Pester Lloyd, September 1874 (Jahrgang 21, nr. 200-223)
1874-09-11 / nr. 208
— .««.«..««. ; Budapest, 10. September. Nichts vermag amiere finanzielle und volkswirthschaftliche Lage besser zu charakterisiren, als daß die fire Weiernahme eines Postens von zwei Millionen in Goldpfandbriefen des Ungarischen Bodenkredit-Instituts seitens Der Wiener Kreditanstalt und der Darmstädter Bank bei uns geradezu den Eindruck eines „Ereignisses" macht. Wenn an bedenkt, daß der Werth des Privatgrundhestzes in Ungarn viele Hunderte von Millionen ausmacht, denen gegenüber zwei Millionen eine verschwindend kleine Summe sind ; daß das Papier, um, dessen Plackung es sich handelt, nicht nur doch die eminenteste Hypothek, sondern derbies auch noch durch den Kredit des bestiundirten Geldinstituts in Ungarn gedecket, eines Istituts, welchem gegenüber die Legislative dir eine Reihe von ausnahmsweisen Begünstigungen auch wo Die für derartige Geschäfte im Allgemeinen leider noch vor— hand denen Mängel unserer Gejege verschwinden machte ; ferner, daß die Goldwährung, auf welche die Papiere lan ten, den auswärtigen Beliger von vorneherein gegen jedes Rifito an der Valuta sichert ; endlich daß — wie sie wenigstens aus den in unseren Abendblatte reproduzirten Mittheilungen der , Reform" beiläufig entnehmen läßt — auch der Kurs, zu welchem diese Goldpfandbriefe an Mann gebracht wurden, nichts weniger als günstig genannt werden kann, so weiß man wirklich nicht, ob man sich mehr über den Erfolg, welchen das Ungarische Bodenkredit- Institut errungen, freuen oder aber die Verhältnisse, unter denen selbst ein folger Erfolg als erfreulich erscheint, beklagen solle. Selbstverständlich soll in Diesem Musíprude auch nicht entfernt eine Schmälerung des Verdienstes jener Anstalt liegen , welche ihren Pfandbriefen — und sei auch der Betrag nur ein verhältnismäßig kleiner, seien auch die Bedingungen nicht sehr günstig — nach so, langer Banfe den auswärtigen Markt wieder zu eröffnen im Stande war; wir müssen im Gegentheil anerkennen, daß Graf Lönyay und Herr v.er fies nicht nur dem Institut, welchem sie angehören, und den wenigen Geldbedürftigen, denen mit zwei Millionen geholfen werden kann, sondern daß sie geradezu dem Lande einen großen Dienst geleistet haben, indem sie das eben besprochene Geschäft zu Stande brachten. Vielleicht, und jagen wir, hoffentlich, ist damit auch der erste Schritt gethan, um bezüglich unserer Kreditfähigkeit im Auslande wieder eine bessere Meinung zu erwecken; aber daß diese das Meinung im Allgemeinen bisher seine sehr günstige it, bedarf nach den eben angeführten Thatfahhen Taummes weitern Beinweifes.. Es ist unsers Erachtens mohl undheilweise richtig, njer Privatfredit fer im Auslande den, daß die ungarische Regierung Kreditsuchender auftritt und indem sie zu immer steigenden Hinfen Anleihen aufnimmt, unserem Privatkredit eine gefährliche und verderbliche und die erhöhte Nachfrage das Geld immer und überall vertheuern, aber nicht, weil unsere Regierung sich zur Zahlung Hoher Binsen versteht,. Auslande untergraben, ist, muß sich heute meint. Dadurch rinkt worselber fortwährend als Konkurrenz macht, wird unser Privatkredit im wenn unser Kredit überdie Negierung wir die Am Ende bei dem Abschluffe eines jeden folgenden Ansehens zu immer höheren Zinsen verstehen. Soweit Verhältnisse und Anshauungen im Auslande fennen, macht man dort zwischen unserer staatlichen und unserer privaten Kreditfähigit seinen großen Unterschied, ja ein solcher überhaupt besteht, so ist er nicht zu Gunsten des Staates, sondern zu Gunsten der Privaten vorhanden. Eigkeit, daß mindestens zwischen den ordentlichen Einnahm ? ns damit allein die Sache seineswegs oc) abdenn es ist dies zwar eine sehr wichtige, aber Doch nur eine jener vielen Vorbedingungen, ohne welche eine öbung unseres Kredits in den Augen des Auslandes