Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1855 (Jahrgang 2, nr. 1-27)

1855-01-22 / nr. 19

Buchbruderei von Gustav Emich. — Berlag der Pester Lloyd-Gesellschaft, nächste Wochen nach Konstantinopeli segeln.Dies englische Polizeimannschaft wird den Kern des Korps bilden,welches in­ Konstantinopel durch türkische Rekruten vervollständigt werden m­ird. Der Besuch des Kaisers und der Kaiserin der Franzosen soll aus April fest­­gesetzt sein»Moriti­ingst«­erzählt,der Kaiser habe sein Herüberkommender Wechselfälle des Krieges wegen ausgeschoben,die Königin habe geruht,ihren kaiserlichen Gästen die Versicherung zu geben,daß sie dem­ Aufschub vollkom­men zu würdigen wisse,und zuversichtlich hoffe,daß Jr.MM.durch die Ereignisse bal­­digst in den Stand gefegt werden, die königliche mit Freuden angebotene Gast­­freundschaft anzunehmen. Die Gemäuer zum Empfange des kaiserlichen Paares sind in Windsor sett längerer Zeit in Bereitschaft gehalten worden. Die Regierung beabsichtigt eine Abtheilung der Kanponer Feuerlöschbrigade mit den erforderlichen Apparaten nach Stutart abzuschiden, um das dortige Hospi­­tal im Nothfall zu fchnigen. Für die Truppen sollen 500,000 8, Rintfleifch in luftdichten Zinnbüchsen abgeschift werten, um an die Stelle der gesalzenen Zleischkost zu treten, deren unauggefegter Genuß vem Storbut gewaltigen Borschub leistet. Der Plag Sr. Majestät des Kaisers von Rußland, welcher von russischen Soldaten die Schonung ihrer vermundeten Gegner zur Pflicht macht, scheint ohne allgemeinem Erfolg gewesen zu sein, vorausgefegt, daß folgende Mittheilung wahr ist. Ein Offizier vom 33. englischen Regimente schreibt vom 25. Dezember: „Das Aergste bleibt, daß die Nuffen die Berwundeten so arg behandeln. Bei ihrem Aus­­falle am 21. mußten meine Leute zwei Eleffiite vom 23. Regimente im Stich laffen. ALs wir in die Laufgräben zurückkamen, fanden wir sie bis auf die Beinkleiner BR. von Bajonierstichen durchbohrt, und in einen Wassergraben ges­torfen." In mehreren Berichten aus dem Lager wird folgender Z­wischenfall erzählt: Voi Kurzem­­ wurde der „Stromboli“ mit einer Waffenstilstandeflagge gegen den Hafeneingang entsandt, um den für Lord Dunfellin ausgetauschten russischen Ar­­tillerieoffizier zurück zu bringen. Sir Edmund Lyond benügte diese Gelegenheit, dem (9) russischen Armiral, den er von früher rannte, einen Käse zum Geschenf zu machen. Am 15. Dezember wurde das Kompliment erwiedert. Der Admiral schickte einen Rehbod, und schrieb an Sir Edmund „er erinnere sich mit Vergnügen an die alte Bekanntschaft, und bedauere, von tapferen Admiral nach so langer Zeit zum ersten Mal wieder auf dem , Agamemnon" erblidt zu haben, als sie einander ziems­­ich nahe waren." E. C. London, 18. Jänner. Die Gerüchte von bevorstehenden Modifika­­tionen im Kabinet tauchen immer und immer von Neuem auf, doc werden sie im „Morn. Advertiser" allein einer besonderen Erwähnung gewürdigt. Auf die Ge­­fahr hin, am Ende doch das Rechte errat­en zu haben, beflättigt das genannte Blatt heute seine, in ver­legten Zeit wiederholt gemachten Angaben, daß die Pee­­liten wahrscheinlich kurz nach dem Zusammentritte des Parlaments aus dem Kab­binet scheinen werden. In diesem Falle würde Lord Sohn Ruffel die Premierschaft übernehmen ; wer Marquis of Lanspomwne nominell, Lord Clarendon dagegen fasz­tlich der Führer des Oberhauses werden. Kriegssekretär sol an der Stelle Sidney Herbert’s, sein Namensbruder Mr. H. A. Herbert Mitglied für Kerry) werden, Lord Palmerston das Kriegsministerium, Sir George Grey das Innere und Earl Grey die Koloni­en übernehmen. Auf den Werften der Regierung wird mit großem Eifer gearbeitet. Paris, 20 Jänner. Der „Moniteur" meldet: Die Zinsen für die Schachscheine werden um ein halbes Prozent reduzirt. . * Maris, 17. Jänner. Herr de Genlis, Adjutant des General Canrobert, hat bereits am Sonntag seine Rückreise nach der Krimm