Pannonia, 1896 (Jahrgang 25, nr. 1-104)

1896-03-26 / nr. 25

zzz7. JTahrgseans. Kaschau, Mittwoch den 24. März. 4­­. ! Pränume­rationepreise für Kaschau : Ganzjährig — — — — fi, 5.— Halbjährig — — — — — „ 2.50 Vierteljährig — — — — , 1.25 Einzelne: Nummern 5 kr. I Erscheint ee RE Pa Sonntag und Bonnerstag. Bernhardt, Erstein, A. ae. Redaction. und Administration: Rr. 23. ’ ee E szetdltkálktk Manuscxipte werden nicht retournirt, | Pränumerationspreise : mit Poftverjendung : Ganzjährig — =“ — — fl. 6.— Sabflgig = 8- Bıerteljährig een. 1.50 Inserate RAT Sorali, I. Danneberg. Hamburg: Rudolf BE bantott um Bogle, entgegengenommen. 1896. s Die Auswanderung. Warum ziehen die Kraniche fort, warum die Schwalben, die Amseln und all die andern Wan­­dervögel, wenn Der Herbst naht? Der Frost Überfällt sie in ihrem Neste und sie­ finden auf nicht mehr des Lebens Nothdurft. Das Tischlein Der Natur he>t sich nicht mehr für sie, und Vor­­rathskammern haben sie nich­t. Auch die Men­­schen sonürzen im Frühling ihr Bündel, wenn sie im­ Baterlande nicht mehr leben können und ziehen so fort, die ungarische Erde so karg geworden, daß sie nicht mehr ihren Bearbeiter nährt, oder wächst auf ungarischen Boden so wenig, daß Die­­jenigen, die hier geboren, anderswohin flüchten müssen ? Die ungarische Erde ist nicht weniger geworden, auch minder ergiebig ist sie nicht gewor­­den. Jahr der Fleiß des Menschen ringt der Natur von zu Jahr größere Production ab. Aug so bevölkert ist Ungarn nicht, daß seine Bevölkerung hier­ nicht leben könnte, ist doct in den meisten Staaten die Bevölkerung dichter, als in unserem Vaterlande. Auch die Civilisation breitet sich aus, welche die Ergebnisse der Arbeit erhöht: Städte erstehen, Eisenbahnen, Fabriken werden gebaut und geben Tausenden neue Und trogdem klagt Beschäftigung, das Volk, ergreift den Wander­, den Bettelstab und verläßt das Vaterland ! Ein Blik auf die der Quotendeputation vorgelegten Daten erklärt Alles: Das Volk vers­mag in Ungarn nicht mehr die Last der Steuern zu ertragen. In 8 Jahren, von 1886 bis 1894 haben laut offiziellen Daten die 18 Millionen Ungarn an directen Steuern 912.5 Millionen Sulden gezahlt. Die 24 Millionen Oesterreicher aber haben in der gleichen Periode nur 960,1 Millionen gezahlt. Demnach entfällt in Ungarn per Kopf 5 fl. 70 kr. staatliche Steuer, während in O­esterreich nur 4 fl. auf den Kopf entfallen. Aber in Oesterreich gibt es dann auch keine weiteren Steuern. Oesterreich hat nicht jene vielen Comitats-, Gemeinde-, Schul, Straßensteuern, welche den ungarischen Steuerträger vollends zu Boden Ddrüden, weil man in Oesterreich nicht alle Staatslasten, wie bei und auf die Gemeinden über­­wälzt. OOesterreichs Volk ist reicher, größtentheils werthvoller, erträgnißreicher sein Boden und seine Grundsteuer bedeutend niedriger. Oesterreich besitzt zahlreiche Bergwerke, Quer- und Spiritusraffinerien . Oesterreichs Ins­dustrie überschwemmt mit ihren Erzeugnissen auch unser Vaterland, Oesterreich besitzt eine Seeschiff­­fahrt ; Wien, Prag, Lemberg, Brünn, Graz, Tri­­est, Krakau sind blühende Städte, deren Häuser einen fast unglaublichen Werth repräsentiren, aber selbst in den Dörfern wird man vergeben, nach jenen armseligen Srohhütten suchen, wie­­ sie in Oberungarn oder in den siebenbürgischen Gemein­­den der Landbevölkerung zur Wohnung dienen. In den Alpenlädern, in Salzburg, in Böhmen herrscht ein reger Fremdenverkehr, Oesterreich ist reich, Oesterreich hat reiche Einnahmsquellen. Und dennoH zahlt der arme ungarische Steuerträger dartgehend­ um 1 fl. TO kr. per Kopf mehr als sein ungleich günstiger situirter österreichischer Nachbar.