nimmermehr zu erwarten ist;es ist immerhin von Midmen und Ausgaben das Gleichgewicht sobald als möglich hergestellt werde; allein das Ausland, so wenig es auch mit unseren Verhältnissen im Detail vertraut sein mag, ist doch einsichtig genug, zu erkennen, daß es eine solche Aufgabe nict im Handumdrehen lösen lasse. Man weiß recht gut, daß Ungarn eine ganze Reihe von Institutionen , theils im Laufe der jüngsten Jahre geschaffen hat, theils in nächster Zeit noch zu schaffen haben wird, durch welche Dasselbe erst in die Reihe der europäischen S Kulturstaaten eintritt, daß alle diese Reformen mit beträchtlichen Auslagen verbunden sind, mit denen die Entwicklung unseres materiellen Wohlstandes unmöglich ganz gleichen Schritt halten kann, und wenn wir und heute oder morgen ziffermäßig das Gleichgewicht zwischen unseren Einnahmen und Ausgaben nachmeisen würden, dafür aber unsere in vielen Beziehungen asiatischen Zustände fortbestehen lassen wollten, so glauben wir kaum, daß hiedurch das Ansehen und die Kreditfähigkeit Ungarns im Auslande be tüdtnd erhöht würden. Wir sind im Gegentheil der Amit, daß, sobald man nur die Ueberzeugung geminnt, daß wir einerseits in allen zivilisatorischen Fragen entschieden die Bahn des Fortschrittes betreten, andererseits mit ernstem Willen und nach "einem festen Plane an die, « wenngleich nur allmälige Regelung unseres Staatshaushaltes geen—daß dann das Urtheil des Auslandes über unsere Heimath und deren Zukunft eine weit günstigere ·.Wendung nehmen würde.Bisher haben wir freilich blut«Iwenig gethan,·um diese Wendung herbeizuführen.Mem wird sich — um bei dem vorliegenden Gegenstande zu bleiben — noch genau erinnern, daß im Reichstage zu wiederholten malen Interpellationen an den Finanzminister gerichtet wurden, um ihn zu fragen, was er zu thun gedenke, um dem Geld- und Kreditmangel unserer Grund» besiger abzuhelfen ; man nennt alle die Fanfaren Anträge, welche in dieser Beziehung gestellt wurden und welche — alle sie überhaupt einen Sinn hatten — fast alle in fetter Linie auf eine mehr oder minder umfassende Neat tivirung der Wuchergefege hinausliefen, ja hie und da dem Parlament sogar ein offenes Attentat gegen die wohlerworbenen Rechte älterer Hypothesargläubiger zumutheten. Das muß man im Auslande denken, wenn man lest, daß — solche Dinge im Parlament ernstlich verhandelt werden? Daß derlei Anträge bisher von der Legislative verworfen _ wurden — und nicht einmal immer mit bedeutender Majorität — wird an den Anshauungen des Auslandes wenig ändern; man wird sich dort umwillkürlich fragen, . 00 in einem Lande, in welchem derlei unreife Ansichten überhaupt im Parlament zur Sprache kommen können und mindestens von einer ansehnlichen Minorität unterfragt werden, nicht heute oder morgen diese Minorität zur Majorität werden und so mit souveräner Gewalt über die bestehenden Privatrechte hinwegfegen könnte? Liegt hierin etwa eine Ermuthigung für das augmärtige Kapital, in Ungarn Verwendung zu suchen und muß nicht jede Luft hinzu verschminden, wen man nebenher auch noch in Betracht zieht, das die wichtigsten Gefäße, ohne welche der moderne Rechtsstaat kaum zu denken ist, bei uns schlechterdings nicht vorhanden sind, daß wir noch immer fein zeitgemäßes Handele, fein Konkurs, Fein bürgerliches und fein Strafsefehbuch haben, daß mir die Schaffung dieser Gefäße, welche auch für den Handel und Verehr eine ineiste Lebensbedingung sind, von einer Sektion auf Die andere verfleichen, Banenen auf kleinliche Bänfereien, auf parlamentarische Allstern doppelt und dreimal so viel Beit verschwenden, als für die Efung dieser dringenden Anfsgaben erforderlich wäre?! Wir Hagen fortwährend über die Geldnoth nseres Grundbefiges, wir wissen wer gut, daß dieses Geld im dennoch nichts, dagegen so viel a augstellte. Herzen sich das Bodentredit-Institut zu diesem Schritte entschlossen