Pannonia, 1879 (nr. 2-148)

1879-01-03 / nr. 2

Seite 2 Kaschau, Freitag „PANNONIA“ Krivan, Schmeds und den grünen See. Da im Laufe der Jahre die Gedenktafeln zu Grunde gegangen waren und jene Reise immer mythenhafter wird, regte Herr Major Anton v­­ier beim Ausschusse des ungarischen Karpathenvereines an, De­l­­die geschichtlichen Momente klarzulegen und die Sagen von den Fad­­­en zu trennen. Auch gelang es den Bemühungen einen erwähnten Verein unermüdet wirkenden Mannes, dieses für viele Do­­cumente, selbst aus dem Dresdner Hofar<ive zu prokuziren, unter denen folgender vom Geheimrath von Minkwitz und Kän­z­merer Sr. Majestät des Königs von Sachsen an Zipser ge­­schriebene Brief für Jedem, dem unsere Tätra lieb und theuer ist, interessant sein dürfte. Der Anhalt ist folgender : „Wohl­­geborner Herr! Se. Majestät der König von Sachsen haben heute mir den Entscluß bekannt gemacht, den 22. Juli eine Reise über die schlesischen Gebirge nac den Karpathen zu mac­hen und mich beauftragt, Ew. Wohlgeboren davon in Kennt­­niß zu fegen und Sie zu ersuchen, wenn es Ew. Verhältnisse erlauben und es Sie nicht zu sehr belästigt, Se. Majestät auf irgend­einen der ihnen zunächst liegenden Punkte des Reise­­planes zu treffen, denn mag Neusohl selbst zu kommen, erlaubt die Zeit Sr. Majestät nicht. Der eigenhändige Reise­­plan Sr. Majestät folgt hierbei. Die Ehre, Sr. Majestät zu begleiten, hat der Flügeladjutant Major v. Zainz, an welchen sich Ew. Wohlgeboren zu wenden haben würden. Indem =" u. f. w. Nn diesem Briefe fällt vor Allem die Mythe der Hofkavaliere vom Wiener Hofe weg, sowie auch die Erzählung, daß der König über Pest und Leutschau (?!) den Krivan bestieg und endli< ist's ein Märchen sinnlosester Art, wenn manch Leute renomiren, den König hierhin oder dorthin geleitet zu haben, da der König ganz rathlos da in der wilden Tatra ge­­standen hätte, wie z.B. die „Allgemeine Augsburger Zeitung" . Die Reisegesellschaft bestand nur aus dem Könige, seinen Ad­jutanten, den zwei Kammerdienern und Dr. Zipser. 3 Jänner 1879. Nr. 2 Tageswenigkeiten, [Die vier ersten Bankfilialen] Die Regie­rung hat die Verfügung getroffen, daß die laut G.­A. XXV. : 1878 von der Oesterreichisc-Ungarischen Bank auf dem Gebiete der Stefanskrone in's Leben zu rufenden ersten vier Banfilialen in Kassau, Agram, Raab und Szegedin errichtet werden. Die Regierung beabsichtigt aug, bezünglich der drei weiteren im Jahre 1879 zu errichtenden Bankfilialen demnächst die nöthigen Maßnahmen zu treffen. „P. Ll." bemerkt zu dieser Nachricht : Es ist im Interesse des Verkehrs allerdings bedau­­erli<, daß die Regierung sich so spät entschlossen hat, hinsichtlich der Filialen sich zu entscheiden, und es ist ebenso wenig erfreu­­lic, daß dieselbe der Auffassung Raum geben ließ, daß die Um­­gestaltung der bereits bestehenden zwei Filialen Agram und Kaschau einer Neuerrichtung gleichkomme. Was die Wahl der zwei neuen Filialen betrifft, so kann dieselbe nur befriedi­­gen, da sowohl Raab als Szegedin durc ihre Lage, wie durch den in diesen Städten herrschenden Geschäftsverkehr vollauf berechtigt waren, der Sig einer Zweigniederlassung der Bank zu werden. Es erwächst aber der Regierung die Pflicht, ehestens