Oedenburger Zeitung, 1877. September (Jahrgang 10, nr. 106-118)

1877-09-16 / nr. 112

­ "> Sonntag, 16. September 1877. Das Blatt erspeint jeden W­ittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerations-Preife: Für Rocaz Ganzjährig 9 fl. albjährig 4 fl. 50 Er. Vierteljährig 2er. 25 es 1 a" 5 Ur Wudwärth: Ganzjährig 12 fl. albjährig 6 “fl. Vierteljährig 3 fl. Aue für das Blatt eine RL mit Ausnahme von Inseraten, Pränumeratione- u. Insertions­­gebühren sind an die Redaction portofrei einzusenden. Administration, Verlag, Expedition, Grabenrunde Nr. II. X. Jahrgang, an maansoneure edenbuwer Leilung. (vormals „Wedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für sociale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr’ — Betrachten zur Wehr — Der Wahrheit eine Rasje.“ Redaktion : Hotel „Rose“ Nr. 19,2. Stock, Einzelne Nummern kosten MU. Kreuzer. Nr. 112. A­erate vermitteln: die Herren en & Vogler, Ball: ’ affe 10, Wien, Budapest. U. Oppe I. Stubenpartei 2, de Heinzig­ Schafek, I. Singerstrasfe 8, Wien. 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Inzwischen kam aber eine höchst lahme, halbamtliche Berichtigung, womit von einer Seite, von welcher zumeist die Regierung ihre Fühler in die Oeffentlichkeit hinausstrebt, so bemüht wird, die dem Kaisfertoafte von Rajhau beigemess­sene Tragweite einzugrenzen. Der Kaiser von Dester­­reich und König von Ungarn — besagt diesed De­­menti — habe in seinem Zrinfspruch den Grafen nicht als seinen Aliirten, sondern nur als sei­­nen Freund bezeichnet. Er mühte mehr als auf­­fällig erscheinen, wenn bei einer so wichtigen Meldung, wie er ein politischer Zrinfspruch des Monarchen ist, ‚ selbst das offizielle Korrespondenzbureau, welches doch die erste Depeiche versendete, reinen so ins halteichweren Zufug irrthümlicher Weise und gewisser­­maßen auf eigene Zunft beigefügt hätte. Jedenfalls scheint die nachträgliche Korrektur zu verrathen, daß man in­­ Regierungstreffen frappirt­it von der tiefen Erregung der Geier, welche der königliche Zonft al­­lenthalben, namentlich aber in Ungarn hervorgerufen hat, allein die Absicht der Regierung bleibt und — der König mag nun so oder so gesprochen haben — unter allen Umständen jeht ziemlich deutlich enthüllt. Da­ das Loc8 der armen Z­ürken bereits besiegelt ist, geht aus Allem hervor; ihre erbittertsten Feinde haben sich selbst­­ entlarvt. Nicht der Graf allein ist darauf erpicht, an den Säulen der „hohen Pforte“ zu rütteln und ein zweiter Symfon — den ganzen stolzen Bau in den Staub zu werfen, denn er unweilt recht gut, hab er sich selbst unter den Trümmern begrabe, ganz andere Leute stehen ihm bei und während er mit seiner Soldateöin gewalt­­sam Bollwerk z um Bollwerk der Türken nieder zu reißen bemüht ist, hat er stilschweigende S Helfershelfer, die theild heimlich wühlen und unterminiren, theil ® aufr­ichtigere Komplizen die langsam Stein für Stein ab­­tragen, bi von der hohen Pforte in Europa nichts mehr übrig sein wird, als die­rinnerung an den, bes wunderungswürdigen Heroismud ihrer Vertheidiger, an den hohen Muth, der­ großartig zähen Ausdauer jener Braven, die ihr Blut auf den Trümmern des zerschmete­terten Reiches zurück gelassen haben. Diese Beistände Rußlands heißen in erster Linie : Fürst Bichmard und — leider daß wir es nicht hinweg leugnen können — Graf Andrasfy. Aus den Wor­­ten des Monarchen Oesterreich-Ungarnd bei der Tafel in Kaskhau (angenommen selbst, «8 sei von seinem „Aliirten“, sondern bloß vom „Freunde“ und „Bruder“ die Rede gebesen) sind die Völker unserer Monarchie doc deutlich genug darüber informirt, daß der Bund der drei Saffaren dur den Krieg des Oftends nicht gesprengt ist, dab der Areopag, welcher über die Lösung