Hat, gleichviel ob es die Chancen einer Balutaschwantung auf fi nimmt oder sie auf seine Schuldner überträgt. Wie die Dinge heute stehen, sind allerdings große Schwankungen nicht zu erwarten ; allein Niemand vermag eine Bürgschaft dafür zu übernehmen, wie lange diese befriedigende Lage dauern werde, und wo überhaupt ein Unterschied zwischen der Papier- und Metallwährung besteht, da bleiben die Phasen, welche diese Differenz in verschiedenen Beiten duchmachen wird, und deren Konsequenzen für das gesammte Geschäfts- und Verkehrsleben immer etwas Unberechenbares. Seit Jahren wird bei uns fort und fort von einer Regelung der Dialuta gesprochen; eine solche wird ganz wichtig als die Borbedingung für die befriedigende Lösung der Bankfrage hingestellt , allein das Hat bisher nur die Folge gehabt, daß die Bankfrage nicht gelöst wurde und die Valutafrage auch nit. So lange aber zu allen jenen anderen, von uns aufgezählten Faktoren, welche so ungünstig auf unseren Kredit im Auslande einwirken, si auch noch die Aussicht auf Veränderungen in der Baluta gesellt, wird stets entweder der gesegnete Boden unseres Vaterlandes wegen Mangels der befruchtenden Kapitalien verdorren, oder wir Transaktion mit uns einläßt — Verpflichtungen eingehen müssen, deren Tragweite sein menschlicher Geist vorher zu berechnen im Stande ist. . werden — wenn überhaupt das Ausland sich auf eine . Das sind beiläufig die Bertrachtungen, zu denen das neueste Geschäft des ungarischen Bodenkredit-Instituts unmilitärlich anregt; es macht der Geschicklichkeitt und dem’ Eifer Derjenigen, welche es zu Stande gebragt, alle Ehre, allein unsere Verhältnisse im Allgemeinen läßt es in nichts weniger als tröstlichen Lichte erscheinen, — es enthält nach mehr als einer Seite hin eine ehr bittere Lehre und wir möchten nur winden, daß dieselbe von Allen, die es angeht, endlich einmal verstanden werden möge ! Budapest, 10. September. A Niederlage um Niederlage erleiden die Carlisten und wenn nicht etwa die Himmlischen Heerschaaren dem frommen „König“ zu Hilfe kommen — mit seiner weltlichen Macht wird er den blutigen Bürgerkrieg nicht lange mehr fortlegen können, der schon so lange zur größeren Ehre Gottes und des Gottesgnagdenthums eines der schönsten Länder des Welttheils verheert und entvölkert. Wenn nicht alle Anzeichen tragen, sind es die Schlupfzenen der Rebellion, die ich gegenwärtig in Spanien abspielen, und sind die Konoulfiviidhen aber fruchtlosen Anstrengungen, welche die Carlisten gegenwärtig noch machen, nichts Anderes, als die ersten Symptome des nahen Todeskampfes. Der Entrag Puycerdas bedeutet eine wichtige Episode in den Erfolgen der republikanischen Armee, nicht allein, weil dadurch den Regierungstruppen ein bedeutender Waffenplan wiedergewonnen wurde, sondern zumal, weil die Carlisten doch den definitiven Verkuft dieses Blages, auf den sie so große Hoffnungen für die günstige Wendung ihrer Sache geießt, eine schwere moralische Schlappe erlitten haben, die nothwendig, demoralisirend und desorganisirend auf die ohnehin nichts weniger als wohldisziplinirten Truppen des Prätendenten wirken muß. Die moralische Schlappe wurde übrigens durch Niederlagen, welche den Carlisten in offener Feldschlacht durch die Regierungstruppen zwischen Castellon de Nudi und Bobla de Illet beigebracht worden und durch schwere Verluste, die sie beim Nachzuge von Puycerda auf der Brücke von Gordiola erlitten, noch genügend verschärft. In ihren legten Zudungen noch begehen die carlistischen Horden Greneltaten, die ihrer ganzen „Kriegführung“, wie sie si dem empörten Europa vom Anbeginn präsentirte, würdig an die Geste gefeßt werden künnen. In Castellon haben die carlistischen Einwohner, bevor der Plag in die Hände der Nepublitaner fiel, die Brunnen vergiftet; auf der Flucht von Puycerda haben sie ihre eigenen Verwundeten, die ihnen den eiligen