hinsichtlich der weiteren Filialen zu entscheiden, denn sind noch immer ganze Landestheile ohne jede directe Verbindung es mit dem Noten-J Institute des Landes, und wir können heute schon anssprechen, daß wie immer an die Wahl der demnächst zu bestimmenden drei Filialen ausfallen mag, doch noch neue Vereinbarungen nothwendig sein werden, um die Leitung der Bank zur Errichtung weiterer Filialen zu bestimmen. [In Angelegenheit der Errichtung eines Bankfiliales am hiesigen Plate] sind der Herr Bürgermeister Theodor Münster und der Landtags-Abgeordnete Herr Michael Juhász nac Budapest gereist. Wir glauben, daß es schade um die Spesen ist, da Kaschau­a die­­ erste Stadt sein dürfte, welche ein neues Filiale erhält. Sollen doc ß — wie wir vernehmen — sogar die Beamten von ernannt worden sein. W. So nennt man den Herrn Béla Mocsáry aus Ungvár als Leiter des Kassauer Filiales. [Todesfall] Am 31. December v. J. starb hier der greise k. k. Kämmerer, Herr Johann v. Melczer, nach lan­­gem Leiden im 76. Lebensjahre. Die Leiche des Verblichenen wurde gestern eingesegnet und nach Sal6-Börs überführt, wo dieselbe in der Familiengruft heute beigefegt wird. Friede seiner Asche ! [Dem Ballauss­usse der Juristen] ist es gelungen, als Ballmutter die wegen ihres Wohlthätigkeitssinnes und ihrer edlen Gesinnung allgemein verehrte Gräfin Helene Barkóczy-Hadik zu gewinnen. Es ist dies eine Errungenschaft, auf welche die Herren Juristen stolz sein können und gleichzeitig eine Bürgschaft, daß der Juristenball den Glanzpunkt in dieser Saison bilden wird. [Ball-Chr­onik.] Der Kaschauer Arbeiter-Kranken- Unterstüßungs-Verein veranstaltet zu Gunsten seiner Cassa am 1. Februar I. J. in den hiesigen Casino-Localitäten eine Tanz­­unterhaltung, auf welche wir schon jetzt die Aufmerksamkeit aller Freunde der arbeitenden Classe lenken. [Ein neues Casino] wurde hier am 1. Jänner er­öffnet. Dasselbe befindet sich im Graf Forgan'schen Palais und ist sehr zweckmäßig eingerichtet. Zu wünschen wäre bloß, daß die Casinos überhaupt außer dem edeln Billard und Kartenspiel auch andere Zwecke verfols­gen möchten. [Orthodoxen-Moral.] Wir akten jede religiöse Ueberzeugung und mag sie no so sehr mit dem gesunden Menscenverstande im Widerspruche stehen, aber wir verabscheuen die Heuchelei, wir verachten den Zeloten, der die Moral mit Füßen tritt und dabei ein frommes Wesen heucelt. Schon seit Monaten läßt der hiesige orthodoxe ifr. Cul­­tusvorstand die Lehrer darben, indem er ihnen die Auszahlung ihrer Gehälter verweigert. Ve­rgebens laufen diese vom Pontius zum Pilatus — es hilft Alles nichts; die Herren, welche in der Glo>engasse ihren Gott mit so lauter­ Stimme anrufen, daß man sie bis in die Hauptgasse hört, wollen nicht bezahlen und sehen es gleichgültig zu, wie Familien am Hungertuche nagen. Ein feister Vorsteher fühlt es eben nicht, was Hunger ist. Wir halten es deshalb für unsere Pflicht, die competen­­ten Behörden dringend aufzufordern, mit aller Energie den Be­­drängten zu Hülfe zu kommen. Wie wir nämlich erfahren, hat der hiesige Verwaltungs- Aussc­huß in Folge der Klage der beiden Lehrer Ignaz Hollän­­der und Jonaz­ Hoffenberg gegen die orth. ifr. Gemeinde wegen Einstellung ihrer