Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1857 (Jahrgang 4, nr. 99-123)

1857-05-30 / nr. 123

La Daniella von George Sat­d. (Fortsetzung.) Ich stand auf dem Punkte gleichfalls loszuladen, doch wardir ich meiner aló, bald wieder Herr, Tief auf Selipone zu und faßte ihn heftig an den Arm mit den Worten " „Selipone ! wo ist Herr Brumteres ?" — „Er ist nicht hier !” erwiderte er, so mit der Kraft eines Stieres von mir losmachend, aber ohne jedes Anzeichen von Furcht oder Wuth. „Steh mir Rede! rief ich Tartaglia zu, was habt Ihr aus ihm gemacht ?" — „Blos einen Hagefiolz bis auf weiteres, Mofftoun! Seien Sie ruhig! Tartaglia tut gegenwärtig ein Mann von Ehre und Täft Niemandem ein Leid anthun. Sie werden Ihren Freund, ohne eine einzige Schramme, In der Nische wie­derfinden, deren Bekanntschaft ich selber Habe machen müssen und aus der es, wie ich aus Erfahrung weiß, unmöglich­st, ohne eh­er zu entkommen, es sei denn man will auf dem Steinpflaster in Stüde zerschellen.“ — „Und wer hat den schönen Streich ge­­spielt 77 — „Ich, Moffton! Es is das eine Idee von mir, und wünschen Ste fid Glüd dazur, fügte er hinzu, mich auf die Seite führend, indeß Selipone sich in der Menge verlor : der Pächter wollte ihn ermorden. Oh, Daniella hatte richtig ge­­sehen ! Aber ich habe diesem Eifersüchtigen begreiflich gemacht, daß ein Tochter ruhiger ist als ein Lebender, und daß seine Rache viel solständiger sein würde, wenn er diese Heirath vereitelte, die der Ehrgeiz seines Feindes sich als Ziel gesteht. So nahm er es denn Über fi, Brumteres nach der Mündung des Souterrains zu Ioden unter dem Borwande, Medora die sich in der That mit dem Prinzen­­ auf der Meierei befand, frage nach ihm. Dort fnebelte er ihn gewandt, ohne ihm etwas Mehles zuzufügen ; dann trug er ihn, für wie er it — Sie wissen, es tít ein Ochse! — in die Befana, wo er ihn, mit Hilfe Orlando’s, des prinzlichen Koches, fein säuberisch in der Nische deponirte. Während der Zeit gab der Prinz, den Medora, die Prinzessin wie ich nun­­mehr sagen muß, nicht auf dem Pachthofe bei mir anzutreffen erwartete, eigenhändig die Briefe zurück, Tegte sein Schiksal in ihre Hand, verzieb, schmollte, sprach, meinte, nahm Abfehled, Tehrte wieder um, Furz benahm, fich fo, gefchteft, hab nach Verlauf einer Stunde Mig * * * zu der richtigen Meberzeugung Fam, ihr alter Anbeter sei ein Gentleman, und für sie sei es besser eine Prinzessin zu sein, als eine Bürgers­­frau. Nur Eines fegte sie in Berlegenheit , wie sie si, ihren Brumieres, vom Halse Schaffen sollte. Das war der Punkt, wo meine Mitwirkung begann, Indem ich ihr die ZTändeleien des armen Burfihen mit der pilanten Pächterin enthüllte, von dem Augen- Blide an war sein Urtheil gesprochen, und als sie gar erfuhr, wo der 'eifersü­chtige Gatte seinen Nebenbuhler untergebracht, Schlug sie ein feh­lendes Gelächter auf... “ — „Woher mußten Sie um die verabredete Trauung ?“— „Dur Bincenza, Moffion ! Bincenza hatte an den Thüren gelauscht, von ihr hatte ich ü­ber Alles Auskunft erhal­­ten, noch ehe ich Sie traf.” - Daniella,die vergeblich versucht hatte,Felipone einzuholen,trat an uns heran. »Weißt Du auch,r­edete sie Tartaglia an,was aus Herrn Brumieris wirdeährend Duda schwatzest,und okaslipone nicht«­«—,,Seid ohne Sorgeni fi el er ihr ins Wort.Benvenuto denkt an Alles und duldet nicht,daß diese Hochzeit,die sein Glück macht,durch einen U­nfall befieckt wird.Zunächst ist Felipone’s Rache befriedigt, und dann ist Orlando da,der den Gefangenen bewacht und ihn nicht aus den Augen läßt,da er mit seinem Kopfe für dessen Sicherheit bürgt.