Pester Lloyd, August 1874 (Jahrgang 21, nr. 176-199)

1874-08-01 / nr. 176

z«—.­­ \ Budapest, 81. Su, A: macjt, in den Herrschenden Kreisen. ...Z:Ganz unverkümmert sei der Regierung­ der Sieg "gegönnt,den sie auf dem Karlovitzer Kongreß errungen, sgleich wie das Odium eines­ Mißerfolges ihr"allein zur Last g­ef­allen wäre.Die Patriarchenfrage hat-wenn nicht anders noch in zwölfter Stunde ein Hinderniß dazuwischen fam — ihre Lösung auf streng geieglichem Wege gefun­­den. Der wichtigste Alt zur Entwirrung der serbischen Kir­­chen-Angelegenheit ist damit vollzogen und sobald die Wahl des neuen Patriarchen die Genehmigung der Krone erhält, wird aus dem Chaos der gegenwärtigen Zustände auch der feste Boden zum­ Ausbau der nationalen und firdlichen Institutionen der Serben hervortreten. Und un­zweifelhaft wird dann die heute erfolgte Wahl alsbald die Bestätigung finden. Der neue Metropolit hat sich bereits in gleich wichtiger Stellung bewährt und bietet sonach die persönliche Garantie, daß er seines Berufes als Priester Seiner Kirche und als treuer Anhänger seiner Nationalität, ‚gleichzeitig aber auch als Patriot und als Bürger des un­garischen Staates walten werde mit jener Gewissenhaftig­­keit, welcher das unverfälsschte Kultii­nteresse der Ber­g­­völkerung zur Richtschnur dient, und mit jener Selbstständig­­keit, die seinem Koterie-Einflusse zugänglich ist. Nicht gern mö­­gen wir Vergleiche anstellen zwischen dem nunmehr gewählten Patriarchen und dem Manne, der vor ihm zum Metropo­­liten designirt war , gewin­nt auch Herr Stojfovics ein­­ ehrenwerther Priester und verdient als solcher ohne Brei­­fel die Sympathien seiner Glaubensgenossen , allein wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie arg er von den Neben der ultraradikalen Fraktion umstrict war, er könnte nicht vollgiftiger gegeben sein als in der verbürgten That- Jade, daß er troß dreimaliger unverblü­mter Aufforderung von kompetenter Seite es nicht über sich gewinnen konnte, freiwillig auf die Ehre der Wahl zu verzichten, die ja für ihn schlechterdings seinen praktischen Werth haben konnte. ‚Schwerlich war es ihm verborgen, welche schädliche Folgen eine neuerliche Verwirrung der P­atriarchenfrage für das gesammte konfessionelle und kulturelle Leben seiner Natio­­nalität nach si) ziehen müßte, wenn er gleichwohl hart­­nädig auf seinem Schein bestand, so zeigt dies zur Genige, daß er Die Gunst der Ultras höher stellte als den Frie­­den seiner Kirche. Das st indessen überwunden. Dank dem ziel­­bewußten und energischen Auftreten der Regierung in dem legten Stadium der Kongreßverhandlungen ist die leidige Patriarchenfrage aus der Welt geschafft und mehr als Dies — der Terrorismus jener wüsten Gesellen, die seit Jahren die nationalen Regungen unter den Serben zu den­­ schändlichsten Zwecken mißbrauchten, er ist nunmehr ge­broc­hen. Der Sieg des Gefeges ist eine empfindliche Niederlage Miletics’ und die legtere wieder kommt einer Ertösung der serbischen Bevölkerung gleich. Wir dürfen es ohne Miedertreibung jagen — mit der Bändigung der persönlichen Gewalt dieses Mannes ist der staatsfeindlichen Agitation unter den Serben der Giftzahn ausgebrochen worden. Der Täuschung, als sei nunmehr der künstlich erzeugte Groll geschwunden, oder als fünne das Terrain sofort von dem nüchternen und patriotischen Elementen offupirt werden, geben wir uns freilich nicht hin, ange­­trengter und ausdauernder Thötigkeit aller berufenen Nat­toren wird es bedürfen, damit die Nachmirfungen der stematisch betriebenen Verhegung gebannt und die fer­n­e Bevölkerung für die Ideen des Friedens und der un den nationalen Entwicklung gewonnen werde ; aber hoher Gewinn ist es nichtsdestoweniger, Daß ‚der wüste „Maditalismus jenes Agitators zum min­desten im” deit­ gebildeteren NKreifen der serbischen Nationalität allen Boden verloren hat. In der Na­­ionalpartei selbst — die Minorität fam ja vermöge ihrer numerischen Unansehnlichkeit ohnehin kaum in Be­trag — erstanden ihm die heftigsten Widersacher und diese brachten ihn zu Balle. Dabei mag es unentschieden bleiben, ob wirklich der Sinn für die gemäßigtere Ten­­denz, oder nicht vielmehr die Furcht, es künne der ungetei­­lte Widerstand zur Bericchtung der konfessionellen Auto­­nomie führen, den Ausschlag gegeben hat. Denn selbst, wenn lebter es stünde, wäre es ein erfreuliches Zeichen der allmäligen Ernüchterung, daß man in serbischen Kreisen endlich daran denkt, wie viel man im fortgelegten Kampfe gegen die Staatsgewalt zu verlieren hat und mie viel unter der Herrschaft der gesunden Vernunft konservirt wer­­den kann an Gütern der nationalen Freiheit und der kon­­­fessionellen Autonomie.­­ Troßdem nicht derjenige Bischof die Majorität erhielt, den die öffentliche Meinung längst für die Würde des Me­­tropoliten auserkoren, ist der Erfolg der Regierung ein gan­­zer und Durchgreifender. Und fragen wir, wie dieser Er­­folg erzielt wurde, so finden wir, daß er das Ergebnis einer klaren, selbstbemußten und emergischen That ist "— einer That, die unter unseren Zuständen schon an sich alle Anerkennung verdient. ar manche Hebel find uns­­ aus dem gemeistermaßen negativen Charakter der bisherigen­­ Bolitit ermachten. Die Ereignisse wurden hierzulande zu­­­­meist nur in dem Lager der opponirenden Elemente ge- man entweder aber lep aus genialer Sorglosigkeit, oder aus Mängel an­­ entschie­­dener Thatkraft die Ereignisse an sie herankommen, vor­­gebeugt wurde ihnen selten, zur rechten Zeit bekämpft wurden sie far niemals, und erst wenn sie eine bedrohliche Gestalt annahmen, hinkte man mit den Abhilfsmitteln hin­­ter ihnen einher. Vielleicht drach fi darin gar ein front­hafter Zug unseres Volkes aus, und der " Bató Pál" des großen nationalen Dichters kennzeichnet vielleicht nicht eine Abart, sondern eine Gattung. Wie dem aber auch sein mag, wir würden es als eine ungemein glückliche Wen­­dung betrachten , wenn das entschiedene Handeln der Re­gierung nicht eine zufällige Erscheinung, sondern der Aus­­fluß eines wohlerwogenen und feststehenden Systems wäre. Die rechte That zur rechten Zeit — darin besteht das ganze Geheimniß jener Staatsmänner, die mit geringem Aufwand große Mesultate erzielen. Sie kommen den intensiven Mer­nungen im Bolfe zuvor ; sie bemächtigen sich der feimenden Bewegung, um sie entweder unschädlich zu machen, oder ihr Richtung und Ziel zu geben, ehe sie über alle ver­­nü­nftigen Schranfen hinausfluthet, und sie lassen vor allen Dingen dem Zufall den möglichst geringen Spielraum. Wieviel Schlimmes bei uns durch eine solche Bolitit hätte verhütet werden können, sei es auf wirthschaftlichen­, sei es auf nationalem Gebiete, das ist wohl überflüssig zu erörtern, und so gilt es heute bei uns nicht, eine große providentielle Aktion zu entfalten, es muß vor Affen selbstbewußt an der Abstellung der vorhan­­denen Uebel gearbeitet werden, und für diese reicht [chon jene einfache Thätigkeit aus, die das Gegentheil von Thatenlosigkeit is­t und daß sie zu guten Ende gedeihe, dafür bürgt der nüchterne Sinn unserer politischen Kreise. Nicht ohne Absicht haben wir uns diese Abschweifung von dem eigentlichen Gegenstande gestattet ; es will uns nämlich bedürfen, daß jene P­olitik der Raffinität sich am empfindlichsten auf dem Gebiete der Nationalitätenfrage gerächt hat. Nachdem wir mit gefeßgeberischen Akten die Autonomie und die Gleichberechtigung der Nationalitäten gesichert hatten. kümmerten wir uns nicht weiter darum, was hinter jenen Bollwerten der nationalen Autonomie geschah, vergaßen daran, daß wir selber die Waffen geschmiedet haben, mit welchen eine feindselige Agitation das Interesse des Staates wirks­am bekämpfen kann, und versäumten wir darüber die P­flicht, dur­ eine lebendig fortwirfende Politik den Mißbrauch zu paralysiren, der mit den nationalen Privilegien allenfalls getrieben werden möchte. Das, meinen wir, müsse und werde nunmehr an­­ders werden. Der Erfolg, welchen das Kabinet Bitte in