Pester Lloyd, März 1854 (Jahrgang 1, nr. 50-76)

1854-03-01 / nr. 50

mißtraulisch und zu gereigigt Durch nie Erlebnisse verlegten Jahre, andererseits ist aber Die Regierung zu wachsam, als daß eine ernstliche Nähestörung zu befürchten gewesen wäre. — ‚Der Hr. Graf v. Chambord wird demnächst in Frohsport wieder zu­­rückerwartet, es scheint demnach, daß die beabsichtigte Reife nach Deutschland aufgegeben worden ist. — Pest,28.Feber. Wenn man auf die unmittelbaren Folgen der gesternbesprochenet­ Finanzoperation eingeht,ohne alle Details in’s Auge zu fassen,so möchte es auf den ersten Blick scheinen,daß sich die Summe der Banknoten um den ganzen Betrag des Staatspapiergeldes vermehren müsse-wodurch ein stei­­gendes Mißverhältniß zwischen dem Silberschatz der­ Bank und der umlau­­fenden Papiergeldmasse erzeugt würde.Das wäre allerdings einuebel,nicht viel kleiner als die Kreirung der Staatsnoten selbst,aber die ergänzenden Theile der Finanzmaßregel steuern vollkommen einem solchen Uebel.Der Staat begnügt sich nicht­ damit,die schwebende Schuld in eine feste zu ver­­wandeln,sondern er bestimmt zugleich eine jährliche Summe von wenigstens 10 Millionen aus dem Ertrag der Zölle,als Amortisationsfond für seine aus der Einlös­ung seiner Noten entstehende Schuld.Da dieser Amortisa­­tionsfond unter allen Verhältnissen seinen Zufluß erhält, und sein Grund vorhanden ist zu glauben, das Publikum werde die Ummerhslung der Staatsnoten gegen Banknoten hastig betreiben, da ihm daraus sein Bors­theil erwächst; so wird ein großer Theil der von der Bank ausgegebenen Noten durch die Zahlung des Staates bedeckt. Weberpies ist die Bank err­mächtigt, die Ausgabe von Staatspapieren mit Metallverzinsung gegen Banknoten zu vermitteln, eine Operation, die wieder einen Theil der Bank­­noten der Zirkulation entziehen dürfte, um sie in eine fundirte Schuld zu verwandeln. Diese beiden Hilfsmittel werden unwahrscheinlich genügen, um der Bank das übernommene Einlösungsgeschäft möglich zu machen, ohne sie zu einer all­zu sehr vermehrten Ausgabe ihrer Noten zu zwingen. Außer von vom Zollertrage angewiesenen 10 Millionen, erklärt sich die Finanzverwaltung bereit, durch außerordentliche Zuflüsse von Amortisa­­tiongfond zu verstärken, und die Bank in Stand zu fehen, ihre regelmäßigen Silberzahlungen wieder aufzunehmen. Welcher Art diese Zuflüsse sein wer­­den, ist nicht gesagt ; aber die "Desterr. Korrespondenz" weist auf die nahe an jee Millionen Joch betragenden Staatspomänen hin, deren Beifaufgs­betrag zur Tilgung der Staatsschulden bestimmt ist. Wir möchten auf diese Hilfsquelle besonders Gewicht legen, weil aus ihrer Benügung wirklich ein ansehnlicher Theil der Staatsschuld getilgt werden kann, und das jenige Erträgniß der Staatspomänen den Finanzen kaum wesentlichen­­ Vortheil bringt. Die Schwierigkeit der Realisirung eines so­koloffalen Verlaufes muß gewürdigt werden, selbst bei der gegenwärtigen lebhaften Kaufluft für Güter. Außer dem Verlaufe stellen sich noch zwei andere Mittel der Bewügung dar, die Kolonisierung und Verpachtung. Ohne in die Statistik ver Staatspomäs­sen und die Art ihrer Verwaltung eingeweiht zu sein, glauben wir doch aus der Analogie mit der Bewirthschaftung anderer großer Gütersomplere fchlie­­ßen zu dürfen, daß die Verpachtung