Lehrer-Bezüge entschieden, waß die Gehälter bin­­nen 3 Tagen bezahlt werden müssen, zugleich wurde derselbe Vorstand ermahnt, daß er künftighin diesfalls zu keinen Klagen Anlaß gebe. Was thut nun die Gemeinde ? Sie schenkt dies­­er Aufforderung kein Gehör und verweigert weiter die Aus­­zahlung und sehmiedet alle nur erdenklichen Ränke, um die Be­­hörde zu täuschen und hungerung zu zwingen, die Lehrer durch Unterdrückung und Aus­­maß sie entweder ihre Posten verlassen, oder einen Revers unterschreiben, wonac­h sie auf alle Rechte, die ihnen das Gesetz gewährt resigniren. Augenzeugen erzählen, daß die Familien der gedachten Lehrer dem größten Elende aus­­gefegt sind und daß diese durc Hunger und Entbehrung mate­­riell und geistig zu Grunde gehen. Neugierig sind wir, was der Herr Seelsorger dieser Ge­­meinde zu alldem sagt? Oder ist ihm dies etwa gleichgültiger, als wenn man sein Gehalt zurükbehielte ? Heißt es dbob­sten, wie Dich selbst­­ in der heiligen Schrift : Liebe Deinen Nach­­[Ein sauberer Steuerexecutor,] Namens Johann Watta, aus Szepsi gebürtig, nach dem verschiedene Gerichtshöfe seit Monaten fahnden, wurde hier gestern einge­­fangen und der Staatsanwaltschaft übergeben. [Statistis<es.] Im Jahre 1878 wurden dur die Kaschauer Polizei 1709 Männer, 882 Weiber und 85 Kinder, „Hör< ! hörst Du seine Stimme ? = Er ist im Saal und ruft nach seinem Diener.“ „Geh — geh’! — Rette mich oder vergiß mich!" — Hörst Du seine Schritte im Saal?" komme nach gehe, 308 — und komme wieder — morgen Abend ich und nehme Di mit mir —" „Geh, geh! — Sie kommen !" Er preßt sie an seine Brust und küßt ihre heißen Lippen. Es gehe — erwarte mich hier an dieser Stelle — mor­­gen Abend 11 Uhr erwarte mich —" Die Stimmen des Marquis und Trumbulls nähern sich. Der Obrist biegt fast um die nächste Ehe der Allee und ist in wenigen Sekunden schon den dunkeln Gängen aus dem Bereiche der Nahenden zwis­­ches Parks verschwunden. Der Obrist hatte sich mit einem Umwege in sein Zim­­mer hinaufgestohlen und kam von da erst am späten Morgen zum Frühstü> herab. 308 hatte er entschuldigen lassen. Aber der Marquis und Mister Trumbull erwarteten ihn und hatten, wie es schien, ihr wieder hergestelltes Einvernehmen bereits mit ein paar Flaschen Madeira besiegelt. Der Marquis erklärte, der­ Frage des Obristen vorgreifend, daß er seinen Entschluß geändert und von dem Verkauf der Villa Abstand genommen habe. Der Obrist hatte es sehr eilig. Er lehnte die Bethei­­ligung an dem Frühstü> entschieden ab, weil er mit dem näc­­sten Zuge, der um zwölf Uhr an der Station vorüberkam und sich der Dampferlinie des Missisippi anschloß, nach New­ Orleans zurückkehren wollte. Seinen Wirthen seien dieser Entschluß sehr gelegen und Mister Trumbull beeilte sich, ihm ein Fuhr­­werk zur Verfügung zu stellen. Nach einer halben Stunde verabschiedete sich der Obrist und fuhr fort.