lange kann Graf Koraffy dem V­orwurfe nicht entgehen, daß er die ehreheit verhüllt, weil seine Politit das Tages­­t nicht verträgt. Weder die ganze Zeit des Sinne­­fehlen die Affenítüde; namentlich ist nicht zu ehen, wie Graf Andraffy sich zur Theilnahme mäniens und Gerbiens an den Kämpfen gestellt , eine Theilnahme, welche er im Frühjahr 1877 10 lassen wenigstens einige Depeschen vermus­­st — nicht dulden wollte und naher doch get­ät hat. Ueber die Verhandlungen betreffs der­­vention int der Tü­rfei gibt seine einzige Silbe | Rothbuches auch mir eine Andeutung ; Verhandlungen der Rhodopes Kommission ist j e Spur zu entbehen. Alles, was irgendwie­­ wichtig wäre, ist unterschlagen und der Band ist mit Zeitungsausfähruntten, altbekannten Proklama­­tionen, t­iefen Urtheilen über das türkische Par­­lament und Konsularberichten von Waflitieh und a la Waflitih gefüllt. Und dennoch führt das Rothbuch eine beredte Sprache und gibt unbeab­­sictigte Aufschlüsse über die Wiener Politik: feine Gilde nämlich verräth, die von Tiba traz girte feindselige Gesinnung gegen Rußland, feine­ l Danten Der zweiten Armee einen Triumph des Grafen Silbe­rt gedrudt, die an der Newa Empfindlich­­keit wehen könnte; dagegen bricht oft genug Die Gehäfligkeit gegen die Türkei zu Tage. Wenn die rothe Farbe des Inhalts eine symbolische Bedeu­­tung hätte, so wäre es diejenige der Scham dar­­über, daß Solche Mafulatur den Vertretern Ungarns und Oesterreichs am­ Dreistag zur Zeitgeschichte auf­­getu­cht werden darf. Budapest, 20. November. 2 Das heutige Armee-V­erordnungsblatt ver­­öffentlicht eine Reihe von Ernennungen, Deren ins­teressanteste , wenn auch, seineswegs wächtigste die Abberufung des Feldzeugmeisters Baron Joseph Philippovics vom Oberkommando in Bosnien ist. Wir haben den Berjuch, aus dem Nachtritte des Komman- Andrasfy und eine Niederlage der Militärpartei zu ertrank­en, stets als Schwindel gebrandmarkt, wenn aber der Wahn noch nit benommen sein sollte, dem empfehlen wir zur Beachtung die Ernennung des Feldmarschalls Lieutenants Baron Sovanovics zum Stell­­vertreter des neuen Oberkommandanten, Dd.­h. da Der Herzog von Württemberg für V­erwaltungsangelegen­­heiten seine Neigung und wegen der­ Unkenntnis des Godslavischen, wie von Land und Leuten seine Fähigkeit hat, zum wirklichen Chef der bosnischen Verwaltung. Iovanovics ist Serbe, Schwager des Generals Jodic und treuester Gehilfe bei den gros­slavischen Geschäften des Statthalters von Dalmatien. Zum Militärkommandanten in der Herzegowina ist Erzherzog Johann Salvator ernannt worden, der in­­ einem Budhe mit wahrer Leidenschaft für die Allianz mit Rußland plan­rt hat. Das neue Regiment vers Halt sich zum alten wie der Mostowitismus zum Kroatenthum. 3 Die Wiener Abendblätter enthalten folgendes Telegramm des Korrespondenzbureaus: Trume, 20. November. Zum Deputirten wurde heute hier einstimmig Ludwig ESernatony gewählt.­­ Die Deputation des Lemberger Gemeinde­­rathes, bestehend aus dem Bürgermeister Jarınzki, B Vize-Bürgermeister Dombromsti, den Landtags-Abge­­ordneten Dr. Zuder und Gronann , begibt sich erst Freitag hierher, da ihr die Audienz beim Kaiser erst für Montag in Aussicht gestellt worden ist. $ Morgen findet die amtlich anberaumte kommisa­­ionelle Begehung der Eisenbahnlinie Dalya-Binforce: Brood Statt. Von dem­ Ergebniß der Begehung hängt die Eröffnung der Bahn ab. Das Rothend. Wir geben nachstehend eine kurze Skizze des im Zeitartikel besprochenen zweiten Theiles des Noth­­buches. Die Depesche Nr. 1 ist das bekannte Bund­­schreiben Gortscharoffs vom 7. April 1877, welches damit schließt, der Graf habe seinen Truppen befohlen, in die Türkei einzumarschren. Charakteristi­­scher Weise erhielt die Pforte die russische Kriegserklä­­rung gerade, während die Minister im Conseil ver­­einigt waren, um über die Frage der Mediation zu berathen. Am 26. April protestirte Graf Andrássy gegen eine türkische Bewesung Kladova's, nachdem Rußland auf die Ossupation des serbischen Städtchens verzichtet hatte, die für die russischen Operationen ab­­solut unwerthlos gewesen wäre. Um seine rufsischen Freunde wider eine Umgehung zu schüsten, ließ Graf Andrasfy wiederholt die Türken von der Betretung des serbischen Gebietes abmahnen. Dabei heute er seine Mühe, die Pforte durch­­ Versicherung seiner freund­­schaftlichsten Absichten und der friedliebenden Haltung Serbiens einzulullen. Ebenso Hintertrieb er eine Beantwortung von Gottscharoffs Rundschreiben durch die Mächte, weil die engltige — und vielleicht auch ‚die französische — Antwort den von Rußland began: VER­­­genen Schmählichen Nechtsbruch) Tonstatirt