Rundzug erschwerten, verbrannt. Damit begnügt sich aber der „legitime“ König Don Carlos, der sich gerne an die europäischen Mächte mit der Darlegung der Heiligkeit seiner Sache und nebstbei mit der verschämten Bitte um Anerkennung derselben wendet, noch lange nicht. In edler Entrüstung wegen der Anerkennung der Madrider Regierung läßt er auf einen Eisenbahnzug schießen, in der glückicherweise irrigen Meinung, daß sich die Gesandten Oesterreich-Ungarns und Deutschlands auf demselben befänden ; ja die tapferen Schanren Don Carlos’ nehmen es mit der deutschen Kriegsmacht selbst auf und an der biscayischen Küste beschaffen sie das deutsche Kriegsschiff "Albatrop". Alles schon dagewesen; nach der Ermordung des Hauptmanns Schmidt konnten auch diese „internationalen Akte“ des Räuberfüings Niemanden überraschen. Selbstverständlich erregt die Beschießung eines Schiffes der deutschen Kriegsmarine durch die Carlisten das zum Schutze der deutschen Staatsangehörigen und nebenbei wohl auch als eventuelle Repressalie in die biscayischen Gewässer gesandt,wäre gewiß nichts Ueberraschendes daran,wenn die an der Küste kreuzenden Schiffe nunmehr die Carlisten es gewagt,gegen sie selbst aggressiv vorzugehen,ihnen eine derbe und nachhaltige Lektion ertheilten, Truppen ajc das Land setzten und den carlistischen Räuberhordet,die freche Unbill mit Feuer und Schwert reichlich heimzahlten.Thatsächlich hat der Vorfall viel Startb aufgewirbelt und wird die Frage allen Ernstes diskutirt,ob er wohl nicht genügenden Grund und Anlaß biete nicht nur für die Entsendung eines deutschen Armeekorps nach Spanien"zur Züchtigung der Carlisten,sondern für die allgemeine Intervention der europäischen Mächte zum fswedcke der gänzlichen Besiegung des carlistischen Auftaues. Völkerrechtlich ließe sich gegen ein solches entschiedenes Auftreten Deutschlands gegenüber den carlistischen Truppen gewiß nichtg einwenden-Denn ab gesehen davon, daß es einen erlatanteren casus belli gar nicht geben kann, als einen thatsächlichen Angriff gegen die Landoder die Seemacht eines Staates, Fünnen angesichts der Carlisten solche Bedenken überhaupt nicht obwalten, die sonst einer fremden Armee gegenüber in Betracht gezogen werden müßten. Denn die carlistischen Banden sind eben feine nach dem Bölferrechte zu behandelnde Armee, sie dienen seiner von den europäischen Mächten und seiner vom Lande selbst anerkannten Autorität, ihnen gegen nicht Die Rechte eines Kriegführenden Heeres zu, sie sind vom rechtlichen und vom internationalen Standpunkte nicht anders denn als Länderbanden zu betrachten und jeder, An: allgemeine Interesse. Aus Anlaß der Ermordung Schmidt’s igen. ig til M ‚Sache der Menschlich Kürzestem 5 | Ruhe Europas und ‚achtenswerther Dienst geleistet wurde, wenn es einer Intervention, sei es der deutschen Truppen allein, oder, wie dies ursprünglich in der Absicht des Berliner Kabinets gelegen sein soll, einer verbündeten europäischen Invasionsarmee, gelänge, die carlistische Rebellion, das einzige Moment, das gegenwärtig den allgemeinen Frieden stört und zugleich einen der empörendsten Bürgerkriege aller Zeiten, mit einem Schlage zu vernichten. Nichtsdestoweniger denken wir, würde Spanien selbst und der Sache der spanischen Republik mit einer solchen Spntervention ein Danaergefhent gebracht werden. Der Sieg in einem Bürgerkriege, durch fremde Hilfe errungen, wird meistens zu einem Pyrrhussiege, eine wirkliche und dauernde Beruhigung des Landes ist selten die Folge desselben. Theils das Befenntnig der Schwäche der Negierung in ihrer Armee und in den Sympathien der Bevölferung, welche eine solche fremde Intervention immer involoirt, theils der gedemüthigte Nationalstolz, der die Einmischung des Auslandes, selbst im Interesse der Mühe des Landes, stets mißliebig betrachtet, muß die Stellung einer durch foldge Mittel gehaltenen