­­ Am andern Tage gab es in den Corridors des Hotel de l' Europe, in welche die Zimmer des Obristen de Granby min­deten, ein leises, aber eifriges Hin- und Herlaufen, ein mysti­­sches Treiben and Thun, ein gedämpftes Klopfen und Hämmern. Beim Diner Hatte der Obrist in gewohnter Weise seiner Lres­­enswürdigkeit die Zügel gegeben, aber zum Souper­fid in sei­­nen Speisesalon zurücgezogen. Das Dienstpersonal des Hotels flüsterte beobachtend, gespannt, ängstlich und ganz besonderer Dinge gewärtig. In den Zimmern des Obristen standen Kisten und Kasten wohlverpackt, verschnürt und signirt. Er hatte für sie, eine Dame und seine Dienerschaft Billets auf dem Dampfer „Julia“ gelöst, der am nächsten Tage Frü­h nach Mexiko fahren sollte. Jetzt war es 8 Uhr Abends und die Sonne neigte sich fast dem Untergange zu. Der Dampfer "Washington" sollte um 84­ Uhr den Missisippi hinauf nach Batonrouge abgehen. Der Obrist war seit je halben Stunde in lebhafter Un­­ruhe zwischen den Reise-Effecten auf- und abgegangen, hatte sich gefegt, war wieder aufgesprungen und an's Fenster getreten. Jetzt pate ihn ein Gedanke. Er öffnete hastig eine Reise-Ne­­eeffaire und ein in demselben befindliches, mit Silber und Elsen­­zusammen 2677 Individuen, eingebracht. Wahrlich, eine statt­­s Ziffer. So viele M­enschen könnten eine ganze Stadt bev­völkern. [Polizeili<es.] Im Monate December wurden duch die Polizeiorgane 144 Individuen eingebracht und zwar : 101 Männer, 39 Weiber und 4 Kinder. [Selbstmord.] Wie wir mit Bedauern vernehmen, hat fs der hier allgemein bekannte Oberst Fröhlich auf seiner Befigung bei Villa<, nachdem er das Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie in der heitersten Laune zugebracht, erschossen. Was diesen Mann zu diesem ent jeglichen Entschlusse vere­inlasst hat, ist unbekannt. Man glaubt allgemein, daß derselbe das Opfer eines amerikanischen Duells geworden ist. [Selbstmord.] Der Maurergeselle Franz Meffer, 34 Jahre alt, wohnhaft bei seiner Mutter in der Neugasse 9, entferne sich gestern vom Hause, ohne wiederzukehren. Hr Nach langem Suchen fand man ihn endlich erhängt am oben. Weder die Ursache dieses Selbstmordes ist man ganz im Unklaren. [Kaminfeuer] Dienstag, den 31. v. M., wurde in der Schmiedgasse Nr. 39 ein Kaminfeuer durch die rasch her­­beigeeilte Feuerwehr gelöscht. [Unglücksfall,] Ein Tag'öhner Namens Franz Mol­­nár bereitete si das sogenannte Krampampuli (gebrannter Spiritus mit Zuder) und hatte dabei das Unglü> daß sich der brennende Spiritus über ihn ergoß, so daß er bede>t von Brandwunden [Eine in's Spital überführt werden mußte. silberne Uhr] wurde von dem Reitknechte des Hauptmannes Huttenberg auf der Széc­henyi-Wiese gefunden und bei der Stadthauptmannstaft deponirt. [Burstenleben.] Tief unten auf der niedrigsten Stufe militärischer Hierarchie finden wir den Offiziersdiener. Sein Beruf ist ein friedlicher, und wenn es die Aufgabe des streitbaren Mannes ist, während seiner militärischen Laufbahn seine Stiefel mit Koth und sein Schwert mit Blut zu bespingen, so hat der Offiziersdiener die versöhnende Mission, Stiefel und Schwert von den daran haftenden Fle>en zu reinigen. Der Offiziersdiener trägt wohl die ärarische Holzmüge und steht auf sonst in zweifärbigem Toch; das ist aber auch so ziemlich Alles, was er mit dem wirklichen und echten Sol­­daten, dem Combattanten, der auf Heldentod und Heldenruhm Anspruch machen kann, gemein hat. Nur Wenige gibt es, die ih in Friedenszeiten von der Waffe weg zum Kleiderreinigen und Stiefelpugen melden, und die cg thun, die werden von den