Pester Lloyd - Abendblatt, März 1861 (Jahrgang 8, nr. 50-71)
1861-03-01 / nr. 50
Freitag, 1. Alárz. Ar. 50. Def, 1861. (Die einzelne Nummer Fortet 8 Cr. 5.8.) Abendblatt a Pester Lloyd. D. Wien, 28. Seber. Baron Bay ist gestern hier eingetroffen und hatte heute eine längere Besprechung mit dem Grafen Seesen Damit unsere Landsleute ihr Urtheil nicht Überstürzen, versichere ich Ihnen, Daß ich aus verläßlicher Duelle erfahre, wie weder Bay noch die Männer, welche in SPest die ungarische Regierung vertreten, von der Veröffentlichung des Leberpatentes Kunde hatten. Baron Day wurde allerdings bieher telegraphirt, um in das Patent Einsicht zu nehmen — aber dorn auf dem Wege bieher traf ihn die Kunde von der „vollendeten Thatsache”, Was der Herr Soffanzler fest beschliefen wird? — Die Ehre des fandes, und seine eigene mag ihm den Rücktritt ‚anempfehlen ; im Interesse Ungarns aber erachten wir es für geboten, die Verwaltung desselben nicht ohne den Landtag zu befragen, den konstitutionellen Zentralisten zu überantworten. Der Sieg derselben ist im Momente ein vollständiger , aber bezeichnend ist es, daß selbst ihre publizistischen Vertreter sich „des Sieges nicht zu rühmen wagen. — Man ahnt allgemein, daß wir, vom Definitisum noch weit entfernt sind, die Reihe der Prostforien kann nicht geschlofsen werden, ohne mag Ungarns Wünsche befriedigt werden. “ Die heutigen Morgenblätter bringen insgesammt Erörterungen über die Publikationen vont 26. Bebers daß sie.in der Beurtheilung derselben, übereinstimmen ] werden, [ef . sich vorhersagen, Wichtig ist namentlich. Die Erklärung Des, offiziösen „Sürgödnyg‘, melde unter der Mederschrift „„Unser Standpunkt‘ die Stellung der ungarischen Besterungsmänner beleuchtet, Nachdem Kecstemethy sich Dagegen verwahrt , daß er streng, offiziell sei,, — In diesem Falle wäre seine Aeuferung über die hochwichtige Wendung vom 26. Feber überflüssig — fährt er fort: — . Wir haben den 20.Oktober ohne Rückhalt als Ausgangspunkt angenommen,im festen Glauben an die Gemeinschaftlichkeit der Interessen der Dynastie und der Nation, von dem Gesichtspunkte eines Kompromisses zwiscen dem Konstitutionellen Recht des Landes und den Anforderungen der Gesammtmonarchie ausgehend, waren wir für gegenseitige Nachiebigkeit und friedliche Unterhandlung. Die Publikationen von 26. Feber bilden jedoch eine eigenthiümliche Entwicklung des 20. DOftöbers, welche einseitig löst, was eine, gemeinschaftlier Erörterung, bedürftige Frage war, — zur Entscheidung bringt , was Gegenstand des Ausgleichs führen. Demzufolge ist an unsere Stellung unwesentlich verändert. .«Wir haben seit dem Beginne unseres Wirkens die Situation so aufgefaßt, Daß, nachdem durch den 20. Oktober das Prinzip unseres historisgen Rechtes und Konstitutionalismus neuerdings sanktionist worden ist, wir aber in der Regelung unserer inneren Angelegenheiten unabhängig sind , die rationelle Lösung unserer hochwidtigen gemeinschaftlien Fragen als nothwendige Pramitfe bedingt und winigenswerth macht, daß innerhalb der Nation Schattirungen der Ansichten sich fundgeben und Parteien sich entmwickeln mögen, und waren demnach selbst bemüht, zwischen den durch die Verhältnisse vorgeschriebenen bettlichen Grenzen unsere Stellung vorzubereiten. Der Lauf der Dinge brachte es alfo mit sichh , Daß bei der Diskussion über die 1848er und 1847er Basis, Über Verantwortlichkeit des Ministeriums, über das Munizipalitätssyften, bereits die Parteiteibildung und in derselben au unser Standpunkt sich heraussteffte. Die Wendung vom 26. Februar hat die Nichtungen der bisherigen vaterländischen ‚Politik vom Grund aus verändert und die Partei-Gesichtspunkte verstärkt, außerdem verschwinden. Die Schattirungen unserer Ansichten dort, wo die Kardinalrechte des Landes in Trage kommen —ı unser Sonderstandpunkt hört auf und unsere Bereinigung mit der einheitlichen Nation rebt auf. Im Zeitalter ‚des durch den Telegraphendrath, die Eisenbahnen und die Dampfkraft hervorgebrachtem Schnelllebens „sind: ‚Die politischen Wendungen so häufig, und auch wir haben so viele Staatskrisen fon durchgemacht, dag wir auch bei der neuesten Wendung ohne alle Ueberraschung und mit vollkommener Ruhe die Trage ins Auge fallen können: was hat unsere Nation in »Dieser neuen Situation zu thun ? Bei einer tiefern Aufrasung unserer Verhältnisse, muß die, Nation, wenn sie die Wiederherstellung des geieglichen Zustandes wünscht, fliehen, den Kandletag zu Stande zu bringen und Alles, mas bag Auftande kommen: des Landtages verhindern Fünnse, sorgfältigst vermeiden," denn Das zur Erleditigung unserer staatsrechtlichen bitorischen Verhältnisse gefegte berufene Organe ist nur der Landtag. Wenn je, bedarf fest: die Hation 'besonnenen Ernfles,. Anderesfeits fragt es sich, welche Aufgaben densungar. K Regierungsmänner nur gemorben sei.) Unseres Erachters foltern fhertn ihrer Stellungsausscharten, so Lange es nur möglich ti ít! Sie müsen ihrer bisherigen Selbstaufopferung die Krone auffegen , fier müssen den Landtag zu Stante bringen und sollen erst Dementgen den Play räumen, welche das Öffentlicher Vertrauen an ihrer Stelle defigniren wird. Gegen die momentane Galbheit ihrer Stellung, »der gegen die etwaige Mirannehmlichkeit unaufhörsiger Reibungen möge sie Das Bewußtsein stählen, dag mit den Schwierigketten die anerkennende Unterfragung der Nation, und die durch ihre Kraft hundertfach zunehmen wird, sm ,„Naple“ fuzzt it Fal F den Inhalt des Reidegrundgefeges und fährt dann fort. Bon: wahren: Parlamentarismus kann in der neuen Berfafsung nicht: Die Rede sein; die Minister sind auch fernerhin nur dem Landesfürsten, gegenüber verantwortlich; die Provinzial-Landtage entstehen zum Theil, der Neiderath ganz und gar. durch mittelbare Wahlen. Das Recht der Initiative ftiem sich beschrängts; die mit hyperkonservativen Elementen faturirte Patte kann jeden Beschluß vernichten, denn zur Ofltig- Fett ber. Beschlüsfe ist Die Gutbeißung beider Läufer nöthig uf. wer Nichtspefism weniger Tann nicht geleugnet werden, dag die neuesten Institutionen für die Erbprosinzen einen sehr beträchtlichen Fortschritt bilden, — Wie sichh aber Die Sache hinsichtig Ungarns verhalte, Darüber spricht sich Der angezogene Artikel äußerst vorsichtig aus, da der vierte Punkt des Tatferl. Diplome vom 26. Februar einen Parus enthält, in welchen der Eatferliche Wille entschieden sich ausspriät, Die, betreffenden Entschließungen ‚‚gegen jeden Angriff zu flüten." Es wird nur Daran erinnert, Daß nach "dem verläuternden Artikel ber „ten Big. Feine Aussicht vorhanden sei, dag die HF3dee des Retcerathes: fallen gelassen werde, ferner daran, daß die Homepetény des "ungarischen Landtages da aufhört, wobie „bes | Retcherathes beginnt, Das Handschreiben Sr. Majestät an Baron Bay berührt aug nicht Die Spee bey Neidherathes, sondern nur die Art, wie Ungarn daran Theil nehmen sol: Die Borfjläge, welche Baron Bay hierüber zu unterbreiten hat, sei die fehtwierigste Aufgabe, die ihm je geworben. An einer anderen Stelle erklärt die Redaktion, mein es schon bisher nicht in ihren Absicht Tag, sich in Wahlbewegungen zu mischen, Fünne Dies von fegt ab um so weniger der Tat sein, nachdem die, Eventualitäten der vom Landtag erwarteten, Röfungen augenscheinl ih [hinwinden. “ Außorst Sands ergreift im „„Hirnöf’ das Wort und sagt im Wesentlichen : Das fürfliche Geschent, faat , Hirnöf' über den österreichischen Reichsrath, hat die Freude der Erbprofungy in der andern Hälfte der Monarchie nicht erregt. In untermaterlande müssen alle aufrichtigen Freunde der Monarchie und der friedlichen Umgestaltung über das Reichsgrundgefett tief betrübt sein. Die betreffenden Verordnungen sind eine neue Version der 11jährigen unpraktischen, unausführbaren und für die ganze Monarchie problematischen Experimente. Die ungarische Krone wird ihrer Unabhängigkeit und Souveränetät beraubt, der umarische Landtag zu der untergeordneten Rolle verurtheilt, die Ungarn den Komitaten zukommt. Was der absolutistischen Zentralisation