Pester Lloyd - Abendblatt, September 1875 (Jahrgang 22, nr. 199-223)

1875-09-16 / nr. 211

«­­­..- z . Re . Ar. 91. = Die Mitglieder der ungarischen Delegation werden durch das älteste Mitglied Anton Bo­hr noch vor der Ab­­reise nach Wien zu einer Konferenz einberufen, in welcher die Per­­­sonalfragen bei der Konstituirung besprochen werden sollen. = Wie wir erfahren, betätigt sich die von einem hiesigen Blatte gebrachte Nachricht von der Demission des Staats: BSefretärs CSemtegi nit. — Fü­r die Stelle des Senats-Präsidenten am Ober­ Gerichtshöfe, melche durch das Ableben Ladislaus Pap­­-Razuls in­ Erledigung gerathen ist, wurde — wie „Relet Népe" meldet — Alois Daruvary in Aussicht genommen. Dessen Nachfolger bei der königlichen Tafel soll ferner der Präsident des Better Königl. Gerichtshofes Sarktäang melden. ő — Im Hunter Wahlbezirk wird seitens der liberalen Partei beabsichtigt, Lud. Degenfeld zu kandidiren. Die Unab­­hängigkeit.­Bartet wieder will mit Jul. Berhovay einen Ver­such machen. Als Gegen-Kandidaten werden endlich — die „Kelet Nepe” meldet — Anton Ugoston und der gr.-kathol. Canonicus Sircezaaf genannt. = Der Kommunikations-Minister hat in Betreff der Rechnungsregung über die öffentlichen Ar­­beiten eine vom 31. August [. 3. D datirte Verordnung an sänmmt­­liche Surisdiktionen erlassen, nach welcher dieselben von der bis­­­erigen DBerpflichtung, d­okumentirte Jahresred­­rehnungen über ihr Straßenbaumesen dem Ministerium zur Ueberprüfung einzusenden, dispensirt werden und nur Die Einsen­­dung von Jahresrechnungs- Auszügen nach einem der Verordnung beigelegten Muster verlangt wird. Diese Einsen­­dung hat jährlich bis zum 15. April zu geschehen, auf welchen Termin auch die Einsendung des Ausweises über die Durchführung des, die öffentliche Arbeitskraft, die Ablösungsgelder 2c. betreffenden Präliminars vom Vorjahr verlegt wird. Damit ferner die auf das gesammte Kommunikationswesen­­ der Jurisdiktion bezügliche Rech­­nungsführung nach einem bestimmten Nubriten-System erfolgen könne, in der Verordnung­en Rubinten-Schlüssel beige­fügt, der auch bei den Jahres-Präliminarien in Anwendung zu kommen hat. Die Jahresschlußrechnungen werden fünfzighin durch die Munizipalorgane (Rechnungsführer) geprüft, und dann von der Generalversammlung des Munizipalausschusses revidiert, welche im Detail und definitiv über die Rechnungen beschließt,­­wes­­halb D­ieselben nicht mehr an das Ministerium zu senden sein werden. Diese Anordnung erstrebkt sich indessen nicht auf jene Bauten, für welche die Jurisdiktion Zuschüsse vom Xerar erhalten hat und bezüglich deren nach wie vor eine dokumentirte Rechnungslegung zu unterbreiten ist. Damit jedoch sowohl das Brä­­liminare, als der eingangs erwähnte „Rechnungsauszug“ ein voll­­ständiges Bild der Kommunikations-Angelegenheiten der Sub­sdik­­­ten gebe, werden in derselben auch die „Negierungs-Zuschüsse“ erz­­ichtlich zu machen sein, was am besten unter der Nubrif „Diverse“ erheben wird. Der Minister hat gleichzeitig Anstalt getroffen, daß fammili die im Ministerium­ befindlichen, die­ öffentliche Arbeit betref­­fenden Rechnungen, insofern seine Staatszuschüsse darin verrechnet sind, den Jurisdiktionen zugeaehtet werden, damit diese im Sinne der gegenwärtigen Verordnung vorgehen können . Diejenigen, in welchen auch Staatszuschüsse verrechnet sind, werden vor der Zusen­­dung exit noch einer Detailprüfung im Ministerium unterzogen werden. Wenn bei der Prüfung der Jahres:rechnungsauszüge Hmeifel oder Bedenken auftauchen, behält­­ der Minister das Net vor, die nöthigen