echten Kriegern über die Achsel angesehen. Der Name „Bursch“, den sie ihm zuwerfen, klingt durch­­aus mit wie Cameradie oder Hochhaltung. Der Soldat, wenn ihm einmal Corpsgeist beigebracht ist, hält viel auf das Net, etwas Baumelndes an der Herzensseite tragen zu dürfen , erklärt es body das Dienstreglement selber für eine dem Kriegerstande bewilligte Auszeichnung. Ein Mensch, der auf dieses Reit und auf den eigentlichen Beruf des Soldaten aus Bes­quemlichkeit oder gar in Folge eines sc­hleichenden Pulverfiebers verzichtet, hat keinen Pla in der Walhalla und einem solchen gegenüber dünkt sich der eingeschulte Infanterist ein höheres We­­sen und wehe dem „Burschen“, der sich beikommen ließe, ihm auf der Liebesbörse am Schanzl Concurrenz zu machen. Der „Bursch“ aber kümmert sich nicht um das Helden­­­ ihum und seine berufsmäßigen Vertreter. und gibt die Verachtung­­­­ innerlich zurüc. Er weiß ganz gut, daß diese ihn bei jeder Dienage und bei jeder Ausrü>ung um sein Scharaffenleben be­­neiden und gerne auf ein paar Stunden des Tages mit ihm tauschen möchten. Weder Ehre und Ruhm denkt er ungefähr wie Falstaff bei Heißsporn's Leiche und das Waffentragen betrachtet er aus dem prächtigen Gesichtspunkte, daß man sich ohne jene zwei Pfund Eisen am Leibe um eben so viel leichter bewegt, und was schließ­­li­che Chancen in der Liebe betrifft, die Köchin seines Haupt­­mannes ist ihm jedenfals sicher. ‚_ in Feuilleton. Die Handschuhe des Herrn de Granby. Novelette von W. P. (Fortsezung und Schluß.) Zos ist rasch durch zwei, drei Alleen geschnitten, wie ein gescheuchtes Reh ängstlich sie nach allen Seiten wendend, zit­­ternd nach allen Richtungen horchend. Sie erwartet, sie sucht. Wie sie nun aus dem Relief der dunkelgrünen Orangenpartie herauss<webt, scheint sie im schneeweißen Battist-Morgenkreide einer Sylphide gleich. Das helle Morgenlicht ist der Frauen­­schönheit nicht günstig. An ihr wird der Feind zu Landen. Ein breiter Strohhut bedegt den schönen Kopf, von dem sich eine Fülle glänzend sc­hwarzer Flechten über einen Hals und Nasen von alavasterner „Durfsichtigkeit herabringelt. Ueber dem ganzen Wesen des jungen Mädchens liegt ein languissan­­tes, vom Schmerz der Nacht zurückgebliebenes Air, das sich aus den gazellens<warzen, von langen Wimpern noch halbträume­­risch verde>ten Augen über die ganze Gestalt zu breiten scheint. Aber aus dem Stern dieser mandelförmigen Augen leuchtet und rugt es wieder wie brennende Strahlen heraus. Jetzt fährt sie zusammen und steht einen Augenblic, schwebt dann rasch um die nahe Biegung der Alle. Sie steht vor ihm­­ vor Francis de Granby. Er breitet ihr seine Arme ent­­gegen und sie fliegt an seine Brust. „Francis, Francis !" seufzt sie leise, mit zitternder Stimme. „O Schmerz, o Seligkeit !" Lächeln Er hat den Kopf zurückgewandt und bliet mit entzürtem in ihr süßes Gesicht. „Francis, blide mich so nicht an — vergiß mig, Franz cis —­ oder rette mich, schüße mich vor ihnen, vor mir selber !" „Retten, fügen? — Was ist geschehen, 3082" ruft er erschrochen: „Wer wagt es, Dich zu beleidigen ?" „Still, still ! Sprich leise ! — Er ist da, Du weißt nit, ob er nicht neben uns, nicht da ist", flüstert sie, sich scheu nun blidend. „Sie wollen mir — mein Vater will sein Kind ver­­kaufen, Francis", spricht sie hastig. „Mein Vater hat ihn be­­trogen — den Winquis — und ich — ich soll sein Verbrechen sühnen. Mit meiner Hand soll ich's bezahlen, was er an dem Marquis verbrechen.