­­ Die Ueberbelastung unseres Volkes erhellt noch aus einem zweiten Ausweis der Quotendeputation. Dieser Ausweis handelt von jenen Steuergattun­­gen, die in DOesterreich eingehoben werden, bei uns aber unbekannt sind. In Doesterreich wurde in den lezten 8 Jahren an solchen Steuern 59­­ Millionen Gulden, bei uns aber 368 Millionen eingehoben. In Oesterreich wurden also jährlich 7.300.000 fl. an folgen Steuern eingehoben, die bei uns nicht existiren, in Ungarn aber jährlich 46.062.000 fl. Wenn man die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen in Betracht dem ungarischem Steuerträger das zieht, wird man tiefste Mittleid nicht versagen können. Wenn man von Seite der Regierung behauptet, Ungarns Steuerkraft sei gewachsen, so ist dies nichts Anderes als absichtliche Täuschung, denn nur die Steuern sind gewachsen, nicht aber die Steuerfähigkeit. Die indirecten Steuern, die Con­­sumsteuern, geben hiefür den schlagendsten Beweis, denn sie accomodiren sich der Consumfähigkeit des Volkes, sie bedürfen keines Steuererecutord. Ein steuerkräftiges, wohlhabendes Volk consumirt mehr, als ein verarmtes. Und da sei nur bemerkt, daß in Oesterreich die Consumsteuern nicht jene Höhe erreichen, die sie in Ungarn auszeichnet. In Oester­­reich z. B. gibt es kein Scharfrecht-Monopol. Und dennoch hat Oesterreich einen reicheren Ertrag an Consumsteuern, weil eben Oesterreichs Volk wohlhabender,­­consumfähiger ist. Aus den offi­­ciellen Daten erhellt, daß in den letzten 8 Jahren Oesterreichs Bevölkerung an Consumsteuern 2605 Millionen Gulden, Ungarns Bevölkerung aber nur 1376 Millionen Gulden ablieferte. In Oesterreich vermag­ die Consumfähigkeit per Kopf 104 fl. 37 kr. (in 8 Jahren), bei uns in Ungarn aber nur 76 fl. 44 tr. (in 8 Jahren) abzuliefern. Aus dieser Statistik ist es zur Evidenz klar, daß in Ungarn, dem Land, das einst von Mil und Honig floß, heute die Bevölkerung nit mehr im Stande ist, sich so zu nähren, wie dies der österreichischen Bevölkerung möglich ist. Die Con­­sumfähigkeit hat abgenommen, dementsprechend flies­sen die Consumsteuern spärlicher ein, die directen Steuern, die Comitate- und Gemeindesteuern, all die vom Staate auf die Comitate und Gemeinden überwälzten Abgaben wachsen indes riesig an. Dies erklärt dann den Ruin der schwächeren Existenzen. Potenzirl wird die Herbeiführung dieses Ruines durch die ungleiche, ungerechte Steuerver­­theilung. Der Grundbesitz läßt sich nicht verleug­­nen, wie dies das Spekulationskapital zu thun pflegt. Die Protektionsmühlen, die Börse, Spe­­kulationsunternehmungen genießen Steuerfreiheit, der Grundbesitz zahlt 251­,%/ Steuer und sonstige Abgaben. Und namentlich die kleinen Gemeinden "blühende Fabriksindustrie, ( 1 jú) | | Feuilleton Das amerikanische Duell. Herr von Pompermaier war verstimmt ! Er, der Abgott des ganzen Kaffeehauses, verstimmt ? Wie sollte man sich das erklären ? Seit zwanzig Jahren besuchte er Tag für Tag, respektive Abend für Abend dasselbe Lokal. Sobald sein joviales Gesicht erschien, stürzten alle Kellner wie wahnsinnig herbei. Der eine nahm ihm seinen Hut ab und hängte ihn — den Hut nähmlich — an einen bes­timmten Hafen, der andere entledigte ihn seines Ueber­­ziehers und hängte denselben ebenfalls an einen be­­simmten Haken, der dritte schleppte die lange Pfeife und die wohlgefüllte Tabakdose wie zwei Heiligthümer herbei und während Pompermaier majestätisch die Tisch­­reihen durchschritt und freundlich nach allen Seiten grüßte, begleiten ihn die brenstbaren Geister in erster»­bender Demuth bis zu seinem Tische. Seit zwanzig Jahren setze er ih an denselben Spieltisch, auf den­­selben Sessel, stopfte seine Pfeife, bestellte seinen Schwarzen und nichte freundlich zu den Nachbar hinü­­ber, worauf seine Spielgenossen, die nur auf dieses an­warteten, hurtig herbeieilten und die Karten mischten.