«« Während ich diese Aufschlü­sse empfing,streuten Medoka und ihr Gatte auf den Stufen der Kirche Geld mit vollen Händen unter die sie umringenden Armen aus, und da die ganze Einwohnerschaft raffte was sie raffen konnte,in allen Tonarten Ach und Weh schreiend,bahnten sie sich nicht ohne große Mühe ihren Weg bis zu uns. Der Prinz war mis vieransichtig geworden,es glückte ihm bis zu mir zu dringen,wo er mich denn mit Herzlichkeit umarmte.Icht wunderte mich,daß er sich so öffentlich zeigte­ Ertbetltemir mit,daß er auf drei Tage eine regelrechte Aufenthaltskarte für den Kirchenstaat habe.Die Hoffnung,ihn eine reichespartie machen zu sehen,hatte seinen Bruder den Kardinal bewogen,ihm seinen allmächtigen Schutz zu verleihen, dessen Wirkungen natü­rlicher Weise auch auf Tartaglia zurü­ckstrahlten. ,,Gegenwe­ i­tig,fukkerfort,ist es meine erste Pflicht,mit meiner Frau zu Lady B.zu eilen.Sie soll und muß ihre Verzeihung erhalten,sie darf sich von ihrem On­kel und ihrer Tante nicht trennen,ohne mit ihnen ausgesöhnt zu sein.Lady Harriet, die­ Herrn Brumières verabscheute,wird­ dessen bin ich sicher,nunmehr erfreut darüber sein,sich mit einem Manne,der ihr an Rang«gleichsteht,verschwingert zu sehen.Kom­­men Sie mit uns?Sie mü­ssen das Wort fü­r mich führen.««—»Nein,das ist uns möglich.Erstens bin ich mit meiner Frau zu Fuße hier...«­——»Mit Ihrer Frau? rief er bastkgz stellen Sie­ nich ihr doch vor!««Er küßte Daniella die Hand und bat sie um ihre Freundschaft mit jener höfischenc Anmuth,die den großen Herren so gut steht und ihnen,Frauen gegenüber,so wenig kostet.Er war außer sich,daß er keinen Wagen bei der Hand hatte,den er ihr anbieten konnte,aber in Rocca di Papa ist das ein ebenso unbekannter als unnü­tzer Hausrath. .,ich verstehe,sagte er beim Abschiede,Sie haben Eile,die Erlösung des armen Brumieres zu beschleutigen.Wollen Sie ihm dabei in meinem Namen melden,daß ich ihm mein Ehrentvort darauf gebe,der Streich,den man ihm gespielt,sei nicht eher zu meiner Kenntniß gelangt,als bis es eine vollendete Thatsache war.Wenn es nun­­mehr findet, ich hätte mich zu seiner Befreiung auf den Weg machen und ihm heute Früh meinen Plan in der Kirche abtreten sollen , so zeigen Sie ihm an, ich hätte drei Tage frei, die ich in dieser Gegend zubringen wirfe und während deren ich zu seinen Befehlen stünde." — , 34 werde Ihren Auftrag ausrichten, ihm aber gleichzeitig sa­­gen, daß er vom besten Anstande zeigen­­ wü­rde, wenn er sich mäuschenstill verhielte.“ Dir fanden Brumieres nicht mehr in der Nische, sondern im Pianto, wo ihn Orlando, nach Verlauf der Trauungsstunde, Hingebracht, und sich selber ü­berlassen hatte. Der arme Bursche machte einen peinlichen Eindruck. Er hatte sich mit solcher Wuth vertheidigt, daß er völlig steif war und sein Glied ohne die heftigsten Schmerzen rühren konnte. Dazu hatten Kummer,­ Scham und Zorn ihm ein Fieber zugezogen. Orlando hatte ihn von Allem in Kenntnis gerebt, als er aus seiner demü­thigenden Rage in der Nische befreit ward. Er war vor Staunen und Verzweiflung, so zu sagen, stumpfsinnig geworden, Wir brachten ihn zu uns, wo wir ihm ein Bett und einen beruhigenden Traus zurechtmachten. Nach einem Schlafe von ein paar Stunden fühlte er sich besser , aber er wollte uns nicht gestatten, den Lehnfeffel, auf dem wir ihn Pat nehmen ließen, auf die Casinoterrasse hinauszutragen. Es fehlen, als wolle er sem Ta­­gestichte nichts willen, Halb meinend, Halb Tachend meinte er, die Wolfen und die Vögel müßten feiner spotten, und die jagenden Laute der großen Wetterfahnen legte er als satanisches Lachen aus. Als er sah, wie die Theb­nahme, die wir ihm bewiesen, ohne alle Ertmischung von Fronte war, heiterte er sich ein wenig auf; und bald ge­­wannen wir die Meberzeugung, daß sein Berger und seine Mißstimmung sich eben so feinell verziehen würde, wie seine Liebe gekommen war. Er hatte Medora nie mit dem Herzen geliebt. Eine seltöne Partie war ihm fehlgeschlagen, und im lächerlicher Welfe fehlgeschlagen , das war so ziemlich seine einzige Sorge.