Pester Lloyd - Abendblatt, November 1859 (Jahrgang 6, nr. 241-265)

1859-11-19 / nr. 256

Sanstag, 19. Novemb. Nr. 256 (Die einzelne Nummer Kostet 3 Er. 5. 98.) Beit, 1859. A­bendblatt is Pester Lloyd, % Ge, Tatferliche Hoheit der Durchlauchtigste Herr! wenn er nicht zufällig (?) in ein Blatt fi verirrt hätte, wer­ Erzherzog Generalgoup­erneur find den 17.0, mit Dem Abendtrain auf einige Tage nach Wien; ferner der bei Höchstreifelden auf Besuch gere­­sene Durchlauchigste Herr Erzherzog Jose­ph den 18. 9. von Oien abgereist, dem man an in seinem nichtamtlichen Theile und selbst in der Abendbeilage das Gewicht einer Autorität beizulegen ges wohnt i­ Man kann gar vieles als nicht stichhaltig erklä­­ren, wenn man von seinem hortrinären Standpunkte aus mit Begriffen und Schemen spefüh­rt, anstatt lebendige Menschen und thatsächliche Verhältnisse in’s Auge zu rasen; und man Tann Uebelstände als un­wesentlich bezeichnen, sobald man Tei­­nen andern Masstab mehr für die sittlichen Zustände eines Landes und einer Bevölkerung zu handhaben weiß, als statistische Tabellen und Polizeiberichte. Beide sagen zum Beispiel nichts üiber den religiösen und sittlichen Subif­­ferentismus , der bort ittend um sich frißt, wo man die Stellung des Dienst- und Lehrherrn zu seinen Dienstboten und Lehrlingen nur mehr wie einen Vertrag, nicht als ein sittliches, dem Familienbande zunächst stehendes, jeden Dienenden, wie den Lehrling in die Familie hineinziehendes Verhältniß aufzu­­fassen sich gewöhnt hat. Wer solchen Anschauungen Huldigt, der kann allerdings damit ss vollkommen zufrieden stellen, wenn der Lehrling und Dienstbote alle Sonn- und Feiertage von seinem Herrn angehalten wird, den Weg zur Kirche ein­­zutragen, obwohl wir nicht recht einsehen , wie er diese Pflicht desselben von seinem Standpunkte aus rechtlich zu begründen vermag. Für die Zumuthung, daß die Juden der rettlichen Gesellen und Dienstboten bewürfen, um Gewerbe und Acherbau zu betreiben, mögen sich dieselben bei dem Herrn Korrespon­­denten selbst bedaufen ; und wählen, ob er ihnen die Arbeits­­luft, oder Arbeitstüchtigkeit abspricht, oder ob er überhaupt glaubt, dag sie mehr Luft zum Befehlen als zum Gehorchen haben. Voraussichtlich wird Die „­Kirchenzeitung” hinter ihrem Kollegen nicht zurückbleiben; der „heiligen Sage" dürfen die Kämpen nicht fehlen. „Kein Defizit mehr" mar ein Artikel der „Presse“ überschrieben, den wir In unserem Mittmoch­­blatte seinem twesentlichen Inhalte nach mitt­eilten; die „Deferrn Ztg." ergreift nun heute das Wort ge­gen denselben und sagt: Das Verfahren des Mannes beruft auf dem soheften Materialismus,. Um das Defizit des Staatsbudgets zu ber feitigen, ‚t reicht er gleichmäßig zwanzig bis fünf und zwan­­ig Prozent an allen und jeden Ausgaben des Staates, x fett voraus. Die bisherigen Staatsausgaben ständen in­ allen Dienstzweigen in harmonischem Einklang; es ger­schehe für den Öffentlichen Unterricht verhältnißmäßig so viel wie für Die Armee; für die Vertretung der Staatsinteressen nach Außen würden — caeteris paribus — so viel Kräfte in­ Anspruch genommen, wie für die Geltendmachung der Re­­terungsrechte und Ansichten nach Innen­­eg könnten Eisen- Da Telegraphen und Posten reduzirt «werden wie Gene darmerie und Gemeindebevormundung. Daß die Ausgaben für den a. b. Stofftanz in unserem, über 36 Millionen umfas­­senden, Katfesreich nur e­twa den doppelten Betrag des glei­­en Posteng in dem nicht ganz 5 Millionen Seelen umfas­­senden Königreich Bayern bilden, nicht das Drittheil ‚der fe­­igen französischen Ziviliste und eben­so­ nur etwa ein Drit­­tel der von