Aufklärungen, eventuell auch einzelne Doku­­mente, oder selbst die vollständige dokumentirte Rechnung Der Juris­­diktion abzuverlangen. Am Schluffe wird den Jurisdiktionen zur Pflicht gemacht, darauf zu sehen, daß die Rechnungsdokumente ge­­hörig gestempelt werden. — Wie , Ellener" billigend mittheilt, hat das Kommunika­­tionsminiterium nicht die Absicht, die Fusion der galizischen Bahnen zu unterfrügen. ZEIften­­­ e · · Aus dem Reichstage. = In der heutigen Sigung des Abgeordnetenhauses wurde die Advekdebatte fortgelest. Erster Renner war Michael Boltt, welcher für den von Svetozar Miletics eingebrach­­ten Adreßentwurf eintrat; nach ihm sprachen Bau Möricz für den Entwurf des Moresausschusses und Martin Hegyefiy für die Vorlage der Unabhängigkeitspartei. Der folgende Redner war Baron Raul Sennyey, wel er den Entwurf des Wdreßausschusses acceptivt. Noch sprachen Eugen Madarap und 39naz Helfy, dessen Rede von 1 Uhr bis zum Schlusse der Sigung dauerte, für den Entwurf der Unab­­hängigkeits-partei. Präsident Koloman GHyYyczy eröffnet die Sigung des Abgeord­netenhauses um 10 Uhr. As Schriftführer fungiren: Molnár $upár, Wäch­­ter und Beöthy. . Auf den Minister lauten ils: Wendheim, Sell, Tipa,Bedthy, Tréfort und Szende Das M­rotofoll der gestrigen Sigung wird verlesen und authentizirt. Präsident meldet, daß der zum Schriftführer des Hauses gewählte Abgeordnete Blasius Orbán frank geworden und bis zum nächsten Zusammentritte des Hauses um Urlaub angefucht hat. Wird bewilligt. · Julius Halaffy überreicht im Namen des V. Gerichts­­ausschusses den Bericht über die Verhandlung der gegen die Wahl der Abgeordneten Anton B 50x und Julius Un­tal eingereichten P­roteste. Die beiden Genannten wurden als verifiziert erklärt. Die Verhandlungs- Protokolle werden verlesen, odes gleichen das von Yo MadaraB­ee Separatvotum. Ebenso werden die Referate der IV. und VII. Gerichtskommission eingereicht, über Deren Verhandlungen wir bereits im Morgenblatte berich­­tet haben.­­ Folgt die Tagesordnung: Fortlegung der Worep- Debatte. · = ·· Präsident meldet,daß zur Motierung des vom Miletxcs als Gegenantrag eingebrachten Adresz-Entwurfes der mitunterzeich­­nete Michael Polit das Wort nehmen werde.Als erster Redster spricht­ hier auf,»...«, « iuerchaetysom­onoenketzte nach ikzahceu befan­d Ungarn sich in außerordentlicher Lage,die Diskussion großer prinzipieller Fragen«­wurde durch den fortthrend auf deI­ITaat befidelischen staats­­rechtlichen Kampf verdrängt.Seit der Fusion der Parteien hat wohl das parlamentarische Leben eine andere Gestaltung gewonnen­,doch noch immer fehlt das Substrat für­ die prinzipielle Diskussion.Die Thronrede beschränkt sich darau­f eine wichtige Frage,die HerstellurIig des Gleichgewichtes im Staatshaushalte,hervorzuheben­,während sie alle übrigen Fragen nur andeutet. Sie gibt der Hoffnung Ausdruck, die Begeisterung und Opfermilligkeit der Nation werden die­ser Lage abhelfen. &3 fragt si aber, ob Diese Begeisterung in der ganzen Nation vorhanden ist ? Redner kann das gegenwärtige ungarische Parlament nicht als solches anerkennen,wie es in einem­­ konstitutionellen Lande sein müßte.Die Hauptbedinng geines jeden Parlaments sei,daß dasselbe den treuen Ausdruck des Volkswillens bilde,während man in Ungarn diesbezüglich einer überraschenden Contradiktion gegen­­ü­berstehe,welche nur dann erklärlich wird,wenn man die geschicht­­liche Entwicklu­n­g des ungarischen Parlaments zu Hilfe nimmt.Bis in die letzten Dezennien war Ungarn nur durch seinen Adel ver­­treten.Dieser Adel war der Repräsentant einer einzigen,der unga­­rischen­ Nationalität.Die Konsequenz konnte keine andere sein­,als daß Oesterreich,so oft es mit Ungarn unterhandelte,nur mit Denen unterhandelte,1velcl­e im Reichstage satzen,daß es—101848wie 1867——den ungarischen Nationalitäten staatliche Konzessionen­ machte. Das sei ein großer Uebelstand, denn wenn die Vertretung Ungarns nach der Bevölkerungszahl im Reichstage fabe, dann wären die Vertreter der ungarischen Nationalität in zwerghafter Minorität. (Widerspruch) Also nicht die Finanzlage des Landes bilde das größte Uebel, sondern der Umstand, daß eine einzige Nationalität sie mit dem Staate identifizire. Das sei seine leere Phrase, dies müsse Seder einsehen, der das Wesen des Staates studirt hat. Die Nationalitätenfrage sei in Ungarn seine Staatsfrage, seine Sprachenfrage, sondern eine Frage der Administration. Und um in dieser wichtigen Frage der Landesbevölkerung aller Zungen gerecht zu werden, müsse man entweder das gegenwärtige Nationa­­litätengefäß abschaffen (Rufe: So wohl!) oder ein anderes Schaffen, welches auf administrativen Standpunkte basirt. Die Verwaltungs- Wissenschaft als fol­ge it noch jung, kaum 30 bis 40 Jahre alt,­­ jeder Staat hat ein historisch entwickeltes, administratives System. In Ungarn ist es das Komitatssysten und dieses wäre der Actimedespuntt zur Lösung der Nationalitätenfrage Nicht darum handle es sich, ob man Geruche in ungarischer, deutscher, serbischer, rumänischer Sprache eingeben dürfe, sondern darum, daß jede Natio­­nalität auf dem von ihr bewohnten Territorium eine ihrer Eigenart angepaßte Verwaltung habe, daß sie sich zuhause fühle Nicht die vollständige Einführung des höhe­ren Kantonsystems befür­­wortet Nedner, sondern eine derartige­­gestaltung des Komitats- Systems, daß jede Nationalität in ihrem Kreise die ihx entsprechende Verwaltung hätte, dann würde sie ich, wie in der Schweiz die Ita­­liener, Deutschen und Franzosen, zuhause fühlen und man hätte seinerlei Strebungen nach außen zu befürchten. In Ungarn aber wird die Nationalitätenfrage zu­ einer Machtfrage gemacht. In Ungarn aber wird die Zentralisation in immer höherem Grade angestrebt, das müsse zur Stammesherrschaft führen, dadur wird die Nationalitätenfrage zur Machtfrage zer Aber als Solche kann sie vor der Gewalt der europäischen Kultur seinen Bei­stand haben. ·­m Redner kommt nun auf die orientalischen Angelegenheiten zu sprechen­.Er konstatirt vor Allem die seltsam­e Thatsach­e,dass­ wäh­­rend allenthalben für die gegen grausame Knechtschaft sich wegem den Herzegovid­er Sympathien sich klundgeben,ick Pestu1idii1ien das Gegentheil der Fall sei,ja hier habe ein Blatt die Aufstän­­dischen als Diebe und Räuber bezeichnet.Wie immer man über die Sach­e denken möge,man müsse gegen die Aufständischen schon des­­halb größere Deferenz bezeigen,weil ganze Völker der­D­onarchie sie als Brüder bezeichnen. Auf den Testen Bajfus der Thronrede reflettirend, bemerkt Nedner, man war in ganz Europa auf die Erklärung betrefts der orientalischen Angelegenheit gespannt, aber die Thronrede war in dieser Richtung sehr wortlarg und begnügte sich, in allgem­einen Ausdrücken die Hoffnung auf die Erhaltung des Friedens auszu­­sprechen. In Wien interpretirte man dies dahin, daß die auswär­­tigen Angelegenheiten blos die Delegationen angehen, daß der ungar­­ische Reichstag dazu kein Recht habe. Der Ministerpräsident werde hoffentlich einen geeigneten Anlaß bewesen, um dem Hause diesbezüglich Aufklärung zu geben. Die Stellung Oesterreichs Ungarns gegenüber dem Aufstande in der Türkei bedarf wirklich einer Aufklärung,denn diese Stellung