Pester Lloyd, Dezember 1875 (Jahrgang 22, nr. 277-301)

1875-12-01 / nr. 277

—­­. . | Pi­ck « Budapest, 30. November. * Die Antwort des Ministerpräsidenten auf die In­terpellation Horanfly’s bezüglich der Zeit und Handels Frage zeichnet sie durch Korrektheit der Anschauung, Klar­­heit der Motive und Präzision der Darlegung aus. Im Wesentlichen mit Demjenigen übereinstimmend, was wir bereits früher über die Haltung des Ministeriums in der schwebenden Angelegenheit mitgetheilt, bietet sie uns zu einer Skizzirung seinen Anlaß und wir können sofort auf die prinzipielle Seite derselben übergehen. Da wollen wir zunächst unsere in­haltslose Anerkennung dafür ausdrücken, daß der Ministerpräsident fi über den prinzipiellen Stand­­punkt der Regierung mit einer Offenheit aussprach, die jeden Zweifel an den Intentionen des Kabinets ausschließt. Manchem dürfte vielleicht etwas größere Reserve, sei «8 betreff3 der legten Ziele der Regierung, sei es betreffs der­­ obigwebenden Differenzen in den Unterhandlungen zwischen Oesterreich und Ungarn erwünschter gewesen sein, um nicht, wie man zu jagen pflegt, vorzeitig die Brüden hinter uns­­ abzubrechen. Wir aber rechnen es Herrn v. Tiba als eine staatsmännlsche That an, daß er, soweit dies im Rahmen­­ einer allgemeinen Auseinanderlegung thunlich, mit unzwei­­deutigen Worten die Grenze bezeichnete, wo das Streben nach Aufrechterhaltung des einheitlichen Zollgebietes dem­­ Bostulat unserer mirthichaftlichen Eristenz weichen muß. Mit bloßem Parlamentiren und Diplomatischen wäre für ‚eine gedeihliche Lösung der Frage ohnehin nichts gethan ; hier gilt es die aktuellen Interessen beider Theile — nicht die bloßen Wünsche und Meinungen — auf dem Gebiete der Gemeinsamkeit in Einklang zu bringen, ficher­t solche Interessen aber kann man weder Ungarn, noch Oesterreich durch orafelhafte Aussprüche oder diplomatische Sentenzen hinwegtäuschen. Findet der eine wie der andere Theil seine wirthschaftlichen Bedürfnisse auf dem Boden der Gemeinsamkeit gewahrt, dann wird sich die Aufrecht­­erhaltung des einheitlichen Zollgebietes als natürliche Nota­­unwendigkeit ergeben; sollte aber das einheitliche Zollgebiet nur der Prävalenz des einen oder des anderen Theiles dienen, dann kann von der Aufrechterhaltung desselben die Rede nicht sein. Und hiemit haben wir auch vorweg den­ Standpunkt gekennzeichnet, welchen der Ministerpräsident in seiner In­­terpellations-Beantwortung darlegte. Die Negierung ist von dem aufrichtigen Streben beefelt, die Einheit des Zoll­­gebietes zu erhalten und zwar aus dem Grunde, weil sie überzeugt ist, daß die wirthischaftliche Z­eitheilung ein Experiment wäre, welches sich an den wirthischaftlichen Ver­­hältnissen Desterreichs somohl, als Ungarns rächen müßte. Die Kündigung des Holl- und Handelsbründnisses mit Dester­­­reich, welche aus Motiven, die wir bereits mitgeteilt, er­folgen mußte, ism demnach nicht als erster Schritt zur Auf­llösung des Bündnisses zu betrachten, zumal ja im Sinne­­ des Gefeges in jedem Falle neue Unterhandlungen wegen­­ Wiederabschlu­ß des Vertrakts geboten sind,aber sie wahrt «Uns die Möglichkeit,einer wirt­schaftlich­en Loslösung für den Fall,als Wid­erständigung auf dem Boden der Ge­­meinsamkeit nicht erzielt werden könnte.In sehr richtiger Erkenntniß der Aufgabe behandelt die Regierung die Frage des Zoll-und Handelsbündnisses mit Oesterreich im Zu­­ssammenhange mit den Vertragsverhältnissen nach außen,­­da,allerdings bei diesen­ Handelsverträgen und bei der Fest­­»s-«stellung des allgemeinen Zolltarifs die Möglichkeit gegeben ..i«st",den einen wie den andern Theil für etwaige ZüIge­­..»