Pester Lloyd - Abendblatt, April 1856 (Jahrgang 3, nr. 75-100)

1856-04-09 / nr. 82

» 1 Fr. EM, = Abendblatt des Pester Redaktiond- Burean, Do- 0 rotheagaffe % Nv12 im erften Stod, | BEIN AMittwog, 9. April. N9ro. S2. Den, 1856. Zelegraphische Depeschen der „Desterr. Korresp.* London, Montag. Unterhausfigurig Nachts. Prel: Kündigt an, die Ausrüstung der Miliz und der Fremdenlegion werde ehestens aufhören, " das türkische Kontingent fehleunigst in den Sold des Sultans zurückkehren. Wil­­son meldet, der geheime­­ Rat­ werde morgen das bezüglich mancher Artikel er­­lassene­­ Verbot der Ausfuhr nach dem­ Kontinente zurücknehmen, nur Munition bleibe noch, Hievon ausgenommen. Hierauf folgte eine Debatte über das" Ein­­quartierungsspstem , ungeachtet Die anmesenden Minister unr alle Mühe gaben eine Abstimmung zu vermeiden, kam es dennoch dazu und blieb die Regierung mit 116 gegen 139 Stimmen in der Minorität. Hamburg, Montag. Heute hat die Bürgerschaft die Neunerverfassung mit vier Kirchspielen gegen eines abgeschlagen. Bei der Zählung ergaben sich 344 Stimmen dafür, 661 dagegen. Berlin, Dienstag. Die „Königsberger Zeitung" enthält eine Depesche aus St. Petersburg vom­ 5. d. Mis, wonach ein Finanzministerialerlaß fund­­gemacht wurde des Inhalts, daß, nachdem in­ Folge der Unterzeichnung des Friedensvertrages die Handelsverhältnisse der Friegführenden Mächte wieder her­­gestell seien, die Handelsschiffe der Westmächte wieder in russischen Häfen zuge­­lassen werden und den ruffischen Fahrzeugen das Recht ungehinderter Bewegung zur­ See zugestanden wird. Genua, 6. April. Der Graf von Chambord ist hier eingetroffen. Mon­­signore Charvaz sol dem Bernehmen nach zum Erzbischofe von Turin, Monsig­­nore Gentile von Genua designirt sein. Stanzoni werde, heißt es in piemonte­­sischen­ Blättern weiter, zum­ Kardinal ernannt werden und sich nach Rom be­­geben. In Neapel ist mit fg. Defret der Posten eines Präsidenten der Revi­­sionsjunta für auswärtige Drucschriften errichtet und Don 3. Barbati dazu er­­nannt worden. Neapel, 4. April. Wegen des im Orienten herrschenden Typhusübels werden Provenienzen vom­ Marmorameere, Bosporus und vom schnwarzen­ Meere einer zehntägigen Kontumaz, von den übrigen Levantehäfen,, von Malta und Griechenland einer siebentägigen Beobachtung unterzogen werden. Moi, 4. April, Gestern wurde in der Sirtinischen Kapelle ein Hoch­­amt wegen Unterzeichnung des Friedensv­ertrages gelesen. Die Ausfuhr von Mais,­ Reis und Hülsenfrüchten aus dem Kirchenstaate wurde zollsfrei bis Ende Juli 9. 3. gestattet. * Weit, 9. April. Der über dem Friedensvertrage ruhende Schleier beginnt sich, wenigstens so weit es sich um die Form­az­­ien des Zraftates handelt, in etwas zu lüften. Es it zunächst richtig, daß der Friedensvertrag aus 4 Altenfuüden­ besteht, nämlich dem eigentlichen Friedensinstrumente, 2 Anneren und einer Appillonalafte. Das „Spurn­ des 2 ébats" hatte von einem prisilegirten Plage gesprochen, welcher Stanf­­reich in der Einleitung zum B Vertrage eingeräumt worden; das soll ein Irrthum sein; alle Mächte sind vielmehr auf gleichen Fuß behandelt in alphabetischer Folge aufgeführt. Ein Unterschied besteht allerdings in dem Texte hinsichtlich der