Pester Lloyd, Februar 1868 (Jahrgang 15, nr. 27-51)

1868-02-25 / nr. 47

> I Wir ersuchen unsere geehrten 9­0 ft . Pränumeranten, deren Pränm­eration mit Ende Februar­ abläuft, ihr Abonnement se zeitiger erneuern zu twollen, indem sonst, wenn Die Pränuumerationen spät einlaufen, leicht ohne unfer Berfehulden Unregelmäßigkeiten in der Expedition eintreten können. Die Pränumerationspreise sind mit Postversendung: Ganzjährig 22 fl., halbjährig 11 fl., Dreimonatlich 5 fl, BO Fr, zweimonatlich 2 fl., monatlich 2 A, mit separ­tater Bersendung des Abendblattes ver Monat 30 fl. mehr. Das Pränumerationsbureau des „PESTER LLOYD". Bet. 24. eber. Wahrlich, man merzt es an allen Ehen und Enden, bag wir in den­ rechten Tagen des Karnevals leben, in einer Zeit, während welcher man daran gewöhnt ist, dem gesunden Menschenverstande jeden Augenblick ein Schnippchen geschlagen zu sehen. Nur in solcher Zeit können Gerüchte, wie sie jett hie und da auftauchen, sei es auch nur für Momente, ihr Dasein friften, Gerüchte, wie z. B. jenes, daß der Reichstag bei irgend einer nächsten Gelegenheit die Verlängerung Feined Mandates über die­ geiegliche Srifth­inaus beschließen werde. Das einzige Gute haben übrigens verlei handgreifliche Absurditäten immerhin, daß man mit ihnen Furzen Pro­­zeß machen, daß man sie, so zu jagen, standrechtlich aburtheilen und hinrichten man. Thun wir das! Die Neid­e­­rath­-Abgeordneten sind — wie es auch ihr offizieller Name aussprigt — Vertreter des Volkes, welches sie gewählt hat; aus den Händen ihrer Wähler haben sie ein Mandat auf bescränkte Zeitdauer, nämlich auf die im Gehege anberaumte Frist von drei Jahren empfangen. Die Verlängerung eines jeden auf bestimmte Zeit lautenden Man­­dates aber steht, wie Jedem der einfache Verstand sagt, nicht dem Vollmachtträger, sondern dem Vollmachtge­ber zu, und jeder Beischluß, welchen eine Versammlung von Vertretern gegen den Sinn ihres Mandates faßt, ist an und für sich ungiltig, weil eben die Giftigkeit der Beschlüsse einzig und allein auf diesem Mandate beruht. Damit ist diese Frage wohl abgethan. Minder absurd Hingt die Angabe, die Regierung werde eine Erhöhung des Genius beantragen, um den gemäßigten Elementen das Uebergewicht in der neuen Kammer zu siltern. Mit einem solchen 3wede wären wir unbedingt ein­­verstanden ; in unserer Volfsvertretung bedarf es mehr denn in irgend einer anderen ruhiger, nüchterner, praktischer Leute, welche ihre Aufgabe ernst nehmen und sie zu lösen die Fähig­­keit wie den ersten Willen besigen, denn es sind ganze Berge der schwierigsten Arbeiten auf allen Gebieten zu bewältigen. Allein daß eine Erhöhung des E­nsus ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Zweckes wäre, möchten wir bezweifeln. Es ist nicht unsere Absicht die Zweckmäßigkeit der Auf­­stellung eines Census überhaupt zu erörtern. Die Frage ist in der Wissenschafte bis ind Endlose durchgesproc­hen und die Resultate des Diskussion sind durch die Praxis eben­so oft bestätigt, als Lügen gestraft worden. Wir sahen aus Wahlen auf Grund eines eben nicht allzu mäßigen Census ganz frei­­sinnige Kammern hervorgehen, während das sogenannte all­gemeine Stimmrecht befanntlie ein ganz entseglich starkes Kontingent von „Mamelufen" geliefert hat. Aber an eine Er­­fahrung aus unserer eigenen Praxis möge denn doch erinnert sein. Wenn Baron Bach oder Ritter von Schmerling den Census bei und auf die fabelhafteste Höhe hätten empor­­fohwwindeln­ können, würden sie damit eine Majorität für ihre Politik erzielt haben? Standen nicht an der Spite der Oppo­­sition gerade jente, denen denn doc das Wahlrecht hätte