der Orientfrage urtheilen wird, nach wie vor, an seinem Berufe festhält. Uad aber dem Zoafte von Rashau womöglich noch größere Trage­weite leibt, ist der Boden, auf welchem er gesproc­hen wurde. Wenn der Herrscher des Habsburgerstaates die Leitha überschreitet, spricht und handelt er als Kür­nig von Ungarn, und das Volk der Magyaren hat ahnung ,also von seinem gefrönten König die ernste “empfangen, daß der Lauf der Politik eine ganz andere Richtung nimmt, all in das Bett, daß die türkenfreundl­lichen Meetings im ganzen Ungarlande ihm angelegt zu haben vermeinten. Was müßte all die dabei ange­­wandte mühsame Thätigkeit ? der Lauf der Politik geht — wie es scheint — nach andern Belegen, als eigent­­li­che naturgemachen wären, nämlich dem Wiss­­en des Bosses.­­ Freilich könnte man einwenden, in einem kon­stitutionellen Staate, ist die Stimme der Na­­tion die maßgebendste. Wenn in England z. B. ein Krieg nicht populär wäre, so würde ganz einfach das Parla­­ment weder einen Penny Geld, noch einen einzigen Soldaten dazu bewilligen, und ohne Geld und Truppen hört si das Kriegführen na­­türlich von selber auf, aber wir sind eben: nit in England. Bei und machen nicht die Deputirtenkam­­mern Politik, sondern andere Faktoren sind ed, von denen das „Hacit“ abhängig ist. Die arme Türkei hat sich also nir nur um das blutige, verzweiflungsvolle Ringen der Schlachtfelder zu sorgen, sie muß ihren Blick auch auf die furchtbare Koalition richten, die sich im Hintergrunde gegen ihre Gristenz erhebt. Dem Reiche des Sultans droht das unglückk­che Schicjal Polens, im Nam­e gewisser Mächte scheint seine Theilung von seit Sakren be» Ichloffene Sache zu­ sein. Die öffentliche Meinung Europa’s aber bewundert den Muslim, der unter Jol« den Umständen, in solcher niederschmetternden Gefahr, weder das ruhige Blut no den Heldenmuth, den he­­roishen Entschluß der Vertheidigung verloren hat. Die Sympathie des Welttheild steht auf Seite der Tür­­kei, und die Großen der Erde sollten zwar­­­ auf die Meinung der Völker gewisse Radfiten ne­nnen, aber ed dürfte denoch anders kommen, denn dad was maßgebenden Orts sidh vorbereitet, tritt nicht mehr vermummt auf, ed hat sich selber­­ ent­larvt. Arme Türkei! Nach dem Siege von Plewna wurde Rumänien bewaffnet, nach Islar und Haffantiei wird Serbien und Treffen geführt. Nach Kabikiöt rädt Seuilleton. Die „Karlshöhe.“ ..„ Pflücket die Rose, di’ sie verblüht !“ Schon naht der Herbst, die Schatten werden länger und die Tage kürzer­ des Morgens breitet si ein dünner Nebelschleier über die ershauernde Natur und wenn auch noch siegreich der Strahl der Sonne, wie ein mildes Lächeln auf dem Anflig einer Mutter, “die ihr dahin siehendes Kind mit einem Male wohler werden sieht, durchbricht , so stehen wir doch jhen hart an der Grenze, wo die legten Blätterfronen fallen ; und fast wehmüthig stimmen und die Sonnenblide, denn sie gleichen warmen Abschiedegrüßen; und der Thau, der Abends auf Baum und Gräser fl­iegt, mahnt und an Thränen, welche die jegt­­on früh des Abends zu Rüste gehende Sonne den Fluren weicht, über deren fahl werdendes­ Grün die Wanderspinne ihre Boden zieht, gleichsam als wollte sie am Sterbes Heide weben, dad nur zu bald die Natur anlegen wird. Ja, wie lange noch, und acj! das wad das Auge des fühlenden Mens­chen erfreut: das satte Grün der Wie­sen, die Blaue der fernen Berge, wird einem monoto­­nen Grau weichen müßen. Schon sind die Felder brach und ihr wogender Segen eingebeimst. Weite Blätter rascheln unter den Tritten des Wanderers und die Blumen haben die Kelche geschloßen, wie müde Kinder ihre Mugen, sobald Schlafenszeit herantritt. Und da, gerade in dem allmähligen­ Grterben der Natur biegt ein wundersamer, poetischer