Oedenburger Zeitung, 1889. Dezember (Jahrgang 22, nr. 277-300)

1889-12-03 / nr. 278

ni N FERNE­RE # " - EURE Dienstag, 3. Dezember 1889. XXI. Jahrgang. Az. 278. edenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Machßuncten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschhaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr? — Betrüchten zur Wehr” — Der Wahrheit eine Gaffe.” | t »on Inferaten, Pränumerations- und Imfertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Dering und Inferatenaufnahme: Suhdrakerei­­, Romm­alter & Sohn, Grabenrunde 121. Das Blatt erfeint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder eiertag folgenden Tages. Yräm­mera­tions­­reife: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljähri­g 7l h 550 kt.,Monatlich 1st « g Für Auswärts: vo jährig 12 Ai, Hetbläßeig 7 fl., Biertel­­ri . Alle für das Blatt refimante Sendungen, mit Ausnahme EE Einzelne Nummern Rotten 5 Kreuzer. EM Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Wall- Miegaffe 10, A. 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Verwundert blieten die Leute den zerlumpten und zerschlagenen Menschen an, der in wilder Haft­­ dahinstürmte. Rudolf jedoch achtete nicht der neu­­gierigen Blicke, den Ersten, der ihm in den Weg kam, hatte er nach dem Ortsrichter gefragt und dieser hatte ihm das Haus bezeichnet. Das junge Mädchen, welches ganz und gar nicht in den Rahmen dieser Bauernstube paßte, war Therese, die Kellnerin in der Schänfe zum „brennenden Dornbusch“. Roller hatte am selben Tage nach dem Ueberfalle auf der Landstraße das Mädchen, welches er liebte (auch im verdorbene Herzen verirrt sich dieses heilige Gefühl) zu bestim­­men gewußt, die Schänfe zu verlassen und hatte sie in dem benachbarten Dorfe bei einfachen Bauern­­leuten untergebracht; er wollte sie nicht den rohen Späften der wüsten Gesellen in der Schänfe länger­­ preisgeben. Therese ergriff die Gelegenheit um so lieber, als ihr der Dienst bei Vater David, welcher Die Signatur unseres Reichstages. Oedenburg, 2. Dezember. Wir bedauern es sagen zu mi­ssen, weil da­­durch der bislang so gerühmten politischen Neffe unserer Nation ein schweres Dementi entgegenge­­stellt wird, aber die Th­atsache erhellt aus den legten parlamentarischen Vorgängen in Budapest, daß sie Skandalsucht und Verhegung in den Räumen, wo­blos die weite und besonnene Berathung er­­leuchteter Gelegentwürfe plngreifen sollte, unge­­bührlich breit machen und daß mithin eine totale Begriffsverwirrung die Signatur unseres Neichstages ist Es ist gut, daß bald die Weihnachtsferien eintreten und sich vielleicht während derselben die Gemüther beruhigen, denn wie gegenwärtig die­ Stimmung beschaffen ist, steht die Nation in Bezug auf ihre Geießgebung vor zwei gleich verhängnis­­chem Absolutismus oder der Anarchie. Ersterer ist fast unvermeidlich, so­­bald er die liberale P­artei dahin bringt, die Oppo­­sition vollständig lahm zu legen. Leßtere ist unver­­meidlich, sobald die turbulenten, Alles zerlegenden Elemente, Schreier und Crredenten das Ueberge­­wicht erlangen. Da­ mithin die Nation zwei gleich großen , Gefahren ausgereßt­et, soferne nicht wieder die gesunde Vernunft, das Rechtsgefühl und der flug­ertragende Patriotismus einziehen in die Gemüther unserer Deputirten und deren persönlichen Empfin­­dungen meistern, — so lange die blind waltende, verbissene Leidenschaftlichkeit die Signatur unseres Reichstages ist, ebenso lange werden wir nur die schweren, erdrüdenden Lasten der­­ oftspieligen Volfsvertretung tragen, aber weit ent­­fernt dafür ihre Segnungen zu genießen den Bür­­­­gerkrieg in unserem eigenen Lande systematisch an­­gestiftet und geschürt sehen. s Aber — zu unserem freilich traurigen Troste sei es gefang; — der Niedergang des Parlamentarismus ist fast überall die Signatur der geießgebenden Körper. Wie zerflüftet und depravirt sind die Abgeordneten in den Kammern Frank­­reichs! Und wie sieht es im deutschen Neid­dtag aus? Welche Bestimmung hatte ursprünglich Die Institution de Parlamentarismus? Ihr Sinn und Zweck war, die Herrschaft des Volswillend zu be­­gründen, und ihre Mittel bildete die Wechselwirth­­schaft der parlamentarischen P­arteiorganismen. Von diesem Zwec­kum hat sich der moderne Parlamen­­tarismus allmälig entfernt, gleichwie er den obli­­gatorischen und richtigen Gebrauch dieses Mittels allgemach verlernt hat. Im deutschen Reiche ist die Geltung des Bolfswillens längst dur die unumschränkte Ge­­walt eines mächtigen Einzelwillens verdrängt ; ein Machtgebot des Reichskanzlerd­­at die Kartellmehrheit zusammengeschneit, welche mit Widerstreben, aber auf Kommando die Vorlagen potiren muß, wie laut sie auch ihre Bedenken gegen dieselben äußern mag, wie die die National­­liberalen und auch die Konservativen häufig genug thun. Und wird nicht jedes oppositionelle Wort im deutschen Reichstage vom Fürsten Bismard selbst als Reichsfeindlichkeit gebrandmarkt? Und fühlt nicht auch Schon Graf Herbert Bismard ji berechtigt, die Führer der freisinnigen Opposi­­tion öffentlich so rücsichtslos abzukanzeln, als ob ein Staatsminister nicht Bollstreder des parlamen­­tarischen Willens wäre, sondern über dem Par­­lament stände? Was Frankreich betrifft, so ist auch in diesem Lande die Institution des Parlamentaris­­mus voll von Gebrechen, die ihren stetigen Nieder­­gang befunden. Zunächst beweist der Boulan­­gismus mindestens so viel, daß der Parlamen­­tarismus in Frankreich einen guten Theil seines Kredites eingebüßt habe; denn das volksthümliche Schlagwort des Boulangismus, zugleich die Duelle sie nicht auf das Beste behandelte, zum Ueberdruß geworden. Auch willen wir, daß Roller auf das Herz des unerfahrenen Mädchens einen besonderen Eindruck gemacht hatte, hätte sie gewußt, welcher Verbrecher Hinter der gleisnerischen Larve Roller’s ir um seinen Preis hätte sie seinen Bitten will­­art.... Der Bauer,bei welchem sich Therese jetzt befand, kam eben mit seinem Gefährte von der Stadt zurück, als er am Wege den ohnmächtigen Grafen liegen sah. Mitleidig hob er denselben auf seinen Wagen und brachte ihm nach seiner Be­­hausung, wo er ihn im Hinterstübchen unterbrachte und seinem Weibe dessen Pflege überließ. Am Abende desselben Tages kam Roller mit Therese; in der Stadt Hatte er mit dem Bauer Alles ins Reine gebracht und er entfernte sich daher bald wieder, mit dem Veisprechen, ehesteng wiederzukommen. Dorthin wandte Rudolf eilig seine Schritte und verlangte, als ihm der Knecht das Thor geöff­­net, den Richter zu sprechen. Er wurde demselben vorgeführt, ein Blid auf die zerlumpte Kleidung hatte dem Mann genügt, um sich ein Urtheil über den vor ihm Stehenden zu bilden. Urtheilt doch die Welt stets nach dem Scheine und bemißt das Innere des Menschen nach seinem Aeußeren! herrschte er „Was begehrt Ihr von mir!