kriegführenden und ver­blos­sen trabirenden Mächte. Wo von ersteren" die Nede ist, heißt es: La France,‘ la" Grand-Bretagne, la Russie, la Sardaigne et la Turquie' ont decide a faire la "paix aux conditions suivantes, ip won den fonz: trahirenden Mächten die Neve ift, heißt’ e8: 1’Autriche et la Prusse se sont engages , ce quwil suit­ete. Der Hauptvertrag besteht aus 34 Ars tikeln.. Der „Univers“ hebt ferner ansprüchlich hervor, daß den heiligen Schlüsseln sein besonderer Artikel gewidmet­­e. Die Angelegenheit der heiligen Orte bleibe vielmehr Spezialfrage zwischen der Zürfel und Stanfreich, deffen alte Privilegien als Protestor der katholischen Kirche im­ heiligen Lande Feine Uenierung erfahren würden. In Stockholm spricht „Aftonbladet“ den Bedauern über diesen Frieden aus, dem jő Feine lange Dauer prophezeit. Und in ähn­­licher Weise äußert sich in Berlin die , Kreuzzeitung " : Wir finden die Zustände Europa’s nicht von der Art, daß man auf eine „ewige“ Dauer des jegt abgeschloffenen Friedens hoffen konnte. Möglich, daß Für die nächte Zeit das Schwert ruht in unserm Weltt­eil­­ möglich, da inzwischen die Beziehungen der Wölfer zu­einander sich wesentlich verändern, — immer ist es Doch eine grenzenlose Thorheit oder ein absichtlicher Selbstbetrug, wenn man jet so spricht, als ob von nun an Lamm und Tiger gemäthlichst mit­einander werden m wü­rden, als ob die Zukunft von Pulver und Kanonen nichts mehr wissen, sondern Alles ettel Streufand sein werde und Delblätter und Frieden spfeifen. So mehr wir uns solchen Träumereien ergeben, desto weniger wirken wir gerüstet sein, wenn es noch thut; je weniger wir die Friedenszeit bewugen, um immer stärker zu werden im Innern, um so Kläglicher würde Die Schwäch­e sein, in der wir dereinst dem Auslande gegenüberständen.­ Wie von dem einzelnen Dentschen, so gilt auch von den Staaten : nur wer da hat, dem wird gegeben; nur wer arbeitet mit dem anvertrauten Pfund, soll ü­ber größere Güter gefegt werden. Wer nicht Hat und sein Pfund vergräbt, dem wird genommen auch was er hat und nichts bleibt übrig, als die „äu­ßerste Finsterniß.“ Was Serbien, die Molopan und He Waladei betrifft, so scheint es, daß die Autonomie und die gegenwärtige politisc­he Stellung der drei Donaufürstenthümer aufrecht erhalten bleiben werde. Nur rück­­sichtlich Serbitemß, heißt es, werde der Sultan dem Fürsten Alex­­ander die erbliche Würde verleihen. Da jedoch mehrerer darum nach­­gesucht hat, daß es der serbischen „Hromada“ vorbehalten bleibe, den fünfz­­igen Fürsten zu wählen, so sol von dem türkischen Ministerrathe beantragt worden sein, dag­ fi­­bag Ferbische Bolt noch bei Lebzeiten 0­8 Fürsten versammeln und den Erben des Fürstenstuhles namhaft machen solle. Der Sultan soll auch diesen Antrag genehmigt haben und wahrscheinlich dürfte dieser Mius auch auf die Mol­owalachei ausgedehnt werden. In Paris gibt Die Anwesenheit Perftigny’s viel zu reden : man bringt sie mit den Ministerveränderungen in­­ Verbindung, welche In Aussicht gestellt werden, Persigny sol sich sehr zufrieden mit der englischen Regierung aussprechen­­ und­­­ auseinander=‘ gefest haben, wie das unqualifizirte Betragen von Lord Hampden blos dem Eigensinne dieses unabhängigen Diplomaten, den