ist,oder war wenistens eine sehr zweideutige.Es ist kein Geheim­­niß mehr,daß Österreich-Ungarn anfangs dem Aufstand in der Herzegovina sympathisch begegnete und erst als man darüber in Konstantinopel wütend wurde und der Aufstand Dimensionen zu einem allgemeinenufstande der Serben der Türkei annahm,da machte man Fro­ntveränderung,und um die Loyalität gegenüber der Pforte zu beweisen,so verletzte man indirekt das Nicht-Interven­­tionsprinzip,indem man den Türken die Ausschiffung bei Klek gestattete,damit sie den Christen in den Rücken fallen können Aber das Benehmen Oesterreich-Ungarns gegenü­ber Serbiens war noch sonderbarer Fürst Wrede,österreichisch-ungarischer Generalkonsul i11 B­elgrad,··bedrohte im Auftrag seiner Regierung Serbien mit einer österreichisch­en Okkupation.·as war aber nicht genügend Das Auswärtige Amt hat in offiziösen Artikeln die Nachricht verbreitet, daß es von Rußland und Deutschland die Vollmacht zurxekutive oft in Bruvasaun ver­­werden künne. Sch­uhgarn den Christen in ihrem Befreiungskampfe­n sein solle. Aber, wenn die Christen die Kraft haben, in Verbindung mit Serbien und Montenegro ein christliches Staatsmwesen zu bilden, so stehe ihnen Oesterreich-Ungarn nicht im Wege, denn jeder Beruuch, den natürlichen Gang der Dinge in der Türkei hemmen zu wollen, würde für­­ amser Vaterland unendliche Gefahren herbeiführen. Seien Sie versichert, daß Deutschland und Rußland nie, aber g in­nie Desterreich-U­ngarn gegen die Christen der Türkei un­terttügen.­­ Durch Einmischung Desterreich-Ungarns in die orientalischen Angelegenheiten könnte die Drei-Kaiser-Allianz zu einer Zwei-Kaiser- Allianz werden, indem Deutschland und Naßland ihre gemeinsamen BE das an der oberen und unteren Donau zu verwirklichen anfingen. Die orientalische Katastrophe soll uns als Söhne Eines Vaterlandes, als Brüder finden. Nur wenn wir gemeinsam für unser Vaterland fühlen, wenn alle Nationalitäten Hier sich wie zu hause im Vaterlande fühlen, was aber nur dann nu­ric­ht, wenn die bisherige Namenherrschaft aufhört, dann kann der 15 Millionen zählende ungarische Staat eine Zukunft haben, som­­it Ungarn verloren. Nedner empfiehlt seinen Adregentwurf nicht zur Annahme, doch zur Berathung. Bau Möricz beurtheilt in seiner beifällig aufgenomme­­nen Rede die Thronrede nach ihrer Form und ihrem Inhalte und erklärt beide allen billigerweise zu stellenden Anforderungen ent­sprechend — inhaltlich darum, weil die Thronrede wirklich ein Broz gene für die zunächst zu lösenden Aufgaben gebe. Der Hedner bespricht dann ausführlich die Frage der Zivilehe, der Oberhaus- Reform, die Banffrage, die Frage der Zollverträge, und erklärt nach einigen gelungenen polemischen Bemerkungen gegen sa Simonyi und Bolit, daß er den Adreß-Entwurf annehme. Wir kommen im Morgenblatte auf die Nede Móricz ausführlicher zurück. Martin Hegyessy(von der äußersten Linken)erklärt sich gegen die Annahme des von der Majorität ein­gereichten Adreß-­ Entwures und stimmt für den von Ernst Simonin eingereichten Baron Pau­l Sennyey:(Hört!Hört!)Geehrtes Haus! Vor Allem erkläre ich,daß ich de1­ voj­ der Unabhängigkeits-Partei eingereichten Adreß-En­twurf meinerseits in Folge jenes fundas mentalen prinzipiellen Gegensatzes nicht annehmen kann,der zwischen uns und ihnen hinsichtlich der staatsrechtlichen Basis besteht.Mehrmals habe ich meinen lauben u­nd Ineiner Ueber­­zeugung ausgedrückt,daß die staatsrechtliche Basis,wie sie durch unsere Gesetze fixirt wurde,und jenes verfassungsmäszige Bünd­­niß,das zwischen beide 11 Staaten der Mostarch­­e besteht,ei­ne wesentlichere Garantie unserer staatlichen Existenz und natio­­nalen Unabhängigkeit ist und daß ichis nicht nur darum daran fest­­halte,weil jenes Bündniß besteht und vorläufig nicht so letei­t·ab­­zuändern ist,sondern,wie ich offengestehe,auch darum,weilt die·s zufolge der eigenthümlichen Verhältt­isse unserm-Nation,der·poli­­tischen Konjunkturen Europas fü­r gut und zweckmäßig halte.