Regierung troß des strategischen Erfolges wesentlich erschüttern, und in der Regel fällt die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten mit dem Abzuge der intervenirenden Armeen zusammen. Dazu gesellt sich noch die Abhängigkeit, in welche Spanien in solchem Falle den intervenirenden Mächten gegenübertreten müßte, ein Verhältniß, welches das stolze Land, das Napoleon III. vor noch gar nicht langer Zeit in das Konzert der europäischen Großmächte aufnehmen lassen wollte, wohl noch Schmerer ertragen konnte, als den Bürgerkrieg selbst. Das neue Ministerium Serrano’s Hat daher sehr wohl gehandelt, indem es, den momentanen Vortheil verachtend, erklärte, er weise jede faktische Einmischung der europäischen Mächte in die inneren Wirren des Landes entschieden zurüd und begnüge sich mit der durch die Anerkennung der republikanischen Regierung ihr zu Xheil gewordenen moralischen Intervention. Die neuesten Erfolge der republikanischen Truppen bemweifen denn auch, daß die Madrider Regierung ihre Kraft nicht unterschägte, indem sie bei der Bekämpfung des Aufstandes nach wie vor auf eigenen Füßen zu stehen wünschte und die neuerliche Aufstellung von sechzigtausend Neserven legt überdies davon H Zeugniß ab, daß die Opferwilligkeit des hart mitgenommenen spanischen Volkes noch nicht erschöpft ist. Andererseits verdient auch die Mäßigung der deutschen Regierung gewiß Anerkennung, die,troß der verlobenden Gelegenheit, ihren Einfluß bei der Entscheidung der Geschide der europäischen Länder auszubreiten, erst gestern duch ihr offizielses Organ erklären ließ, sie betrachte die „Albatros"Affaire durch den Gegengruß, den das deutsche Geschwader in der Form von vierundzwanzig Kanonenkugeln den Carlütten zusandte, als abgethan. Haupt untergraben wenn die , Reform" sondern weil 2 · " von der Kaiserreise nach Böhmen. 5 Wien, 9. September. Die Festtage fn Prag sind vorüber ; heute Morgens 3 Uhr hat Se. Majestät der Kaiser die alte Königsburg auf dem Hradschin verlassen und die Fahrt nach Brandeis a. d. Elbe angetreten. 63 waren zwei äußerst bewegte Tage, die Prag, Böhmen und mit ihnen vielleicht ganz West-Oesterreich Hinter sich hat, denn mit nicht geringer Spannung durfte man der Entwicklung der Dinge, die sich hier naturnothwendig zum Ausdruch bringen mußte, entgegensehen. Mit dem Verlauf dieser Tage, die in der Geschichte der innern Entwicklung Oesterreichs nicht die legte Stelle einnehmen werden, kann das verfassungstreue Element vollauf zufrieden sein. Nicht, als ob es auch nur das Mindeste von dem Faiserlichen Besuche zu besorgen gehabt hätte, — ein solcher Gedanke konnte nur in dem Hirn der an dem Rande ihrer Hoffnungen stehenden feudalnationalen Despera- 008 reimen — wohl aber hat der Monarch die Gelegenheit ergriffen, um mitten in dem Lager der störrigsten Gegner des konstitutionellen Gedankens aufs neue für das konstitutionelle Systen lautes Zeugniß zu geben, und mit väterlicher Milde, wenn alle mit tiefen Nachdrud die an ihn herangetretenen staatsrechtlichen Kundgebungen zurückgeriefen. Die eklatanteste Manifestation in dieser Nichtung bildet die Antwort, welche der Kaiser der vom Bize- Bürgermeister Zeithamer geführten Adreßdeputation der Prager Stadtgemeinde ertheilte. Die Deputation bittet, wenn auch verhüllt, Se. Majestät um den staatsrechtlichen Ausgleich, der Kaiser antwortet mit dem Dimmers auf die Pflege der Interessen der Stadt und das Emporblühen derselben unter dem Schuß der von ihrmp verliehenen Institutionen! Kan man sich eine in ihrer Milde schneidigere Zurüdweisung der staats rechtlichen Prätentionen auch mir denken ? Liegt nicht in jenen Worten eine eindringliche Mahnung an die in Zeithamer repräsentirte feudalnationale Clique, den unfruchtbaren staatsrechtlichen Hader fallen zu lassen und sich der Pflege der materiellen Interessen zuzumenden? Und liegt nicht schon