einen größeren Neinertrag erzielen, und den bestimmten Amortisationsfond wesentlich stärken wirde, bis durch all­mäligen Verlauf oder Kolonisirung die größere Tilgung der Staatsschul­­den ermöglicht ist. Es handelt sich darum, einem Zustande ein Ende zu machen, wer an dem materiellen Leben des Staates zehrt, der das gesammte Vermögen der Monarchie in tägliche verderbliche Schwankungen bringt ; um diesen 3wed, gleichyiel, ob pur direfte oder inpirefte Mittel, zu erreichen, wird die Re­­gierung die ganze Bevölkerung der Monarchie zur Unterstüsung bereit sin­­den. Dve Finanzmaßregel muß willkommen gehelfen werden, wenn sie die gänzliche Befreiung vom Agio zum Zweckk hat, selbst wenn Opfer damit verbunden sind, werden diese leichter getragen werden als der tägliche Ein­­fluß des Kurszettels. Es scheint, daß das allwissende Gerücht in der unklaren Kenntniß der schmebenden Transaktionen mit der Bank, die Nachricht von der Erhöhung des Banfoisfonts von 4 auf 5 %­, mehr erfunden als erhab­en habe. Die Nachricht stellt sich als unbegründet heraus, und sie mußte es sogar sein, weil eine solche Erhöhung nicht gerechtfertigt, waher von der Regierung nicht gestattet werden kann. Seltsam ist gleichwohl die Hartnädigkeit, womit dies­­es Gerücht von Zeit zu Zeit immer wieder fehrt, ohne eine neue Motivie­rung seiner Wahrscheinlichkeit mit sich zu­­ bringen. Wenn eine Erhöhung des Zingfußes der Bank einen Gewinn für den Staatshaushalt mit sich brächte, wenn es eine Konzession wäre für wesentliche, nägliche, dem Staate geleistete Dienste ; so hätte sie einen mit den öffentlichen Interessen verein­­baren Sinn, sie wäre ein auf indirektem Wege erhobener Beitrag zum Staatshaushalte, ein Beitrag zur Ordnung des Geldwesens, also zu einem der Gesammtheit ersprießlichen Zweckk. So wie sie jensch das Gericht hin­­austellen pflegt, als eine bloße Hausmaßregel ver­dank, wäre sie nichts als eine zum Schaden der Handels- und Gewerbewelt erhobene Gewinnvermeh­­rung. Die Banken von Frankreich und England sind für unsere Verhält­­nisse nicht maßgebend. Die genannten Banfen können ihren Zinsfuß unter Umständen erhöhen, weil sie ihn auch erniedrigen, weil sie sich überhaupt von von Bedürfnissen des Gelomarktes beherrschen lassen. Häufen sich über­­mäßige Geldvorräthe in den Kaffen, so fällt der Zinsfuß, umgekehrt wieder steigt er, wenn das Geld in Folge des Bedurfes zu starr abzufließen droht. Dort ist die Erhöhung des Zinsfußes nicht eine Maßregel, um den Gewinn zu mehren, sondern um die Konvenienz der Bewügung, und den raschen Ab­­fluß des Geldes zu vermindern. Nicht so bei und. Hier steht­ der Zinsfuß der Banf in seiner brieften Beziehung mit dem des Geldmarktes. Er ist immer­ niedriger, er muß niedriger sein, weil bei uns die Banf die Aufgabe hat, die Gewerbethätigkeit mit jenem unwohlfeilen Gelde zu versorgen, wel­ches sie sich auf der Börse nicht verschaffen kann, und das ihr doch zur Ent­­wiclung unentbehrlich ist. Den Abflug des Geldes würde auch die Erhö­­hung des Zinsfußes auf 5 %, nicht mindern , weil auch 5 %, noch weniger ist als der Börsendistonto. Um unter solchen Umständen nicht übermäßig bewusst zu werden, hat die Bank den Regulator ihres Portefeuilles in ihrem Normativ und ihrer Bensur geschaffen,, dadurch rertringirt sie den