zuge­­standen werden müssen, auch wenn die Bedingungen bezüglich 968 Census so exorbitant gewesen wären, daß auf Hundert­­tausende von Einwohnern nur Ein Wähler gekommen wäre?! Begweifet das nicht Mal und deutlich, daß nicht die Höhe des Census darüber entscheine, ob die Majorität einer Kammer gouvernemental oder oppositionell sein werde? Breilich wird man sagen — und theilweise mit Necht sagen können, daß die politische Haltung jener Herren vielleicht nicht Durchgehends von ihrer eigenen Welterzeugung, sondern von dem Drude der öffentlichen Meinung bestimmt wurde. Allein das beweifet nicht gegen, sondern für uns; es beiweifet, daß selbst Männer, welche materiell so unabhängig gestellt sind, als dies für Menschen möglich ist, fi) der Strö­­mung der öffentlichen Meinung nicht entgegenstem­men können und daß somit von dieser Strömung selbt die höchsten Schran­­fen des Census, die ich überhaupt deinen Lasfen, siegreich Durch­­daß wir besigen, was jenseits der Leitha fo schmerzlich ber­eißt wird: einflußreiche Führer, denen die Nation aufrich­tige8 Vertrauen entgegenbringt, und eine politische Disc­i­­p­lin, die und mitunter ang Wunderbare grenzende Erfolge erreichen ließ. Was wäre also durch eine Erhöhung des Census zu er­­reichen? Höchstens, daß an die Stelle einiger Abgeordneten, welche von vorneherein der Regierung nicht hold sind, andere treten wü­rden, bei denen solch eine ungünstige Voreingenommen­­heit nicht vorhanden ist. Daß jedoch diese Herren auch nur einen Tag länger regierungsfreundlich bleiben würden, als die­­ieehrheit der Nation selbst auf Seite der Regierung steht, das zu glauben, wäre eine Täuschung, die es alsbald bitter rächen würde. So lange aber die Majorität des Kal­bes auf Seite der Regierung steht, wird die legtere ohnehin auch in der Ka­m­­mer die Majorität haben oder sich dieselbe einer faktischen Oppo­­sition gegenüber durch einen Appell an die Nation jeden Augen­blick schaffen können, auch ohne das der Census erhöht wer­­den müßte. Gewiß ! Unser Wahlgefeg laborirt an einer Menge von Mängeln und Gebrechen, deren Beseitigung dringend geboten ist. CS gibt eine Unzahl von Mißbräuchen, denen durch strenge gewegliche Bestimmungen gesteuert werden muß. Auch wenn diejenigen, welche heute nur auf Grund eines vor 1848 geübten persönlichen Privilegiums das Wahlrecht besiten, den allgemeinen Bestimmungen bezüglich des Wahlrechtes unterworfen werden, wird Niemand dagegen eine Einwendung machen, denn damit wäre nur ein Unrecht ausgeglichen, für dessen Fortbestand heute nicht einmal der Leifeste Opportuni­­tätsgrund mehr zu finden wäre. Aber eine Beschränkung des Wahlrechtes durch Erhöhung des Census scheint uns nicht nur nicht nothwen­dig, sondern geradezu zwecklos. Will si die Re­­gierung die Majorität auch im künftigen Unterhause sichern, so gibt es Hiezu ein einfaches, sicheres Mittel : er Heift — Arbeit! Mehr als drei Vierteljahre stehen noch zur Ver­­fügung. Wenn während dieser Zeit nach allen Richtungen hin eine ersprießliche Thätigkeit entwickelt, wenn die geistigen und materiellen Steressen des Landes ausgiebig gefördert werden, dann wird auch im nächsten Jahre eine in ihrer über­wiegen­­den Majorität der Regierung freundlich gesinnte Kammer aus der Wahlurne hervorgehen. Fehlt jene rege, fruchtbare Thätig­­keit, fehlen die faktischen Beweise nicht nur eines guten Wil­­lens, sondern auch einer wahrhaft schöpferischen Kraft, dann würde die Majorität des neuen Abgeordnetenhauses — wie auch der Census hinaufgeschraubt worden wäre — bei ihrem Zusammentritte vielleicht nicht oppositionell sein, aber sie würde es gewiß binnen