-ständnisse im Interesse der Aufrechterhaltung des ein­­­heitlichen Zollgebietes 711 entschädigen­.Mit den Aus­­führungen des Ministerpräsidenteni 11 diesem Punkte «k­ann man nur­ einverstanden sein,nur möchten wir dieselben «durch eine Bemerkung ergänzen,welcherjvir schon frü­her Ausdruck gabe 11,daß nämlich die Haltung der österreichi­­­schen Regierung in der Frag je des allgemeinen Zolltarifs s»von»xwesentlicher Wirkung au­f das Zoll-1111d Handelsbu­nd­­l«n"i­ ß zwischen­ Oesterreich und Ungarn sein wird.Wetn die­­·"öst»ersreichische Regierung sich in der F.stfte 1111ngdacht­­­delsbeziehungen nach außen zum Dolmetsch der schutzzöllneri­­­­schen Bewegung österreichischer Industriellen machen sollte, sdamt blicc­ngarn keine andere Wahl,als die absolu­te Trennung des Zollgeb­ietes.Endlich steht mit der ganzen Angelegenheit auch die Verzehnungssteuer-Frage in Verbin­­dung—unseres Erachtens und­ insofern,als sie ebeni III­­·"Zoll-und Handelsvertragh mitenthalten ist.Denn wir «L für unsern Theil möchte er die Verzehrungssteuer-Frage nicht als entscheidend für die Aufrechterhaltung oder die Auflösetnxx des einheitlichen Zollgebietes betrachten. Sind unsere Forderungen in diesem Punkte gerechtfertigt ».——und unserer Ueberzeugung nach sind sie das—dann szs muß ihnen unter allen Umständen Red­­­­’«nung getragen werden und sie dürfen "nicht als Kompensations-Ob­jekt in der Zollfragefigurirenz oder aber man "überzeugt1ms,daß diese Forderungen nicht motivirt sind,was b­isher allerdings nicht gelungen ist und wohl s auch nur schwer möglich sein 1 wir­d—dan11 darf um ihretwillen die Aufrechterhaltung der wirthschaftlichen Ein­­heit nicht preisgegeben werden. Nach dem Allen ist es wol­lklcrt,daß das­ Schicksal­s des­ Zoll-und Handelsbündnisses zwischen Österreich und Ungarn in den Händen der österreichischen poli­­­tischen Faktoren­lieh­t.In ihrer Einsicht und ihrer Mäßi­­st­ gung hängt es a1­,ob das Bündniß erneuert oder definitiv ««ge«löst werden soll.Heute stehen beide Theile als gleich­­berechtigte Kompaziszenten einander gegenüber, allein die größere moralische Verantwortung lastet auf den österreichi­­schen Faktoren, weil — wie die Sachen nun einmal dei Schaffen sind — sie in der Stellung des gemwähren­­den Theiles sind, von dessen Entgegenkommen an die berechtigten Forderungen Ungarns die gedeihliche Lösung bedingt ist. Ungarn seinerseits hat seine Konzessionen zu machen, weil sein Interesse in mancher Richtung auf Grund des heute noch in Kraft bestehenden Bindnisses beeinträchtigt erscheint und das Land it demnach in die Position des Fordernden Theiles gedrängt. Nun it es aber Die erste Bedingung einer gemeinsam­en Feststellung, daß der gemährende Theil dem andern nichts vorenthalte, was Dieser ohne Gefährdung seiner vitalen Interessen nicht preisgeben kann. Und die österreichi­­­schen Sreife, welche, wie uns telegraphisch gemeldet wird, je doch die Kündigung des Zoll- und Handelsvertrags beunruhigt fühlen, werden wohl thun, sich die Thatsache vor Augen zu halten, daß die ungarische Negierung sich in einer Lage befindet, welche ihr eine weitere Nachgiebigkeit unmöglich­ macht, und daß in dem Maße, als man in Oesterreich einen Widerstand gegen Die motivirten For­­derungen Ungarns entfaltet, hierzulande die Strömung an Ausbreitung und Kraft gewinnt, welche die Loslösung Ungarns unter allen Umständen will. Es ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, daß die Innterpellation bezüglig des All- und Handelsbündnisses mit der Disfutirung des Handelsbudgets zusammenfiel und — so haben unsere österreichischen Freunde Gelegenheit, sich aus den Manifestationen der Abgeordneten ein Urtheil über die Hier herrschenden Bestrebungen zu bilden. Daß Herr Frängi schlechterdings nichts Anderes als die Auflösung des einheitlichen Zollgebietes will, wird auch in Oesterreich nicht Wunder nehmen ; allein die äußerste Tinte Steht frente mit ihrem Kredo nicht mehr isolirt da. Sehr gemäßigte Elemente des Reichstages, die mit aller Ent­­­schiedenheit für die staatsrechtliche Gemeinsamkeit einstehen, sind ebenso