Kreis ihres Essampts, nicht aber durch den Zinsfuß. Durch das günstige Verhältnis ihres Zinsfußes zu dem der Börse, ist die Dank entschuldigt, wenn sie ihn nicht herabfegt ; aber eine Erhöhung v desselben wäre ein Verfehren ihrer Aufgabe, wäre eine Maßregel, die durch die Natur der Dinge nicht bedingt wird, und wurd s ein Motiv von schäßlichen Einfluß auf die wichtigsten Interessen der dan­deld- und Ge­werbewelt rechtfertigen könnte, R. Wien, 27. eber. Die von mehreren Blättern gebrachte Nachricht, daß der Großfürst Konstantin den Oberbefehl über die Armee an der Donau zu übernehmen bestimmt sei, findet in den bestunterrichteten Kreisen seinen Glauben. Bekanntlich befleitet der Großfürst die Stelle eines Großadmirals, welcher Umstand die eben erwähnte Angabe nur noch un­wahrscheinlicher macht. Dagegen bestätiget es sich, da General Buturlin in Butureit einge­troffen ist und daß General Pantutine­vaselbst erwartet wird. Auch vernimmt man wiederholt, daß Se. Majestät der Kaiser von Rußland in Warschau ers­tartet wird. — Aus Athen ist der f­ russische Kollegiensekretär und Kabinets­­turier Hr. v. Soutschenfoff mit Depeschen hier eingetroffen und hat, nachdem er sich dem Freiherrn 9. Meyendorff vorgestellt hatte, die Reise nach St. Pe­­tersburg fortgelegt. — Gestern fand im Ministerium des Neußern eine Kon­­ferenz statt, welcher die Gesandten von England, Frankreich und Preußen en und deren Gegenstand zweifelsohne die Bewegung der Griechen gewesen. , Die Angabe,daß bereits eine Uebereinkunft zwischen den vier Groß­­mächten bezü­glich der Mittel getroffen sei,welche zur U­nterdrückung des Aufstandes in Anwendung kommen sollen,dürfte sich kaum bestätigen,ob­­wohl es wahr ist,daß sich die deutschen Großmächte damit einverstanden er­­klärt haben,daß Seitens der Pforte die entsprechenden Garantien aufzu­­stellen seien,daß die politische und religiöse Stellung ihrer christlichen Un­­terthanen in einer von Forderungen der Humanität und Billigkeit entspre­­chenden Weise festgestellt werde. Man glaubt nicht, daß das französisch-en­­glische Hilffskorps zur Unterdrüdung des Aufstandes in direkter Weise vere­wendet werden wird, sondern ist vielmehr der Ansicht, daß ein Theil des Hilfskorps in Konstantinopel bleiben, der andere aber an die Donau­marz fehiren wird, damit auf diese Weise die Türken in den Stand gefegt würden, eine größere Truppenmacht gegen die Griechen verwenden zu künnen. Was die Angabe betrifft, daß Athen und andere Städte Griechenlands französi­­sche Berasung erhalten sollen, so scheint es allerdings, daß man in Paris und London einen solchen Plan gerne zur Ausführung bringen möchte, wer jedoch kaum die Billigung der deutschen Großmächte erlangen dürfte. — Daß für den 24. Feber Demonstrationen in Paris beschlossen waren, wird wiederholt bestätiget. &8 ist gewiß, daß in ven Werkstätten und in ven Weinscheinen unbek­­annte Personen erschienen und die Handwerfer auf alle Weise aufzuregen suchten. Sie forderten sie auf, am 24. Zelter Kränze nach der Julisäule zu tragen ; sie sagten ihnen, daß der General Lamoriciere heimlich in Paris sei, daß er und Cavaignac jeder ein Regiment der Pariser Garnison für sich hat­ten und daß mit einem solchen Beistand der Sieg der Republik sicher sei; sie erinnerten an die Noth der