dem englischen Parlamente für die Königliche 30 milie festgestellen Summe, das betrit,­den Schnellfünftler so­ wenig, als der Umstand , das für Handel, Gewerbe und öffentliche "Bauten, in unserem Staatsvorantrag nur 1872 Millionen Gulden vorgesehen sind, in: Preußen dagegen (nachh Abzug von 7.212,000 Thalern für­ die Eisenbahnverwal­­tung, welche‘ bei uns dem Staate nicht zur­ fast fällt) zu­­sammen im ordentligen Antag über 28­ Millionen Thaler, neben 2 Millionen außerordentlicher Bewilligung ; in, Branf­­reich gar über 93 Millionen Francs. — Ein, solches Profrufes­­bett, wie der Staatsfüm­siler der „Preffe” vorschlägt, kann fret­­­­d in Einer Sigung aufgeschlagen, und ‚angewendet werden : Ist aber der Gedanke seine V­erhöhnung: einer anerkennungs­­würdigen und weisen Intention,­ wie wir von­ dem­ loyalen Sinn unserer Kollegin annehmen müssen, so, entwickelt er ein empirisches Heilverfahren, gegen das die Kurmethoden­ medi­­zinischer Wunderdoktoren bis zu dem fampfen: Penzinger Kur­­pfufcher herab, noch als Wissenschaft­ und Forschung, glänzen. Die Weinberg­er Korresponden­­zer „Wi­ez­ner 369.”, welche sich, — wie die Leser aus unserem gestrigen Abendblatte erfahren, — gegen das dort für die Juden bestehende Verbot des Haltens chriftlicher Dienstboten, Ammen, Gesellen und Lehrjungen, gleichwie gegen die Nothwendigkeit einer „Freisämtlichen Bewilli­­gung“ für das Eingehen einer Judencehe ausgesprochen, mußte selbstverständlich den Zorn des „Volk­freund“ her­vorrufen. Der denn auch heute in folgenden Zeilen fid Luft macht : Der Artikel an fid, welcher eine Brage, die in das innerste Mark der bestehenden foxtalen und staatlichen DVer- Hältnisse einschneidet, in Äußerst flacher und hausbadener Weise bespricht, würde wohl kaum eine größere Beachtung verdienen. R, Wien, 18. November, Cs bestätiget sich, dag Rom und Neapel die Erklärung abgegeben haben, den K­ongres be­­­digen zu wollen, jedoch nur unter der conditio sine qua non, daß der Kongreß ihre inneren Angelegenheiten nicht dis­­futire. Wie aber will man dann die Legationen bereden, un­­ter die päpstliche Regierung zurückzukühren, wenn man ihnen nicht Die Garantie bieten kann, daß ihre in­ Betreff einer bes­­seren Verwaltung so oft laut gewordenen Wünsche endlich er­füllt werden? — Daß zwischen Rom und Neapel ein Vertrag besteht. Demzufolge neapolitanische Truppen nach Entfernung der französisgen den Kirchenfrant belegen sollen, wird von keiner Seite mehr­­ bezweifelt. Die in einer Wiener Korrespondenz der Berliner :„„B.­­u. 9.-3. enthaltene Angabe, daß Rußland und Pre­ßen im Kongresse die Wiedereinlegung der entthronten Für­­sten im Prinzipe fordern werden, ft nicht genau. Daß Preu­­ßen und Rußland in Breslau übereingenommen sind , die Re­stauration der italienischen Souveraine mit liberalen Institu­­tionen zu­­ begünstigen " , ist eine längst bekannte Thatsache und wurde Ihnen bereits Ende Oktober gemeldet. Das­ fchliert jedoch seineswegs aus, daß die beiden genannten Mächte den Ereignissen Rechnung tragen und der Anwendung von Ge­waltmaßregeln­­widerstreben. Der Grundfat der Nichtinterven­­tion­ ist demnach von ihnen angenommen worden und es ist daher nicht sehr­ wahrscpeinlich, daß sie die Wiedereinlegung der entthronten Fürsten „Fordern“ werben. In Betreff der Legationen dit es sicher, daß Preußen und Rußland die Erhaltung der Legationen beim Papst wünstigen, jedoch mit einer anderen Verwaltung. Politische Nundfhan, 19. November. In Turin wurde am 14. 9. das Schreiben veröffent­­lit, in melden der Prinz von Carignan

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