darin ein Symptom für den großartigen Umsjhmung der Dinge, daß der Bürgermeister Hulejk es geradezu ablehnte, Führer dieser Deputation zu sein, daß Nieger und Balacky, obwohl bei allen Gelegenheiten im Vordergrund, in zweite, ja in dritte Linie sich gestellt sahen, daß Glam-Martinig Taum sichtbar wurde und Leo Thun sogar gänzlich sich von Prag fernhielt ? Und die Bevölkerung ! War ihr nicht zugemuthet worden, in der verschiedensten Weise zu demonstriren, und wie antwortete sie? Die Neffe des Kaisers in Böhmen gestaltete sich zu einer Kundgebung der Loyalität, wie sie dieses Kronland als enwig denkwürdig in seiner Geschichte verzeichnen darf. Kundgebungen der Treue und Gegebenheit und nur diese waren es, die Sr. Majestät dem Kaiser aller Orten in den reinezehischen Bezirken entgegengebracht wurden, fein Miston störte die Huldigungen, seine politische Anspielung die Ausdrüce dynastischer Treue. Man muß Zeuge der Ovationen gebesen sein, welche den kaiserlichen Zug von der Grenze bis heute Früh, wo um die Mitternachtsstunde die Vorstadt Karolinenthal zu Aluminiren begann, die Vereine zur Begrüßung des Kaisers sich aufstellten, begleiteten, um sich über die wahre Bedeutung der Kaiserreise klar zu werden. : 65 war, ald wolle die Bevölkerung den Beweis liefern, daß, was auch in ihrem Namen, und auf ihr blindes Vertrauen hin bisher auf politischem Gebiete gefehlt worden, mit ihren innersten Gefühlen der Anhänglichkeit an die Dynastie und das Neic nichts gemein habe. Der Weg von hier bis zu der weiteren Erkenntnig, daß die „neuen Institutionen“ zu fest gegründet seien, um der Laune einiger zeugender Feudalherren zuliebe geändert zu werden, ist sein weiter, und über kurz oder lang wird er gefunden werden. Oder sollten etwa die „Führer“ noch immer glauben, daß man in der Bevölkerung nicht das tiefste Verständnis dafür haben werde, wenn Deputationen mit Ausgleichs-Adressen, oft verlegenden Inhalts nicht einmal der Ehre‘ eines Empfanges theilhaftig werden und die von Prag versandten Adreßformulare ihren Weg in die Archive der Kabinetskanzlei finden? CS ist richtig, wenn ein Blatt bemerkte, mit dem Erscheinen Sr. Majestät des Kaisers in Böhmen beginnt eine neue Wera. Wohl, eine neue Hera für Böhmen Die Katiferreise ist das Ende der Deklaration, bemerkte hier eine dem Gange der Dinge nahestehende Persönlichkeit, und seine Worte bedürfen nicht erit der Bestätigung durch die Zukunft, sie findet selbe in der Gegenwart. Der Fendal-Adel hat während des kaiserlichen Aufenthaltes eine wenn möglich noch tristere Rolle gespielt als die „Führer“, die mit ihren russischen Orden prangten. Vergebens, daß sich Nieger bei der Festvorstellung im czechisschen Landestheater zu einer lächelnden Miene zwang, als er nach der Loge bliebe, in der Fürst Karl Schwarzenberg und Fürst Georg Loblochs Plan genommen. Aus den Mienen Beider sprach mehr als tiefe Entmuthigung. Sie alle fanden bei den kaiserlichen Empfängen nicht die mindeste besondere Beachtung, und so oft Se. Majestät der Kaiser Einen aus diesen Reihen mit einer Ansprache beehrte, ebenso oft folgte Jonann nicht einmal den Versuch, in dem bekannten Wege der Private‘ audienzen sich "Sr. Majestät mit ihren politischen Konzeptionen zu nähern. Wozu erst übrigens bei allen diesen einzelnen Symptomen vermeilen, wo die Eine Faiserliche Antwort an die Prager Deputation und die Zurücweisung der anderen Adreßdeputationen deutlicher als Alles spricht. Wenn dies die Führer nicht ernüchtert, dann gleichen sie politischen Anachoreten, die sie in Verdienst um die Förderung des Wolfsmahles damit zu erwerben glauben, wenn sie Jahrzehnte lang auf einem Fuße stehen bleiben. Das Bolt wird solchem munderlichen Treiben mit Neugier zuschauen, sich aber schließlich mit Lächeln von demselben abwenden und ruhig seiner Wege gehen. Brag nimmt nunmehr seine Alltagsphysiognomie an, und