Zeiten, die hohe Miethe, die allgemeine Theue­­rung, die fehlende Beschäftigung, wobei sie nur zu leichtes Spiel hatten, und­­ hoben alle Schuld auf den Umsturz der Republik, wer den Weg zu sozialen Reformen gesperrt habe. Der Pariser Arbeiter ist aber im Allgemeinen zu Die griechische Bewegung. Die griechische Schilderhebung scheint nicht gänzlich von der Natur einer Lagune zu sein, die, einmal im Sturze, sein Hemmniß Fennt, und jeglichen Wi­­derstand unter ihrer zermalmenden SKaft zertrü­mmert. Die­ Begeisterung unter dem eigentlichen Volke weist zwar noch den alten Wärmegrad, noch gibt sich unter den gebildeten Hellenen bie und da eine Stimmung sind, die wenig Luft und Vertrauen zu den Tyrtäusliedern der kriegswüthigen Menge verräth. Auch haben die Aufständischen sich bisher keiner weiteren Eroberungen zu rühmen, obgleich sie den Anhängern des Halbmondes im Kleinen Krieg bereits namhaften Schaden zufügten. Dagegen bieten auch die Türken Alles auf, um in diesem Kriege bis auf Messerstiche ehrenhaft zu bestehen. So melden Berichte aus Athen den 17., dag die Türken in Trifala (Dorf mit 300 Häusern in Janina) nach Eingang der Nachricht von Dem Aufstande einige Christen ermordeten und viele Brieffe gegen die Griechen verübt haben. Die Einwohner von B­o [0 (Stadt mit 2000 Einwohnern) und Larisfa auch Fernshieher genannt, (Stadt mit 25.000 Einwohnern) flüchteten in das Gebirge. Mederhaupt scheint die Mehrzahl der Einwohner von Lanina geflüchtet zu sein und nur die Minderzahl an dem Aufstande Theil zu neh­­men, da die Insurektionsarmee bis jebt nur 8000 Mann zählt, während Janina 40.000 Einwohner hat. — Die 1. Regierung hat den Diplomatischen Agenten erklärt, daß sie Die Agitation mißliebig aufnehmen müsse und die Verbreitung nach Kräften hindern werde. Vorläufig wurden alle Beamten, die mit den Insurgenten Verbindungen unterhielten, ihres Dienstes entlassen. Der Vertreter Englands hat erklärt, er könne Die Versicherung abgeben, England werde zur Herstellung der Ruhe interveniren. Diese diplomatische Wetterwalfe dürfte auch in Der That mit seinem Theaterdonner fhmanger gehen. Nach meitern Depeschen aus der Levante werden nämlich in Korfu englische Truppen nach der albanesischen Klüfte eingeschifft. Von der jonischen­­ Insel Santa Maura ist der Zug nach den Brennpunk­­ten des Aufruhres bei Prevefa und Arta mehr ein Ausflug als eine Seefahrt. Hebrigens thut auch rasche Intervention dringend Noth, haben Doch zwischen den Aufständischen und den Türken bereits wiederholt ernste und heiße Gefechte statt­gefunden. Bei dem Dorfe Magarion wurden 400 Türken angegriffen und geschlagen. Die Primaten des Dorfes vereinigten sich mit den Aufständischen. Am 8. hat der erste mörderische Sturm auf das Fort von Arta flatt gefunden­­, die Angriffe haben sich seitdem täglich erneuert. Die Provinz Sauk­ ist ganz infur­­girt, die Türken werden überall von Haus und Hof vertrieben. Die Aufständischen terrutiren mit gutem Erfolg und stehen die türkischen Kasernen in Brand. Die Garnison von Platina hat Tapitulirt. Schiman Bet machte Anstrengungen ohne Erfolg, ihr Berstärfung zu bringen. Petu ergab sich ohne Widerstand, Miffolungi nahm Karaiskasis an der Soige von 1500 Mann. Die Primaten veranstalteten zum Danke für die Befreiung von den Türken