Lord Palmerston nicht entbehren kann, zuzufereiben sei. Wie die russischen Be­vollmächtigten Angwischen keine Gelegenheit in Napoleon ange­­nehm zu erweisen, vorübergehen lassen, erfieht man au aus folgender Anefoote : Graf Poz30 bi Borgo Hat den Grafen Ortoff bei Gelegenheit seines jüngsten Bettes persönlich eingeladen, und sagte ihm, daß er (der russische Besch­mäch­­tigte) an diesem­ Abende Gelegenheit haben würde, die wahrhaftige Gesellschaft von Paris kennen zu lernen. Graf Liloff erwiderte darauf, das er schon in den Tuffetten deren Bekanntschaft gemacht habe: „Das tst nicht der Fall, Herr Graf — meinte Herr Pos Di Borgo — denn die Gesellschaft von Paris geht nicht nach den Zufleh­en”. — „Wenn dem so ist, dann mag ich sie nicht rennen und darf auch nicht zu Ihnen kommen“, replizirte Orloff und ging auch nicht zu Poz30 di Borgo. Graf Orloff hat es unummwunden ausgesprochen, Daß die Fürstin Lieven und Baron Riffeleff durch die Falschen Berichte, Die den Kaiser Nikolaus irre­führten, den Krieg zwischen Rußland und Frankreich hervorgerufen haben. Man will au wissen, daß die russische Diplomatin Paris verlassen werde,­­ doch aus Turim wird ein für Napoleon erfreuliches Ereigniß ge­­meldet. S 8 soll_nämlich die Fusion der beiden Bourbon­niischen Linien bei der Herzogíng Orleans auf um übersteigliche Hindernisse stoßen. Der Graf von Chamborp kam im Jänner nach Nervi, alswo eine Konvention abgeschlossen wurde, als aber der Herzog von Montmorency nach Deutschland an die Herz­­ogin von Orleans gefehtet wurde, um­ auch mit ihr diese Angelegenheit zu besprechen, weigerte sie sich — als Vormünderin ihres Sohnes, 968 Gra­­fen von ari — entfehdeten die besagte Konvention zu ratifiziren. Der Graf von Paris wird nun am 17. August mündig, und der erste Ast, welcher von ihm ausgehen soll, wird ein Prozest gegen die in Nervi zu Stande gebrachte Zuston sein. Aus Berlin wird der „Schles. Ztg." über die Bedeutung des Degeschendiebstahles geschrieben: · Die scheinbare Komplizität eines höheren Beamten bei der Entwendung von Pai­pieren,welche niemals für das Publikum bestimmt waren,die Veröffentlichung einer Vertheidigung es christ jenes Beamten,welche derselbe an seinen Chef gerichtet und welche mit sehr scharfen Bemerkungen in das Publikum gelangte,die freiwillige Entfernung jenes Beamten von seinem­ Posten,welche fast einer Flucht gleichtzendlich die Einmi­­schung des Abgeordnetenhauses in diese Angelegenheit,welche fast unvermeidlich zu wei­­teren Erörterungen des Thatbestandes führen muß,alle diese Umstä­nde lassen,wenn man einen Zusammenhang z­­ischen ihnen annimmt,auf eine bestimmte,gegen bethei­­ligte Personen gerichtete Absicht schließen.Fast sollte man an eine Verbindung ganz getietrogener politischer Richtungen glauben,welche sich zu einem Decke vereinigt­­en. Wie dem auch sein möge,soviel darf man annehmen,daß diese ganze Ange­­legenheit im Publikum fast allgemein die Ueberzeugung befestigt hat,es handle sich gei­gentwärtig um eine prinzipielle Aenderung des Regierungssyste­­mes und zwar zu G­un­sten der ultrakonservativen Varteti Mit mädfigt auf diese Verhältnisse muß man auch die umlaufenden Gerüchte über eine­ be­­stehende Ministerfrists aufnehmen. Es