Bach’s nicht gelang, wird jegt Durch Schmerling mit der konstitutionellen Zentralisation verfacht. ‚‚Hirner’‘ meint zwar, das die neue österreichische Charte ein Ergebniß jener Reaktion sei, welche die ungarische Ultrapartei durch ihr Kofettiren mit der Invasion hervorbrachte , aber einen nicht geringen Fehler und eine Taktlosigkeit haben die österreichischen Staatsmänner begangen, welche diese Charte überflürgten, anstatt den ungarigen Landtag, die Ausgleichsvorschläge desselben und das Resultat der königlichen Propositionen abzuwarten. Was wird nun Ungarn sagen? Es kann nichts anderes thun, als die österreichische Charte unseren vaterländischen Grundgefegen anpassen, und auf dem Landtag gegen jede Zumuthung protestiren. Daß irgend Sermand auf dieser Welt berechtigt sei, die Fundamentalgenese Ungarns einseitig und ohne Mitwirkung der Nation abzuändern. Vergebens entschuldigt die Wiener amtliche Zeitung den Abgang der Unterschrift des Baron Bay mit der Abwesenheit des Hofkanzlers. Wir sind überzeugt, bag er, feine Ton- Ritutionelle Berantwortlichkeit Fennend, diese Charte nie unterschrieben hätte. — Die Leitha bildet jegt eine unübersteigliche Rants rechtliche Scheidewand, und wird sie, so lange nur. Ein Ungar lebt, zwischen den zwei Theilen, der Monarchie bilden;s und. die Regislation dieser beiden Theile kann nie, miteinander verschmelzen, wie sie unter Sigmund „unter Albert I. unter Ludwig II., wie sie vom b. Stephan an bis 1848 nie ver schmolz. “ Daß es gemeinschaftliche Angelegenheiten zu erledigen gibt, wie z. B. das Finanz- und Handelswesen ,„gesteht „Dünef'‘ zu, aber wie und wo diese gemeinschaftlichen Angelegenheiten erledigt werden sollen, kann nur der Landtag bestimmen. Wenn je, schließt der nahezu drei Spalten füllende Artikel , so bedürfen wir fest In den höhern Sphären ,energischer, entschloffener, apatrintischer Vertreter , welche die Zügel des Landes nicht sa leicht ihren Händen entschlüpfen lassen, worüber sich die Bureaufratie nur freuen würde. Dafür aber müsen sie, den feindlichen Elementen gegenüber, durch Das aufrichtige und sandhafte Vertrauen der Nation untersügt werden. ,Nagyarorság " schließlich widmet den Prolifetionen zwei Artikel; im ersten sagt er unter Anderem : Wer unsere Verhältnisse nicht rennt, sieht vieleicht Gespenster. Der Kanzler dankt ab, die Obergespane danken aug ab, dann Lösen fid Die Komitate auf, der Landtag tritt nicht ins Leben, und schließlich kommt der Belagerungszustand. Spängftigen sich. Viele, so hofft Die — Reaktion, Wir raffen b Sade anders auf. Der Kanzler, der feine, die ASer Gefege fordersprechende Stellung eingenommen hat, um den Landtag je früher möglich zu machen, wird, so glauben wir, obwohl er dur) das Diplom vom 26. eher in eine sehr sehwielige Situation, gerathen (ft, seine Historisch denkwürdige, Mifften soll führen. Die Obergespane haben trocken gesehwidrigen Instruationen ihre Stellung eingenommen , um die Schubwehr unserer Berfassung , die Komitate, zu organisiren, damit der Randtag möglich werde. Sowürden, wenn auch Der Kanzler abdanfte, genug Faktoren zur Vertheidigung der Verfassung übrig bleiden. Nach dem Allem ist es leicht sich zu orientiren. Das Diplom vom 26. Ieber it von lauter Ministern unterschrieben, die nicht berufen sind , die Interessen Ungarns zu vertreten. Auch Graf Erecsen ist als Staatsminister unterzeichnet. Se. Maj. hat nur als First der Erbprovinzen, aber nicht als König von Ungarn das Diplom erlassen können, weil er sonst die pragmatische Sanktion und "Mehrere "unserer Grundrechte verlegen würde. Das Diplom kann also ‚wie dies auch das an den Kanzler gerichtete Handschreiben befindet, für die ungarise Nation nur die Eigenschaft einer Tünig- Hichen Proposition befiken , über die erst der Kandtag beratben muß. Bis dahin ist es Fein Gefeg und könnte nur im außerseienlichen Wege geltend gemacht werden. Giebt aber das zu befürchten, da der Kandesfürst sich Frönen Taffen und die Berfaffung des Baterlandes beschwören will? "