einen feierlichen Gottesdienst. In allen Moscheen der von den Infurgenten eingenommenen Ortschaften wird der Halbmond herabgenommen und das Doppelfreug aufgepflanzt. Die Hafenstadt Prevefa am Eingange des Busens von Narda wird von den Infurgenten belagert. Sie hat drei dominirende Forts. Die erwähnte englische Expedition aus Korfu dürfte bestimmt­ sein, die Stadt von der Hafenkette zu fejükben. Laut Aussage des Kapitäns des aus Griechenland am 26. Teber in Triest eingelaufenen Lloypdampfers hätten sogar die Insurgenten Arta bereits er­­obert und seien auf dem Punkte, Prevefa gleichfalls einzunehmen. Nach einer Depesche aus Korfu vom 23. geber heißt es jedoch, Daß die Landleute der Umgebung von Arta sich dem Aufstande anzuschließen zauderten, daß die Zita­­delle gut verproviantirt war und Die Stadt beherrschte, so daß nach Vergleichung der herliglichen Daten und Entfernungen Die gemeldete Einnahme vom 20. bis 22. erfolgt sein dürfte. Der „Kourier de Havre" enthält das Schreiben eines Heren Sicard aus Lyra vom 8. Feher. Er erzählt, daß dort rufsisches Gold nicht gespart wird und daß der Gesandte des Ezaren in Athen Alles aufwendet, um Rußland einen Anhang zu schaffen, was ihm nur zu sehr gelungen. In den aufgeklärten Klasfen Griechenlands will Herr Sicard den Anfang einer Reaktion gegen den mosso­­witischen Einfluß erblicht haben, aber die Maffen glauben fest, Rußland wolle Konstantinopel nur erobern, um ein unabhängiges griechisches Reich zu gründen, EN SIT ELON, Ein Pariser Brief. Des Pariser Leben, obgleich wir mitten in der glänzenden Jahreszeit, im luftigen Haftling sind, ist, seitdem ich mich erinnere, nie so leer und so trübselig gewesen, als jet. Scheinbar ist alles wie jedes Jahr in dieser Zeit; in den Straßen wimmelt er von Wagen, und da der Koth Durch die Wechselfälle von Schnee und Nebel, von Kälte und Thauwetter ärger ist als je, so sieht man, wenn man in’g Gedränge kommt, durch das Spriten der Räder wie eine leben­­dige Parodie der amerikanischen Sternenflagge aus, nur daß hier Die Sterne nicht weiß auf v dunkelblauem Grund, sondern grau auf irgend ein beliebiges Tuch­ gefüet sind. Bälle werden angekündigt wie sonft, doch scheinen mir Die An­­schläge, welche zu derlei Belustigungen einladen, minder häufig zu sein als in früheren Fahren, was der Behauptung, sie seien heuer weniger als sonst besucht, einige Wahrscheinlichkeit gibt, und auf­ den Bühnen folgen sich die Neuigkeiten mit unerhörter Schnelle. Das freilich ist ein schlsames Zeichen ; wenn die Neuig­­keiten gediegener wären und mehr Olt machten, würden sie gewiß in minder raschem Zuge an ung vorübereilen. Am wenigsten Haft zeigt das Odeon, am mei­­sten von den größeren Bühnen das Theâtre frangais. Das Odeon, nachdem es Merys pomphaftes Nitterdrama, Gutman den Braven, auf ein viertel Hundert Vorstellungen getrieben, und endlich wegen Ausbleibens einer genügenden An­­zahl von Schaulustigen bei Seite gelegt, dann sich mit ein paar einartigen, ohne Nachhall verflogenen Popitäten, so­wie mit Wiederaufnahme eines halben Du­­bend beliebter Nummern des alten und neuen, des romantischen und Hafftschen Repertoires beholfen hatte, macht fest mit einer zwar Durch Längen hie und da ermünenden und durch grelle Färbung den Geschmack oft verlebenden . Doch nicht