angetreten. Er soll eine ausführ­­liche Denkschrift des Generals Canrobert überbracht haben, worin derselbe seinen bisherigen Operationsplan rechtfertigt und sich gegen die Vorwürfe zu vertheidigen fuggt , die man wider ihn vorgebracht hatte. Er sol darin hervorgehoben haben, das die Stellung des allierten Heeres jechr eine weit bessere wäre, als wenn es ihm gelungen wäre , in Sebastopol einzutringen, in dessen Ruinen es schmwerlich sich Hätte Halten Tün­­nen. Daß das Heer dem Fürsten Menzikoff bisher seine S­tacht zu Kiefern gesucht, Tlege einfach daran, daß es ihm an Kavallerie- und Transportpferden fehle. Von der eng­lischen Armee wird darin bei vollster Anerkennung ihres Muthes gesagt, daß sie, schlecht verproviantirt, wenig wachsem, langsam in ihren Bewegungen und ungeshicht in tha­ten Arbeiten, bisher öfter eine Verlegenheit als ein Beistand für die französischen Trup­­pen gewesen sei. Der Kaiser hat angeblich diese Dentschrift, Die Übrigens wenig Aus­sichten auf eine baldige Eroberung Sebastopols gewähren soll , sehr günstig aufgenom­­mommen, wofür schon die Verleihung der Militärmedaille an den General spricht. — Auch der Prinz Napoleon sol seinerseits einen ausführlichen Bericht über Canto>­­bert an den Kaiser gefhicht haben. Die Redakteure des „Konstitutionnel," die Herren Gefena und Cudeval Blarigny, sind, wie man erfährt, beide vom Minister des Innern verwarnt worden, weil sie eine Verherrlichung des Prinzen geschrieben hatten. Es sei ihnen besonders vorgeworfen worden , mit solcher Bestimmtheit von ihm als Thronfol­­ger gesprochen zu haben. Man hat aus den Worten des Ministers : „Wie wissen Sie das 2" schließen wollen , daß die Hoffnung auf einen Thronfolger in direkter Linie noch nicht aufgegeben sei. Der Adjutant des Prinzen Napoleon, Hauptmann pur , ist, man weiß nicht aus welchen Gründen , aus den Diensten des Prinzen entlassen worden. Es scheint übrigens, daß man der Umgebung des eventuellen Thronfolgers eine ganz an­dere Gestalt geben will. Man veräigert, daß ehestens ein österreichischer General hier erwartet wurde, welcher mit dem Kaiser persünli den Zeldgngsplan berathen solle, dass die­jenigen Konferenzen zu einem Ziele führen. Aus Toulon erfährt man, daß dort, nachdem neulich ein Linienschiff und eine Fregatte mit 1500 Mann Truppen nach der Krimm abgegangen sind, was die Zahl der seit zwei Monaten dorthin Klos von Toulon abgeschichten Verstattungen auf 11.000 Mann bringt, noch 6 Kintenschiffe, 3 Segelfregatten oder Dampf-Avtfos segelfertig liegen und den sofortigen Transport von 10.000 Mann möglich machten. Zwei andere Binnenschiffe werden in kurzer Zeit regelfertig sein. — Aus Marseille wird gemeldet, dag am 13. Nachmittags 1000 Mann Garde-Grenadiere mit einem besonderen Bahn­­zuge­hört anlangten, denen eine Stunde später 300 Gardejäger folgten. Sie wurden von der Bevölkerung mit Jubel empfangen und sollten sich schon Tags darauf nach der Krimm einschiffen. Am 14. Nachmittags sollten 950 Mann Garde-Boltigeure eintreffen. Einige Sensation erregt folgender Vorfall, der sich gestern Nachmittags hier ereignete. Das Bankhaus Zould. (in der Aue Bergere) Hatte in einem Handfarren Goldbarren von der Bank abholen lassen. Als die mit dem Transport beauftragten Leute bei Bould ankamen, revinirte­ man die Goldbarren. Es fehlten 5 Gt. , Die unge­­fähr einen Werth von 125,000 Er. Hatten. Dieselben müssen unterwegs abhanden ges­­ommen sein. Es ist noch nicht bekannt geworden , auf welche Weise dieser Diebstahl begangen wurde. Turin, 19. Jänner. Ihre Majestät die Königin Adelaide ist erfranit; Holger­stern empfing sie das Heilige Abendmal. Einige Nächte vergingen ziemlich fieberhaft. Man hoffte den Eintritt einer glücklichen Krankheitstrifts, Theater vom 22. Jänner. s Berlin, 20. Jänner. Den Kammern ist ein Gefegentwurf vorgelegt worden, durch welchen der Kriegsminister ermächtigt wird, den fur das Gefett vom 20. Mai 9. 