ist rein, unmöglich, die täglich neu auf­­tauchenden Gerüchte zu wiederholen, oder sie andererseits ganz umbeachtet zu hassen. Die Widersprüche, in welche die Negierung mit der Volfsvertretung in der legten Zeit ge­­nommen, Taffen kaum noch eine ebenmäßige Ausgleichung­ zu, Unebrigens muß bemerkt werden, Daß man von den verschiedensten politischen Parteistandpunkten dem Eintritt­­ eines Ministeriums aus der ultrakonsersativen Partei fast mit Befriedigung, wenigstens mit Ruhe entgegensieht. I­­n Petersburg sollte am 31.März,als­ am­ Jahrestage des Einzuges der russischen Truppen in Paris im J.1.814,in dem großen Theater ein Riesenkonzert zum Bestert der Invaliden stattfinden.Das mi­­litärische Orchester sollte aus sOs Musikanten und der Chor,an dem auch die Hofsänger­ theilnehmen,­­aus 488 Mann­­ bestehen. In Polen­ waren vor­ Ankunft der Friedensnachricht bereits 20.000 Mann mit ungewöhnli­cher Strenge und in Einer Nacht ausgehoben worden : sie wurden in Folge der Depesche vom 30. März, eben­so glößlich wieder entlas­­sen.­­So­ost wird aus dem Königreiche berichtet : Die Negoziationen, betreffs der Grenzsperre von Seiten Oesterreichs, Preußens und Rußlands sind noch im Zuge. Was man früher von Rußland als eine Vergü­n­­stigung angesprochen hatte, fordert man jegt in Folge der Konzessionen von den Jahren 1815, 1818 und 1825. Eine der Hauptplagen, womit Polen heimgesucht ist, ist die Korruption vieler hohen Beamten. In neuester Zeit sind viele Dieser Herren ihrer Aemter entfegt worden, und es erblüht somit dem Lande eine freudigere Ankunft. Die 80.000 Tataren vor Krimm haben, aus Furt vor Rußland und in der Erfenntnng, wie wenig sie von den Westmächten zu er­­warten haben, bei der Pforte die Erlaubnig zur Uebersiedelung nach Kleinasien nacgesucht und betreiben bereits die Vorberei­­tungen zu ihrer Auswanderung, da sie auf Die Gewährung ihrer Bitte wohl rechnen dürfen. * Maris, 5. April, Der Prinz Napoleon Hat gestern prönlich alle Vorbereitungen zu seiner Reise nach Algier einstellen lassen und seine bez­eignirten Begleiter benachrichtigt, daß der­ Plan vorläufig aufgegeben sei. Alexander Dumas wird in den nächten Wochen eine Reise nach dem gelobten Lande antreten, begleitet von seinen gewöhnlichen Mitarbeitern Paul D­orage und Giraud. Die erste Etappe des Reisenden wird Konstantinopel und dann Sebastopol sein. Dort wird der exzentrische Romanschreiber Stoff für einen militärischen Roman suchen. Dann geht's nach Jerusalem und, wie Dumas vorgestern Abends selbst erzählte, will er dort an Ort und Stelle einen Roman über Zesus Christus schreiben. Merci! — Das neue Stück von George Sand, Frangoise, welches fest vorgestern im Gymnase gespielt wird, hat großen Erfolg, und st nach dem allgemeinen Urtheile das beste Bühnen­­produkt der genialen Iran. — Man lieft heute unter den bezahlten Reframen der "Presse" : „Madame Frederic Szargady (Wilhelmine lauf) ist gestern, Donnerstag Abends um 91­, Uhr von einem Knaben glücklich ent­bunden.“ Da in Paris vergleichen Geburtereflamen ganz unbekannt sind, wird über diesen Fall viel gescherzt. Alles, was sich auf die Persönlichkeit des Satfers bezieht, hat einen großen

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