Fürzester Zeit werden! Wien, 23. eber. = Mir haben ein Ministerium der Linien. Doc­heinen sich die politischen B Verhältnisse bei uns rasch zu verschieben. Nicht daß etwa das Ministerium auch nur um eine Linie im Liberaliss­mus zurückgewichen wäre. Gewiß­nis. Niemand, auch nicht der Radikalste könnte anders vorgehen als Gisfra, Herbst und Berger. Gisfra in seinen Erlässen gegen den Klerus entwickelt eine hoch­­gradige Energie des Liberalismus, die ganz wunderlic­h gegen die legten zwei Dezennien abst­cht und wirklich nur in der Kraft­­epoche des Jahres 1848 einen Graßmesser vorfindet. Uns speziell ist zwar gerade in diesem Punkte der Liberalismus des Mini­­sters nicht ganz zusagend. Denn er ist der infam­irte Fofephinis­­mus, der die Kirche unter den Staat beugt, während wir uns zur freien Kirche im freien Staate befennen. Aber man muß zugeben, die öffentliche Meinung will den Yosephinismus, fie­gengewicht zu halten. Vollzugsorgan der öffentlichen Meinung. Nichtsvert soweniger will es ein fester Zusammenhang zwischen der Bevölkerung und dem Ministerium herstellen. Das Bolt lügt die Minister gewähren ohne ihnen aber gerade einen sympathischen Zug des Vertrauens entgegenzubringen. Die V­ollsmänner sind Minister geworben und mit diesem Augenblicke haben sie für die Menge aufgehört, Volfs­­männer zu sein. Alles was Minister hieß, ist im Laufe der Jahrzehnte so sehr dem Volke entwöhnt worden, daß sich dieses nicht mehr entschliegen kan, sich in den Begriff eines volfsmäßi­­gen Ministeriums einzuleben. In den jungen politischen Vereinen Wiens weht bereits ein scharfer Wind. Es zuht der Geist von anno domini in denselben , vafch pulfirend, Heil auflovernd, so geht er bereits mit dem Ministerium ins Gericht, daß die Maffen keinen Be­­griff davon Haben, bag die Minister unsere, des Bürgerthums, Vertrauensmänner sind, durch melde dieses selbst den Staat lenzt, das ist verzeihlich. Die Maffe ist ein ewig fluthendes und ebbendes Meer, das an die Küsten brandend und grollend schla­­gen muß, und wenn Gott selbst an dieser Küste den Wohnsig aufgeschlagen hätte. Wir sehen in feinem Lande der Welt, nicht einmal in England, die Parteidisziplin bis in die tiefen Massen herabgreifen ; dieselben treiben nach ihren inneren unberechenbaren Eingebungen Politik, und sie weise zu renfen ist Aufgabe des Staatsmannes. Aber auch ernste politische Männer, Abgeordnete beginnen heute schon an dem Ministerium, das eben noch Schöpfungsteig war, aus dem es unter der Mitwirkung jener Abgeordneten selbst gebildet worden ist,, herumzunergeln. Wenn diese vorerst allerdings nur leise auftretende Gegnerschaft eine prinzipielle Un­­terlage hätte, dann wü­rde man sie nicht blos berechtigt, sondern auch wünschenswerth finden müssen. Aber in unserem Abgeord­­netenhause finden sich seine prinzipiellen Gegenzüge. Die Linke hat das Ministerium geschaffen, das Zentrum unterstütz dasselbe, wenngleich, dieses einem weniger liberalen Minsterium eine gli hendere Liebe entgegenbrächte. Wenn das M­inisterium eine Zen­­trumsstellung hätte, dann hätte die Opposition einer Linken Sin. Aber da das Ministerium selbst Links marschirt, und das Zen­­trum zu fromm und geduldig ist, um Opposition irgend einer Art zu machen, so wirke selbst ein doppeltes Gesicht Teinen An­halt für eine prinzipielle Opposition dort entbehen können, wo sie aufzuruden beginnen. Links im Lager­ ver entschieden Liberalen. Die einzigen prinzipiellen Oppositionselemente stehen in den fiz­rolern und Slowenen, nachdem die Opposition der Polen durch ihre Untheilhaberschaft am der Regierung gebunden is. Aber man ist bei uns