Oedenburger Zeitung, 1877. Juli (Jahrgang 10, nr. 78-91)

1877-07-15 / nr. 85

TEE IT ZEEETETR _ Beeitag, 15. Juli 1877. ( den drgan für Politik, Handel, Indu­s. Jahrgang. (vormals „Wedenburger Nachrichten“.) firne und Landwirthschaft, dann für sociale Interesen überhaupt Motto: „Dem Fortschritt zur Chr’ — Betrüchten zur Wehr’­­—— Der Wahrheit eine Baffe.“ Das Blatterl speint jeden Mittwoch, Freitag u. Sonntag. FPränumerations-Preise. Sür Auswärts: Ganzjährig 18 fl., Halbjährig 6 fl., Bieri:jährig 3 fl. Alte für das Blatt bestim­mte Sendungen, mit Anb­ehnt dv. Inferaten, Brän­nerationd« u. Infertiond: gebi­pren sind an die Hedaction portofrei einzusenden. I Administration, Verlag, Expedition: Sir Gnca; „Bank­hein 9 16, Sarbfanin a 150 tel Grabenrunde Nr. 124. | Hotel „Rose“ Nr. 19, 2. Stock. Medaition: Einzelne Nummern fosten LEID Kreuzer. a ST Y Nr. 85, 1 Inserate vermitteln: die Herren un­d Vogler Ballfischgasse 10, Wien, Budapest. A. Oppelit, I. Stu­­benpartei 2, Wien, Heinr. Schaler, 1. Singerstrasse 8, Wien. 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Je deutlicher nun zu Tage tritt, daß die Sym­­pathiebezeugungen der Slaven in Oesterreich-Ungarn für Rußland dem Borkämpfer für die slavische Sache gelten, desto geneigter ist man auch in jenen Kreisen, die bisher mit der größten Ausdauer auf der Seite Rußland gestanden, einzugeben, daß man einen Ierthum begangen und si auf einen gefährlichen Weg begeben, wenn man si dem Wahne überlassen hat, die direkte oder indirekte Mitwirkung an dem russischen Erfolge sei mit den österreichische ungarischen Interessen vereinbar. Als eine Folge dieses Umsch­wunges sind die Stimmen jener Journale zu verzeichnen, welche mit dem auswärtigen Amte in intimen Beziehungen stehen. So schreibt das „Semdenblatt” bei der Besprechung der bisherigen Kriegsergebnisse: „Jedenfalls hat der Krieg, den Neukrland begon­­nen, längst aufgehört, ein harmloser „militärischer Spa­­ziergang­ zu sein. In Alten haben die verlachten Par­chas über gutgeschulte russische Truppen unlangbar Vortheile errungen und an der unteren Donau bringt jeder Tag neue Schwierigkeiten. Zwar haben sich die Nuffen endlich auf den bulgarischen Ufer theilweise festgesegt, aber die Entscheidung scheint und noch in weiter Beine zu liegen. Und wenn auch schließlich die Wagschale zu Gun­­sten der „Befreier der Bulgaren” fi neigen wird, so ist doch bis dahin der Graf um eine Armee ärmer und Guropa um eine Erfahrung reicher geworden, daß auch die russischen Bäume nicht in den Himmel wachen !" Neben der durch türkischen Heldenmuth be­wirkten Einnahme von Kars ist von nicht zu unter Irägender Bedeutung die aus Stambul telegraphisch gemeldete Nachricht, daß der türkische Kriegsminister Redif Palca plöglich gestorben sei, in lakonisches Telegramm aus Wien sagt nämlich: „Aus Stam­­bul kommenden Nachrichten zufolge, ist Kriegsminister Redifin Shumla plöß­lich gestorben.” Jedes nähere Detail fehlt noch zur Stunde, und alle auch etwa angenommenen Kom­­binationen sind müßige. Allerdings aber ist der Tod Redifs für die Gestaltung der Dinge an der Donau das Bedeutungsprob­ste vom Tage. Eine jedenfalls hohe Wichtigkeit nimmt in der Tagesgeschichte der vollzogene Abbruch der Auß­gleichsverh­andlungen ein. Als wir zulegt über den Verlauf der Wiener Debaten in­ der Duoten­­frage und über den damaligen Stand in dieser Trage berichteten, hatten wir die Hoffnung ausdrücklich betont, daß vieleicht doc bei Wiederzusammentritt der Negrifolar-Deputationen im September, ein zufriedene stellender Ausgleich zu erzielen sein werde. Steili­ mußten die­ politischen Part­eiführer Oesterreich ihre allzu starre Haltung aufgeben und die Vorausregung müßte gelten, daß bei der Wiederaufnahme der Ver­­handlungen dur die Legislativen alle die persönlichen und