“ Mein Vater hat den Marquis — um Tausende — betrogen und ich — ig — ich soll der Preis der Sühne sein!" „Du, Zo8 ? — Dein Vater ? — Du?" „Rette mich, Francis, vor dem Marquis", flüsterte sie, von Neuem an seine Brust sinkend. „Es ist mein Tod — ig überleb' es nicht!" Der Obrist steht wortlos und seine Brauen ziehen sich­ düster über die Augen zusammen. nd) versteh! es nicht ! — Jch faß' es nicht ! — Aber ==" : Kein eingelegtes Kästchen von Acajouholz. Er setzte si, schloß das Kästchen mit einem goldenen Schüsselchen auf und nahm eine silberne Pincette, ein kleines Bürstchen und eine Lupe her­­aus und begann seine Hände und Finger zu examiniren, was, wie er sich plögli erinnerte, an diesem unruhigen Tage nicht geschehen. Er erschrak!­­— In der inneren Handfläche zwischen dem kleinen Finger und der ersten Muskelfalte trat der winzige Keim einer Warze heraus, auf der Oberfläche der Hand wuch­­sen einzelne feine Härchen ganz sorglos und zudringlich. Es war empörend ! . Er begann mit der Pincette die Haare zu extirpiren. Die Uhr des Hotels schlug die erste Viertelstunde auf Neun. In seinem Eifer überhörte er es und experimentirte an der Warze — da klopfte es leise. Er überhörte es. Nach drei Minuten klopfte es wieder und sein Neger öffnete behutsam die Thüre. „Mässa Obrist, es ist 8 Uhr und 26 Minuten sein — es sehr spät sein", flüsterte er ängstlich. „Höll' und Teufel!" rief der Obrist aufspringend, „Fort — hinunter !" Er griff nach Hut und Mantel, sprang die Treppe hinab und unten in die Kalesche, die seit einer halben Stunde auf ihn wartete. Vom Kai herüber läutete die Schiffglobe. „Schnell, peitste die Pferde an!" schrie er dem Kut­­scher zu. Es ging im Galopp die Strasse na< dem Kai zu. „Schneller ! schneller !" rief der Obrist, sich wiederholt nach vorne verbeugend, als könne er damit die Fahrt beschleu­­nigen. Nur eine Minute. Er sprang aus dem Fuhrwerk und lad sich Bahn durc den Menschenschwarm. „Der Washington —" schrie er: „Ist abgeklingelt !" lachte einer.­­ „Kommt zu spät, Mister ! — Eben abgeklingelt — ab­­geklingelt", lachten drei, vier. „Müßt früh­er aufstehen — kommt zu spät — ist eben abgeklingelt !" lachte und höhnte und schrie es aus fünfzig Kehlen. Er stürzte vorwärts. Der "Washington" brauste mit ein­­hundertzwanzig Pferdekraft im raschesten Tempo dreihundert Yards vor ihm durt stand und starrte ihm die hohen schäumenden Wogen davon. Er mach wie mit Kalk übergossen, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Es war zu spät! — Dann ging er rasch entschlossen nach dem Stationsgebäude. „Nach dreißig Minuten dampft der „Maryland“ nach Norden via Batonrouge­, wurde ihm auf seine Frage geant­­wortet. „Nach einer halben Stunde“, stöhnte er, „nicht früher ? Hundert Dollars für jede Minute früher, Capitän !“ „Keine Minute früher oder später ! Nach dreißig Minu­­ten, dama­­ it !" Der Obrist sank in einen Stuhl und starrte vor sich bi

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