Oedenburger Zeitung, 1886. September (Jahrgang 19, nr. 199-223)

1886-09-16 / nr. 211

Donnerstag, 16.S­eptember 1886. XIX.Zah­rgang, edenburgerzeitu Gormaks,»,§«)edenburger Nachrichten«.) Organittrzpplitik,Handeggndustrie und Landwirth­schaft dann für soziale Innteressen überhaupt Rotte­:,,Dem Fortschritt zur Ehr’ v—Bedrückten zur Welt­—Dechkhrheit eine(—!)wisse.« ve A das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen­­ Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. P­ränumerations­­reife: Sür Loeo: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl. BVierteljährig ..,22 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. · MAUDIvart MGanzjährigE fi.,kHalbjährig 7 fl.,Viertel­­jährig 3­50 fr. Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind um die Redaktion portofrei einzusenden. Administeation, Dering und Inseratenaufnahme; Schdruherei­­, Nomm­alter & Sohn, Grabenrunde 121. wm za Einzelne Rummern Rollen 5 Kreuzer. Inserate vermitteln: in Wien: Hafenstein , Vogler, Wall Ringafse 10, A. Oppelit, 1, Etubenbastei 2, Heinrich Sale, 1., Wollzeile 12, N. 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Wie in der Sage von dem schlafenden König im Schafe des Unterberges, dessen Erwachen und ehernes Einherschreiten unter die Lebendigen durch um de Berges Gipfel flatternde Raben verfündigt wird, sc­­hmirren auch fest von Frächtend unters­chiedliche journalistische Vorhersagungen über die muthmaßlichen Ergebnisse der bevorstehenden Reichs­­tagsverhandlungen durch die Luft. Wir jedoch wollen hoffen, daß des Königs: „Legislative” Erwachen Klarheit in die jegt stark verbütterte politische Situation bringen und die Entwirrung der ver­­widelten Zustände im Osten des Reiches wenigstens anstreben werde. Gewiß ist, daß sich die Minister ebenso wie die Deputirten jegt son, in der Nüftlammer schlagfertiger Rhetorit und fchwerwiegender Argu­­mentation gewappnet haben dürften, um nit nis vorbereitet in der politischen Arena zu erscheinen, und um befähigt zu sein, ihren etwaigen Gegnern gehörig Widerpart zu leisten. Auch diesmal sehen wir die Kämpfer in der­­selben Schlachtordnung, in der wir sie seit der Aera Zipa zu sehen gewöhnt sind, gegen­einander aufmarscht.­ Auf der einen Seite steht der Mi­­nisterpräsident mit der­ zwar unentweihten, aber dog Schon stark von der Opposition zerzauften, so­­genannten „liberalen“ Sahne inmitten seines riesigen Heerbannes, der sich willenlos seinem Kommando= rufe unterordnet, und im gegnerischen Lager sieht man die Anhänger des Grafen Albert Apponyi — eine ritterliche Schaar — sowie die­­ Parteis­genossen der äußersten Linken, die dans hinwere Kaliber repräsentiren. Beide letteren Parteien wollen aber auf eigene Rechnung Krieg führen, sie wollen getrennt angreifen und hoffen, vereint zu schlagen ; allein die Zersplitterung der Kräfte, die systematische Eigenwilligkeit im Kampftrieb. Beider, welche es ihnen verbietet, mit­einander zu gehen, ist es, was den Sieg in fast jeder Kampagne an die Fahne Tipa’s heftet. — „DB. TE." glaubt aber, daß nunmehr eine entschiedene Annäherung der zwei großen oppositionellen Fraktionen im Lande — nämlich der gemäßigten, auf staatsrechtlicher Basis fußenden Opposition und der achtundvierziger Unabhängigkeitspartei zu Tonsras­tiven sei und begrüßt es mit freudiger Genugthuung, daß angeblich einige hervorragende Zenturionen der Äußersten Linien im