entschiedene Anhänger der wirtscchaftlichen Tren­­nung und heute wurde diese Tendenz von einem der begab­­­­testen jungen Mitglieder des Reichstages, dem Baron Ivor Raas, sehr energisch verfochten und von vielen Seiten wurden seine Ausführungen beifällig aufgenommen. Unter Standpunkt ist es freilich nicht, den der Abgeordnete Raas ‘Bennweisführung nicht. in dieser Frage vertritt, ja wir sind sogar geneigt anzu­nehmen, daß er ü­berhaupt nicht so sehr, ein klar erkanntes handelspolitisches Interesse, als vielmehr ein gemisses na­­tionales Motiv repräsentirt ; nicht,destoweniger missen wir ihm die Anerkennung zu Theil werden lassen, daß er seine Argumente für Diejenigen, Die sie Zweifeln an der Zu­­träglichkeit des einheitlichen Bollgebietes hingeben, wie auch für Diejenigen, die mehr von Ahnungen als Ueberzeugungen geleitet sind, geschickt genug gruppirt hat. Der theoretischen und auch der aus praktischer Erfahrung abgeleiteten Kritik werden seine Argumente allerdings nur zum geringsten Theile Stand halten. Wenn er sich von vornherein auf den Boden des starren Merkantilismus begibt, so ist dies an sich schon höchst bedenklich, aber die Auffassung wird noch unhaltbarer erscheinen, wenn man erwägt, wie er mit der "Handels­­bilanz" verfährt. Denn lassen wir auch für einen Augenblick gelten, daß die Theorien, die man aus der Handelsbilanz ableitet, überhaupt noch auf Würdigung Anspruch erheben künnen, so wird man doc für jeden Fall fordern m­üssen, daß man sich nicht auf eine oberflächliche Wahrnehmung derselben beschränke. Will man mit der passiven „Han­­delsbilanz“ operiren, so muß man die verschiedenartigsten Ursachen derselben erörtern, es muß untersucht werden, ob die passive Handelsbilanz in Wahrheit ein wirtscchaft­­liches Minus ausdrückt ; es muß die Natur der Werthe, aus deren Einfuhr die passive Handelsbilanz resultirt, ge­­prüft werden; es fragt sich, ob die eingeführten Werthe reproduktiv sind, oder nicht, ob die Bassiv-Bilanz im Gleichgewicht mit der Konsumtionskraft der Bevölkerung steht oder nicht, u. s. w. Erst aus dieser Untersuchung läßt sich darauf schließen, ob die passive Handelsbilang in der That einen wirthschaftlichen Nachgang bedeute. Allein der Abgeordnete Kaas ließ sich auf solche Erörter­mgen nicht ein, er konstatirte einfach­ die „passive Handelsbilanz” und übersah dabei selbst die elementare und hierzulande jeden­­falls entscheidende Frage, ob in Ungarn, welches ja einen mirtefchaftlich unent­wickelten Staat bildet, die passive Han­delsbilanz nicht unter allen Umständen einen natur­­gemäßten,wittelittferner lertienikhtiger Mittel zu alterbrenden Charakter haben würde. Glücklicher war Baron Kaas auch in der praktischen Die Boden-Erzeugnisse des Landes, argumentirte er, werden auf dem europäischen Markte durch­ russische und amerikanische Konkurrenz nahezu verdrängt — folglich muß das selbständige Zollgebiet gegen Oester­­reich hergestellt werden! It diese Deduktion auch eine Täglfche ? folgt daraus nicht vielmehr, daß wir unter solchen Verhältnissen unseren Boden-Erzeugnissen wenigstens verawitärigem Grabgebiet in unsener unmittelbaren Nähe, in Deiterfeld, freih­alten müssen? Alerdings wollte er daraus auch den Schluß ziehen, daß nothwendig für die Entwick­­lung einer Industrie gesorgt werden müsse, und daß das besondere Zollgebiet diesem Zweckk zu dienen habe. Allein eg­st ein Erfahrungstrag, haß man nirgends und unter seinerlei Verhältnissen das Werden einer In­dustrie auch Schulzölle befördern konnte — insbesondere nicht in Ländern, wo die ersten Bedingungen zur Industrie — die Kapitals und Arbeitskraft fehlen. — Es ginge weit über den Rahmen dieses ohnehin schon lang ge­­diehenen Artikels hinaus, wollten wir auch nur die hervor­­ragendsten Irrthümer der Nede Kaas’ erörtern. Aber wir leugnen nicht, daß er troß Allem und alledem einer sehr lebhaften