gewöhnt, ausschließlich in der Opposition zu wirken und in derselben feine Erfolge zu erringen. Die Oppo­­­ition war die süße freundliche Gewohnheit des Daseins gewor­­den, und von ihr sollte man scheiden ? So kommt es, dag man dem Ministerium bereit, Vorwürfe macht, dag ed den Staat fit innerhalb der secs Wochen seines Bestand­s neu fonstruirt, wn es Statthalter nicht auf flacher Hand wachen läßt, wobei übrigens alle diejenigen, welche bereits zungenfertig im Takeln sind, selbst es ablehnen, die Statthalterschaften aus ihren Kreisen zu befegen. Der Gebante , daß das Ministerium eine Stüße braucht und daß die Oppositionspartei nun Negierungspartei geworben, der will nicht vor Eingang finden. Und doch beruht der glückliche Erfolg des parlamentarischen­­ Regierungsstistens auf der Festhal­­tung dieses Gesichtspunktes in der praktischen Thätigkeit des Par­­lamentes und in dent Urtheile der Organe der öffentlichen Mei­nung. Sowie die Dealpartei zur Regierungspartei geworben und bei aller Unabhängigkeit body in Fompalten Zusammenhalte Das Ministerium srüßt, so muß sic auch hier die Liberale Partei als „Regierungspartei” konstituiren. Man muß bei uns die Scheu vor dieser Firma überwinden , die allerdings bisher nicht eben wohlaccreditirt war , die aber in Kredit kommen muß, wenn es mit Oesterreich besser werden soll. Es ist wahrlich, nicht genug, da­ die zahme Meenge der Allerwelts-Farager das Ministerium im Kampfe für das Kontordat von den weltlichen Gerichten ver­­urtheilten Pfarrer ; der­ feudale Hochadel zieht sich aus dem Ber­­fafsungstreife zurück und die Grechen legen ihre Feindschaft gegen Verfassung und Negierung fort. Auf der anderen­ Seite hält in Wien der Kapitalismus seinen Umzug in den Vereinen und ges­pinnt durch die natürliche Anziehungskraft ver lautmäuligen Phrase bei den Maffen an Ausdehnung und Anhang. Zwischen diesen beiden entgegengeteten Strömungen steht das Ministerium mitten innen und obwohl es si parlamentarisch (nit hält, so hat es doch der allgemeinen Lage nach eine Mittelstellung und die Re­gierungspartei würde naturgemäß zu einer gemäßigten bürgerlichen Mittelpartei. Unsere Liberale Partei würde eine analoge Stellung einnehmen wie die Dealpartei, wobei die erstere obendrein noch in der angenehmen Lage ist, in dem Census und dem allerdings verwerflichen Wahlsystem eine Schulmauer ihrer Mittelstellung zu besigen.­­ Alles hängt davon ab, daß die liberale Partei im Parlamente, in der Bevölkerung und in der Tagespreife die Nothwendigkeit der Lage, die einen kräftigen Zusam­­­menhalt mit der parlamentarischen Regierung bedingt, begreift. It sie flügig und tritt Zerfahrenheit ein, dann ist die Zukunft der parlamentarischen Regierung gefährdet, ftügt ; diese Leute frügen sein M­inisterium. Die unabhängige liberale Partei muß sich als Regierungspartei konstituiren. Gelingt brochen werden. Die Lage des Ministeriums. | will dem Klerus nicht die selbstständige Macht raffen, Vebles ! EHE Die Kontroverse bezüglich der Hatban Misfolczer Eisenbahn. Vet, 24 Feber . Schon seit­ einigen Tagen ist es bekannt, daß „Hazant”, das Organ des Zinfen Zentrums, von einem Prefprozesse bedroht, sei in Folge einer Neußerung, welche vomselben in Bezug auf die Ange­­legenheit der Harpan:Miskolczer Bahn entschlüpft: ist. Mit unserem Urtheile über die Sade haben wir bisher zurückgehalten, da gleich­­zeitig verlautete, daß der Herr Finanzminister auch unser Blatt, mit einem ähnlichen sehmeichelhaften Betreife seiner Auf­merksamkeit zu be­­ehren gedenke. Unter solchen Umständen hätte das, was wir zu sagen hatten, leicht als eine captatio benevolentiae ausgelegt