­­ Einige Minuten später hörte man schon : Die Trull,­­ zwölf Tarod, Solo, Pagat Ultimo 2c. 2c. So oft auch die Mitspielenden sch­on gewechselt hatten, Herr von Pompermaier harrte aus, wie ein Feld im Meer, er­ war das bleibende Element im Wechsel, er war der König, der diese Kaffeehause de souverain beherrschte, vor dessen Macht und Ansehen sich Alles beugte, dessen Webergewicht Alles huldigend anerkannte. Und doch ---! Daß es überall ein Dach geben muß! Vor Jahresfrist hatte es einmal einen gewalti­ gen Sturm gefaßt. Herr von Flexinger, der Beherrscher der gegenüberliegenden Spielzimmerer X und der geheime in dem Kampfe um das Ansehen im Kaffee­­hause — er besuchte dasselbe genau neunzehn Jahre 11 Monate und 27 Tage, somit nur um drei Tage weniger, als Herr von Pompermaier — hatte einmal in seiner unüberlegten Stunde ein Kapitalverbrechen begangen. Er hatte nähmlich die unerhörte Lästerung vorgebracht, Herr von Pompermaier habe in seiner Jugend einmal — horribile dietu ! — den Sküß [mit dem Pagat gestochen. Unauslöschliches Gelächter bes­­ohnte diese Bosheit an dem Tische des Herrn von Oleringer. An dem Tische des Herrn von Pompermaier herrschte Grabesflile. Endlich raffte sich dieser aus seiner krampfhaften Erstarrung auf, zog eine Visitkarte aus der Tasche und schrieb darauf die inhaltss<weren Worte : „Io werde Sie morgen um 11 Uhr Vormit­­tags in meiner Wohnung erwarten." Ein dienstbeflissener Kellner sprang herbei und überbrachte die Karte dem Herrn von Flexinger. Eine Minute später kehrte er ebenfalls mit einer Karte zurück, auf welcher man mit Bleistift gekritzelt lesen konnte : „Werde morgen pünktlich erscheinen." Was sich an jenem verhängnißvollen Vormittag zwischen Beiden zugetragen hatte, sollte lange ein nie durchdringliches Geheimniß bleiben. Beide erschienen Abends wieder, wie gewöhnlich, bei ihren Tischen und spielten, als ob Nichts vorge­­fallen wäre. Alle Kaffeehausgäste waren überzeugt, daß die ganze Angelegenheit auf die ritterlichste Weise ausgetragen worden sei.­­­­ Seit jener Zeit ging Alles wieder seinen alther­gebrachten Gang. Nur die Flexingerianer wollten be­­merken, daß ihr Oberhaupt manchmal nag Herrn­­ Bompermaier hinüberschielte, dann nervös zusammen­­zuchte und­­ öfters sogar die Karten „vergab“. Eine peinigende innere Unruhe schien ihn zu beherrschen, wurde magerer und blässer, seine Hände zitterten und kalter Schweiß trat ihm öfter? auf die Stirne, er biß aber die Lippen zusammen und sagte — Nichts ? DoH aug Herr von Pompermaier war nicht mehr derselbe. Er war, wie schon eingangs erwähnt wurde, verstimmt und seine Getreuen hätten gewiß eine Sorgenfalte auf seiner Stirne bemerkt, wenn sich auf dieser glänzenden, straffgespannten Haut überhaupt eine Falte Hätte bilden können. Da, eines Abends — es war genau an dem Jahrestage der Schandthat des Herrn von Flexinger erschien dieser zur gewohnten Stunde nicht im Kaffeehause. Die sämmtlichen Gäste waren in Aufruhr. So Etwas Hatte sich seit Menschengedenken nicht ereige­net. Allein es geschah noch etwas Größeres, Unerhör­­teres. Herr von Pompermaier hatte gleich nach seinem Erscheinen auf den Sig des Herrn von Flexinger hie­rübergeblicht und als er ihn nicht bemerkte, flog blig­­artig ein Lächeln des Triumphes über seine Züge. Aldein er dauerte gar nicht lange, so zog er sein Ta­­fegenzug hervor, fuhr sich mehrere Male heftig mit demselben über seinen kahlen Schädel, erhob ei dann plöglich und stürzte mit den Worten, „er fühle sich unwohl“, aus dem Spielzimmer.­­ Alle Spieler sprangen entfett auf. Es bildeten sie Gruppen, Freund und Feind mischten sich durch­ einander, man forschte, vermuthete, kombinirte und supponirte — und blieb rathlos. Die ganze Gesellschaft war außer Rand und Band. Kein Mensch vermochte eine Erklärung für das Unerklärliche zu finden. Inzwischen wankte Herr von Pompermaier zur Thüre des Kaffeehauses hinaus. Seine Knie schlotter­­ten, er feste mechanisch einen Fuß vor den anderen und wußte gar nicht, wohin ihn die Beine t­ugen. Also der große Augenblic war da, der Augen­­blick, vor dem er fast ein ganzes Jahr gebebt, dei ihm manche schlaflose Nacht bereitet, der fast eine Falte in seine pralle glattgespannte Stirnhaut hinein­­zuzaubern vermocht hätte. Su öleringer war heute nicht im Kaffeehaufe er­­schienen. Heute, am lezten Tage des Jahres, er machts also Ernst, Hatte vielleicht bereits — — ] Rivale | - .

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