der odiosen Frage errungen, die sich seit Jahren wie eine permanente totale Krise hinzog, mag dazu dienen, der Regierung das Heilsame einer thatkräftigen Bolität zur demonstriren. Unter den Serben sind jebr in Wahrheit Anknüpfungspunkte zur Pflege der gemäßigteren Tendenzen geboten und es wäre eine arge Versämntniß, sie abermals sorglos fallen zu lassen, weil es gelungen it, die Barb­ar­­kenfrage zu hdfen. Die Aktion muß konsequent weiter geführt werden, bis endlich der vollständige Sieg des Staatsgedankens über die Umsturzbestrebungen erreicht wird. — Budapest, 31. Juli. A­­m ersten Juli hat das Abgeordnetenhaus die Berathung der sogenannten Wahlnovelle unter schweren Besorgnissen und inmitten einer gedrücten Stimmung der Parteien begonnen; am einunddreißigten Juli wurde die Debatte unter allgemeinem Läbel zu Ende geführt. Die Abgeordneten, Die der Erledigung des Gegenstandes einen vollen Monat über die normale Arbeitsdauer, und zwar mit Nadsigt auf die berechtigten Anforderungen der Pri­­vatinteressen und der Erholungsbedürftigkeit jedes Einzel­­nen, den wichtigsten Monat des Jahres geopfert — sie künnen, mit dem Bewußtsein redlich erfüllter Pflicht zu ihren Familien und ihren Land un wirthschaftlichen Beschäfti­­gungen heimkehren, sie haben ein rechtschaffen Sind Arbeit vollbracht und dem Lande einen wahren Dienst erwiesen. Nicht als ob wir das heute­­ erledigte Geseb als eine vollendete legislatorische Schöpfung betrachteten. Die Wahlnovelle sollte, wie schon ihr landläufiger Titel besagt und ihrer ursprünglichen Bestimmung zufolge eine ‚solche nicht sein. Wer aber die zahllosen Widersprüche und Un­­klarheiten des 1848er Wahlgesethes sich vor Augen hält, wen die D­isfretionäre und in vielen Fällen arg mißbrauchte Gewalt der Konstriptions- und Wahlausschüsse, die für unser Land wahrhaft beschämenden Ausschreitungen des Kortesthums, die Mißbräuche und gefäßwidrigen Agitationen vieler Kandidaten und ihrer Parteigänger, die Erzeije der Wäh­­ler, die wüsten Gelage, wen die seiten, mancher Wahlagitato­­ren angewandten Beziehungen, Versprechungen und Dro­­hungen, wen die Fülle von Injulten und selbst Beziehungen gegen die Bersen der gegnerischen Wähler noch frisch im Gedächtnisse sind, der wird es nicht in Abrede stellen, daß eine geiegliche Verfügung, die, 10 sehr sie vom prinzipiellen Gesichtspunkte auch unvollkommen sein mag, so wenig sie ihrem Gehalte nach darauf Anspruch erheben kann, „aere perennius" zu sein, für das Land genannt zu werden verdient, wenn sie nur­ dennoch fHon an sich eine Wohlthat geeignet ist, die oben geschilderten Weberstände abzustellen. Dieses Verdienst mus aber der Wahlnovelle unbedingt vindiziet werden. «· Aber noch eine andere erfreuliche Erscheinung hat die heute beendete Wahldebatte zu Tage gefördert:die merk­­liche Annäherung der Parteien gerade aus Anlaß der Ver­handlung eines Gegenstandes,der mehr denn irgendeiner seiner Natur nach geeignet ist,die Parteileidenschaft wach­­zurufen und in Athei zerhalten.Mit großem gegen­­seitigen Mißtrauen waren die Mitglieder der Par­­teien an die Verhandlung des ebenso wichtigen, wie heiklen Gegenstandes herangetreten.Ein großer Theil der Opposition war anfänglich von der Ueberzeugung durchdrungen,die Regierung und die Decik- Partei hätten­ die Wahlnovelle nur geschaffen,um ihr Partei-Interesse wirksamer zu wahren,eine Ueberzeugung, die allerdings weder vM den Einsichtigeren der Opposition getheilt,"wo(1)durch den Tenor des Gesetzentwurfes oder die Haltung der Majorität gerechtfertigt wurde.Anderer­­seits waren die Freimde des Gelingens einer,wenn auch nur provisorischen Wahlreform angesichts der drohenden Haltung der Nationalen und der oppositionellen Ultras von­ Angst und Besorgniß um das endliche Ansleben treten dieser Reform erfüllt.Leider erwies sich diese Befürchtung zu Anfang der Debatte als eine nicht unbegründete.Dank der Zugänglichkeit der Majoritäst für die berechtigten For­­derungen d­­r position ist es