hätten. Die nichtöragenden Verhandlungen über Die teilung Rumäniens und Die ignöde gebro­­chenen zuffischen Versprechungen betreffs der Frei­­heit der Donauschifffahrt sind bekannt. Es folgt eine große Pause bis zum Dezember ; von­­ diesem­ Monate ist das bekam­tlich resultatlose Rundschreiben der Pforte datirt, in welchem um Vermittlung zur Herbeiführung des Friedensschlus­­ses gebeten wurde. Am 3. Februar 1878 ergriff Graf Andrasiy die Initiative zur Einberufung eines europäischen Angresfes. So zahlreich die mitgetheilten Doku­­mente in dieser Beziehung sind, so bieten sie doch sein verständliches Bild. Sicher ist nur, was fon bekannt i­st, nämlich das totale Fiasto unseres Ministers des Auswärtigen. Die Wiederaufnahme des Kongresplanes durch Bismard, das englische russische Konkordat und der endliche Erfolg Bismarc’s. Die Thatsache des Cinmarsches Der österreichisch ungarischen Armee in Bos­nien wird gekennzeichnet durch die Publikation der Proklamation, die an Die Bewohner von Bosnien und der Herzegowina erlassen worden ist. Es reihen sich daran zahlreiche Berichte unserer Konsuln. Alle Agenz­­en des Grafen Andrasfy sagen die Pforte der Zinwei­ Deutigkeit an, weil dieselbe feine Sinstruitionen nach Bosnien gesandt hatte; es wird natürlich verschwies­­en, daß die Pforte seine Instruftionen senden konnte, weil die Konventionsverhandlungen in Wien wo nicht zum Abschlusse gediehen waren. Er geht übrigens aus einzelnen dieser Berichte hervor, das Graf Andrasfy auf den bosnischen Widerstand vorbereitet sein mußte, und Doppelt unfühnbar erscheint­ der Leichtsinn, das der Einmarsch mit unzureichenden Kräften erfolgte. Nen it ein Detail, welches in einer Depesche des Fürsten Wrede aus Belgrad vom 23. August seine Erwähnung findet. Danach hat Herr Despotoz­vics, der bekann­te serbische Insurgentenführer, in Berlin versucht, einen gemeinsamen serbisch-tü­re tsischen Widerstand gegen die Ofsupation in’s Merk zu sehen.­ Er hat Miftics aufgefordert, sich zu diesem HZwede mit Mehemed Ali, mit welchem er (Despotor vics) bereits in diesem Sinne gesprochen hätte und in welcher seinen Besuch angeblich erwarte, in’s­ Einvers nehmen zu sehen. Hierauf habe Herr Nifik­a geant­­wortet: Jede derartige Absicht stünde der serbischen Regierung vollkommen ferne und Despotovics hätte, wenn er in Dem­ voranstehenden Sinne zu dem tür­­kischen Bevollmächtigten gesprochen, ohne jeden Aufs­trag und ganz gegen deren Intentionen gehandelt." Die ganze Geschichte scheint ein von Niftics erfunde­­ner Roman zu sein, um die Pforte zu verdächtigen und sich selbst von der Schuld an seinen Intriguen rein zu waschen. Das führt von selbst zu dem Kapitel von der Haltung Serbiens der Disuipation ge­genüber. In dieser Hinsicht liegen mehrere Mittheis­tungen des Fürsten Wrede an den Grafen Andvräsfy vor ; fort und fort werden die royalen Absichten Ser­­biens betont. Dasselbe that Oberstlieutenant Thoeme­mel betrefft Montenegro’. Dej­ Schlußabschnitt der Sammlung bilden die türkische Cirkularnote vom 8.Oktober über an­geb­­liche Grausamkeiten der österreichisch­­ungarischen Truppen,die Andrássy’sche Ant­­wort vom 14.Oktober und die Antworten,welche die türkische Pakote an den verschiedenen Höfen gefunden hat.Alle Mächte weisen die türkischen Anklagen zurück; Salisbtcri)erklärt,er könnecm die erwähnt hakkte nicht glauben, l­­ h Die Okkupation Yosniens, Das Armee-Verordnungsblatt veröffentlicht das nachfolgende allerhöchste Handschreiben : Lieber VIM. Joseph Freiherr v. Philippovics! Ihre Anzeige, dag die Zustände im gesammten Ocupationd-Gebiete nunmehr­ als friedlich betrachtet wer­­den dürfen, hat Mic bewogen, die von ihnen beantragte Auflassung des zweiten Armeekommando’s zu genehmi­­gen, und bietet Mic zugleich die Möglichkeit, Ihrer bei dieser Gelegenheit gestellten Bitte zu willfahren und Sie auf den Ihnen vorbehaltenen Posten eines Kommandiren­­den Generals in Brag­rad zu verfeßen. &5 geweiht Mir zur hohen Befriedigung, Ihnen beim Sceiden aus dem bisherigen Wirkungskreise für die großen Verdienste, welche Sie sich um die rasche und nachhaltige Bewältigung des bewaffneten Widerstandes um die Derstellung der öffentlichen Nähe und Sicherheit sowie um die Ermöglichung einer geregelten Administra­­tion in den offupirten Ländern erworben haben, neuer­­lich Meinen wohlverdienten Dank und Meine vollste An­­erkennung­ auszuspiegen. Gödöllő, am 18. November 1878. Stanz; Joseph m. p. An Stelle­­ dessFZM Baron Philippovicss wurde der bisherige Stellvertreter Desselben, RIM. Philippovice’! Nüdtritt, heutige Nummer umfabt ser Seiten kg

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