Begriffe stehen, den Eintritt ihrer Partei in die Delegation mit allen Mitteln durchzufegen. Wenn ihnen diese Absicht gelingt — meint das zitirte Ypponyi’sche Organ — so wäre ein großer Schritt zur Verständigung der beiden Parteien gethan. Bei dem Umstande, daß die begabtesten und einflußreichsten Mitglieder dieser 48er Partei die Institution der Delegationen nit mehr perhorresziven, liegt in der That deren Ein­­tritt in dem Bereiche der Möglichkeiten. Do vb eine folge­ Verständigung stattfindet oder nicht, in der Hauptsache werden beide Par­­teien der Opposition doch nnt ermangeln, wenn an jede für sie der Regierungspartei an den Leib zu rüden und gegen sie zu kämpfen. Traun! In diesem Bestreben dürften die Parteien auch von den kleinen oppositionelen Fraktionen im Hause unterfragt werden. Die Situation der Oppo­­sition ist gewiß seine erfreuliche, denn es ist immer­­hin eine wenig erquidliche Aufgabe, seit länger als einem Dezennium gegen eine Regierung anzukämpfen, ohne den „eisernen Ring“ der Majorität gelodert zu haben. Während in anderen Ländern im Laufe der leßten zehn J­ahre wiederholt die größten Um­­wälzungen stattfanden, Minister kamen und gingen, Staatsmänner von der Bedeutung eines d’Iraeli und Gladstone, Gambetta und Briffon gestürzt wurden und selbst in Serbien, Rumänien und Bulgarien „neue Männer“ auftauchten, blieb in Ungarn Alles hübsch beim Alten. Wir haben denselben Ministerpräsidenten, die­­selbe Regierungspartei und nur die Qualität der Ressortsminister hat sich im Laufe der Jahre vers­­chlethtert und die Staatsschulden sind enorm angemwacsen Wenn es demnach auch wenig Vergnügen macht, einen aussichtslosen Krieg zu führen, so wird allem Anscheine nach, die O­pposition trug allem uit ermüden und nach wie vor­ im eehrlichen, parlamentarischen Kampfe ihren Dann stellen. So wenig erfreulich aber auch die Situation der Opposition sein mag, sie ist da weitaus er­­freulicher als die Lage der Regierungspartei. Man denke doch nur an die Unterhaltungen, welche die­­ser Partei bevorstehen. Sie wird Koloman Tipa in der Armeefrage, in der Frage des Yuss gleich8, in der Frage der ungarischen Simanzen und in der Frage der fragwürdi­­gen auswärtigen­­ Politik zu unterjrügen haben. Jede andere Majorität in Europa wäre­­ angst in die Brüche gegangen, wenn man ihr die Zumuthung stellen wollte, nur in einer dieser Fra­­ teuilieten. Zwei Sofffaheten. Don Margarethe Denke­­r. Mit diesen Worten legte Frau Schulze sich­tz in die Ecka Von Zeit zu Zeit flog ein strafender (Hortregung ) „Loise, mit Dir wer? ich mir aussprechen, wenn wir angelangt sein werden,* rief meine Nach­­barin ihrer Tochter zu, und dann, si zu mir mwendend und an ihren eigenen Gedankengang an­­k­üpfend fuhr sie fort: „I wo wer’ ich denn ! Na, da müßt’ ich ja gerade ! Nee, ni­cht davon ! Aber wie ich Sie vor­­bin sagte, so is et. Wer sich Heute nih uf de Hinterbeene stellt, der muß si von de eijene Rin­­der fruhrieseln lasffen. Na, bei mir fommt man mit so’was nid an, nee, bei mir nnd!