verdienstlosen Bühnenbearbe­itung, die Georges Sand mit ihrem, wenn auch seine hmwegs tadellosem, Doc­kräftigem und anziehenden Roman Mauprat vorge­­nommen hat, ungewöhnliches Ol ; das Haus wird nicht leer, und namentlich die unteren Klaffen finden ungeheures Vergnügen an dieser vornehmen Räuber­geschichte. Sie können si gar nicht satt sehen an diesen aristokratischen Verbre­­ern; der tiefe, aus Eigenm­bß verhaltene Haß des Proletariers gegen die Hä­­herstehenden, der in diesem Jahre noch Durch Die herrschende Noth genährt und geschärft wird, bricht hier mit unverholener Heftigkeit hervor, und es scheint ih­nen gar nichts Häßliches, gar nichts BVßerwerfliches, an einem Beispiele Der Brandmarkung der hohen Gesellschaft so recht von ganzem Herzen sich zu laben. Die Sand ist nicht für das Drama, für das wahre Drama geschaffen ; sie ist zu sehr dem Schildern ergeben und auf die malerischen Nebendinge verseffen,” hängt zu sehr an Dent, was des Menschen beständiges Thun und Treiben ist, und hebt nicht scharf und feurig genug heraus, was ihn im Augenblick, wo wir ihn vor uns sehen, bewegt. Allein sie hat eine Seite, die ihre Storfe beliebt, wenig­­stens momentan beliebt gemacht: ihr unverholenes Mitgefühl mit den schlimmsten Zerthümern und eingemurzeltsten Antipathien des Proletarier bemußt feing, Furz mit den verneinenden Gewalten, Die im Innern, der Menge haufen. Was der Plebejer Haft, das haßt au­ch sie, was er liebt, Das sucht auch sie zu lieben und selbst daß sie dem jegigen Alleinherrscher Den Hof machte, hatte wohl größtenteils in ihrer Schwärmerei für Die Jod­e der blauen und weißen Kittel seinen Grund. Sie betet die Maffe an, die Maffe vergilt ihre Anbetung mit Anbetung, und wie man sich im gesellschaftlichen Umgange aus Anstand und Her­ommen gegenseitig gleich abgeziffelte Komplimente macht, so eriweifen auch die Sand und die Maffe einander göttliche Ehren. Zum Theâtre frangais, das fast ausschließlich von einem höheren, keines­­wegs immer mit ästhetischer Einsicht begabten, von den Vorurteilen des Mittel­­bürgers gegen den Adel seineswegs Durchstieg freien, aber auch den Gesinnungen, an welche die Sand sich richtet, ziemlich fremden Publikum besucht wird, ist die Sand, seit dem unseligen­ Sturze ihrer Kofimo vor schon bald vierzehn Jahren, so viel ich weiß, nicht mehr zurückgekührt. Hier hat sich ihre geistvolle und geschmei­­dige Nebenbuhlerin, Mad. de Girardin, mit Haffischen Trauerspielen, romantischen Komödien und hübsch gereimten Nießlichkeiten eingenistet, hier haben Die zaghaften Moralisten der Bühne, Sandeau und Augier, ihre grauen Zelte aufgeschlagen, hier übt Scribe noch von Zeit zu Zeit seinen alten Zauber auf das immer junge Philisterium, u. der Tausendfünftler Merander Dumas der Vater, defsen Ludwig XIV. und Ludwig XV. bis fest in den Engpässen der Zensur stehen geblieben, hat mit einen einaktigen Lustspiel. Romulus betitelt, die Hochgespannte Ungeduld seiner zahlreichen Freunde zu beschwichtigen gesucht. Man bilde sich jedoch nicht ein. Dieser Romulus sei, wie der Name vermuthen lassen konnte, eine dramatische Silhouette aus der römischen Urzeit und Dumas habe er auf ein Pasticcio der antiken Skizzen des Hr. Francois Ponsard und seiner hellenisierenden oder latinisirenden Nebenbuhler abgesehen. Dieser