gelungen,den Parteien ge­­genseitig von ihren subjektiven Intentionen der Wahlre­­form gegenüber, eine freundlichere und eine richtigere Meinung beizubringen, eine Wandlung, die sofort auf die objektive Behandlung des Gegenstandes selbst einen heilsamen Einfluß angübte. Dieser richtigeren Würdigung der gegenseitigen Standpunkte danken wir es, daß ein Geseh von der Be­deutung und Tragweite der Wahlreform nicht, wie die Opposition sonst sogar zu behaupten pflegte, durch ge­peitscht, sondern mit dem SHinzutritte und häufig mittelst der offenen Zustimmung der Opposition ange­­nommen wurde Wenn nun dem Lande einerseits durch die­ Schöpfung der Wahlreform eine Bü­rgschaft Dafür geboten wird, daß fortan die Vertreter des Wolfes im Unterhause ihre Man­­date in lauterer Weise und auf gejeglichem Wege, mit Hinzutritt aller berechtigten, aber auch mit Ausschließung aller unberufenen Wählerelemente erhalten werden, so soll andererseits eine weitere Schöpfung des Abgeordnetenhauses, die auf Die morgige Tagesordnung gefeßt it, den gedeih­ Llen Verlauf der Reichstagsverhandlungen sichern. Es ist dies die Revision der Hausordnung, der letze in dieser Session no zu vollziehende meritorische At des Abgeord­­netenhauses. Eine der sch­werwiegendsten Ursachen des schleppenden Ganges der Verhandlungen in unserem Abgeordnetenhause besteht nämlich darin, daß jede Vorlage, ehe sie zur Ple­­narverhandlung gelangt, in den Sektionen disfutirt wer­­den muß. Die Sektionen wählen ihre Vertreter, welche zusammen­ den Zentralausschuß bilden. Dieser verhandelt wieder den Entwurf, verfaßt seinen Bericht und entsendet seinerseits einen Referenten, der den Ausschußbericht in der Plenarverhandlung vertritt. Dann gelangt der Entwurf erst vor das Plenum des Hauses. Gemilse Gegenstände werden überdies noch vor der Zumessung an die Sektionen in den ständigen Spezialausschüffen, als: die Eisenbahn­-, Finanz, Unterrits-Kommission u. s. w., oder vermöge der Wichtigkeit der Sache in einer ad hoc gewählten Kom­­mission verhandelt. Die Sektionen nun werden ohne Rück­­sicht auf Beruf und Neigung der Abgeordneten durch das 208 zusammengefegt,­ nicht selten kann es daher vor­­kommen, daß eine Sektion über einen Gegenstand zu ver­­handeln hat, der den Mitgliedern der betreffenden Sektion, weil vollkommen außerhalb des Faches derselben legend, gänzlich fremd ist. Mean wird leicht einsehen, daß ein sol­­cher Berathungsmodus ebenso zeitraubend als unersprieß­­lich ist. Dieser Umstand bildete einen der wesentlichsten Gründe, weshalb seinerzeit die Abänderung der Geschäfts­­ordnung des Abgeordnetenhauses so dringend urgirt wor­­den. Da man jedoch angesichts der damaligen gereizten Stimmung der Parteien dem lieben Hausfrieden das Opfer brachte, den Gegenstand vorläufig fallen zu lassen, blieb Alles beim Alten. Im der gestrigen Sigung des Ab­­geordnetenhauses brachte nun Herr Ladislaus Kovács einen Antrag ein, der wenigstens die auf die Sektions­­berathungen bezüglichen Bestimmungen der Hausordnung modifiziren und es dem Abgeordnetenhause freistellen sol, gewisse Gegenstände mit gänglicher Umgehung der Sek­­tionen vor der Plenarversammlung blos in Fadhtom­­ Kommissionen naturgemäß vorwiegend aus Mit­­gliedern der­ Majorität bestehen würden, während in den Sektionen durch den H Zufall oder Zusammenlegung oder des Er­scheinens der Mitglieder Doc­ manchmal das oppositionelle Element in der Mehrheit ist, kann unseres Erachtens als ernster Gegengrund nicht geltend gemacht werden, da ja die von den divergirenden Sektionen zum Ausdruck des braten abweichenden Meinungen auch nur dur­ Separat­­voten im Hause geltend gemacht werden können, ein Expe­­diens, welches natürlich auch in den Sachkommissionen zur Anwendung kommen kann ud die Möglichkeit der Geltend­­machung des oppositionellen, wie ü­berhaupt des Minoritäts- Standpunktes im­ Hause für alle Fälle sichert. Der Antrag kommt, wie erwähnt, in der Samstagsfigung zur Verhand­­lung. Hoffentlich wird das