ministeriellen Zustände drüben geschwunden sein werden und deshalb ist es Pflicht der Presse, die für die Lösung des Konfliktes einsteht, rücksichtslos auf die Schäden und Gebrechen hinzuweisen. Wir haben diese Pflicht geübt und wir werden sie üben, solange an nur die geringste Aussicht auf ein ersprießliches Ende vorhanden ist, aber wir gehen auch der Aufgabe nicht aus dem Wege, rechtzeitig auf die Folgen eines unbe­­­iegbaren Widerstandes der österreichischen Baltoren aufs merksam zu machen. Und die olge wäre die wirth­­schaftliche Trennung. E& mag gefallen oder nicht, aber diese Konsequenz wäre nicht zu vermeiden. Dab wir auf ein fol­ges Resultat nicht hingearbeitet haben und auch fest nicht hinarbeiten, haben wir gewiß nicht nö­­thig zu sagen und die „Presse“ spricht willfentlich eine Unwahrheit, wenn sie Ungarn unterstellt, es hätte „die wirthschaftliche Trennung von Oesterreich als Endziel in’s Auge gefaßt.” Kein Wort nehmen wir jedoch von dem Sape zurück, daß die Tendenz des Status quo die Fluth, welche gegen die wirthschaftliche Einheit ges richtet war, nothwendig entfesseln werde. Bor die Al­­ternative gestellt, sie bedingungslos dem Diktat der Verfassungspartei zu fügen, oder aus aller Kraft auf die Lösung des unwirtsch­aftlichen Paktes hinzuarbei­­ten, können die Gemäßigtesten der Gemäßigten in Uns­garn seinen Augenblick schwankend sein. — — Noch eines sensationalen Falles sei hier Erwähnung gethan, des Betruges nämlich, den wir bereits flüchtig in den „Neuesten Nachrichten“ unserer vorigen Nummer gemeldet haben und welcher bei der Verpflegung der Mannschaft in Debre­are längere Zeit hindurch betrieben, endlich entdeckt wurde. Eine aus 3. Mitgliedern bestehende Gesellschaft hatte die Verpflegung der Mannschaft zu besorgen. Dieselbe begnügte ich jedoch nicht mit dem­ bürgerlichen Gewinne, welchen ein solches Geschäft immer abwirft, sondern wußten den V­erpflegskommandanten zu überreden, ihnen größere Summen zu quittiren, als ihnen gebührten. Diese Quittungen hüteten sie si wohl, dem Kon­­trolor zur Gegenzeichnung vorzulegen, sondern zogen Ze­nn, deuilleton, Eine Nacht im Freien. (Eine wahre Begebenheit. Erzählt von ©. Wei.) Die Sonne war schon längst ihrem Untergange entgegengeeilt und das Firmament mit zahllosen Ster­­nen übersäet. Da hören wir aus der Ferne tönende Liederflänge und näher, immer näher bewegt fi eine Schaar lebend» froher, junger Leute auf dem Wege zur großen Teich»­mühle, einem den Sommer hindurch sehr beliebten­­ Badeorte, ungefähr eine halbe Meile von Dedenburg (Sopron) entfernt, um sich hier mit einem erfrischen» den Bade zu laben und dann in trauter Unterhaltung an die Mühen des Tages und die beschwerliche Zußreife zu vergessen. E 3 war eine heitere Gesellsschaft beisammen, nur befand sich in derselben Einer, der zuweilen fürchter­­liche Schmarfen schnitt und dem man auf den ersten Blit ansehen konnte, dab es in seinem Innern nicht regelrecht zu gehen mochte. Duälte ihn etwa Kiebesschmerz ? Nein, es war ein ganz anderer Grund vorhanden, daß der junge Mann so mißgestimmt war. Er hatte, bevor er ins Bad zu gehen sich an­­schickte, seine Fingerringe wie gewöhnlich abziehen wollen, aber zu seinem großen Entgegen bemerkt, daß ihm an der Zahl Einer abgehe und das war sein schöner, gele­dener Siegelring, der werthvolfte unter allen. Er konnte sie gar nicht enträthfeln, auf welche Art er zu Diesem Berluste gekommen war. Endlich fiel ihm ein, daß er während des Aus­­ruhens seiner Kameraden in Begleitung eines anderen jungen Mannes einen Heinen Spaziergang unternom­­men hatte und ihm etwa durch Unbesonnenheit, wodurch si fo Manche, insbesondere aber die lebensfrohe Zus­­­gend, auszeichnen, der Ring vom Finger herabgefallen, oder abgestreift worden sei. Der Begleiter wurde zu Nathe gezogen und man