werden können und einer solchen Mißdeutung wollten wir und in seinem Falle­ aus­­gefeßt haben. Heute indessen, nachdem wir aus der verläßlichsten Quelle willen, daß die uns angeblich bedrohende Gefahr gar nicht vorhanden war, können wir wohl offen unsere Meinung aussprechen. Darüber wollen wir uns in seine Diskussion einlasfen, ob der vom „Hazank” erhobene Vorwurf, oder vielmehr jenes eine dabei gebrauchte Wort juridisch hinreihe, um einen Preßprozeß anzustrengen. Diese Frage möge von Sachmännern bejahend oder verneinend beantwortet werden, so viel ist doch nicht zu leugnen, daß eine Verpflichtung zur Einleitung des Prozesses für die Regierung in feinem alle bestehe, und deshalb möchten wir ihr auf das dringendste davon abrathen, zu gerichtlichen Verfolgungen zu greifen, um so mehr, als ein ehrenhaftes Blatt in seiner würdigeren Weise vorgehen kann, als „Hazank“ es in seiner Donnerstagsnummer gethan hat. Ein viel wirksameres Mittel zur Belehrung des P­ublikums liegt unseres Grachtens, in der Veröffentlichung einfacher­­ ziffermäßiger Daten, wie sie und aus authentischer Duelle zuflammen und nach denen­ sich wohl Jedermann ein Urtheil über die Streitfrage zu bilden in der Lage ist.­­ Zieht man zunächst die Wichtigkeit der Linie Hatvan:Miskolcz in Betracht, so zeigt sich, daß dieselbe vollkommen unbestritten ist. Schon die im Jahre 1866 erschienene Denkschrift "de Herr von Wüllerstorff über das Eisenbahnnet der österreichischen Monarchie. führt die Strecke Hatvan-Miskolc­ unter denjenigen Reichsbahnen an­, deren baldige Ausführung im höchsten politischen und kommerziellen Interesse Ungarns Liege. Sie bildet nämlich ein Glied jenes großen Schienen­­weges, welcher entsprechend der Luftlinie Moskau Mittelrußland und Innerasien):Adriameer zwei von Brody und Z­arnopol ausgehende Touren in einer Hauptbahn gegen Pest zu vereinigt und von dort aus in kürzester Linie über Stuhlweißenburg und Kanizia nach Fiume führt Erinnerungen an Italien. Original:Feuilleton.) N. N. „Stalien — du Land der Lieber und der Liebe, Italien — du Land des Sanges und der Sage, Italien — du Garten Europa’s, mit deinem azarmen Himmelsdome, deinen hohen Bergen , blauen Seen, Italien — du herrliches du wonniges Land, Italien — Iebe wohl !" Es war an einem Sonntage Abends, in der zweiten Hälfte des Bradmonates 1866 , einige Zage vor dem Gefechte bei Bisco und Verfa, als wir, an einen Grenzstein gelehnt, der die Inschrift trug : „Grenze des Königreiches Venetien“, diesen Ab­­schiedsgruß zusandten dem Lande, in heffen , bund­en Laubgewöl­­ben die Golvorangen glühen.” An der Grenze des Königreiches Benetien , da Lagerte die kaiserlich = königliche Brigade , die von Eustozza’s blutgetränften Schlachtgefilden kommend, ruhni und staubbeliedt, auf des Kriegs­­herrn Gebot gegen Norden eilte, zur Unterfrügung der unglück­­lichen Kameraden von Königgräf. Die Gone ging eben unter, blutigroth, hinter den Bastio­­nen von Pallinan­obe, die sich scharf am westlichen Horizonte ab­­grenzten; zur Linken der von Trivignano nach Berfa führenden Straße floß der unbedeutende Torre , die fünftige Grenzscheibe zwischen Oesterreich und den italienischen Panden. Nachdem die Brigade kurz gerastet, wurde wieder aufge­brochen, und vorwärts ging’ unter Trommelwirbeln und Blechj­­ängen über die Grenze hinüber im’s Küstenland. Als wir m­­it der Abenddämmerung­ mit dem Rabegkymarsche vurch Berfa zogen, fanden die Bewohner im sonntäglichen Anzuge vor ihren Häusern und schauten staunend den bestäubten und sonn­­gebräunten Kriegern nach. Außerhalb des Ortes wurde das Nahtlager bezogen, die erste Nacht und das erste