Abgeordnetenhaus unter dem Einfluß der modifizirten Hausordnung eine reichere Thätig­­keit entfalten als bisher. — Ueber die Verminderung der Salinenscheine wird dem „Beftt Naple" aus Wien vom gestrigen Datum ges­­chrieben : Eine der Aufgaben der Kommission zur Kontrollrung der schwebenden Staatsrrt;und besteht darin, das Verhältnis zwischen den Staatsnoten und Salmenscheinen und speziell die Aufrechterhaltung des vom Beleg vorgeschriebenen Duantums derselben zu kontroliten. Bei der Wiener Börsenkrise zog das Geschäft und die Spe­­kulation alle Geldvorräthe in dem Make an fi, daß die Refiker von Salinen-Pfandan­weisungen alle ihre Pfandbriefe so einlösten, daß dieselben ganz aus dem Verkehr herausgezogen wurden, indem die noch nicht eingelösten 23 Millionen beinahe ausschließlich als Sielstellungen verschiedener Art beim Staat deponirt waren. Zu­­ dieser Zeit wandte die Landeskommission Alles auf, um das gejegliche­­ Verhältniß herzustellen. Doch erfolglos; die nur 5 po&t. abwerfenden Salinenbriefe wollte Niemand haben so lange, bis nicht die durch Die Krise hervorgerufenen großen Verluste die Kapitalisten nachdenklich machten und sie ihre aus der Krise geret­­teten Gelder entweder todt liegen ließen, oder, mit einem nur Sper­­entigen aber sicheren Einkommen sich begnügend, neuerdings den ah­nenfcheinen si zumandten, was sie Wiederherstellung des ge­­ießlichen Verhältnisses zur Folge hatte. Der österreichische Finanzminister,dem die 7 Millionen zu viel waren,die er nach diesen Pfandbriefen hätte zahlen solle, setzte den Zinsfuß zuerftungPerzenh und als er auch damit den gewünschten Zweck nicht erreicht sah,neuerdingsumlig Pers­zent herab. Die Landeskommission verhandelte in ihrer am 3. d. M. des gemeinsamen Finanzmini­ abgehaltenen Gigung die Zufgrift­tiere, in welcher er die Kommission von der Binsenreduktion der Salinenrcheine verständigte, bei welcher Gelegenheit auch das Kom­­missionsmitglied Ladislaus Rraffay beantragte, die Kommis­­sion möge dahin wirken, daß der österreichische Finanzminister den Zinsfuß wieder erhöhe. Da aber Diese, obwohl zweimalige Zin­­senherablegung die Salinenscheine nur in geringem Maße verrin­­gerte, so fand die Kommission zu einem Auftreten sich wo nicht berufen, beschloß jedoch auf Andrängen des Herren Rouffay, daß sie, wenn die Salinenscheine auch nur auf 85 Millionen herab­­gehen sollten, in diesem Falle für ihre Bflicht erkennen werde, zu interpelliren. Da sie aber Damit, daß sie seinerzeit an den ges­­einsamen Finanzminister und ein andermal an den Finanz­minister Ekertapoly fid gemandt hatte, Feine Resultate zu er­­zielen im Stande geriesen, so beschloß sie, bei dem Eintreten eines solchen Falles die Legislative um ihre Intervention anzu­­gehen. ,. Da nun nach dem Ausweis vom 29. b. M. die Pfand­­briefe auf 88.512.132 fl. 20 fl. herabgegangen sind, so richtete Eingabe an beide Häuser der Be die Kommission folgende Iiälative : Die unterzeichnete Kommission hat bereits in mehreren ihrer Berichte sich über das zwischen den Staatsnoten und den Salinen­­regeinen bestehende Berhaltung ausgesprochen und hob hervor, daß, nachdem einerseits die Salinenscheine eine die andere Hälfte der Monarchie belastende Schuld bilden und duch den Finanzminister der im Reichsrathe vertretenen Länder selbständig verwaltet werden, andererseits aber im Sinne des §. 5 G.­A. XV . 1867 die bis zum Betrage von 100 Millionen dem Verfehre nicht übergebenen Sali­­nenscheine durch Staatsnoten, welche unter die Garantie Ungarns gestellt sind, erregt werden müssen, die Kommission auf die herr­artige Vermehrung der Staatsnoten einen­­ bestimmenden Einfluß nicht üben könne und daher der im §. 12 des G.­A. XLVI : 1868 umschriebenen Aufgabe der Ueberwachung, daß Die­sergestaltige Vermehrung der Staatsnoten seine ständige werde, nicht anders zu entsprechen vermag, als daß sie im Falle der Verminderung der Salinenscheine der Legislative hievon Kenntniß gibt.­­ Ein solcher Fall ist gegenwärtig auch eingetreten.