­­ Trotz seiner schlimm­en Lage zeigte er sich als Mann von Geist,und demzufolge billig in seinen urtheilen...Sie hat mich zum Besten gehabt,boberan.Sie­ ist über meinen Unfall in grausamen Hohn ausgebrochen,das konnte nicht anders seim Durch diese alberne Liaison mit der Vincenza hatte ich mich in ihrersünde gegeben Mit ein wenig Ueheilegung und Gerechtigkeit hätte sie sich freilich sagen können,wie ich nur sie liebte und wie,wenn ich die Pächterin bis zum letzten Augenblicke gedul­­det,die Schuld nur darin lag,daß ich nicht wußte,tuie ich dieselbe ohne Skandallos werden sollte.Aber eine stolze Person wie Medora kann eine Handlung nicht verzei­­hen,die siet wie eine Versündigung an der Allmacht ihrer Schönheit auffaßt.Es war das z­weite Mal,daß man ihr Eines jener Frauenzimmer zur Rebenbuhlerin gegeben, die sie so betrachtet, als gehörten sie einer, der ihrigen untergeordneten Race an. Das war's was sie nicht herunterzufehlnden vermochte : ich habe für­ zwei gezahlt! Was den Prinzen anbelangt, so hat er nur gethan, was ich an seiner Stelle ohne Gehil­­senschiffe gethan hätte, und wenn ich nicht mit ihm anzubinden suche, so geschieht das — das, denke ich, habe ich Ihnen gestern bewiesen — nicht aus­ Feigheit. Eine Here­ausforderung, scheint mir, würde Medora auf den Glauben bringen, ic­­iet außer mir und untröstlich , davon ist aber wirklich gar Feine Rede, Meine Wuth legt sich fon, und Trost für mich wird si sehen finden.” Wem jedoch Brumteres am meisten Gerechtigkeit­swiderfahren Tief, das war Feli­­pone. Nicht ohne Erregung und mit lebhafterer Färbung, als ic in meinem Berichte wiedergeben kann, erzählte er ung, was zwischen ihm und dem Pächter vorgegangen war: „Der feifte Italtener At, ein ganzer Kerl! rief er: Ein Mensch von einer seltenen Energie, den ich diese Nacht um seiner physischen Stärke willen gerne hätte erwirgen mögen, bdessen moralische Kraft mir aber bei alle­rem Bewunderung abnöthigte. Ich weiß nicht, ob es sein Einfall war, mir in diese Salle zu laden , aber ich bin kopfüber hin­­eingestürzt. Die Bincenza war's, die mir, entweder aus Hinterlist oder weil se fi m­­ir Schiefsal ergeben, in Piccolomini melden kann, Medora wünsche mich zu sprechen, fegtere hatte sich um acht Uhr in ihr Zimmer zurücgezogen­, nachdem sie im Garten mein etrurisches Sampel empfangen und angenommen. Ich meinerseits hatte die steilen Wege Tusentums so schnell durchlaufen, daß ich außer Athem war. Da ich mit der Morgendämmerung aufstehen sollte, Hatte ich mich auf mein Bett geworfen. Steichviel! ich stehe wieder auf und Heide mich an, in dem Glauben, daß Medora mich im Garten oder im Casino des Baronius erwartet, wo mir oft bis Mitternacht zu plaudern pfleg­­ten. Auf der Treppe finde ich die Bincenza wieder : „bei meinem Manne werben: Sie erwartet”, sagte sie mir, Sch feufze im voraus und fege mich wieder in Lauf, so gut es irgend geht. Bei meiner Ankunft in der Meierei führt es mir in der That durch den Kopf, Belipone wolle mir das Licht ausblasen. Doch Medora’s Sodey kommt mir entgegen mit der Botschaft, seine Herrin befinde sich in jenem ebenerdigen Zimmer, das mit dem Souterrain in Verbindung steht. Ich ahnte die Falle mehr und mehr , aber was thun? Wenn Medora wirflic dort war, durfte ich zurüichweihen? So mie ich in dies verwünschte Gemach, wo ich nicht die Hand vor Augen sah, eingetreten war, fthle ich, wie mich eine Dede umhält, die über meinen Kopf fällt? und trug all meines Schreiens und F­uhens trägt man mich wie ein Wi­elfind in das Souterrain. In der berüchtigten Kirche angelangt, werde ich von zwei Menschen gebunden und gefiebelt, deren Einer mir unbekannt ist. Belipone war der Andere. Diesmal war Licht da, ‚So glaubte, man wolle mich umbringen, so vertheidigte ich mich