Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1858 (Jahrgang 5, nr. 1-24)

1858-01-13 / nr. 9

Leichenfeierlichkeit beizuwo­tten,auch eine Deputation­ preußischer Offiziere wird gleichfalls erwartet. Am 8. b. M. wurde Frl. Rachel unter dem Zu­­drange einer großen Wolfsmenge in Paris begraben. An­­fangs war das Begräbniß auf den 8. festgefest und obwohl die Blätter desselben Tages bereits­­ die Nachricht von dem Auf­­schube desselben brachten, hatte sich doch eine große Menschen­­masse an der Place Royale eingefunden, wo nämlich Rachel, als sie von Egypten zurückgekehrt war, ihre Wohnung genom­­men hatte. E35 fragte sie damals eine ihrer Schwestern: „Ob sie denn mit dieser neuen Wohnung zufrieden se?” „Moht,” eriwiderte Rachel, die sich über ihren Zustand keine Skufign mehr machte; „es ist hier sehr geräumig, und so werden sich die Leute bei meinem Begräbnisse nicht alzu sehr drängen müs­­sen.“ Obwohl Rachel selbst ein bescheidenes Begräbniß wünschte, theilten ihre Angehörigen doch nicht diese Ansicht, was ein Korrespondent des „Nord“ ganz gerechtfertigt findet, „denn, eine Königin ist gestorben !” ruft er aus. Der „Enurrier de Paris” schreibt die Verzögerung in der Ankunft der Leiche dem Umstand zu, daß in der Einbalsa­­mirung ein Aufschub eingetreten is. Der Arzt, der mit der­­selben beauftragt war, glaubte nämlich noch ein Pulfiren der Halsarterie und einen Rest von Wärme zu entdecken. Die Rachel athmete nicht mehr, aber das Herz schlug noch eine ziemliche Zeit lang darnach. — Das Vermögen der verstorbenen Künstlerin sol sich auf 1.200.000 Tr. belaufen, die Sumelen ungerechnet, welche einen großen Werth befssen. Nach dem Willen der Rachel füllt die eine Hälfte ihrer Hinterlassenschaft ihrem Vater, die andere Hälfte ihren zwei Kindern zu i­hrer Schwester Saran, hat sie eine lebenslängliche Pension von 6060 Francs, ihrer Kammerfrau Rose eine Pension von 600 Frances vermacht. Fräulein Rachel hat, wie man der „Pfeffe” aus Varis schreibt , ihr Bewußtsein bis zum Tetten Augenblicke behalten und fehlen auch genaue Kenntnis von ihrem Austande zu haben. Noch vor acht Tagen kam ein Fremder von Cluny nach Canet, um der Künstlerin vorgestellt zu werden. Diese empfing seinen Besuch, und unterhielt sich ziemlich Tange mit ihrem Gatte. Am Schluffe spricht Dieter den Wunsch aus, ein Autograph von Ftäulein Rachel zu befssen. Die Nad­el verlangt Schreibzeug und schreibt­ auf ein Blättchen von rosenfarbigem Papier die folgenden Worte : „In acht Tagen werden die Wü­rmer und die Biographen anfangen, an mir zu zehren.“ Der Fremde wollte dieses Autograph zurückweifen; die Künstlerin drang aber in denselben und sagte : „Nehmen sie immerhin, das sind vielleicht die legten Worte, die ich schreibe.” Das Urtheil der Kritik wird Rachel schwerer treffen, als sie verdient hat, denn wenn ihr auch Geiz nachgesagt werden mus, so ist auf der anderen Kette man der Zug von Großmuth zu erzählen, und ihre Liebe zu ihrer Familie kann nicht genug gerühmt werden. Es tst auch ein schöner Zug in ihrem Gemütde , Da­ sie sich nicht ungern der Noth ihrer Jugend erinnerte. Als sie zum ersten Male auf Gast­­rollen ging, verlangte sie nach dem Kaffeehause, wo je als klei­­nes Mädchen Fabeln reci­irte. Das Fräulein Rachel sehr geist­­reich gewesen, bestätigen alle, die sie gefannt, und Ste. Beuve sagte noch jüngst, er­kenne nur zwei Frauen, welche mit Em­­­pa und Natürlichfett Bedeutendes in der vertraulichen Tierhaltung Jreiften : Madame Georges Land um die Racer. Die Frage, ob Fräulein Nadel sich vor ihrem Tode zur christlichen Religion befehrte oder nicht, anward seiner Zeit »vielfach erörtert. Nachfolgendes Schreiben des Herrn S. Avig­­dor, Präsident des israelitischen Konsistoriums zu Nizza, besei­­tigt nunmehr jeden Z­weifel: „Mein lieber Karl ! Rachel starb gestern Abend um 11 Uhr, In ihren festen Augenblicken stan­­den ihr die Tröstungen der israelitischen Religion bei, in welcher sie geboren it. Ich, in meiner Eigenschaft als Verwaltungs­­präsident des israelitischen Kultus, fehi­te auf Ansuchen der dr. Sarah Feliz die Personen unserer Religion ,­ welche diese fromme Pflicht erfüllen. Bereits vor 2 Monaten wurde