Reiz. Wenn das bunte Sarbenspiel von Gelb und Roth, von Grün und Grau , ft entfaltet, wenn die Sonnenlichter durch die herbst­­­­li fahlen Blätter der Bäume spielen und leuchtende Saphiere auf den Waldgrund werfen, wenn die Trau­­ben in den Weingärten schwellend dur das Laubwerf guden, dann ergreift und eine zwar wehmüthige aber vere doppelte Liebe für die Schöpfung , so wie wir uns zu einem schönen Mädchen noch inniger hingezogen fühlen, wenn bereite heftliche Rosen ihre Wangen röthen und die Blide seelenvoller, strahlender werden, weil sie nit mehr irdisch sind. Wir laufen dann mit Bangen auf jedem ihrer Herzschläge und wollen sie al nicht einen Auzenblif verlassen, aus Furcht, daß sie uns bald auf immer entrissen sein werde. Also geht es uns im Herbste, wir wandern um so lieber hinaus und Freie, wer weiß wie lange wir die schöne, herrliche Gotteöna« tur noch geniehen, ihres herzerhebenden Haudhes und er» freuen werden können. Und, ach wie Schön ist doc der grüne Gürtel, der unsere liebe Stadt Oedenburg, zumal von der Südwestseite umschließt. Die sanft emporführenden Höhen mit ihren zierlichen Birken, ihren stämmigen Eichen­, ihren rauschenden Kastanienbäumen! — Wie herr» li entfaltet sich von den Höhen betrachtet, die und umgebende prangende Natur und ald wie ein weiter glänzender Bilberschild leuchtet zu unseren Füßen der Steusiedlerfee Wir stehen auf der Spipe des Sänger oder Eisenbergs, auf dem Gebirgeätamme über Wandorf und das trunkene Auge sieht wie in die rothe Herbstgluth der Wälder, die Sonne goldene Biige schleudert, oder blaue Schatten hinein webt, dab ein Schmelz fi­er gibt, so schön, so innig wie die wechselnden Gefühle in einer edlen Menschenbrust. Darum, ihr Dedenburger Damen und Herren, versäumt er ja nicht, die legten Tage, da noch der Himmel blaut und mit lindem Hauch die Winde Eure Wangen lächeln, hinaus zu pilgern in die so herrliche nahe Umgebung Oedenburgs, die schöner, anmuthiger ist, als jene der meisten Städte unsere ® do gewiß an Naturschönheiten reich gesegneten V­aterlandes. Aber, wenn Ihr das bezauberndste Bild, den weitesten, entsteken Ausblick über die und umgebenden Schäge von Wiesengrün und Waldespracht genießen wollt, so zieht hinauf mit mir ur „Karlöhöhe", und eine Welt von­ landschaftlichen Breigen wird Euch zu Füssen liegen. Weithin, wie eine Theater- Dekoration erstreden fi die grünen Berge, schieben si in -malerischen Zügen immer einer den andern vor, und Kirchthürme und Häuser, Kastelle und Ortschaften heben sie von dem grünen Plane ab, wie Schmudjahen vom grünen Sammet eines Etuis, dessen Spiegel, auf der einen Seite, der Neusiedlersee, bildet. Zur „Karlshöhe* meine freundlichen Leer und Leferinnen wallet hinauf und reicher Lohn folgt der Meinen Anstrengung des Aufstiegs. — Ihr werdet Euren Blid frei hinsenden können, einerseits bis zum ‚Kaiserstein‘ auf der höchsten Spige bei Schnee» bergen, oder auf die „rothe Wand“, anderseits bis zur Ruine auf dem Schloßberg von­ Preß­­burg, die den Horizont begrenzt und wo fi das vers­chwimmende Land mit dem Himmel vermählt. Auf diesem Wege weidet sich das Auge am Anblidk des Leithagebirges, der Höhenzüge von VBöslau und Baden, ruht gerne auf dem lieblichen Kirchlein „Rosalia" und schweift wieder zu den Gestaden der Donau, das Thebner­­gebirge bei Hainburg betrachtend, hinunter über die weiten Flächen nach Zierungarn, und was es auf dieser Wanderung berührt, ist eitel Waldespraht und finniger Auen weicherer Schmelz. Der einzige Punkt, der die vollständige Rundschau, leichsam wie eine Segmentlinie einen­ Kreiß abe­rpneidet, sind die Höhenrüden vom „Dornkappel“, „Burgstal“ und „Witra“, aber all hier findet das

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