­­ Der Betrag der im Verkehr befindlichen Salinenscheine be­­zifferte si am 31. Mai 1873 auf fl. 33,354.582.50 und ist seit die­­­ser Zeit fortwährend gestiegen, so daß derselb­ am 31. Mai d. 3. fl. 98,591.732.50 ausmachte. Der Finanzminister der im Neichgrab­e vertretenen Länder hat nun den Zinsfuß der Salinenscheine von 5% auf 4% herab­­geföst, und i­ in Solge dessen der Betrag der im­merfehre befind­­et auf fl. 83,512.132.50, daher um fl. 15,079.600 gejunfen. Die unterzeichnete Kommission würde auf diese eben nicht nennenswerthe Verminderung sein Gewicht legen, wenn dieselbe die Folge jener natürlich­en Schwankungen wäre, dem jedes Merk­­­nn je den zeitweiligen Verhältnissen des Geldmarktes aus­­geregt it. » Nachdem aber diese Verm­inderung i­mzwe­ife­lhaft nur der Zinsfktßherabstützung zuzuschreiben ist,od es sehr wahrscheinlich ist, daß die Verminderung nicht nur andanken,so inderst noch weiter gehen wird,kann es die Kon­mission nicht verabsäimken,der Ansicht Ausdruck zu geben daß die sehr süinng des Finanzministers get FE Hälfte der Monarchie mit den Befeken nicht vexemn­­ax ist. Diese Befeke gestatten wohl die Erregung der Salinenscheine der Staatsnoten, sie erreichen aber auch, daß dies nicht ständig der Fall sei, und ist daher eine zeitweilige Verminderung als eine Folge der momentanen Verhältnisse des Geldmarktes in Betracht gezogen, sie konnten aber nicht vorauslegen, daß der Finanzminister der im Reichsrathe vertretenen Länder seinerseits auf die Vermin­­derung der Salinenscheine wirken merke. « . h Feuilleton. Arco ein Skizzenblatt aus Südtirol. Bon Karl Emil Franzos. Börne sagt einmal: „Jeder Mensch meiß, was die Lange­­meile ist.“ Das ist nicht mehr, das meiß nur ‚jener Mensch, der an einem Gegentage im „Cafe Andreis” zu Riva fißt und dem trübseligen Spiel der Nebel auf dem Gardasee zusieht. Nur zu­­meilen kann man außerdem sehen, wie ein kleiner Schlingel den anderen in eine Rothlache wirft oder wie ein autochthoner rother­­ Regenfidju­rm vporüberwandelt­e immerhin seine Anregungen für­­ Bemühe und Geist des fremden Touristen, die sich indes auch nicht allständlich ereignen. Ich bin in meinem Leben sicher in man­­cerlei traurigen Situationen gebesen, ic­­h war einmal in der Krone” zu Agern im Schwarzwald zwei Tage eingeregnet und meine einzige Gesellsfaft war eine ältliche deutsche Schriftstellerin, melde mir während der Zeit ihren lesten Roman vorlas — aber in Riva gab’s doch noch mehr, weit mehr Wasser und Langeweile und Kälte dazu. Aber, Iage Goethe — e­ift seit einiger Zeit wieder statt Mode, Goethe zu ziti­en und weiß man nichts Bedeu­­tendes von ihm, so zitirt man Unbedeutendes, und ich sehe gar nicht ein, warum nur ich meine Belesenheit unter den Scheffel stellen sollte — also Goethe sagt: „E s regnet man es regnen farn, 83 regnet seinen Lauf, Und wenn8 genug geregnet hat © o hört es enölig­ auf — was auch eines Abends in Riva wahr wurde. Und am nächsten Morgen war Alles so wunderschön, als es bis dahin häßlich ge­­wesen. Tiefblau war der Himmel, azuren der See und goldig die Sonne. Da schüttelte ich Fröhlich den Roth von meinen Füßen , und wanderte gegen Arco. Luft an diesen Ort trieben mich mannigfache, aber durchweg anlautere Motive. Erftens die schnöde Sucht nach dem Bilanten. Mein braver, spießbürgerlicher, verläßlicher V­aederer macht bei seiner Beschreibung des Weges von Arco die schlichte, aber schwer­­wiegende Bemerkung: „Dlive, Granate, Feige.” 