(Zu­­stimmung.)«­«Nicht·die staatsrechtliche Basis ist die­ Quelle unserer finanzielen Misere,sondern die Ueberschätzu­ng unserer Kräfte und dies dient nur zur­ Warnung und Lehre,daß wir aus einem an­­deren noch gefährlicheren Terrain nicht in denselben Wehler fallen ollen. Umso mehr wünsche ich, daß in dieser Beziehung mein Zweifel bestehe und daß wenigstens unser Standpunkt in dieser Beziehung hervorgehoben werde, daß, wie gesagt, fein Zweifel darüber bestehe, was mein Glaube und meine Meberzeugung ist, daß die Majorität der Nation aufrichtig und ohne Hintergedanken am staatsrechtlichen Ausgleich festhält. Denn auf anderem Gebiete, auf dem Gebiete der Ansgleichung der materiellen Verhältnisse in die Verhandlung von heikligen und schwer zu oe Fragen auf dem Tapet, solcher Verhandlungen, welche nur auf Grund gegenseitigen Vertrauens und der Billigkeit zu heilsamem Ziele führen können und bezüglich deren es von schädlichem Einflusse wäre,wenn der Verdacht angeregt dies auch deshalb thaten,weil sie unter den jetzigen Verh­ältnissexi «’ und da der . .. . Ich leugne nicht, daß mir mein Gefühl sagt, daß die Regierung,­­die mit einer Grundzüge ihrer P­olitik darzulegen und auseinanderzufegen, mie sie ihrer wichtigen Aufgabe, die, wie aus Allen bekannt, in der Regelung der Finanzen, in der Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte und in der gründlichen Sani­ung der in allen Verhältnissen vorhandenen Miseren besteht, mit welchen Details, auf welchen Grundlagen zu entsprechen wünsche. ‚Ich gestehe offen und aufrichtig, daß mir mein Gefühl sagte, daß die H­egierung, welche in der a. hb. Thronrede die so michtige Mahnung an und richtet, daß jede verlorene Minute ein Verlust des Vaterlandes ist, freiwillig die erste Minute ergreifen werde, um die Nation über die Grundlagen ihrer Bolitit zu orientiren und daß die Negierung, die in der Thronrede sehr ernst und bestimmt darauf hinmeist, daß von dem P­flichtgefühl der Nation Opfer werden gefor­­dert werden, zu­ ihrer eigenen und der Nation Beruhigung sich be­eilen wird, zu sagen, was sie vorbereitete, was sie vorzuschlagen beabsichtigt, damit diese Opfer je mäßiger ausfallen und nach Möglichkeit auch die segensreichen Früchte jenes Reformiertes kompensirt werden, das unsere Zustände gründlich verbessern man. ·ir werden jedoch,geehrtes Haus,aufgefordertu warten, bis dahin zu­ warten, wann die Gefegentwürfe vor uns liegen mer­­den, Und diesen Standpunkt nehme ich, wie gesagt, an. Mein konstitutionelles Gefühl acceptirt nämlich achtungsvoll jene Mani­­festation der öffentlichen Meinung, die sie im Resultate der Wah­­len aussprach, demzufolge es für mich Klar it," daß Viele sich aus entschiedenem Vertrauen der Negierungspartei anschlossen, was ich nicht leugne, sondern anerkenne. Es gibt aber auch Solche und das zwar nicht Wenige,­die sp­ . 