anderen Bezirken des Königreiches it es gegönnt, dem Monarchen ihre Huldigungen darzubringen. Auf der Riückreise von Brandeis nach Wien harren neue Ovationen des Kaisers. Kein Kreis, seine Gemeinde will dazuriebleiben, wo es gilt, dem Monarchen zu beweisen, daß man mitten in politischen Verirrungen dem Kaiser und dem Reiche die Treue zu bewahren geraußt. Als Gegenstück zu dieser aus dem verfassungstreuen Lager stammenden Erörterung lassen wir hier das Schreiben eines den czechisch-nationalen Kreisen nahestehenden Korrespondenten folgen ; dasselbe lautet: & Brag, 9. September. Oesterreich-Ungarn hatten wir im Laufe der Zeit gar „wunderbare“ Situationen, das wird wohl Ledermann bemerkt haben, der den Ereignissen mit Aufmerksamkeit folgt, doc wird das „Alles Thon dagewesen“ duch die momentane Lage gründlich Lügen gestraft. 99 will das etwas näher erklären. Am Jahre 1865 beispielsweise wußte man in Bett was im Anzuge i, nur Schmerling nebst Anhang tappte im Finstern herum. Auch in den Jahren 1868, 1870, 1871 mußte fÍtete die ea Partei oder Gruppe was geschehen wird, und war nur die im Niedergange begriffene im Un- Haren und wurde somit überrascht. Ganz anders verhält sich’s heute. Die Signatur des Tages ist: „Niemand weiß etwas.” Freitag langte Fürst Auersperg hier an, um Umfrage zu halten was denn vorgehe, nachdem, Laser sich vergebens bemühte es durchzufegen, daß der cisleithanische Regierungspräsident mitgenommen werde, Sonntag Früh reifte er n nederswegssoklng als zuvor. Aber«auch der anderen Serie ging es nicht dessen Bekanntlich«begabeciSe Majestät Sonntag Abends um 10 Uhr sammt Suste auf denanz Josef-Bahnhof und schlief dort bis ur Abfahrt Morgens ZUJJL Sonntag nun wußte hier noch jemand etwas.Clam-Martinetz fuhr Nachmittags um4 Uhr bei Skrejsschovsky vor,«um sich zu erkundigen;dieser war nicht zuhause,sondern bei Zeithanter und Hulesch, diese mußten aber außer der offiziellen CE auch nichts. Das deutsche Kasino hielt Sigung, und der Kavaliersclub, der Gresty Klub machten bis Morgens 2 Uhr in der festen Erwartung, es werde doc eine Stunde vor der Abreise von Wien eine telegraphische Andeutung kommen, ob der König Ausgleiche-Anklänge, beantworten werde. Immer nichts und nichts , als der Hoftraum in Wien aus der Halle brauste, legte man sich in Prag schlafen. «Hier 11·1ufzichemfließen lassen,daß der Ausgleichsrummel zuerst üben inverfassungstreuen Blättern begonnen wurde, denen ein«sonderbarer Schrecken in die Glieder fuhr;außerdem, und das oft höchst bezeichnend,vermochte die Preßzeitung in Wien den Journalen schon seit über zwei Wochen keinerlei Anhaltspunkte zu geben.Die höchstreservirten Antworten des Monarchen sind ihren Lesern telegraphisch bekannt geworden,und auch aus dieen ist man so klug wie zuvor.Sehr frappirt hat das Websinen Aidrässy’sind der Umstand,daß Erzherzog Albrechterstantag- Abends eintretf und gaszunoffiziell im,,Blauen Ster 11««Quartier Jaghn1.Zur Stunde rojch diese Zeilentreibe,haltetk der Klub-J’« die APels-R»essource,das deutsche Kasinoitzungenunsd weiden;d garmele Fragezeichen produzirt werdem von denen Niemand weiß,· wer sie bemitworten wird «. Die Situation bezeichnend ist, daß man fem wohl im deuts ben als allg czehnchen Lager die militär-Kezisalen Albrecht-Rauscher fürchtet, von der [chon seit einer geraumeneit gesprochen wird. . .» «Ei«wohlunterrichteter Mann sagte aus Reußermtgeniankreisen schließend:,,Man fürchtet dort die Föderalisten ebenso sei als man die Zentralisten haßt;« .·"« der Abreise des Monarchen gibt es trotzz des Empfanges—allgemeine Entton« Heute nach, « wahrhaft großartig inszenirten Ihung und lange Gesichter. « a 5 Die Verfassungstreuen sehen ihre Stellung nicht gefestigt, die Föderalisten sehen nicht die mindesten Anklänge an eine Aktion in ihrer Richtung . Beide aber fürchten ein unbekanntes Drittes. Dies die wahrheitsgetreue Schilderung der Situation, und wenn Wiener Blätter kaum 36 Stunden nach Anfangen des Monarchen hier in Prag . Schon Komklusionen ziehen und über „Resultate“ leitartikeln, so sehe ich dazu nicht die mindeste Berechtigung. « »In dem „minderbaren“ Staate T..