3. ihm be­willigten Kredit von dreißig Millionen Thalern, soweit derselbe Durch den außerordentlichen Geldbedarf der Militärver­waltung für das Jahr 1854 noch nicht erschöpft ist , zur Bestreitung der ferner erforderlichen außerordentlichen Bedürfnisse der Militärverwaltung zu bewugen. Eine diesem Geietentwurfe beigefügte Dentschr­ift giebt Auffchluß über Die bis zum Schluffe des Jahres 1854 erfolgten Verwendungen für Die Zwecke der Kriegsbereitschaft. Wir entneh­­men der Denkschrift folgende Erläuterungen: Um die Kriegsbereitschaft der Armee nach allen Richtungen hin thunz licht zu erhöhen, sind folgende Anordnungen getroffen worden und seit dem Monat Iuli voris­gen Jahres nach und nac) ins Leben getreten: 1) Die fämmtlichen Kavallerieregi­­menter des flehenden Heeres sind auf die Kriegsstärke gefecht worden; 2) die fümstlichen Batterien der 9 Artillerieregimenter sind an Bespannung und Bedienung auf die Krieges­stärfe komplettirt worden ; 3) die bei der diesjährigen Aushebung zur Einstellung im fünfzigen Frühjahr designirten Niefruten aller Waffen sind von betreffenden Truppentheilen des­reits Anfangs Oktober vorigen Jahres überwiesen worden; A) das bei einzelnen Truppen­­theilen etatsmäßige Wintermanquement ist überall ausgefallen 5; 5) die Kavallerie und Artillerie haben nur die bes Butters unwerthen Pferde ausrangirt und verpflegen bie neuesten Nemonten über den Etat; 6) die Artillerie hat, mit Einschluß der Festungskompagnien von 2 Regimentern, die ausgedienten Mannschaften nicht entlassen 7) bei der Kavallerie sind zur Martung und Dressur der Remonten die nöthigen Mannschaften im Dienst zurücbehalten worden; 8) bei 2 Bionk­abtheilungen Hat eine Entlassung ausgedienter Manns­­chaften nicht stattgefunden und werden die Nefruten über den Grat verpflegt; 9) die Errichtung einer 5. 6spfündigen Fußbatterie für jedes der 9 Artillerieregimenter ist vorber­­eitet worden, um im Bau­ des­­ Bedürfnisses die Feldpartillerie sofort angemessen ver­­stärken zu konnen, ohne die Nefervevorräthe zu schwächen; 10) die Nefervevorräthe an Munition für das Leichte Perkussionsgewehr werden bei der vorschreitenden Bewaffnung der Armee mit diesem Gewehr angemessen vermehrt; 11) die Handwerksk­ompag­­nien der Artillerie sind, unter Anrechnung der bei derselben zur Zeit kommandirten Mannschaften der Infanterie, bis zur Kriegsstärte kompletirt worden, um die Artillerie Handwerksstätten in den Stand zu feßen, den an sie zu machenden bedeutenden Anforder­rungen genügen zu können; 12) zur Sicherung der Landesgrenze sind die nöthig erschies­senen Vorbereitungen getroffen und die bezüglichen Lettungen theilweise fortifikatorisch und artilleristisch armirt worden. 13­­Cs ist vorsorge getroffen worden, sowohl den Rettungen eine Anzahl von 25-- und 50-pfündigen Bombenkanonen zuzutheilen, als auch die Zutheilung von dergleichen Gejangen an den Belagerungstrain vorzubereiten. Die außergewöhnlichen Mehrfosten, welche der Militärverwaltung durch die gedachten Maßregeln bis zum Schlusse des Jahres 1854 erwachsen sind, betragen, so weit sie sich für jet übersehen und veranschlagen lassen, nach einer der Dentschrift Beigelegten Nachweisung zusammen etwa 4,135,724 Nthle.“ * Mind­en, 17. Männer, Die Debatte über den Wahlgefebent­­wurf wurde heute in der Abgeordnetenkammer fortgefegt : Der Art. 9. des Ausschusses feht die zur passiven Wahlfähigkeit nöthigen Eigenschaften fett und lautet : . Bei der Wahl der Abgeordneten sind die Wähler und Wahlmänner weder auf die Angehörigen der betreffenden SKlaffe, noch auf solche Personen beschränkt, welche im betreffenden Wahl- oder Negierungsbezirke ihre Heimat haben (bei Negierungsentwurf wollte diese Schranke), sondern es ist bei jeder derartigen Wahl zum Abgeordneten jeder baierische Staatsangehörige wahlfähig, welcher 1) die in den Art. A—6 angegebenen zur Ausübung des Wahlrechts überhaupt