3 a: Die Homödianten des Lebens. Den Roman von Moriz Jókai. Autorisirte Heberregung von Karl Geist. Dritter Theil. Konstitutioneller Kampf. (48. Fortlegung.) — Ein verständiger, ordentlicher, ein waderer Mann­­ stam­­melte Alienor erleichterten Herzens. Er verleugnet doch wenigstens nicht alles chriftliche Mitgefühl. — Na ich für meinen Theil werde so viel christliche Nächsten­­liebe schwerlich am Lager haben, meinte Leon ; ich denne meine zwei lieben Freunde da draußen im Handumdrehen von ihren eigenen Leuten tüchtig durchprügeln zu lassen. — Wie, Du willst also wirklich zu ihnen hinausgehen ? — Natürlich , und Du gehst mit mir. — In unserem Anzuge, fest, wo das Bolt gegen den schwar­­zen Noch dermaßen aufgehebt ist ? — Ah, den Anzug legen wir selbstverständlich ab. 34 habe ichon noch andere Kostü­me im Vorrath. Du ziehst den roten Frad der Fuchsjäger an und ich die französische Zuaven-Uniform vom lech­­ten Massenballe her. — Was? Bit Du denn verrüct geworden ? — Im Gegentheil, ich bin vollkommen bei Trotte. Der Schwarze Rod ist den Leuten verhaßt, die Uniform aber imponirt ihnen. Sie werden verblüfft sein. Sch­wertheile für jet nur­ die Rollen; Du bit ein Engländer, ich bin Franzose. Alles Weitere überlaß’ Du nur mir. Nun aber sieh zu, daß Du Dich umfleidest. Das Bublitum wird bereits ungeduldig, also späte Dich. Du bist nun­ einmal auf der Bühne und hast seine andere Zuflucht, als das Souffleurloch. Die Integrität Deines Hirnfastens, vielleicht Dein Reben selbst hängt Davon ab, wie Du spielst. Wenn wir jett Fer­sengeld geben, so fest das gesammte Bublitum hinter und her und prügelt uns braun und blau. Wir müsfen fühn und verwegen mit­­ten unter die Leute hineinstürmen, gleich dem überschnappten Helden eines Operetten-Librettos und müssen trachten, sie um jeden Preis dahin zu bringen, daß sie ihre eigenen Wortführer prügeln, anstatt uns, Tertium non datur ! Da bleibt weiter seine Wahl. Altenor mußte sich schließlich zu der halsgefährlichen Komödie bequemen. Er getraute sich nicht, Leon zu widersprechen, der ja sein einziger Hort und Schirm mar inmitten der Wigmwams der Milden hier in den Savannen. Er b­at also in Gottes Namen den rothen Brad an, zumal als er sah, daß Leon im Nu die Buavenjade und die rothe Plumphose am Leibe hatte. Sogar einen Galanteriedegen und einen Dreimaster hatte Leon für ihn zur Hand und Schließlich stecte er ihm, um das Kostüm vollständig zu­­­ machen,einen unbändigen silbernen Kotillon-Orden an die Brust. Dann schnallte er selber gleichfalls seinen Säbel um.»So!Und äunguuights«—»voguelsigsildre!« neben der Tribüne,­ „Ich habe es nicht nöthig, mich dem Volke exit vorzustellen , das Bolt rennt mich . Jedermann weiß, daß ich der Bruder N­apo­­leon’s bin.“ Bei diesen Worten lief eine beifällige Bewegung durch die Menge; in der That kannte ihn ja alle Welt als „Bruder Napoleon“. (Darauf kann man ihn nicht einmal Lügen’ strafen ! brunmmte Herr Tukmanyi vor sich hin.) „Ein Bruder jenes glorreichen, bei Solferino die Oesterreicher jenes großen Napoleon, der geschlagen hat, dem wir es zu ver­­danken haben, daß uns nicht mehr die czechischen Gendarmen im Nacken fißen, daß wir nicht Alle insgesammt in Olmüß und in Lpferstadt Schmachten, sondern frei unsere Deputirten wählen kün­­nen. Hoch die heldenmüthige französische Nation ! Hoch mein ruhm­­voller Namensbruder Napoleon !” Darauf min nicht Elfen zu rufen, das ging doch offenbar nicht an, entlobt. »Mein geehrter Freund aber,deni­­­ Ihnenl­ie mitvorstelle, ist der berühmte Prinz Alienox­,der Sproß eines regierenden Fü­rstenhauses,ein Sohn jenes mächtigen England,welches den un­garischen­ Flüchtlingen gastliche Aufnahme gewährte,vor dessen­ ge­­waltiger Kriegsflotte der ganze Erdkreis zittert—desselbest mäch­ti­­gen England,welches stets der treueste Freund aller unterdrückten­ Völker ist,welches bereits Polen befreit hat und nun auch Ungarn vom Joche befreien wird.