Lager nach langen Jahren auf außeritalienischenm Grunde und Boden. Wiürttenberg-Hußaren bezogen Diesmal die Vorposten ; wir waren daher frei und konnten uns ungestört im Kameradschaftlichen Kreise und das Lagerfeuer feten, hessen Flammen hochaufloderten gegen den gestienten Nachthimmel. Job der Müßigkeit und den Strapazen eines neunstündi­­gen Marsches in der glühendsten Yulifonnenlige herrschte heute ein reges Leben im Kreise, und die, wahrscheinlich zum fetten Male mit echtem Nostrano gefüllten Zeltflaschen, machten häufig die Nunbe. Wir plauderten von Italien. Wenn man so lange Jahre unter verschiedenartigen, bewegz­ten Verhältnissen in einem Lande Lebt , wie Italien, so ist man dur mannigfache Bande und Neminiszenzen an dasselbe geknüpft und es müssen Einem nahe gehen die Unstände, unter welchen die Armee das Land verließ, in dem sie so oft gesämpft und geblu­­tet, auf weifen welthistorischen Schlachtfeldern der Faiserliche Dop­­pelaar am schwarz-gelben Banner gar oft überwunden feine fit­tige fenfte und doc, jedesmal feine Schwingen wieder entfaltete.” Doch es war endlich späte Nacht geworden, die Natur macht ihre Nechte selbst an den Lieutenants geltend und wir erhoben und daher­­ noch einmal. Flirrten die geloslaschten über dem verglommenen Bivouacfeuer zusammen: „Evviva la casa d’Au­­strial" hol es in die Nachtluft Hinaus und dann trennten wir uns­ur­­chstreckte meine von Märschen ermatteten Glieder auf das nasse Gras hin,legte mir die Packtasche unter dem Kopfe zu­­recht,breitete den schützenden grauen Mantel über mich und träumte von — Italien. Benedig, „die Stadt der Yluth, die wie ein Zauberschlag der Welte entstand“, wie Lord Byron singt ; — PVicenza mit seinen liebenswürdigen Frauen, mit seinem Deonte Berico, der einem jener heiligen Kripplein gleicht, die man und in der from­men Kinderzeit am Weihnachtsabende bescheert ; — Verona mit feiner ungeheuern Flegelwiese (gewiß eine unverkennbar militäri­­sche Reminiscenz), auf der man uns gebrillt und gerichtet, bis uns die Halsadern unter der Krawatte anschwollen ; — Mantua, dieses unfreundliche fiebrige Mantua, mit feiner finstern Zita­­delle und feinem unheimlichen Drfiniferker ; — Chioggia mit fei­­nem Panorama von der Ponte Bigo, mit feinem Sort Bronz dolo an der Brenta, mit Heinrich Heines Blume der Brenta, der schönen, glühenden Gigia und ihrem Vater, dem blinden Sänger : „Tutti Turchi sono morti!" brülfte er immer zu den Sforzati’g seiner alten Guitarre; — alle die in Kasernen metamorpho­­sirten Paläste der Nobili, in welchen unsere Leute ihre Kommiß­­gewehre aufgehängt und das weiße Niemenzeug auf der Zunft vollen, marmorenen Balustrade des Balfons frisch angestrichen zur Schau ausgestellt hatten. — Die Schlachtfelder von Novarra, Palestro, Magenta, Lodi, Santa Lucia, Solferino, Arcole, Ris­voli, Calviero, Sacile — ihre Zahl ist Legion — jede Fuß­­breite mit österreichischen Blute gedüngt ; — alle die prachtvol­­len Theater, die entzüdenden italienischen Nächte, die einschmei­­chelnde hinreigende Musik, biefe stolzen, Haffisch schönen, italieni­­schen Frauen, die den Menschen zum Dichter und — Verbrecher machen können, Frauen, wie sie nur ein Gott in seiner erha­­bendsten Yoealität geschaffen, ein Mohamed in seinen vermwegen­­sten Träumen zu träumen gewagt — — — alle biefe Bilder und Erinnerungen, , chaotisch bunt durcheinander gewürfelt, zogen an meiner e­rhigten Phantasie vorbei und führten den Geist zu­­rück in tieses Zauberland, dessen Grenzen wir vor einigen Stun­­den, als legte Brigade der österreichischen Liüdarmee, wahrscein­­lich für immerdar überschritten