« Die Manöver in Böhmen. (Bon unserem militärischen Berichterstatter.) Brag, 9. September. A In Ergänzung meiner gestrigen Mitteilungen über die Dispositionen bezüglich der großen Manöver (f. das heutige Morgenblatt. D. R.) habe ich noch folgende Bestimmungen beizufügen : Die Kommandanten dürfen sich durch die bereits angedeuteten Binoualpläge in ihren Operationen in seinem Falle beirren lassen. Tádren oder Manövertage bleibt der dienstliche Verkehr zwischen den Parteien auf den im Ernstfalle üblichen beschränkt, und sind dienstliche Mittheilungen lediglich mittels Parlamentäre zu regeln. Nur die doch große Feldzeichen kenntlichen Schiedsrichter, und zwar: die Herren Graherzoge Wilhelm, Rainer, dann 398. Baron Piret und GM. Graf Pejacsevics verkehren ungehindert. Der Uebergang aus der Marschsicherung in die stehenden Vorposten und umgekehrt hat jedesmal mie vor dem Feinde zu geschehen. Es wird daher nicht abgeblasen, sondern das Gefecht abgebrochen. Bei dem Gros der Vorhut wird abgeloht und gefüttert, dann werden die Vortruppen zum Behufe des Gffens abgelöst. Die Aufbruchsstunde zu den Manövern ist 7 Uhr, früher sollen feine Bewegungen stattfinden. Gemäß der leitenden See funktioniert der gesammte Befehlsund Verpflegsapparat nie im Kriege und sind sämmtliche Stäbe vollständig aktivirt. Die Hauptquartiere haben die volle Zahl Ordonnanzoffiziere und funktionirt als solcher Oberlieutenant Erzherzog Friedrich bei seinem erlauchten Oheim, dem Sieger von Gustozza. — Zumeist sind diese Stellen von Reserve-Offizieren bes fert, welche schon im Frieden für diese Verwendung evident gehalten werden und nun vollauf Gelegenheit haben werden, einerseits ihre Befähigung zu diesem nicht leichten Dienste abzulegen, andererseits aber auch etwas Tüchtiges zu lernen. Nebst dem Befehlsapparat sind die Sanitätsanstalten, der Munitionspark, die Stabswache, die Botenjäger, die Verpflegsanstalten vollständig aktivirt, und erfolgt die Verproviantirung ganz wie im Gruntfalle. Aus diesen Daten erfieht man, daß die Manöver in Böhmen eine tiefere Bedeutung haben; sollen sie da nebst der höhern und taktischen Uebung und Ausbildung zugleich die Mobilisirung im Kleinen erproben, und werden die bemerkten unvermeidlichen Frnktionen sicher zum Nasen des Ganzen beachtet und — vermerdet werden. Die Truppen werden ein möglichst deutliches und dem Exrnstfalle — menigsten, was Strapazen betrifft — ziemlich annähernd wahres Bild des Krieges bekommen. Sie erhalten vom 9. 5. am, die volle Kriegsverpflegung und werden für 2 Tage mit dem eisernen Borrath" ausgerüstet, welchen die Leute nebst der Hurreeten Verpflegung im Tornister zu tragen haben, so daß die operirenden Truppen auf 4 Tage verpflegt sind. Außer der Grappen-Portion, melde aus 50 Loth Brod, "a Pfund Fleischt 6 Loth Reis, 8 Loth Graupen, 1 Loth Kernfett, je 1 Loth, Salz, Pfeffer und Grünzeug, dann 1 Geitel Wein, ?/ Loth Kaffee und 3%, Pfund Zuder besteht, erhält jeder Soldat no die Marsehzulage und sind bei den Truppen auch die feldmäßigen Marktendereien etablirt, so daß für das leibliche Wohl des Mannes in bester Weise gesorgt und Alles gethan ist, was mit Nindsicht auf den 3wed der Manöver gethan werden durfte. Und auch der Pferde ist nicht, vergessen, erhalten sie dog auch eine Zubuße (oder Zubeiße, wenn man will) in Gestalt von 1, Portion Hafer und */, Portion enge Kantonirungen bezogen, | | Heu, wogegen das gemächliche Streustroh entfällt, da durchaus, | feldmäßig, d. h. auf dem unbededten Rüden unserer Ailmutter fampirt wird. "Sollte aber anhaltend Regen eintreten, so werden | fo . Rn / - . . . MM