erforderlichen Eigenschaften befist ; 2) sich zur christ­­lien Religion in einer der verfassungsmäßig anerkannten Kir­ Hengesellscaften benennt; 3) das dreißigste Lebensjahr zurücgelegt hat; und 4) dem Staate im laufenden Jahre eine direkte Steuer entrichtet und auch in dem der Wahl vorhergegangenen Rechnungsjahre eine solche entrichtet hat." Weder Punkt 2, wessen Streichung Freiherr v. Lerchenfeld beantragt, entspinnt sich eine längere Debatte. Derselbe vertheidigt diesen Antrag. Der Anspruch „Hriftlicher Staat“ behage ihm nicht. Man möge­chriftlich Handeln, ob die Handlungen aber s­chriftlich seien, möge ein höheres Wer­fen beurtheilen. Das Christenthum bestehe nicht darin, daß man sich als Christen erkläre, sondern als Christ Handle. Der christliche Staat sei nur da, wo Alle nach den Grundfäßen des Evangeliums handeln ; ob wir dies thun, bezweifle er. Die moderne Zivilisation beruhe auf dem Christenthum und sei ohne dasselbe nicht denkbar. Ansofern seien alle zivilisirten Staaten restlich. Das Judenthum stehe mit dem Christenthum nicht in Widerspruch. Dadurch, daß einige Juden in der Kammer figen, werde deren s­chriftlicher Charakter nicht geändert, die Sitten könn­­ten ss dem Einfluß der s chriftlichen Ideen nicht entziehen. Türst Wallerstein: Ein Puntt sei ihm entscheidend. Die­ passive Wahlfähigkeit der Suden berufe auf einem konstitutionellen Ge=­ieb. Es handle es nicht darum, daß man ihnen ein Recht geben, sondern darum, ob man es Ihnen nehmen wolle. Würde es si um die erste Frage handeln, dann würde er nachweisen, daß der Vorschlag ungerecht, daß es politisch unflug erscheine , eine Reihe vermöglicher gebildeter Staats­­angehöriger zu Parias zu flempeln, daß es nicht konservativ sei, solche Männer in die Opposition zu reiben, daß der Antrag mit dem ristlichen Staat sich nicht vereinigen lasse. Er betrachte die Religion wesentlic getrennt vom weltlichen Reich, sie stehe Höher, über den Staaten. Dasselbe Prinzip müßte die Juden von der Steuerpflicht, von der Pflicht des Heerdienstes ausschließen. Thue man dies nicht, dann begehe man eine Inkonsequenz und eine Ungerechtigkeit. — Die Dig­­ussion über diesen Punkt währte nahe an 5 Stunden und endete damit, daß der Punkt 2 gegen die Juden mit großer Majorität abgelehnt wurde. Mer-Dort, 2. Sinner. Die Vereinigten Staaten feinen ihre versöhrliche Haltung Spanien gegenüber ganz aufgeben zu wollen, und der Minister des Aus­wärtigen, Herr Marcy, ist mit Ausarbeitung einer äußerst Kriegerischen Bot­schaft beschäftigt, welche Präsident Pierce an den Kongreß richten wird. — Aus Mexico erfährt man, daß Santa Anna beinahe einstimmig von Neuem zum Präsi­­denten erwählt worden ist. Trob mehrerer neuen Vortheile, welche die Regierungstrup­­pen über die Aufständischen davongetragen hatten, stand Alvarez do nur 18 Stunden von der Hauptstadt Mexico. * MWeft, 22. Jänner. Aus Gr. Kanisha kommt uns das Protofol der Situng vom 16. b. zu, in welcher über die Eisenbahn nach Marburg berathen wurde. Wir theilen das Protofol im Morgenblatte ausführlich mit; hier nur die Mittheilung,, daß mit Ausnahme des Hrn. Joseph v. Hegevits, Bevolls mächtigten Sr. Durdhl. des Fürsten Batthyanyi, die Bersammlung einstimmig für die genannte Linie sich erflärt hat. Nationaltheater. „Parlagi Jancsi." Nepszinnü 3 felvonásban. Deutsches Theater. Herr und Madame Robin aus Paris. Lfner Stadttheater, „Dinko, der Steinrecht." Trauerspiel in 5 Aufzügen von Ch. Birch-Pfeiffer. Verantwortliger Nebakteur : Karl Weisflicher, K Äßtener Börfe am 20. Jänner. Niedrigere auswärtige Notirungen bewirkten, bei mangelnden Kaufsaufträgen für auslän­dische Rechnung, an der heutigen Börse eine flaue Stimmung ; der Umfab war ohne Belang und die meisten Bond und Artten gingen etwas niedriger, D­e­­visen und Metalle zogen um 11,3] ,0|, an. Gold 31114, Silber 263] ,. “

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