Fri Radjel von den Mitgliedern des israelitischen Wo­lkthätigk­eits­­vereins zu Nizza besucht und sprach den Wunsch aus, sie wieder zu sehen, indem sie versicherte, daß sie fest entschlossen sei, im Mauchen ihrer Väter zu sterben.” * In Ehioggita bei Venedig ereignete sich, wie der „Ir, 3." berichtet wird, ein merkwürdiges meteorolo­gi­­sches Phänomen. Bei kalter Witterung, heftigen Schneegestöber und scharfer Bora wurde um die siebente Mor­­genstunde plöglich ein heftiges Krachen gehört und zu gleicher Zeit eine blisartige Helle wahrgenommen. Etwa zwei Stunden später machte man ,­durch den aufsteigenden Rauch aufmerksam­ gemacht, die Entdeckung, daß der Blig Die Bleidbetung der Kuppel des Domes geschmolzen habe, daß durch das herabtröpfelnde Blech das Gerüste des Daches und Schließlich der Glockenstuhl in Brand gerathen, und die Glocken selbst, welche die verfohlten Balken nicht mehr tragen konnten, zur Erde herabgestürzt waren. Die Thurmuhr feste ungestört ihren Gang fort. Das Ereignis hatte jedenfalls eine meteorologische Ursache, denn das von mehreren Schlägen begleitete Krachen und die blendende loliartige Helle wurden, top Sturm und Schnee weithin wahrgenommen. * Eine böse Spekulation. Ein Berliner Lokal­­blatt erzählt: Um die Hand der Tochter eines Engroffisten Ber­­lins bewirbt sich ein junger Kaufmann, und ist auch so glilch­lich, seine wehlberechnete Spekulation zu seinen Gunsten aus­­fallen zu sehen. Der Rater der Braut it aber zur Zeit der Verbindung nicht in der Lage , die 20.000 Thaler Mitgift in Elingen der Münze auszuzahlen , zieht es vielmehr vor , seinem Sch­wiegersohn 30.000 Thaler Wechsel zu geben und erhält dar­­auf, da der Legtere augenbii­lich gut bei Kaffe ist und sich nobel zeigen will, 10,000 Thaler bar zurückgezahlt. Als nun vor Kurzem die Heiratsgutswechsel fällig sind, ist der Schwieger­­am , das auch den Fall des jungen Mannes nach na zieht. * Die Akademie der schönen Künste in Paris er­­nannte in ihrer außerordentlichen Sikung am 6. Länter an des verstorbenen Rauch Stelle den Bildhauer Nietfehel in Dresden zu ihrem auswärtigen Mitglieder " Antworten­ auf die Sewagen ei­nes steirischen Bolfszählungs-Kommissärs, Folgende Szene soll sich "wörtlich bei der festen Konskription in Steiermark ereignet haben: Nr. A. SJphann Leitner, vulgo Scheiblermichel! — Hier! — Wie alt sein hr? — 55 ‚moaß’s net. Du JON, woaßt Dws eppa ? — No, i fat DI auf an’ fhm wachen Fufz’ger. — Wie heift Euer Weib? — Leni. — Helene oder Magdalene? — 3 wonfrs net. — Habt Ihr Söhne? — Na. — Aber­ Ruben ? — In, zion. — Wie heibt der Ältere ? — Seppel. — It welchem Sabre ist denn ber geboren? — Dis woad í net. — Wie alt ist er? — Gredyg .­ Sahr. — Was? Shr seid ein Fünfziger, und habt einen Sohn, der sechzig Jahre­ alt 4ft ? — Ab, do Ban í mi vergafelt, í han mein Bruada’n g’itvant, — Nachdem die Kinder mit Mü­he erufft sind, fährt der Kommissär fort zu fragen : Habt Shr nicht noch Eltern im Hause? — Sp, O Muada is wol daham, aber sie is fcho stärk in 9 Siebyg, do zählt nix mehr ! . Börsen­ und Handelsnachrichten. * Wien, 12. Jänner. Die niedrigen Pariser No­­tizungen boten die V­eranlassung zu einer rückgängigen Bewegung, die sich jedoch im weiteren Verfeht verlor, und einer entschiedenen Wertigkeit namentlich für Kredit­­aktien wich, welche demzufolge si abermals höher stellten. Staatsbahn konnten sich­­ jedoch von ihrem anfänglichen Rückgange nicht wieder erholen und fichloffen, wenn auch fest, doch etwas niedriger als gestern. In den übrigen Effekten war das Geschäft nicht unbelebt, Nordbahn und Essompteaftien etwas besser, von jungen Bahnen nament­­lic Westbahn beliebt und fest, Staatsfonds matt und wenig begehrt, Wechsel und Komptanten eine Wenig­­keit fester. Man notirte schließlich : Kreditaftien 244'/,, Nord­­bahn 184',,, Staatsbahn 3064 , Theißbahn 101), Silber 5. Waris , 10. Sänner. Schlußkurse : 3pCt. Rente 70.25 ; 41/,pCt. 94.85 ; Silberansehen .889/,; Staats­­bau 740; Credit Mobilier 1050; Lombarden. 646 ; Orientbahn 490 ; matt. Verantwortlicher Redakteur: Karl N­eiskircher, Schnellpreifendiud vor Emil Müller, Dorotheagaffe Nr. 12. — Verlag der Petter tonbaefeifschaft,

Next