hatten. Seit jener ersten Nacht auf außeritalischer Erde ist schon eine geraume Zeit verfroffen ; vieles ist seither anders geworden. Die europäische Karte hat nun eine neue Eintheilung bekommen, ob auf die Dauer ? Das wir im Jahre 1864 gelegentlich der Armeerebuktion an anderer Stelle geschrieben: „Es waren nicht die legten Prügel, die wir legthin bekommen, es werden noch Andere folgen, vielleicht no gesündere, nur Gebuld !" ist Leider nur zu bald zur bittersten Wahrheit geworden. Doch jedem echten Soldaten hat das gütige Schicsal eine ausgiebige Dosis glüclichen Leichtsinnes verliehen, und dieser ist es, der ihm oft über die schwierigsten Lebenslagen hinweghilft. Der Soldat nimmt aus der Hand der Vorsehung Gutes und Böses entgegen ; er freut sich des Guten, er erträgt mit soldatischen Steihmuthe dag Ueble, wenn es unabwendbar, und­­ vergigt so ziemlich Beides, denn er lebt ganz in der Gegenwart. Der Hoffiche Jäger im „Wallenstein“ faßt die ganze Lebensphilosophie des Soldaten in den Worten zusammen : „Slott will ich leben und müßig geh’n, töte Tage = Neues ah et Srifh mich dem Augenblid vertrauen, Zurüc nit, au vorwärts nicht sehauen !" Nur zuweilen gibt es Augenblide, in denen selbst der Leicht­­blütigste Partisan in seinem Wettlauf mit der Zeit plöglich, inne­­hält, mit der Hand sinnend über die Stirne fährt und an die Vergangenheit denkt. Vorzüglich ist man zu solchen Kontemplationen in des „Mondes legten Tagen“ aus nicht schwer zu fassenden Gründen — wenigstens so lange uns die Delegationen die Cagen nicht er­­höhen — disponirt. Denn ich an solchen Tagen am Unter stehe, mißmuthig auf den Scheiben trommle und hinaussehe auf diese unfreundliche norbische Gegend, grau die Wolfen, grau die Berge, grau die Nebel, Alles grau im Grau, — unter wir die unfläthige, troftlose, mit umergründlichem Kothe und antebiluvialem Schlanme ge­fütterte Straße einer ungarischen Landstadt, in der ich einen guten Theil meines jungen Lebens zu vegetiven Kommandirt bin, da er­­wacht in mir mächtig die sehnsüchtige Erinnerung an den heitern, glüclichen Stüben, an den ätherblauen Himmel Italiens. Und ich träume mich zurück in jene poesievolle venetianische Nacht ; die Oper war zu Ende. — Donizetti’8 weiche Melodien im Ohre betrat ich den magisch erleuchteten Markusplag, am Arme führte ich Marietten. „Gondola, gondola!" erscholl es zwischen den Profuratien. Ich besteige mit ihr die Gondel. Von den träufelnden Wellen gewiegt, gleitet die schwarze Barke den Canal grande entlang zwischen den in flummer Majestät herabbildenden, jahrhunderte alten, mermornen Palästen, bieten ehrwürdigen Zeugen von des stolzen Venedigs einstiger Größe. — Die Szenerie erweitert sich : zwischen den zahlreichen Schiffen aller Nationen,­ die im Kanale San Marco Anker geworfen, windet sich die Barke hindurch,­­int­ die wunderbar illuminirte Biazzetta mit dem Dogenpalaste, der unheimlichen Seufzerbrüde und der Ponte della Paglia, redete die in schweigsame Finsterung gehüllte Insel San Giorgio Maggiore mit ihren Kanonen, im Hintergrunde die Umrisse des Lido, am italienischen Nachthimmel der bleiche Mond über dem goldenen Engel des Dearfusthurmes, in den Armen die Geliebte ihm abhıtend leise flüsternd ; die raue Briefe spielt mit ihren schwarzen Loden und führt sie zu meinem Munde, und ic, küffe die Lode und ich füffe die schwellenden Lippen, höher schlagen un­sere Herzen, es fliegen die Buffe — — — und der Gondolier schlägt die sanft murmelnden Wogen des Golfes und von der Riva dei Schiavoni widerhallt noch immersterbenden Schmelze der Gesang des modernen Trovatore. „Arhostri monti za sa­gt AMS AE