Oedenburger Zeitung, 1880. Mai (Jahrgang 13, nr. 53-65)

1880-05-28 / nr. 64

re” . Freitag. 28. Mai 1880. XIII. Jahrgang. Oedenbumer Organ für Das Blatt erscheint re­ittwoch, Freitag Bu­ar . Pränumerations-Preife: 5 a­re Roco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50.tl., Bierterjährig 2 fl. 35 fl, Dionatlid 1 fl. (vormals „Vedenburger Nachrichten“.) Skins Denen un er — Ze ur ar — Der Byte eine 2. Inserate vermitteln, die Pe abe & Bogler, Wal“ Magaile 10, Wien, Budapest, A. Oppelit, I., Stubenpartei 2 Jen. Heinrich Scalet, I. Singerstrafse 8, Wien. Politik, Handel, Industrie und Landwirtdschaft, dann für sociale Ben überhaupt. Für Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Bier- Adminisration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. 14. Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Mo­to: Redaktion: Einzelne Ku­mmern offen MM­ED Kreuzer. Nr. 64. Infertions-G­ebühr : 5 kr. für die einspaltige, 10 fr. für die Zweitseit­e, 15 fr. für die dreispaltige und 20 kr. für die durchlaufende Petitzeile egr­eInsive der Stempelgebühr von 30 fr. v­ieljährig 3 R. Alle für das Blatt bestimmten Bee, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerationd und Infertionss ‚gebühren sind an die Nedaction portofrei einzusenden. Zeihung. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. Un-Szechenpitches. Budapest, 26. Mai 1880. Die beste Charakteristik der jüngsten Wochen nicht Bloß, sondern an des unser öffentliches Leben beherrschenden Geistes liefert „N. B. Journal” in den Worten: „Es ist zur normalen Situation geworden, das die Hauptstadt Ungarns förmlich in einem Strome öffentlicher Festlichkeiten schwimmt. Tag für Tag nichts als öffentliche Aufzüge, Deputationen, Banfette, im Fahnenschmuch zrangende Strafen, glänzende Equipas gen, und noch glänzendere Galafleider und Balltoilet­­ten. Unsere Ohren hören. Tag und Nacht nichts Ans deres, als feierliche Aufpraden, Begrüßungs- und Or­­densreden, Toaste, Oratulationen, Deklamationen ohne Ende. Mit einem Worte, wir feiern heuer ein wahrs­haftes Grubeljahr, wir befinden uns in einer ununter­­brogenen ‚rhetorisch-theatralischen Effrate, unsere höheren Klaffen sind von einer solchen Begeisterung für Alles - S­chöne und Grofe erfaßt worden, daß sie jeden Tag irgend eine Opation oder andere Leierlichkeit haben m­üssen ... . . Unser geselligaftliches Leben pulfirt mit solcher Lebendigkeit, alle unsere Korporationen entfalten nach einer gewissen Nichtung eine so fieberhafte Wirk­­samkeit, daß man von dem Effekte des ganzen auf den ersten Blick geblendet wird. Wer aber diesem lebhaften Treiben etwas aufmerksamer zusieht, wird bald gewahr werden, daß dabei Alles nur auf den äußeren Schein angelegt ist. Wer arbeitet denn in­­diesem Lande — möchten wir fragen — wo der größte Theil der ge­bildeten Klassen, die par excellence leitenden Elemente in Staat und Gesellschaft ihre Zeit in fortwährenden Parades-Aufzügen vertrödeln ? Können in diesem ununs­terloroenen Jubel ernstes Denken, moralische Gedier­genheit Fuß fassen und erstarren ? Wird durch­­ diesen nicht enden wollenden Redeschwall nicht die Wahrheit erftilt, die Wahrhaftigkeit im Denken, Fühlen und Handeln der Menschen beeinträchtig. ? ft überhaupt dieses Ueberwagern bdeflamatorischen und repräsentati­­ven Elementes mit den Anforderungen eines gesunden Boltslebens vereinbar ? Man sollte doch an bedenken, mit wel’ ungeheurem Zeitverlust dieses pomphafte, paradirende Treiben eines großen Theile der höheren Klassen verbunden ist!.... Das nimmerliche Hohle unserer gesellschaftlichen Verhältnisse zeigt sich darin, daß being jene Fälle, wo Vereine und Korporationen wirklich um eines ernsten Zweckes willen gegründet werden, zu der Ausnahmen gehören, und daß si der scheinbar fo­­rbendige forporative Geist zumeist nur in jenen Fällen bestätigt, wo­s sich nicht um ernstes Schaffen, sondern um irgend ein öffentliches Schauge­­pränge handelt»... . Dort, wo ernste Arbeit nöthig wäre, fehlt es nur zu häufig an ausreichenden Kräften. Auch der