«« (Du!dafür läßt uns hinwider die Regierung denken! flüsterte ihm Alienor ängstlich zut.) (Englishspoken,M)­10rd!brummte ihn Leon zwischen dem Barte hervor an und fuhr fort :­ „Damohl, das glorreiche England hat ihn gesendet, angethan Brust mit dem Orden der Victoria regia geschmüht." (Victoria regia — das ist ja eine Wafserblume ! rief Herr Rektor Tarifas gelehrt thuend dazwischen.) Allerdings. Wenn’s eine Weinblume wäre, wü­rde er sie ja auch auf der Nase tragen, wie der Herr Rektor.“ Nun hatte Herr Tarifas in der That eine bedeutend volhe Nase. — Das Auditorium ermangelte nicht, auf den treffend heim­­gegebenen Hieb in wieherndes Gelächter auszubrechen. Die Leute,lachten — damit war bereit die zweite Schanze genommen. (Hab­igs nicht gesagt, man soll den Menschen hier nicht reden lassen! m­urrte Herr Tarifas.) „Doch das erlauchte Bolt wird fragen: Was hat denn aber ein Engländer im­ ungarischen Reichstage zu suchen ? Ach will diese Frage beantworten. Mein sehr geehrter Vorredner, der andere Herr Abgeordneten-Kandidat, vor dessen Fähigkeiten und dessen Patriotis­­mus ich mich jederzeit gerne beuge, hat vollkommen wichtig bemerkt, daß das Steuerzahlen ein- für allemal abgeschafft werden müsse. In welcher Weise er es aber möglich zu machen gedenkt, daß das Steuer­­zahlen in unserem Baterlande abgeschafft werde, das hat mein sehr geehrter Freund nicht gesagt ; gerade das ist aber die Hauptsache bei der Geschichte. Ne nun, der Engländer weiß es uns zu sagen. Höret denn, geliebte Mitbürger und erfahren : Als mein glorreicher Obheim, der erste große Napoleon von den übrigen Botentaten im Jahre 1816 ü­berwunden wurde, da preßte man ihm eine unsinnige Kriegs-Ents­­chädigung ab, von welcher auf den Antheil Ungarns gleichfalls acht­­hundert Millionen entfielen. Anstatt jedoch dieses Geld, wie es recht und billig ge­wesen wäre, unter das Bolt zu vertheilen, hat man vorgezogen, es zu behalten und hat es in die Bank von Gagland hinterlegt. Dort legt es heute noch. Dieses Geld gehört dem Lande uid it durch die Interessen seither auf wenigstens z­weitausend Millionen angewachsen. Diese zweitausend Millionen Gulden nun von der englischen Bank für uns herauszuprozessiren — das wird die Aufgabe des Mannes sein, den ich Ihnen als Abgeordneten- Kandidaten vorstelle.“ (duh — das ist ja Majestätsbeleidigung, was Du da zusam­­menreden­ !: Ich laufe auf und davon !) „Nye kries wenn du ein Engländer bit !" brummte ihn Leon grimmig an; davonlaufen konnte er übrigens nicht, denn Leon hielt ihn am Arme fest. Dem Auditorium aber gefielen die Auseinanderlegungen des Renners ungemein wohl. Schau, Schau, Herr Karajan, der muß entweder von der Geschichte nichts gewußt haben, oder er hat sie den Leuten verheimlichen wollen. „Wenn es uns gelingt, dieses Geld herauszuarbeiten, so wer­­den fortan nicht mit dem Staate, sondern der Staat wird uns zahlen. Denn vor allem Andern werden mir dann sein Militär mehr halten. Das it ein Bunt, in welchem ich mit meinem ge­­ehrten Freunde Karajan vollkommen einverstanden bin. Was ich aber dabei durchaus nicht billigen kann, das ist das System, welches er nng an Stelle des stehenden Heeres empfiehlt: die National- Gruppen oder Herrn Deylas, die Herren waren ja im achtundvier­­ziger Jahre Offiziere bei der Nationalgarde, die werden wohl davon zu reden willen, was es heißt, Gardist zu sein. Ein Familienvater soll den eigenen Herd verlassen, bei Walter und Brod bis Magy, Bánya marsciren, kommt dann ohne Hut und ohne Star wieder heim, findet am Ende gar noch Haus und Hof verlassen, das Weib ausgeflogen Gott weiß wohin... Nein, nein, ich glaube kaum, daß Viele von uns Luft hätten, noch einmal das Kalbfell auf den Rüden zu nehmen.