Romulus ist eine Pflanze aus dem Treibhaus der Deutschen Gelehrsamkeit, Deutschland ist jezt das Modeland der Comedie frangaise; Augier und Sandeau haben uns in ihrem „Probirstein“ zu den Malern und Musikern an der taz geführt, Dumas verfecht uns in die deutsche Gelehrtenstube,. Hier wie dort sind Die deutschen Sitten weit mehr aus der Phantasie als aus dem Leben gegriffen, nur mit Dem bedeutenden Unterschien, daß Augier und Landeau ung wirkliche Menschen vorzuführen, und da sie die Scene ihres Stüdes nach Deutschland verlegten, auch wirkliche Deutsche, und zwar Altbayern son den Ufern der far zu fehilvern vorgeben, während Dumas offenbar mit Absicht porjirliche Zerrbilder an uns vorüberdämmern läßt. Die Personen, die Augier und Sanderu auf die Bühne gebracht, eben in einer Atmosphäre, deren Zustände und Bedingungen in das Gebiet der Erdbeschreibung und Völkerfunde gehören; es müßte also in ihrem Thun und Reden von den Einflüssen ihrer Umgebung einige Spur vorhanden seyn; aber Diese Münchner Maler und Musifers erinnern uns nicht einen Augenblick daran, daß in Nenathen nicht bloß Wasser, sondern auch Bier fließt; der Maler Spiegel hat nichts von dem Humor, der so oft an den Wänden und Mauern der Schenken und Garten­­wirthschaften, namentlich im­ bierklassischen Frühling, feine jeden Arabesten aufgehen läßt; wir erfahren nicht das Mindeste von den Ausflügen der Künstler in das nahe Gebirg und auf feine seltenen Seen, feine Anspielung auf die rothen Baden der Kellnerinen und Die Lieder der Tiroler Burschen . Dieses ganze, so eigenthümlich aus den verschiedensten Bestandtheilen zu einem so ursprünglichen Gesammtleben zusammengetroffene Münchner Künstlerwesen ist wahrscheinlich aus Unmissenheit völlig vernachlässigt und statt dessen wird uns Die Haushaltung eines Malers und Musikers, ganz nach dem herkömmlichen Pariser Belletristen aufgetischt, Zei, drei deutsche Titel fehmüden die abenteuerliche Babel, um dem Gemälde wenigstens ein paar germanische Kleve und Reflexe aufzugeben ; aber hier beegegnen uns wieder Die Fraffesten Verwechslungen. Eine Markgräfin tritt im neunzehnten Jahrhundert wieder aus der Schattenwelt hervor, nicht als son­geräne Bürstin, sondern als eine ganz gewöhnliche Aristokratin, die nach einer Erbschaft jagt. Kurz, Dinge gehen in dieser Komödie vor, die ung in die sehönste Zeit der französischen Irrungen im Labyrinthe des deutschen Reiches zurück­­versehen. Spy wenig haben jedoch Augiers und Sandeaus Irrthümer und Lüden, in diesem Punkte einen übeln Em­prus gemacht, daß Merauder Dumas kaum einige­­­­ Wochen darauf ein gleichfalls aus den Tiefen Deutschlands geholtes Erzeugniß auf Die Bühne des Theâtre frangais brachte und in dieser Skizze germanischen Lebens eben­so ungezwungen mit der Wirflicheit umging als Augier und San­deau. Aber es ist offenbar, wenn Alexander Dumas, der troß seiner Onstom­as den, Gaufferstüden und Bramarbargeberden, im Grunde von ganz anderem Kaliber ist als die Sanderu und die Augier, uns deutsche Gewohnhei­­ten und Zustände zum Besten gibt, die in diesem Maße und in dieser Art der Erscheinung nie vorhanden waren, so weiß er selbst getreu, daß er uns Phantome zeichnet, daß er uns mit phantastischen Ungeheuern bekannt macht. Wir sehen es der drolligen Kleinigkeit auf