Agitation Worte geliehen hat, einer Agitation, die gerade deshalb beachtet werden muß, weil sie sozusagen mehr eine inftinktive und mit nationalen Momenten ver­­quirte, als eine auf klarer Berechnung und Erwägung des handelspolitischen Interesses bafirte ist. Eine solche Be­wegung greift vapider um sich, als eine aus genauer Er­­kenntnis hervorgegangene. Und daraus wollen wir wieder­­holt die Aufmerksamkeit der österreichischen Kreise gelenkt haben. Mögen die Intentionen der Regierung die besten sein — wie sie es thatsächlich sind —, sie werden auf die Dauer nicht Stand halten künnen, wenn man nur eine unmotivirte Einseitigkeit des Handelns in Oesterreich der hierzulande herrschenden Bewegung neue Nahrung zuführt. Budapest, 30. November. (Ls.) Das Buch des Grafen Lónyay über die Bant­­frage hat merkswü­rdigerweise nicht entfernt jenen nachhal­­tigen Einbind gemacht, den der Berfasser — und vielleicht nicht nn Ddieser — erwartet haben mochte. Heute wird kaum mehr von der jen wegen ihres äußeren Umfanges bemerkenswerthen Arbeit gesprochen und doc enthält Die­selbe viel des Lehrzeichen, wenn alle die daraus abzu­­leitenden Lehren nicht eben jene sind, die der Ber­­fafser im Auge haben mochte. Bereits in einem frü­­heren Artikel (S. Nr. 270 des „ Bester Lloyd“) haben wir an der Hand d­ieses Buches das Vorgehen des Grafen Lönyay in Sachen der Vöslauer Vereinbarung erörtert. Wir wollen Herrn v. Lönyay nicht als Fehler anrechnen, daß er diese Vereinbarung überhaupt abschloß, obschon er dadurch das selbständige Verfügungsrecht Ungarns in der Bankangelegenheit beeinträchtigte. In einer Zuschrift an den österreichischen Finanzminister bezeichnet Lónyay die Vöslauer Vereinbarung mit Rücsicht auf seine Verant­­wortlichkeit der ungarischen Legislative gegenüber selber als eine „Kühnheit" Doch wir wollen, wie gesagt, zu­­geben, daß die Vereinbarung unter den gegebenen­­ Ver­­hältnissen der einzig mögliche Modus war, nach welchem er vorgehen konnte. Allein wir haben nachge­­wiesen, daß Graf Lónyay bei der Effertairung der mehrgenannten Vereinbarung Mißgriffe und Fehler ler­ging, welche nimmermehr zu entschuldigen sind. Graf Lönyay fühlte, daß durch die Vereinbarung dem freien Verfügungsrec­hte Ungarns präjudizirt werde und er getraute sich nicht, diesfalls die Verantwortung vor dem Lande zu übernehmen — er hielt die Bereinbarung Die ganze Zeit seiner Finanzministerschaft über geheim. Er verabsäumte es, die Oesterreichische Nationalbank zu einer bindenden Erklärung zu nöthigen. Er begnügte sich mit einem vagen Beisprechen des österreichischen Finanzministers, während er doch schon bei der­­ Unterzeichung der Vereinbarung ganz gut wissen mußte, daß die Uebernahme der bedungenen Verpflichtungen eigentlich von einem dritten Faktor abhänge, dem es vollk­ommen freistehe, den auf ihn bezüglichen Stipulationen zuzustimmen oder dieselben zurü­ck­­zumessen. Mündlich b­at er dem Bank-Gouverneur, Herrn v. Pipig, gegenüber der Vereinbarung allerdings Ermah­­nung, im Uebrigen war er es ganz wohl zufrieden, daß seine Seele der Sache weiter gedachte und tröstete sich wohl mit dem Spricyworte : verba valent, scripta­manent ALS dann im Jahre 1869 die Geldfrise zum Ausbruch kam, die Nationalbant ihre Dotationen einschränkte und sonach ungarischerseits­cchüchterne Berufungen auf die V­öglauer Vereinbarung geschalten —, da wußte sich, wie­ es scheint, die Oesterreichische Nationalbant der ihrem Gouverneur mündlich gemachten Mittheilung längst nicht mehr zu ent­­sinnen, denn unterm 20. Jänner 1870 erfuhr Graf Lönyay den österreichischen Finanzminister, er möge die Oesterreichische Nationalbant da davon verständigen, daß zwischen Desterreich und Ungarn bezüglich Der» privilegirten Welterrer Hit pen Nat­innalbant­ ja bereits­ ge­wisse Abmachungen getroffen worden seien. Der österreichische Finanzminister