Oedenburger Zeitung, 1888. November (Jahrgang 21, nr. 252-276)
1888-11-21 / nr. 268
ET ET November 185. [XXL Jahrganger Zeitung. (vormals „Bedenburger Nachrichten“) | Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr’ — Betrüchten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.” Administation, Metiog und Inseratenaufnahme: Buchdrukerei, Rommalter & Sohn, Grabenrunde 121. WII Einzelne Nummern Rotten 5 Kreyger. EU Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2,02 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. Für Undwärth: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 7 fl., Vierteljährig 3 fL 50 tr Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und ufertionegebühren, sind Inferate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Bogler, Wall»fishhgaffe 10, A. Oppelit, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, 1., Wollzeile 12, R., Moffe, Seilerstätte 2, M. Dufes, ı., Riesmergaffe 12. In Budapest: Paulus GY. Dorotheagaffe 11, Leop. Lang, Giselaplag 3, A. B. Goldberger, Servitenplag 3, Infersions-Gebühren: 5 fr. für die eins, 10 fr. für die zweis, 15 fr. für die drei, 20 fr. für die vierspaltige und 25 kr. für die durchlaufenden Bettzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung Vesesich der Rabatt, Die Republik auf der Anklagebank. rankreich Oedenburg, 20. November, war von jeher das Land wer Aen und drastischer Effekte. Eben jett hat sich daselbst wieder ein sensationelles Ereigniß vollzogen, wie && — Gottlob übrigens! — wohl sonst nirgends in der zivilisirten Welt vorkommen dürfte. Ein radikaler Abgeordneter im geieggebenden Körper, ein sicherer Numa Gilli, glaubt, behauptet und läßt diese seine Behauptung sogar in tausenden gedrucer Exemplare verbreiten, Kammer Frankreichs eine ansehnliche Menge Geietgeber des Randes säße, welche mit ihrer einflußreichen Stellung unverfroren Schacher treiben, ihr Votum gegen Kaat verkaufen und jenen Gelegentwürfen zum Durchbruche verhelfen, welche ihnen am meisten Geld eintragen. ed Natürlich wurde Numa Gilli dafür nicht unbehelfigt gelassen. Ein gemilter Andrieug, Deputirter, ebenso wie Gilli, fand si duch Lesteren diverte der nämli Käuflichkeit beschuldigt und strengte somit die Verleumdungs- Klage an. Wie aber ein kleines Steinchen, das von einem Berggipfel fi Toslöst, nach abwärts rollt und sich im Niedergleiten zur vernichtenden Schneelawine auswächst, so brachte der Prozeß Andrieur gegen Gilli schließlich natürlich bildlich gesprochen — die ganze französische Republik auf die Anklagebank. Gilli sagte nämlich,er habe seine Anwürfe nicht geradezu auf Andrieur unternommen, vielleicht ist sogar dieser weniger schuldig, als viele, viele Andere, welche fest in Frankreich regieren; er kenne wohl selber in der Budget -Kommission des französischen Parlamentes über zwanzig Wilson’s (der berüchtigte Schwiegersohn des früheren Präsidenten der Republik, welcher wegen schimpflichen Ordensschachers befamntlich) verurtheilt worden ist) und ein namhafter Theil derer, Die das Volf gewählt hat, damit es ihm Gejege gebe, ist — forrumpirt! Die Anschuldigung also, die Andrieur von seinen Schultern zu wälzen gedachte, brennt man um so ärger auf den Schultern der Budget- Kommissions-Mitglieder. Wir künnen natürlich nicht wissen, ob Gilli Necht habe, ob wirklich allerlei Schwindel und Bestechlichkeit diese Mitglieder bereichert hat, ob z. B. mit Banama-Akien grober Unfug auf Kosten der Nation getrieben wurde. Aber leider steht die Thatsache fest, daß die Korruption viele Aemter in Stanfreich mit sehr schlimmen Wucherarmen umschlingt. Im dieser Beziehung sind die französischen Zustände jeitnach zerfahrener, als unter dem Kaiserreich. Wenn