der Stelle an, daß Dumas sie mit vollem Bewußt­­sein den Grenzen der gewöhnlichen deutschen Nationalität entrückt hat, und daß die beiden Gelehrten, Wolf, der fanatische Zünger von Reibnis, und Celestus nur Tomische Ippen der luftigen Uebertreibung einer Klasse von wirklich bestehenden Figuren sind. Was aber dem deutschen Zuschauer besonders auffällt, ist, daß Dir­mas das deutsche Gelehrtenthum ganz in der Weise verzerrt, wie es in Deutsc­­land selbst zu geschehen pflegt. Für jeden, der da weiß, mit welcher Leichtigkeit Dumas fremde Stoffe und fremde Mittheilungen sich aneignet, mußte es ohne ir­gend­einen Nachweis ausgemacht sein, Daß es sich hier um die dialogisirte Novelle eines deutschen Erzählers handelt, und in der That ist der Romulus des Theâtre français vom literarischen Tausendfünftler, der Die Mousquelaires und den Monte Christo aus seiner unermüdlichen Feder hervorschüttelte, Schritt für Schritt und Zug für Zug dem Findling des deutschen Lafontaine nachgebildet worden. Dumas begibt für Diese Hebertragungen eines Schriftwerkes in eine andere Form Anlagen, wie sie seinem andern Autor unter den Zeitgenossen zu Theil wurden, und er ist hierin, aber auch freilich nur hierin, einzig Shakespeare zu vergleichen. Was er mit Haut und Haar brauchen kann, das nimmt er mit Haut und Haar, was Würze und Brühe nöthig hat, das bestreut er reichlich mit Fäffern voll Pfef­­fer, Zimmt oder Ingwer und besiegt es mit Kübeln saftiger Brühe. Das wird alles in den raschen natürlichen Fluß seines ungesuchten Styls gebracht, und so kommt etwas zu Tage, was, von Groß und Klein verschlungen, den Müßiggän­­gern die Langmeile, den Frauen die Grillen und das Kopfweh vertreibt. Die un­wissende Maffe glauben läßt, daß sie Geschichte in ihm studieren, selbst ernste Pere­sonen, die sich nicht entschliegen künnen und ihn zu achten, zu seinen eifrigen Lesern macht. Alexander Dumas unterschägt selber diese Gaben nicht im nun­desten, niemand hat das Arium des großen deutschen Dichters: „nur Die Lumpen sind bescheiden­ , mit mehr Energie und Verwegenheit auf fein Thun und Schaf­fen angewendet. In dem von ihm gegründeten Literaturblatte spart er troß aller Lauge, die das Charivari und die andern Spottvögel von Profession über sein Haupt ausgießen, von Weihrauch für seine eigenen Geruchsorgane sei­­neswegs, aber die Aussprüche, die er erst kürzlich im mündlichen Berieht zu sei­ner Verherrlichung gethan , übertreffen alles was er zu seinem Ruhme druhen läßt. So sagte er vor wenigen Tagen erst, als vom alten Corneille Die Rede war, den einige der Umstehenden zu den Wölfen erhoben, in einem Tone, der je­­des Achselzucen überflüssig machte: „Hätten wir damals gelebt, wir hätten es vielleicht nicht besser gemacht als dieser Corneille." Daß Dumas mit so rüstigem Selbstbewußtsein dem deutschen Lafontaine eine große Ehre anzuthun glaubte, indem er seine deutschen Gelehrten und Gespenster dem Parterre des Theatre francais zurecht machte, das ist nicht anders als billig, und die Deutschen haben sich für die Aufmerksamkeit, welche der gefeierte Dramaturg und Romancier einem verlorenen Kinde ihrer komischen Muse zu sehenden beliebt, recht schön und ehrerbietig zu bedarfen, (Schlug folgt.) ai ut SELTERER

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