Neichstag entledigt in seiner legislatoriscen Arbeiten, wenn nicht eigentliche Parteikämpfe an der Tagesordnung sind, mit einer im die Augen fallenden Oberfläglichkeit. Das Jubeljahr ist dem Parlamenta­­rismus nicht günstig. Es wäre etifettewidrig, in diesem allgemeinen Jubel daran zu erinnern, daß im Staats»­haushalte in drei Monaten ein Defizit von 30 Millio­­nen Gulden sich ergab, oder daß aus Oberungarn zwölftausend Einwohner in diesem Jahre nach Amerika ausgewandert sind. Die Hauptstadt des Landes ist so außerordentlich glücklich, daß sie nicht Zeit hat, daran zu denken, daß auch Noth und Unglück im Lande vor­­handen sind.“ Neben den verschiedenen Wertlickeiten, zu denen die kurze Anwesenheit des Hofes Anlag gab, ist es be­sonders die Hundertjährige Jubelfeier der Bester Unis­versität, auf welche sich vorstehende Regierungen bes ziehen. Da wurde ganz erfredliches in Lächerlicher Selbstberäucherung und befragenswerther Selbsttäuschung geleistet. Und doch mußte „Ellener“ gestehen: „Die Budapester Universität hat keine Führerrolle in der europäischen Wissenschaft.... Aber hat sie eine Eigenschaft besefsen, welche sie für Ungarn werthpofler und wichti­­ger macht, als die ausländischen Universitäten für Die betreffenden Nationen gewesen sind. Sie war nicht blog ein kulturelles, sondern ein nationales Sinstitut und unsere einzige Hochschule . Die Wissenschaft bat seine Nationalität und wir mußten er und da daran gelegen sein lassen, daß unser nationaler Geist nit auf dem Gebiete der Wissenschaft verfälscht werde und in seiner Berührung mit dem gewaltig entwickelten wissenschaftlichen Geiste des Westens nicht seinen na­­tionalen Charakter verliere. Unsere Sprache, unser na­­tionaler Genius war auf jedem Gebiete bedroht. Be­­droht von der ausländischen Konkurrenz, der gegenüber wir schwächer waren, bedroht von den österreichhfgen Regierungen, welche alles Feld mit ihren Sturmappa­­raten offupirten, um unsere Sprache, unseren national­­en Geist, unsere Raffe zu zermalmen. Die absolute Regierung wagte es sogar, den Tempel der magyaris­­chen Wissenschaft zu entweihen, indem sie ihm die deutsche Sprache und den finstern österreichischen Geist aufzwang . Heute, da unsere Nationalität nicht mehr bedroht ist, und wir gestählt, in der Rüstung wissenschaftlicher Bereitschaft in der Arena der Völker ersceinen, tritt auch die Kulturelle Mission unserer Universität in den Vordergrund. " Wie sehr trug dieser Behauptung „Ellener’s‘ das nationale Moment bei dem Lehrkörper der Uni­­versität das wissenschaftliche überwiegt, zeigt der Um­­stand, daß sich Professoren mit der Behandlung eines Themas befassen, wie der­ durch seinen Austritt aus der katholischen Kirche und den 1iebertritt zum Unita­­rismus bekannte Dr. Peter Hatala, der im ungarischen Scriftsteller- und Künstlerklub „Ueber die Magyari­­sirung der Juden in der Literatur und Durch dieselbe“ einen Vortrag hielt, worin er ausführte, das die A Ju­­den, da sie als Nation keine lebende Sprache haben, in Ungarn alle die magyarische Sprache, als Mutter­sprache betrau­en müßten, weshalb auf literarischem Gebiete eine „anständige‘ Eression in dieser Richtung zu entwickeln sei. Im der darauf folgenden Debatte wurde hervorgehoben, wie viel schon von den Juden im Sinne der Magyarisirung gethan worden sei, so dag n­ ei BE u­m Seuilleton. Ueber dad „Defamerone vom Burgtheater.“ Von €. B.d. (Bortregung.) Wie im großen Ganzen, so äußert si auch Diese Beurtheilungsweise im engeren Rahmen, und da wir von dem besonderen Ernste abstrahlten so verweisen wir nit auf den Gerichtssaal sondern auf das The­­ater. — Dort wird abgeurtheilt über den Körper, hier blos über den Geist. Herman Schöne stand einstmals als Mitfe­­lhäter vor seinem strengen und doch gnädigen Publikum, er versündigte sich gröblich an der Wefthault indem er sich unterfing selbst eine Nase zu drehen und dieser Kunst nicht fähig ge­wesen ist. — Der alte Astrolog Nerli, welcher in dem Stückk „Der Dann mit der eisernen Maske," als unberufener Zeuge, und unfreiwilliger