nun jedes einzelne Mitglied der Kommission Gilly bei Gericht verklagt und eine Reihe von drastischen Prozessen entsteht, oder wenn Die Kammer durch ein Ehrenvotum, die getransten Gefühle der Kommissions - Mitglieder in Bausch und Bogen zu fanken sich bemüht — in jedem Falle wird den Feinden des jebigen Regimes der gefährliche Punkt gegeben sein, von dem aus sie ven Berfuch erneuern künnen, die Nepublis aus den Angeln zu heben. Man weiß es ja: im Rechtsleben der Völker spiegelt sich der Zustand ihrer ganzen politischen, sozialen und moralischen Entwicklung wie im Focus eines Brennspiegels und der in Nimes zur Verhandlung gebrachte Prozeß Gilly ist insbesondere ein solcher, der auf die Verhältnisse eines Wolfes und namentlich auf den in demselben herrschenden öffentlichen Geist ein schärferes Schlaglicht wirft, als das die weitläufigsten und gründlichsten Abhandlungen vermöchten. Diese Gerichtaffaire hat dem fett in Frankreich herrschenden Negierungssysten unheilbare Wunden geschlagen. Der Vertheidiger Gilly’S sagte es offen heraus, daß das bestehende System an Haupt und Gliedern forrumpirt sei, daß das ganze Parlament im Solde der Eisenbahngesellschaften stehe und daß diese demselben bereits 14 Millionen bezahlt haben; ja er gab auch zur verstehen, daß die Negierung fi am umnlauteren Gebahren betheilige und, um eine V Börsenoperation zu ermöglichen, den Bericht Rousseau’s über den Banamafaral durch vier Tage zurückgehalten habe, ohne denselben zu veröffentlichen. Man kann sich vorstellen, ungeheurere Aufsehen diese schwerwiegenden Anklagen in ganz Frankreich hervorrufen, trogdem oder vielmehr weil der Vorfigende des Gerichtshofes, gestüßt auf die Prozeßordnung, den Wahrheitsbeweis nicht zuläßt. Die Feinde der Nepublis werden sich darob in’3 Fäustchen lachen und der Weizen Boulanger’3 wird dadurch noch üppiger in die Halme schießen. Die republikanische Staatsform beruht auf Ehrlichkeit und gegenseitigem Vertrauen; eine forrumpirte Nepublis ist ein Unding und da Dieselbe jeit in der That als bis in ihr innerstes Mark von der Korruption aufgetreffen erscheint, so ist es gar nicht unmöglich, daß sie selbst einem solchen Charlatan und Abenteurer, wie &8 Boulanger ist, der heute in immer weiteren Kreisen Frankreichs als der Mann der Zukunft betrachtet wird, doch a frz oder lang al reife Frucht in den Schritt. B. 08 M. «daßinder · ·· welches Graf Bela Banffy FT. Budapest, 20. November. Der „B. 2.“ bringt uns Die schmerzliche Nachricht von dem am 18. d. erfolgten Hinscheiden des Vizepräsidenten unseres Abgeordnetenhauses, Strafen Bela Bäanffy. Der verewigte bedeutende ungarische Staatsmann ist auf seiner Belegung Puchta Szt.Mihályteles in Folge eines alten Magenleidens, das seit zwei Monaten einen akuten Charakter trug, in jenen 57. Lebensjahre gestorben. Sein Vater Nikolaus, war Obersttruchseß, seine Mutter eine geborne Katharina Wesselenyi, er selbst Fam, gewissenhafter und schamhafter kommt selten eine aus der Stadt zurüc, wohl aber machen sie im Gegentheil. Die Meisten kommen mit größerer und inbrünftigerer Andacht zu den Mannsbildern ausgerüstet heim. Viele aus ihnen können die Güte und Freundlichkeit und Spaßhaftigkeit des Herren nicht genügsam pfeifen und zeigen auch „Präsenter“ von den Dienstherren auf, während die Frau ein geringeres, ja oft unter aller Kritik schlechtes Beugniß bekommt. Daß solche „verbesserte“ Auflage von Heiraths- Kandidatinen sein Artikel für einen Bauernbrautbesucher sein können, ist wohl selbstverständlich, obwohl sie sich alljährlich regelmäßig beim Beginn des Falchings zu Hause einfinden und sich auf den Brautmarkt stellen und hartnäßig bis Afschermittwoch auf selben aushalten. Weil nun