34 wollte mir das piidelnde Gefühl nicht entgehen lassen, diese edlen Südfrüchte a mit denselben Händen zu betasten, melde sich den Abend vorher in Meran solglich am warmen Ofen meines wohlgeheizten B Zim­­mer gewärmt. Zweitens­­ trieb sich die Schadenfreude in den neuen kiimatischen Kurort. Am „Safe Andreis“ hatte nämlich ‚eine alte sehr unwahrheitsliebend aussehende Dame — sie trug eine ‚Brille und einen grauen Hut — die Schrecensfunde verbreitet, daß die Langeweile in Arco epidemisch auftrete und daß insbe­­gebrigens dehnt sich Der in mir die grausame Luft, Menschen zu sehen, die sich in fetter Zeit noch mehr gelangweilt als ich. Von dem Wege will ich an dieser Stelle nur berichten, daß er sehr Schön ist und daß der alte Bädheler auch mit seiner Behauptung von den Oliven und Feigen Necht hat. Meg, wenn man das Brüdlein über den Berrone paffirt hat, etwas ungebührlich. Darum nahm ich ihn auch gebührlich zmn­­fgen die Beine und sah bald den foigen Fels aufragen, den das verfallene Gemäuer des Schlosses Arco Front und zu seinen Für Ben, wo das enge Bergthal der Sarca in die fruchtbare See-Ebene mündet, die Häuser und Gärten des­­ Städtchens. Bor eines Gerbers in weithin duftender M Werkstatt gabelt sich der Weg. Links geht’s zur Stadt, an einem neuen, zerfallenen Haufe vorüber. 68 ist eingestü­rzt, eben als man es beziehen mollte. 60 grüßt den Wanderer gleich am Eingange von Arco ein Stück großstädtischer Solidität und Zivilisation. Aber in der Stadt selbst ist hievon — Gottlob oder Teicher ?! — nichts mehr wahr­­zunehmen. Urco verleugnet in Nichts den Typus jener düsteren Berge weiter, wie man sie im Trentino und in der Lombardei findet. Alte, graue, schmale aber drei- bis vierslößige Häuser mit schlüpfrigen, steilen Treppen, halb erblindeten Fenstern, nadeligen Balkonen und flachen Dächern ; enge, steile, entseglich gepflasterte Straßen, die nur kurze Stunden des Tages ein Sonenstrahl trifft; eine Un­­zahl finsterer Sadgäßchen und in den Hauptstraßen kleinstädtische Läden. Ueber Allen­aber und Alles umhüllend, auf jeden Bal­­lone und von jedem Fenster heraus, in jeder Straße und über jedem Laden Wäfjche und wieder M Wäsche, weiße und rothe und blaue und grüne Hemden und Kaden und — kurzum wasfe, zum Trocnen aufgehängte Leibwäsche, alüberall, so weit der Blid reicht und allimmer mal ! Philosophie gehört gemeiniglich nicht ins Feuilleton, aber von dem tiefen Büchespalt, den diese italienische Mode in meinem Herzen hervorgerufen, wage ich doch vorübergehend zu sprechen. Allüberal auf meinen Wanderungen im „Garten Europas“, von jenen wildschönen Bergthälern, mo fidh deutsche und mälfhe Zunge fegeidet, bis hinab zu dem herrlichen Teuchtenden Palermo habe ich­ allorts an den Menschen sehr [hmugige Wäsce entdeckt und an den Häusern reine Wäsche zum Trodnen aufgehängt! Wer löst mir Dieses dunkle Näthfel aus dem Leben eines Bolls! Wenn sie fo­igmutige Hemden tragen, warum machen sie täglich, und wenn sie täglich waschen, warum tragen sie fo­igmutige Hemden ?I... AS ich zu Nerd­ Rast hielt, am blauen Tyrrhenermeer, stand ich oft stundenlang am Meere, jeitab Hang das Kratichen der Tü fderinen, ich aber starrte in die Fluth und wenn der Geist über . Meer, einiges göttliches Meer, das du raufchest vom Aufgang zum Niedergang, das du raufchest vom Anbeginn der Tage, gib’ Antwort meiner Frage: warum mnwarden diese Weiber jeden Tag ? !“ ... Und das Meer raufchte und vielleicht gab’s mir den ge­­­wünschten Beitrag zur Bölfer-Bindologie, aber ich hab’S leider nicht verstanden — Ungelöste Fragen auf der Lippe Ungelöste Räthfel in der Brust Weberrafcht­ung Stundenglas und Hinpe Mitten in des Lebens Leid und uit, singt ein Lyriker und hat damit unser Alter Glend und die Nuß­­losigkeit aller Philosophie in kurzer Worte gefaßt. Aber wi’ mich Stundenglas und Hippe überrascht, möcht ich do gar zu gern mwissen : wenn sie täglich waschen, warum tragen sie fo­­hmusige Hemden, und wenn sie fo­­hmusige Hemden tragen, war­ım mwaschen er tank­heei er Dog — nur in jenem Arco, welches ausschließlich den stän­­digen Ber­ohnern des Marktes gehört, wird man in solche herbe­lagen verstrift. Dieses Arco ist von jenem der Kurgäste ziemlich streng getrieden. Das Leptere beginnt am Stadtplage und umfaßt diesen, die nächsten Gäßchen und den Kurplan. Hier ist Sonnen»­tein, freie Luft und besseres Pflaster. Hier sind die Lä­­den Stattlicher und von den Balkonen flattert zelt ein Nachleibchen oder eine sonstige nasfe Frage