denn wie ein Rafender und strengte mich an ein teufelmäßiges Gebrülfe auszustoßen. Eine halbe Stunde verzweifelten Widerstandes führte zu nichts, als daß ich erschöpft und wie gebrochen dalag. Gut nun­ während der ganzen Zeit bewährte Felipone eine Kaltblütigkeit, die bewunderungswürdig, ich möchte sagen heroisch war, so daß er mich dadurch noch mehr niederschmetterte als durch feine Musfelkraft. Inmitten meiner Wuth vernahm ich die kurz hingeworfenen Säge, die er von Zeit zu Zeit an mir richtete : , Signor! Sie find unvorsichtig sich so zur Wehre zu stellen . . . Sie führen mich mitleißlos in Ber­ühung ... ich habe gesch­woren Ihnen sein Leid anzuthun . . bedeuten Sie, ob es mir Mühe, fojtet Wort zu halten! Sträuben Sie si nicht so lange gegen mich, bis meine Geduld zu Ende geht, Ich habe deren viel vonnöthen ! Und von Zeit zu Zeit wandte er sich an seinen Gehilfen: „Du siehst, Orlando, ob ich ihn verwunde, ob ich Ihn auch nur zu hart drüde! Was kann ich weiter thun, wenn ich ihr nicht gerade an mein Herz sichliefen und meiner inbrünftigen Liebe ver­­sichern sol? „Aus sie mich wie eine Mumie eingesehniirt und mittelst einer doppelten Reiter in die Nische getragen hatten, blieb Selipone mindestens fünf Minuten stehen, ganz darin­ verfunden, mich starr anzuschauen. Der Andere war heruntergestiegen: „Da Te­gen Sie nun Fredt gut, Sienormto, sprach er,‘ Sie Finnen ein Schläfchen machen und diejenigen vergeifen, denen Sie den Schlummer für ewig geraubt haben. Man hat mir gesagt, Sie würden den Tod der Qual vorziehen, sich in diesem­­ Zu­­stande zu befinden, während Ihre Geliebte sich einem Andern antrauen läßt und bei der D Vorstellung von Ihrer jegigen Lage heil auflacht, Deshalb hab ich Fein Haar Ihres Hauptes gefrümmt, Und doch, ich warne Sie, müssen Sie machen, daß Sie fortkommen , denn ich bürge für mich nicht länger ala bis morgen”, Und bei biemn Worten lächelte er fortwährend: allein ich fand seine verfeinerte Heiterkeit nachge­­trade großsicher, als diejenige der Teufl in dem Jüngsten Gerichte Michel Angelos." ,,Sie sehen,wandte Daniella sich an Bkumieres,Sie mü­ssen forti Sie sind nicht außer Gefahr.­«—,,Freilich,das weiß ich wohl u­nnd sobald ich im Stande sein werde,Einen Fuß vor den anderen zu setzen,will ich diesem verwünschten Lan­de den Nacken lehren,wo ich am liebsten keinem­ Menschen mehr in’o Gesicht sehen möchte.­« Im Verlaufe des Abends besuchte unsåvicatiuccia.Brum­ier es wünschte beidem Berichte,den sie uns über die Wiederaussöhnung Medora’s mit ihrer Tante abstattete, zugegen zu­ sein und bat unschantciett,ihm sein Detail der Spöttereien zu erspa­­ren-deren Ziel er hätte sein müssen.Allein man hatte inspikcolomini nichts von seinem trübseligen Abenteuer erfahren. Man glaubte dort nur, er habe am­ Tage vor­­her den Laufpaß erhalten und sei in der Nacht abgereift, worüber man recht froh war. Die Medora hatte Alles ganz gut arrangirt. Gerade zur Frühfrückzeit war sie bei ihrer Tante eingetreten und hatte sich ihr sofort zu Füßen geworfen, um sie wegen all’ ihrer Eigenmilligkeiten um Berzeihung zu bitten. Lady Harriet hatte ihr über ihre Lebensmette, über ihre Abend- und Morgenausflüge zu unpassenden Stunden, und sorneinlich aber ü­ber ihre unziemliche Vertraulichkeit mit Herrn Brumieres eine tüchtige Predigt gehalten. In dem Augenblicke hatte sich der Prinz , der si bisher stil und artig hinter der Schüre verhalten, ebenfalls Milady zu Füßen geworfen und ihr offen­­bart, das er der glück­che Gatte sei ; darauf hatte man in bester Stem­pfchaft mit­­ammen gefrühstü­ckt,­­ gefrührt (Fortlegung folgt.) wed­­­er verantwortliger Redakteur: Karl Meißkircher. Schnellpreifendend von Emil Müller, Dorotheagaffe Nr. 12. V erlag der Peter Loydgesellschart,

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