Geheimniß erhorher fungirr, wurde von dem obenbenannten SKünstler gemimt, die Nofte brachte es mit sich, daß der Aufenthalt im engen, heißen Raume, nämlich in der Nähe der SKoulistenlams­­en angewiesen wurde, so daß die aus Baumwachs fabrizirte verlängerte Nasenfoige, fi erweichte und in fadendünnen Ausläufern von ihren Zentralpunkte­n­ ent­fernte. Mit solcher charakteristischer Metamorphose ers­chien der sternfundige Gelehrte vor den Nampen um dem Feinde des Königs die hochwi­tige Mittheilung zu machen, was ihm nicht die leuchtenden Planeten sondern die gefolgten Ohren entdecken Liegen. Zwei Dauphing wurden zugleich geboren, und die Verlautbarung dieses Beheimnißes würde den berühmten Magier und Hell­­seher, in eine andere Welt befördert haben. Die Situation war demnach sehr ernst, der andere Schauspieler zitterte seiner Nolle gemäß, ausgezeichnet, natürlich von fingirter Schredung, allein die­ Zuschauer welche den abtriefenden Gesichtsvorsprung laut lachend bejubelten, Famen in ganz andere Stimmung als der Dichter vorausfegte und der unglückliche Schauspieler etwas höfes ahmend stürzte von der Szen­e ab, hinter welcher der erzürnte Direktor ihn eine andere Nase aplizirte. — Seit jenem Z­ufalle gab er der geschäßte Komiker auf, mit mirtum fompositum zu experimentiren und fuhr seine sicheren Erfolge in der Charakteristik seiner trefflichen Darstellung. — Wir sahen ihn unlängst als Marchand-Tailleur Sibjon im „Bibliothekar“ von Moser und waren ent­­züdt von der prächtig individualisirten, künstlerischen Leistung. — Dankbarkeit ist eine schöne Tugend und wer sie übt ist ein braver Mensch. — Den ersten Sag findet man zuweilen, in den Moralitätsbüchern, den zweiten sucht man oft vergebunc­ im wirklichen Leben. Theodor Reusde weiß in einer höchst gemüthsvollen Erzählung, zwei solche edle Charaktere anzugeben ; der Eine ist er selbst, der Ans dere ein guter, treuer­­ Kriegskamerad, dieser hatte ihn aus einer Todesgefahr befreit und dafür schuldete er dem biederen Freunde seine Dankbarkeit. Wie er fi dieser Sollpost entledigte, folgt im weiteren Verlaufe. E83 war der Schauspieler Neufke 1857 in Berlin am Wallner-Theater engagirt, da ließ sich bei ihm es­mand unter dem Namen Claas anmelden, dieser wurde empfangen und in dem­­ lichten Handwerksgesellen ers­taunte der Künstler seinen Lebenswetter vom holländis­chen Kriegsschauplage. Der gute Freund ward auf’s beste aufgenommen, so wasch und elegant wie möglich gekleidet, und schließlich mit einem Parquetflg ausge­rüstet, um die Theatervorstellung zu befugen. Freund Claas war nit stiller Enthusiast, sondern rumorte,erst vom Parterre und später von der Gallerie aus, derart sperafulös, das der Schauspieler von seinem Direktor aufmerksam gemacht, die persönliche Autorität anwenden mußte, um den lauten Beifallsspender zur Ruhe eins zu laden. — Claas war sehr gehorsam und beeilte si das Plägchen vor der Thür frühmöglichst zu erreichen um das Mendelsvous mit Reutsche nicht zu versäumen. Van ging vereint „zu Biere‘, wo der biederscherbe Geselle seine Erlebnisse in schlichter Weise zum DBejten gab ; der Dichter Belli, welcher zugegen war, hatte einen pas­­senden Helden zu einem Bühnenwerfe gefunden und so diente der edle Geselle als Modell für eine geistige Schöpfung. — Der arme Handwerker hatte an dem Bühnenkünst­­ler wirklich einen Förderer gefunden, denn er erfüllte seines Freundes Sehnsuchtswunsch und­­ spedidirte ihn nach Wien, obgleich Claas ehrenhaft genug war, um das verausgabte Geld für die Fahrkarte mit Post an Neurolie zurückzusenden. — Claas perfektionirte sich in seinem Handschuhmachergewerbe, ging in seine Heimat, wurde selbstständig und heirathete. Er verständigte vor=­ber seinen Freund von seiner Absicht und lud ihn ein, Hochzeits-Zeuge zu sein. — Neufke willfahrte, kam aber unerwartet und ü­ber­­raschte den guten Clans derart, daß dieser gerührt und mit Thränen in den Augen stamm­elte, er­ werde biese edle That ihn nie vergessen. — (Fortlegung folgt) nee.

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