“ So wußte seine Antwort auf ihren lebhaften Zornerguß, und um sie abzulenken, sprach ich die Bermuthung aus, daß sie eine Berlinerin sei. Dies schien sie angenehm zu berühren, die galten auf ihrer Stirn glätteten sich, und im freundlicsten Zone erwiderte sie: „So merken mich’s fleich an, nid? Sa,­ wat fo’n echtet Berliner Kind ie, det verleum­et ji nir­­jends. ’t i8 fo’n jewisfer Air im­ und, den der Kleenstädter sich nich aneijnet, in wenn er noch so lange im großen Orte lebt. Sad sehe ’t ja täj­­lich an meinen Mann. Du joundjütiger Heiland, jut und brav — jawoll ! Aber sonst de reene Sufe. Wenn der mich nich hätte, war sollte denn bloß werden 2" · Blick zu ihrer Tochter und ein wahrhaft drohender zu dem jungen Manne,ohne daß jedoch die Fröh­­lichkeit der Beiden dadurch beeinträchtigt wurde. Wir mochten noch keine Stunde gefahren sein, als sich Frau Schulze mit einem befehlenden ; „Loife, lange ’mal der Körbfen ’runter”, an ihre Tochter wandte: „Mich wird janz blümerant bei der Leihodle in den ollen vorfündfluthligen Karten hier. Sott, bei ung in man in die Hinsicht doch vo ville weiter. Na, ich kenne det un jehe mir vor. ’n jutet Setränt, 'n Likörken, in da die eenzige Ret­­tung, denn die Pfeffermünz plägten dhun jarnischt in dem Falle. So werden mich doch die Ehre er­­weisen, ihm zu foften ?“ Die legten an mich gerichteten Worte beglei­­tete sie mit einem DBlid auf eine umfangreiche Slasche, die Fräulein Louise aus dem „Körbchen,“ das übrigens die Diminutivform durchaus nit verdiente, hervorgeholt hatte. „Ra, denn für mir, mein Dodder*, sagte Frau Schulze, nachdem ic auf’8 Lebhafteste gedankt hatte. „Immer voll, immer voll, Loise*, fuhr sie fort, als ihre Tochter ein Weinglas etwa zur Hälfte mit der rothen Flüssigkeit gefüllt hatte. „Der dhut mich jut, überhaupt bei der Winter­­wetter im Maimonat.“ Mit großer Geshh­lichkeit führte die behä­­bige, kleine Frau das zum Leberlaufen gefüllte Glas an die Lippen, um es sogleich geleert zurück­­zugeben. „Du kannst den jungen Menschen oo ’n las einsiegen*, sprach sie weiter. Aber während die Täter der Aufforderung nachk­am, bog si die Mutter etwas vor, und: „Nic so voll, nit so voll mein Kind, so’n junger Mensch dhut sich leicht zu ville“, um er mahnend von ihren Lippen. Fräulein Louise unterdrückte vergebens ein Schmunzeln und auch der also bevormundete Reife­gefährte zeigte seine Empfindlichkeit. Das junge Mädchen wollte die Flasche wieder an ihren Be­­stimmungsort zurückverlegen, aber Frau Schulze nahm sie ihr aus der Hand. „Rinmst Du Dig denn nicht 2" Die Toter verneinte kopfschüttelnd. „Ra, ie muß mich noh ’n Neesken einschen« fen,“ redete Frau Schulze zu sich selbst weiter, füllte das Weinglas noch einmal, leerte es und legte sich behaglich in die Ehe. „Ru fängt mi erst an, wohl zu werden,” sagte sie halblaut und versank in Betrachtungen. Die h­übsche Louise wechselte mit ihrem Nach­­bar einen soheimischen Blic, und da nach diesem Zwischenspiel die M­uhe in unserem Wagen wieder hergestellt war, folgte auch ih Frau Schulze Bei­­spiel und hing meinen Gedanken nach. Bald liegen mich regelmäßige Athemzüge neben mir vermuthen, daß die gesprächige Berlinerin sanft entschlummert sei.­ Die Neffenden auf dem M­üdfig waren um so munterer. Der junge Mann war der hübschen Blondine näher gerüct und flüsterte mit ihr in für mich unverständligen Lauten. Ein leichtes Roth flog über ihr Gesicht, jegt faßte er ihre Hand. Die Beiden glaubten fr­c­her unbeobachtet, "ich schämte mi meiner Syndisfretion und schloß die Augen. Nach zweistündliger Fahrt bewegte sich un­­sere Kutsche dröhnend über das Pflaster des Städtc­hend­s, wo wir fünfzehn Minuten Aufenthalt hatten. (Fortlegung folgt.) RE RE Er En TERN an MER

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