theilte man mehr — also volle Dritthalb Yahre später ! — mittelst Zuschrift vom 7. März 1870 der Nationalbant die Röslauer Konvention mit dem Bemerken mit, daß er sich dem ungarischen Finanzminister gegenüber in seiner B April 1868 in vollkommen gleichen Sinne geäußert habe. Die Bank notifizirte in der General­­versammlung vom 18. S­änner 1871 ihren Wisionären die genannte Vereinbarung als schältbares Material, ohne ihrerseits für die Zukunft irgend­welche Ver­­pflichtungen aus Oderselben anzuerkennen“) ; sie er­härte vielmehr, einerseits in dem Bemwußtsein, daß sie zur Uebernahme der stipulirten Verpflichtungen rechtlich nicht verhalten werden künne, andererseits da sie Ungarn be­­reits mit einem Defizit ringen und in einem Zustande sah, welcher der Errichtung einer­­ selbständigen ungarischen Notenbank damals schon erhebliche Schwierigkeiten berei­­ten mußte — offen und unummunden, daß sie Ungarn gegenüber nur Nepresfalien gebraucht habe, und deren in Hinkunft so in verschärftem Maße zu gebrauchen ge­­denke, wenn die Frage der Anerkennung ihres Privilegiums nicht in kurzer Srift gelöst würde. Was in jener Generalversammlung der Nationalbank am 18. Jänner 1871 gesprochen wurde, verlegte die öffent­­liche Meinung in Ungarn in Aufregung. Das Land führte in vollem Maße die Demüthigung, welcher das Ansehen des Staates und der Regierung preisgegeben worden waren. Die Erregung, welche sich der öffentlichen Meinung be­­mächtigt hatte, fand auch im Abgeordnetenhause lebhaften Ausdruck. Graf Lónyay war damals als gemeinsamer Finanz­­minister bereit von anderwärtigen Agenden in Anspruc genommen. Seine Erbschaft hatte Kerfapoly angetreten ; ihm fiel nunmehr die Aufgabe zu, aus dem bereits trotz­ 108 verwirrten Snänel einen Faden herauszugreifen und den Berunch zu machen, ob vielleicht die Abwicklung gelin­­gen möchte. Negiren konnte er die Vöslauer Vereinbarung nicht ; andererseits vermochte er aber auch nicht zur Recht­­fertigung derselben jene Bartheile hinzustellen, die sich aus dieser Vereinbarung ergeben haben würden, wenn Die­­selbe richtig und zweckmäßig effertiert worden wäre. Als Anhänger und hervorragender Bak­ämpfer der Desi-Partei konnte er aber auch Lönyay nicht kompromittiren, der ja gleichfalls ein altes Mitglied, ja einer der bedeutendsten Paladine der Partei war; er nahm daher seine Zuflucht zu seiner oft bewinderten Dialektik und variirte die For­­mel „Es ist zwar etwas Wahres an der Sache, aber sie it denn doch nicht so ganz wahr.“ Wir führen all’ das blos an, um „die Umstände klar­­zulegen“ , nicht etwa als Anklage gegen den Grafen %­­nyay, sondern um dem Publikum, welches an der Hand des Sönyay’schen Buches vielleicht nicht so ganz unbefangen zu urtheilen vermöchte, zu zeigen, daß der Samen zu den späteren Verwiclungen und Schmierigkeiten Schon während der Finanzministerschaft L ónyay 8 ausgestreut wurde ; wir wollen das Publitum in die Lage fegen, allen Denjenigen gegenüber gerechte Kritik zu üben, denen es später hin und noch bis zur Stunde nicht gelingen wollte, die überaus komplizirte und nachgerade zu einem Krebsschaden gewor­­dene Affaire zu glücklichem Ende zu führen. Wäre es nicht besser gethan gei­esen, wenn Lönyay, anstatt vor Allem die 60-Millionen-Anleihe zum Ziede von Eisenbahnbauten zu kontrahiren, glei) damals, da der Kredit des Landes noch intakt war, in den ersten Jahren des Ausgleiches mit dem Aufgebote seiner ganzen, unleug­­bar bedeutenden Thätigkeit die Lösung der Bankfrage in den Vordergrund gestellt und die wichtigen­nteressen des ungarischen Kredit gesichert hätte ? Mit Bedauern müssen wir Konstatiren, daß Graf %­­nyay während der ganzen Zeit seiner Finanzministerschaft auch nicht einen Schritt zur Lösung der Bankfrage gethan hat. Wo sich Hiezu eine günstige Gelegenheit erbot : im Jahre 1868, bei Gelegenheit der Vebänderung des Banfstatuts,­­ wüßte er den günstigen Moment nicht, um mindestens einen "modus vivendi" zu schaffen. Die diesbezüglichen Verhandlungen liefern einen neuerlichen Beleg dafür, wie [chwanzend, im Dunkel tastend, in seiner Richtung und seinen Zielen unentschieden das Vorgehen war, welches Graf Lönyay in der Bankangelegenheit be­­folgte. Ka­was mehr: gerade er war es, der die von österreichischer Seite ausgegangene Initiative zur Lösung einiger mit der Bankangelegenheit in Verbindung gebrachter Fragen zurichwies. „Binnen Kurzem wird die Zeit genom­­men sein, daß das Verhältniß zwischen der österreichischen Nationalbank und der Staatsregierung duch ein neues Uebereinkommen geregelt werde... . ., zu welchem auch die Zustimmung der ungarischen Legislative erforderlich ist. Es it daher nothwendig, daß einige wesentliche Fragen, welche die Oesterreichische Nationalbank interessiren, und be­­züglich deren Die ungarische und die österreichische Negie­­rung bisher noch zu Feiner Abmachung gelangt sind, je eher ihre Lösung finden“,­­ schreibt der österreichische Finanz­­minister bereits unterm 25. Mai 1868 an Lönyay. tónyan ergreift aber die Gelegenheit nicht, auch mit der Nationalbank, sei es für die Dauer des Bank-Privilegiums, sei es auch über dieselbe hinaus, wo möglich ein die Ant­ressen des Landes sicherstellendes Abkommen zu treffen,­­ sondern wir sehen ihn einestheils pasjtiv bleiben, anderntheils eine negative Rolle spielen. Bezüglich der Bankihuld von 80 Millionen präzisirt er zwar in seiner an den österrei­­chischen Finanzminister gerichteten Note vom 6. Oktober 1868 den Standpunkt der ungarischen Regierung dahin, daß sie der in Nede stehenden Schuld nicht beitreten künne, bemerkt aber gleichzeitig : „D­iese Frage gehöre vor Ablauf des Bank-Privilegiums und Herteilung der Baluta nicht unter die d­ringlichen fragen." Kann es wohl Wunder nehmen, wenn auf eine so vage Antwort hin der österreichische Finanzminister die Angelegenheit der 80-Millionen-Bankanleihe durchaus nicht als abgethan be­­trachtet, sondern sein­­ diesbezügliches Ansinnen unterm 22. November 1869 — also ein volles Jahr später — mit dem Bemerken wiederholt, „er fünle Lönyay’s Ansicht , die Bankfrage gehöre vor Ablauf des Bank-Privilegiums und Regelung der Baluta nicht zu den dringenden, ganz und gar nicht theilen" — ? Dody Graf Lönyay beharrte auf seinem Standpunkte und ging bald darauf nach Wien, unwahrscheinlich um seinen österreichischen Kollegen „münd­­lich" zu kapazitiren, daß die Bankfrage in der That nicht zu den dringenden Fragen gehöre. Doch kehren wir zu den Verhandlungen bezüglich Abänderung des Bankstatuts zurück. Die Oesterreichische Nationalbank richtete auf ihrer Generalversammlung vom 1.Feber 1868——also kaum ein halbes Jahr nach der Wiederherstellung unserer Ver­­fassung—an die österreichische Regierung die Bitte: der Staat solle das Unverzinsliche Bankanlehen von 80 Millionen fortan verzinsen; das Privilegium der Bank möge auch in den Län­­dernd der ungarischen Krone zu gesetzlicher Kraft erhoben werden ; das Stammkapital der Bank solle reduzirt und der Geschäftskreis auf breitere Grundlagen basirt werden. Der österreichische Finanzminister theilte Dieje Petita der Nationalbanf im Sinne der Böslauer Vereinbarung dem ungarischen Finanzminister mit, erbat sich dessen Mei­nungsäußerung und bemerkte zugleich, daß — da die Banf- Angelegenheit mit der Regelung der Baluta in engem Zusammenhange stehe — die zu treffenden Verfügungen nur provisorischen Charakter werden an sich tragen können. Graf Lönyay aber, anstatt die Gelegenheit zu wügen und mit der Nationalbank­ernennung ihres­­ in der Böglauer Bereimbarung de facto ohnehin bereits anerkannten Privilegiums wenigstens pro­­prsorisch eine Lönyay, den Landes entsprechende­ Cdfung zu vereinbaren, anstatt sich zu bestreben, wenigstens provisorisch einen „modus