Ich stehe am Senfter und blide Hinaus auf bag­einförmige Weingelände. Der Kontrast zwischen dieser Aussicht und dem­ entrüden­ den Panorama von dem Thurme des Mailänder Domes! Zu den Füßen dieses achten Weltwunders ein Parbies, vom Ticino, der Olora und dem Lambro wie von hellen Silberfäden durch­zogen; südwärts der Lago Maggiore mit­ den Borcomäischen Inseln,der Lugano­ und Comosee mit ihren romantischen Ufern wie hingezaubert von einer Kinstler Hand, im Hintergrunde endt sich die Conturen biefer Schneeriefen Europa’s : bei St. Gott­­hard, auf dem einst der Tannhäufer stand und unten in der­­ Tiefe das „Schnarchen" vernahm von­ sechsunddreißig Fü­rsten und Bölfern,­ded Simplon, des Finster-Aarhorn, der Jungfrau, des Monte Rosa, mit ihren beeiften Gipfeln Fühn die Wolfen stürmend ! « , Und jene unvergeßlichen slbende in der grandiofen della Scala!die sinnumstrickenden Ballette mit ihren Reminiszenzen an die unnachahmliche Fanni Elsler,an die Ceritto,Taglioni.... Und in meiner Erinnerung taucht Verona auf. Verona mit dem Grabmale der liebenven Julie den Denk­­­mälern der Scaliger,den altersgrauen Steinmassen der römischen Arena Verona mit seinen­ Benedek’schen­ Soireen,mit allen Lei­­den und Freuden des italienischen Garnisonslebens,mit den an­­dernen Burgen,von deren Ringmauern die im Sonnenscheine glitzerndecymetallenen Feuersckstände einst in die­ pfaichtvolle Ebene herabsehen,in der Mitte der schwarzgelbe und rothweiß gestreifte Flaggenstock vom Doppelaar gekrönt und verkünden d­ie Macht und Oberhoheit des Hauses Habsburg-Lothringen.So stand es noch vor zwei Jahren und heute—fuimus Tross-kurtiliovet ingens gloria Teucrorum ! Und endlich — noch eines Momentes will ich gewennen.­ Es war am Abende nach der Schlacht von Rustozza­­ er­­mattet und erschöpft von den Kämpfen des Tages war ich an den Eypresfen am Belvedere niedergefunden, unter denen auch einst der große Habegty ruhte ; die Sonne war Hinter dem Bergen nieder­­gegangen, auf der Straße nach V­illafranca wirbelte in mächtigen Wölfen der­ Staub Body auf, dort floh ein­­ geschlagener König mit feiner geschlagenen Urne. Da gesellte fi ein alter verwetterter Jägerhauptmann zu mir; er blidte ‚eine Zeitlang stunm hinüber auf den Monte Godio, ven wir vor wenigen Stunden im Bereine mit seinem Bataillon den Grena­­dieren der Division Govone mit gefüllten Bajonnete entrisfen hatten. Endlich, brach er das Schweigen; „siehst Du", sagte er, sich den grauen Schnurbart streichend, in seiner körnigen Solda­­tenweise zu mir: „biesen vermalebeiten Berg da drüben habe ich [ schon einmal vor achtzehn Jahren gestü­rmt, es war ein heißer, blutiger Ehrentag, wie heute, aber troß alldem, — ich kann mich des Gedankens nicht erwehren —, wenn man all das Blut, das seit den Zeiten der Hohenstaufen bis zur jegigen Stunde für dieses Land getroffen, einem Galamimacher auf Plungen verkauft hätte, der Werth Italiens­­ wäre dreifach auf­­gewogen.“ - - ".».«­­Ich war wohl dazu mal nicht in der Verfassung derlei Res­flexionen anzustellen,aber heute fällt mir dieser drastische Aus­­sprach des alten Jägerhauptmanns ein,-—er ist vielleicht nicht so ganz „ohne“. "-.. Viel Blut hat schon dieser Bodethal­ens aufgesogen,so manches braven Soldaten und treuen Kameraden Gebeine bleib­en unter jener Sonne,Glück und Unglück hat die österreichische Arm­ee im wechseln­den Laufe dort erfahren,darum wird auch die Tra­­dition noch lange Zeit sagen und singen von jenen Thaten,und noch in den spätesten Tagen wird in unserem Hefte lebendig bleiben die Erinnerung an—Italien. | i ' |

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