an das Gyidfal . . Aber mit anderen Fragen muß ich mich nun beschäftigen. Was berechtigt Arco als klimatis­her Kurort zu gelten ? Und mag fann es außer seiner Lage den Kurgärten bieten ? Die Lage Arco’s ist nämlich vortrefflig. Es ist durch hohe, steile gelemenbde geschüßt gegen Norden und Osten. So ist die Tem­­­­peratur hier durchschnittlich höher, al­lig tief in die Lombardei hinab. Schnee fällt fast nie und zerschmilzt meist, ehe er zur Erde gekommen. Hingegen it warmer, aber endloser Landregen ein über­­aus häufiger Gast. Der Sonnenrchein kommt früh und verschwin­­det erst gegen die fünfte Nachmittagsstunde. Die Veränderungen in­ der Temperatur sind nur groß, aber jäh und unver­­mittelt, der Charakter des Klima’S im Allgemeinen eher launisch, als beständig. 94 verdanke diese Daten der Freundlichkeit eines gemissen­­haften, im Orte mohnhaften Mannes. Und ein deutscher Arzt, der eben zu seiner eigenen Erholung in Arco vermeilte, sagte mir: Brustkranke in vorgerücktem Stadium, Schwerkranke überhaupt nach Arco zu finden, wäre einfach gewissenlos. Dazır liegt der Ort zu hoch in den Bergen, dazır ist das Klima zu wenig mild und bes­­tändig. Für diese bleibt die Riviera oder Pisa der paffendste Aufenthalt. Für Kranke im ersten Stadium hingegen, solche taugen vor Allem nur anspruchslose Kranke hinsicher—sehr ans­­pruchslose..."« Letztere Klauseller ist man verstehen,me11nmanin’sAug­e faßt,was das Kurkomitä bisher für Arco gethan.Es hat eine dürftige,bepflanzte,ziemlich große,rechtwinklige Anlages geschaf­­fen,die Wege m­it Kies bestreut,einige Holzbänke hingestellt und dem Ganzen den Namen Kurplatz gegeben.Hier darf jeder Kur­­so lange es ihm beliebt;auch hinsitzen darf er sich. Das ist aber auch Alles. Von sonstiger Fürsorge des Kır- Tomites ist nichts bemerkbar. Man würde sogar die Existenz einer solchen Löblichen Vereinigung kaum ahnen, stünde nicht ihr Schild an dem Hause, welches die kleine Buchhandlung von Arco beher­­bergt. Auch sonst beginnt man ss in einigen Läden für die Be­­dürfnisse der Fremden einzurichten und in der Auslage eines Fri­­seurs habe ich sogar einen Chignon entdeckt. Ein guter alter Albergo, ein neues, fürchterlich modernes Hotel und eine Heine Pension stehen den Fremden zur Verfügung Der Albergo alla corona ist ein bescheidenes Haus mit bescheidenen Pfeisen, welches den Stern, mit dem ihn der biedere Bűderer ge fegmacht, ehrlich verdient. Leider ist dieses Haus gerade für Kranke wenig geeignet, da nur die höchstgelegenen Zimmer sonnig sind Und er das, ig wiederhole e3, fürchterlich moderne „Höte de Y Olive“, Ein Duft von neuem Firniß und m­alter Zangemeile durchzieht Died große, nüchterne, weidlich elegante Haus. Von der Pension Kirchlehner endlich weiß ich nur, daß sie besteht. Einen Mittelpunkt geselligen Lebens gibt es nut­ Kränzchen und Bälle an unbekannte Dinge ; so hat man denn die Wahl, sich entwede­­r fi allein zu langweilen, oder in Gesellpaft der Anderen. .­­. Aber lag ich da nigt? War nicht an der Tafel des Hotels, an der ich speiste, viel herzliches Gelächter ? Sogar die alte, mehrheitsliebende Dame in Niva erwies sich nachträglich troß der Brille und des grauen Dutes als wenig zuverlässig, denn die meerblauen Augen der angeblich rettungslos an Langeweile dahin­­siedenden jungen Wiererin leuchteten in feurigem Glanze. Ein festlicher, feiner Ddelicieuser Wis hatte diese Heiterkeit hervor­­gerufen. Ich konnte zuerst nicht dahinter kommen, was es war. Ich bemerkte nur, wie mein Nachbar, der zueist angekommene Kurgast, ein blonder, lintischer Meserendac aus Meiken, verlegen auf seinen Teller starrte und nur einmal halblaut und verschämt, sagte: „Nee, aber das Wasser war Sie so ehr fast!" ... End­­lich erzählte mir eine freundliche alte Dame unter vielem Lachen: „Wenn ein neuer Kurgast nach Arco kommt — hahaha! — f ‘erzählt man ihm, daß der Herr von X. — hahaba! — eig . . nur verein­­­­t galt herumgehen,

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