vivendi" 1868 hierauf ganz im Allgemeinen: zu schaffen, Lónyay, sagen wir, antwortet in seiner Note vom punst ein, daß — nachdem der Antheil Ungarns unter diesem Titel seinerlei weitere Ansprüche an hat­ten, daß decht und „Metallbededung“,­­— Graf 8. April „Die ungarische Re­gierung halte auch fortan an der Vöslauer Konvention fest und werde über dieselbe nicht hinausgehen.” Hebrigens machten die einzelnen Fragen im Verkaufe der Unterhandlungen die nachstehenden Stadien durch: Bezüglich der 80-Millionen-Bank-Anleihe nahm sowohl­ an der gemeinsamen Staatsschuld einmal gejeglich festgestellt sei, (Aktienkapital) und Ungarn formulirt werden künnen. Der Frage der Anerkennung des Bank-P­rivilegiums wubte Lónyay in seinen Noten konsequent auszuweichen. Die Herabminderung des Stammkapitals der Bank betref­­fend, spricht sich Lónyay in seiner Note vom 8. April 1868 d­age­­gen aus, „denn — heißt es daselbst — die ungarische Regierung hat die Zusage, den Zwangskurs der N­oten der Oesterreichischen Nationalbank in Ungarn aufrechtzuerhalten, in der Hoffnung gemacht, daß das Stammkapital der Bank nicht vermindert werde." Lónyay verwechselt hier offenbar die Begriffe „Stamm­­kapital“ während doch der S. 19 des Bankstatuts war und kündig „das Verhältnis des Metallihages zur Noten-Emission" ganz unabhängig vom Stammkapitale der Bank regelt. Und desgleichen schreibt Lónyay unterm 25. Mai 1868 : „Die Zusage den Zwangg- Kurs der Banknoten in Ungarn aufrecht­erhalten zu wollen, die ungarische Regierung in dem guten Glauben gege­­ist also nur insofern geneigt, den Zwangsfarg der Noten der Oesterreichischen Nationalbank auch fernerhin aufrecht zu halten, ab­ das Stammkapital der Bank nicht vermindert wird." Erst der österreichische Fi­nanzminister muß Lönyay darüber aufklären : „Daß durch die Verminderung des Stammkapitals Banknoten die mit Edelmetall nicht vermindert werde", der Nationalbank „nichts“ papiere in das Bankgeschäft.­­Rolle zu ungarische die Einbeziehung der ungarischen der Ende sich, nach achtmonatlichem Besinnen und Notenwechseln er­­theilt Lönyay am 6. Oktober die Antwort, daß das unga­­rische Ministerium gegen die Nebustion des Stammkapitals erinnern Habe". Die Erweiterung des Geschäftskreises der Bank rief bei Lónyay auf seine Schwierigkeiten; er betonte hier vol­kommen richtig mährend „Schwierigkeiten”. Anerkennung des Bankprivilegiums magt Weise heran, pflichtet sich gemahnt wird, de de facto aber anerkennt er dasselbe und wer­­nicht nur zur Aufrechterhaltung des Zwangs­­rures, sondern sogar zu gemeinschaftlichen Ab­­machungen. Und als er dann an die Effektwirung derselben gend“. Er läßt sich nicht darauf Nationalbank zu Ungarn, den Weg, mündlich, fuffionen Abänderung sei es der „Das ungarische Ministerium diftrationen, welche seitens Bankstatuten den und zu deren Gewährung „nicht drin­­das Verhältniß der auch nur provisorisch, für die Dauer des Bankprivilegiums, geietlich zu regeln, accep­­tirt facto all jene Konsequenzen, welche der Zwangskurs der Banknoten involvirt. Er legt zehn Monate lang 1868 an den österreichischen Finanzminister Emw. Erzellen, der Ermächtigung des­­ Reichsraths befugt sind, lei garische Ministerium fein die Genehmigung ertheilen zehnmonatlichen Vanyay schließlich Bankstatuts, möglichen politischen Dig­­der Nationalbank ge­wünscht wer­­zu machen, ist sogar der Ansicht, daß auf Grund Ihrer Ermächtigung in die Lage verlegen mollten, daß October zu schreiben , aller jener Mo­­im Grunde feiner­­ja das ui­­es auf die Würdigung der Wichtigkeit des Bankwesens in Ungarn nur von günstigem Einfluß fühnte, wenn Em. Erzellenz dieser Modifikation je­d­er die Nationalbank Alfo nach Temporisiven und Berzögern urgirt Wir wollen lieber im AM gemeinen, in den Grundzügen betrachten, in welches Sta­­dium Lonyay während der Zeit seiner Finanzministerschaft die Bankfrage