“ 7 j­­(,,Nein,wahrhaftig nicht!Hol’s der Geier!Nichts für­­­uns!«)liefert die älteren­ Männer in der Versammlung von allen Seiten durcheinander. « Draußen war die neugierige Menge bereits im höchsten mit der Uniform eines Kommodore der englischen Kriegsmarine,die Sarde.Das ist nichts für njkzz Fragen in doch einmal Hermz Grade ungeduldig geworden und das»Hört!Hört!«erscholl immer dringender unnd stürmischer. Kaum aber waren die Leute der fremdartigen,auffälligen Uniformen ansichtig geworden,so verstummte das bisherige Ge­­tünm­el sofort und machte dem tiefen Schweigen der Ueberraschung, des Staunens Platz;man gab den beiden Genossen Raum,ja die zunächst Stehenden auf dem ganzen Wege bis zum Brunnen hin zogen sogar die Hüte vor ihnen ab.An der­ improvisirten Redner- Tributte angelangt,half Leon zuvor Alienor hinauf,dann schwang er sich selber mit einem kräftigen«tSatze an dessen Se­ite und begann sofort seine Anrede. »Erlauchtes Volk!« (Erlauchtes!«­kicht:»Hört,ihr liebert »Meine Freunde!«sondern»Erlauchtes Volk!«) »Denn dieser Titel gebührt dem souveräne i­­ Volke,vor dessen­ Angesicht ich mir einige Worte zu gestatten bitte.“ (Was soll denn nur die Maskerade?brummte Herr Tukuutm)1 Leute!” Nicht: ,.Unser Kandidat würde dem Landtag klarmachem wie matt das reguläre Militär aufheben kann,ohn­e dafü­r die National­­­garde einführen zu müssen.Man nennt das»Garantie«.Wenn­ Frankreich Algier zu vertheidigen vermag,wo doch nichts als m­ilde Heiden wohnen, England aber Ostindien zu schirmen im Stande ist, wo es seinen andern Menschen gibt als Zigeuner, — so werden sie beide zusammen doch wohl auch Ungarn vertheidigen können, so daß wir uns nicht weiter den Kopf zu zerbrechen brauchen. Und das ist auch nichts mehr als recht und billig : haben wir dreihundert Jahre hindurch ganz Europa vertheidigt, so sol­gest einmal Europa uns vertheidigen. Wir wollen einstweilen zuschauen.“ Das war man freilich eine recht gemeinverständliche und na­türliche Lösung der Wehrfrage. „Was die Frage der Staatsschulden anbelangt, so habe ich diesbezüglich gegen die Ansichten meines geehrten Freundes nichts einzumenden ; nur hinzufü­gen möchte ich meinerseits noch etwas, und zwar Folgendes : Meines Erachtens wäre es eine dringende Noth mendigkeit, daß, noch ehe wir die Erklärung abgeben, daß die Staatsschulden nicht gezahlt werden, auch die Privatschulden jedes einzelnen Staatsbürgers vom Staate übernommen, gleichfalls in Staatsschulden konvertirt würden. Dadurc­­h würden wir erreicht haben, daß schon während der Zeit bis zur Aufhebung der Staats­­schulden die schweren Wucherzinsen nach unseren Baffinen nicht mehr wir armen Schuldner allein zu tragen, sondern auch die elenden Kerle, die Gläubiger, an den Interessen für ihre eigenen Vorderu­n­­gen mit zu zahlen hätten.“ Das war nun wieder ein Finanzprogramm,so klar und­ ein«­·.­­leuchtend,daß es nothwendigerweise Jedermann selbst auf nur ein­maliges Anhören sofort rapiren mußte. Man rief denn an von allen Seiten : „Spricht sehr gut, der Mann! Weiter ! Hört, hört !“ (Der wilde Palatin aber sturrte gegen die Tribüne hinauf: Du Leon ! verhege mir das Bolt nicht auf se­insame Weise) Und Atltenor murmelte vor sich hin: Wenn die Thür da unter uns unter diesen tausendpfündigen Dummbheiten nicht ein­­bricht, fo­llt sie bomben- und granatenfest ! ("Hört ! Hört ! Weiter !") (Sortfegung folgt.) Einen „Beifall“ hatte er also dem Auditorium bereits . Die Nationalgarde war im Fach formaliter abgelehnt. · ; . &

Next