“ den Unglücklichen an. Rudolf erzählte die Vorgänge der rechten Nacht, doch seine Sinne waren von der furcht­­baren Aufregung verwirrt und unzusammenhängend, beinahe unglaublich erschien seine Darstellung, so seiner ganzen Kraft, ist die Devise: „Kampf auf Leben und Tod gegen die Parlamentarier!" Doc auch die organische Struktur des französischen Par­­laments ist an sich eine zerrüttete, denn nicht der nationale Wille, sondern die taktischen Krünfte der mit Faleidoskopischer Buntheit und Inkon­­sequenz sich ewig erneuernden Fraktionsgruppirun­­gen weisen der französischen Politik Richtung und Inhalt zu. Thatsache also ist, daß der Parlamentarismus so ziemlich allenthalben (selbst in Nordamerika und England) sich in einem Zustande krankhafter De­­generation befinde. Das ist seine Signatur. Bei und in Ungarn sieht er jedoch in dieser Hinsicht Heutzutage fast am schlimmsten aus. Aber nicht die Spertakelszenen sind die eigentlichen Symp­­tome des Niederganges, und wer an der Hand dieser tumultösen Vorgänge der Krankheit unseres Parlamentarismus nachforschen wollte, der müßte nothwendig zu Trugschlüssen gelangen. Das Liebel liegt ganz anderwärts, es liegt viel tiefer, darim nämli, daß die Zusammenlegung unsere P­arla­­ments, der organische Aufbau desselben, die schroffste Negation de Parlamentarismus bedeutet. Unsere Reichstagsmehrheit ist Fein Ausflug des Volks“ willens, man mithin auch dessen Ausdruck nicht sein. Daß bei und reine Wahlen gemacht würdet, das wagt wohl der em­agirterte Freund der Regie­­rung nicht zu behaupten. Allein gejeßt, unsere Wahlen wären so frei von jeglicher Regierungs­­pression auf die Wählermassen, wie sie in Wahr­­heit das Gegentheil davon sind, so ist schon die ganze Naturr de3 modernen Staaten durchaus, un­­geeignet, die Möglichkeit dessen aufkommen zu lassen, daß aus den Wahlen der unverfälschte Ausbruch des politischen Willens der Wähler hervorgehe. Der moderne Staat, der Amtsstellen zu ver­­geben hat, der Güter verpachtet, Yachrissbetriebe führt, Eisenbahnen verwaltet, er greift mit tausend Armen so tief in die Privatinteressen jedes einzelnen daß der Richter bald zur Ueberzeugung gelangte, es mit einem Wahnsinnigen zu thun zu haben !“ „Yoppt andere Leute mit Euren Märchen, erbärmlicher Landstreicher!" rief er in höchstem Grade erzürnt. „Bei mir finden dergleichen Ge­­schichten, die dazu erfunden sind, um Mitleid zur erweren, feinen Anklang!“ Nudolf traute seinen Ohren nicht, als er diese herben Worte vernahm. Er bat, beschwor, flehte auf den Knieen, aber Alles vergebens. „Scheert Euch zum Kudud,“ schrie der Rich­­ter erbost über die Hartnädigkeit des vermeintlichen Landstreichers, „oder ich Lasse Euch einige Tage einsperren, damit Ihr zur Vernunft kommt !“ Bei diesen Worten fehrte er dem Grafen den Rüden und schritt zur Thüre hinaus. Rudolf war seiner Sinne nicht mehr mäch­­tig; in höchster Raserei stürmte er fort, rannte wie ein Besossener durch die Straßen, Hinaus auf die Felder, des Weges nicht achtend, bis er erschöpft zusammenfand ... . ALs er wieder zum Bewußtsein kam, lag er in einem Bette, welches in einer kleinen, weinlichen Stube stand, wie man sie in Bauernhäusern findet. An seinem Bette saß ein junges Mädchen von außerordentlicher Schönheit, welches über eine Hand­­arbeit gebeugt war. Therese wurde von ihren fünfzigen Quartier­­leuten auf das Herzlichste begrüßt, nur war der Bauer etwas in Berlegenheit; im Hinterstübchen, welches für Therese hergerichtet war, lag jeit der Ohnmächtige, den er von der Straße aufgelesen. Doch als Th­erese dies hörte, hatte sie sofort ihren Entschluß gefaßt, vollen Alternativen: RER m——— en we -«.- . - ie

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