gebracht hat. Die Vöslauer Vereinbarung, fritifiven, Aktion acceptiren molsen, — welche wir nicht weiter als Ausgangspunkt der weiteren flare Situation geschaffen. Nach derselben hatte sich die ungarische Regierungs unter gewissen­ Bedingungen,nämlich unter Aufrechterhal­­tung ihrer­ Einflußnahme auf die Dotation und die Filialen, —verpflichtet,insolange als die Bankfriege auf legis­­lativem Wege nicht geordnet sein würde, den Status quo pretirt werden mag — nichts Anderes bedeuten kann, die faktische Aufrechterhaltung des Bankprivilegiums. Was gehend, mußte nun, von Diefer die Aufgabe des ungarischen Finanzministers sein ? Vor Allem nichts Anderes, als sich die Einflußnahme Nationalbank als die unga­­rische, — und daß auch ihre Höhe ausstatte, Regierung für erforderlich erachten wie Weise Der Finanzminister hätte vor Allem prägzisiren müssen, er diesen seinen Einfluß geltend zu machen, in welcher er das eben umschriebene Prinzip praktisch durchzu­­führen gedenke, um sich diese Einflußnahme, dieso für Ungarn eine Lebenrsitra gewan, zu sicichern. Und in Anbetracht dessen, daß Die Oesterreichische National­­bank eine Aktiengesellsshaft und durch gejegliche Bestimmun­­gen nach jeder hätte trägt an vielen Nichtung Hin verschanzt suchen, und sonach ungarischen Negierung sichen Bermh­rungen. Die und gesichert ist, It aber nit geliehen. Und das ist die erste große V­ersäumniß, melde die Schuld und bedauer­­die Einflußnahme der ungarischen Regierung auf so wie erwähnten Fragen fünnen , einmal aber hätte präzisirt war,­­ das Bank­wesen in legislatorischem Wege zu regeln. Diese Regelung entweder blos provijorijd, für gemefen : die in zweifacher Weise geschehen die Dauer des Bankprivilegiums, oder aber definitiv, Lönyay aber hat nach seiner dieser beiden Richtungen stellte fi im Jahre 1869 Staatshaushalte hen begann die Krise das Defizit ein zu dominiren. Da was mehr­­ selbst als die Gelegenheit überaus günstig war — als im Jahre 1868 das Stammkapital der Oesterreicir föhif vom 8. aber die im Verfehre gesichert sondern einfach Regierung hin etwas gelang definitive, der ein­­er Läßt und darauf zu sichern,, daß die tische Negierung sie ferner sowohl die An die ungarische Oesterreichische fastlich so viele Filialen im Lande errichte, älteren Filialen mit Dotationen milde, der als Preis der gefehlicten An befindlichen Noten gehörig be­­An die Frage der legalen Feiner Interessen sind und selber die ermidert er­ verhandelt sich in alles aufrecht zu erhalten, was für alle das Bemerkungen Doc genug der Details. er vorwiegend in seiner Nationalbank um Alle 37d08 Sp verfloffen­des als auch späterhin der Ministerrath zehn Monate hindurch machte späteren Unannehmlichkeiten gethan. Frage — nöthig sein werden. Die zweite Obliegenheit nicht die Frage sei diesbezüglich Hat bezüglich und hiedurch schleunige Zustimmung 20,250.000 ein, mir, mie alle Modalitäten Er hat selbst um eine sie" hatte er erachten neu zu errichtenden fi­itte feststellen müssen, in jener aber wäre initiert, geschweige den Bededung Hindernisse schriftlich Lönyay Stand­­Werth­­fort­­er fi­ in am 6. u. 1. w. die Modifikation noch immerhin Vereinbarung als in im und Des eine als allg­­eine auch immer inter­­»provisorische Re Gulden reduzirt die Garantien der Einflußnahme der denn die Jahre 1867 und 1868 und dann und unserem *) „Besonders zu bemerken ist, daß diese Abmachungen (nämlich die Vöslauer Vereinbarung) ohne Bormiffen der Banf getroffen worden sind und diese erst nachträglich mündlich davon verständigt wurde, daß eine solche Abmachung bestehe — dessen ungeachtet aber aus dieser Vereinbarung For­­derungen hergeleitet werden, zu deren Erfüllung die Oesterreichissche Nationalbank verpflichtet werden soll — so schreibt die Direktion der Bank unterm 21. Oktober 1869 an Lónyay. \

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