kam überein, die Nacht in Freien zuzubringen und mit dem nächsten Tagesanbruche das Verlorene zu Juden. Dabei blieb ed. Herr H., so wollen wir den einen jun­­gen Mann, und Herr W., dessen Begleiter auf dem Spaziergange nennen, ein paar gemüthliche Burschen, deren ed um den Schlaf einer Nacht nicht sehr viel zu t­beun war, verharrten bei diesem Entschlusse. Schon entfernte sich der Zug srämmtlicher ihrer Kameraden, welchen das im Haftzimmer der Teichmühle fredenzte gute Getränk wohlgemundet hatte, im Eilmarsche unter fröhlichem Gesange vom Unterhaltungsplage und nur die beiden Herren standen no unentschlossen auf dem Scheidewege, reiflich überlegend, auf welcher Weise sie sie die langwährende Nacht zu verkürzen im Stande wären. Der Schlaf sollte alle Mittel dazu dienen. In Er­manglung eines Kofales mit weichen Becherbetten wurde auf einer nahen Anhöhe ein hübisches Nähepläghen aus­­gesucht. Da dieses auf freiem Plage vom Monde starl beschienen war, schien es allerdings nicht rathsam, eine derartige Schafstätte auszumählen, indem eine nac­­theile Einwirkung des Mondes zu befürchten stand. H. hatte dich wohl eingesehen, aber dem W., welcher an derlei Spudgeschc­hten nicht­ glaubte und für den Fall einer sonstigen Gefahr mit einem sechsläufigen Revolver bewaffnet war, machte die Nengstlichkeit seines Kollegen Vergnügen und eben deshalb beharrte er fest bei seinem Vorhaben, so doch auch der nachgiebige Ho­fi bequemen mußte, das bevorstehende Soldjal seined Kameraden zu theilen. Lange eit, nachdem der Gesang der die Stadt wohl schon erreicht habenden Freunde verstummt war und sich nun das Zirpen der Brillen, das Duaden der Bleiche und das Hundegebell vom nahen Wirthähaufe in Steinambrühl vernehmen ließ, befiel der Schlummer die müden Augen der Nachtschwärmer. Wie lange diese Situation gewährt haben mochte, weiß ich nicht anzu­ geben, aber jedenfalls dauerte dieselbe so lange, bis die jungen Leute aus ihrem Halbschlummer dur einen sonderbaren Zufall, den ich in Kürze erzählen werde, unsanft gewedt wurden. So mancher meiner geschägten Leser dürfte glau­­ben, daß den Grund der n­ächtlichen Ruhestörung gewiß Diebe oder andere lebende Wesen verursachten ; hiezu kann ich für dieses Mal nicht beistimmen; denn nicht einmal eine irdische Kraft hatte­ dabei­­ die Hand im Spiele, sondern eine überirdische, nämlich die YUnzier bungsfraft de Mondes. Sowie es Leute gibt, welche vor dem Monde eine grauenhafte Surdt haben, ebenso gibt es auch Unzählige, besonders solche, welche in dieser Beziehung dur ehn zufällige Ereignis wohl noch nicht überwiesen worden sind, die demselben nicht die mindeste Kraft zuschreiben. Diese Zepteren sind, — ich spreche aus eigener Erfahrung — im Irrthume. · Ein solcher­ war auchW.Als ein Freidenker hatte er weder an Mondsucht,noch an eine andere Eins­wirkungskraft des Mondes auslebende Wesen geglaubt, wa­s ihm insoferne nicht zu verargen ist,da er sehr gerne aus eigener Anschauung und Erfahrung reicht und in dieser Hinsicht hielt er durch Mangel anxpei tienz fest an seinem Wahne­ Immerhin war ihm aus der Geografie bekannt,daß Ebbe und Fluth des Wassers durch nichts anderes,als durch die Anziehungskraft des Mondes bewerkstelligt werden.Ameisen-Ein­­wirkungskraft des Mondes auf Menschen war ihm das gegen nichts bekannt,weswegen süe ihm sehr­ heilsam war, daß er sich in eigener Person hievon überzeugen mußte. Der legte Strahl des sinkenden Mondes war es also, welcher die jungen Leute an ihre verwegene That zu erinnern fi erfrec­hte. Wie verblüfft fuhren Beide aus ihren Träumen empor und starrten lange einander an, bi sie endlich ihrer Sinne wieder mächtig wurden und das Motiv dieser Ohnmacht einander zu erklären vermochten. Nun war ed an mit dem Schlafe, dem

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