das „Belfere“, was sie in der Stadt gelernt haben, zur Haufe sein Begehr findet, fehren sie nach vergeblichem Hoffen und Harren wieder in die Stadt zurück und suchen sich dort an den Mann zu bringen. Denen das aus dieser Race und Klasse für die Lebensdauer nicht gelingt, die liefern dann das größte Material fürs Findelhaus. Diese Lieferung verursacht aber ihren Heimathsgemeinden oft mehr Unforten, als ein Kinderasyl, in welchem die kleinen Kinder armer Taglöhner und Bauern während der strengen Arbeitszeit gehütet, gepflegt und vorerzogen werden konnten. Bei ordentlicher Rechtspflege wird der zum Schadenerlag verurteilt, der den Schaden verur In Sachen der Findlingsunfasten aber jacht hat, muß meistens die unschuldige Heimathsgemeinde das festspielige Vergehen Fremder büßen. Da muß oft Feuilleton. Dänerische Klagen und Gedanken. Bon Philipp Laploi. (Fortlegung.) Pfarrer und Lehrer künnen doch auch nicht die „Hopferei“ überwachen und arrangiren! Daher rufe ich mit dem alten Gato. Und des Weiteren beantrage ich . . . · Weg mit den»Münkerln«und ihrem Unfuge!Wenn man aber den kleinen und großen Kindern etwas Schädliches und Nichtsnutziges nimmt,muß man ihnen etwas Nützlicheres und Braveres dafür geben.Zudem letzteren rechne·ich·z.B. »gute Kindertheater«.Ich bin deßhalb mitsenem Pfarrer ganz einverstanden,der mit unbeschreiblicher Mühe Geduld und Ausdauer den Schulkindern recht schöne geist-und herzveredelnde Schamspiele eingelernt und sie gerade·in den Faschings·taen aufführen hat lassen,ihnen also für die nichtsnutzige»Münkerl«Besseres,Veredelndes und doch auch recht Unterhältliches geboten hat. Derselbige Pfarrer hat auch eine Schul-und Volksbibliothek gegründet und eifert Jung und Alt zum Lesen an,und wie es scheint,nicht vergeblich, denn er weiß schon nicht mehr genug „Schöne Bücher“ aufzutreiben. Gebe Gott, daß etwas Gutes vom vielen Lesen hängen bleibt. Und wie ich vernommen habe, möchte er auch noch gern in den langen Winterabenden in der Schule Zuslammenkünfte für die Erwachsenen abhalten, um dasübliches vorzulesen und vorlesen zu lassen und zu besprechen, ihnen das Nothwendigste und Wissenswertheite aus den Zeitungen mitzutheilen, schöne patriotische und sonst edle Lieder mit der Jugend einzulernen, um auf solche Weise das oft in rohe Unsittlichkeit ausartende „zeiergehen“ und nächtliche Herumbeulen und Brüllen, wenigstens einzuschränken. Auf Solche und ähnliche Weise konnte einigermaßen der Weg verrammelt werden, der am Ende ins Findelhaus, ins Spital oder gar ins Zuchthaus führt und mit einem großen Konto für die Gemeinde ausläuft. Ferner müssen die Eltern, Seelsorger, Lehrer und Richter und wer sonst noch dabei Hand anlegen kann, dem Zuge junger Leute, besonders weiblichen Geschlechtes, nach den großen Städten einen Nach- oder Hemmijchuh anlegen. Denn was halbwegs eine annehmbare Larve und dralle Figur hat, will nach Wien oder Budapest in Dienst, um auch etwas „Besleres“ kennen zu lernen. Das „Beflere“, was sie dort fennen lernen und zum Anstoß und Gelächter der Dorfbewohner nach Hause bringen, besteht oft nur im einem höheren Kamm mit Kugelaufjas, Stirnloden oder Simpelfransen, Zazenschürze, Zwidelrof mit Tunique und ausgeschnittenen Schuhen, hie und da ein Sonnenschirm. Das sind die gewöhnlichen Errungenschaften nach Außen, am Futteral. Der Gewinn an Geist und Herz aber, den solche Personen nach Hause bringen, ist nicht einmal Talmigold, wohl aber oft Grünspann. Die Meisten aus ihnen müssen halt so viel lachen über die Sitten und Gebräuche der „dummen Bauern“, darunter sind auch und vor Allen gerechnet ihre Eltern, Geschwister und Freunde. Wie man sagt „Digotter“, ae -.«. ——-—--.,...) ee =) - E. # iz Der