Pester Lloyd, Januar 1876 (Jahrgang 23, nr. 1-24)

1876-01-14 / nr. 10

— — — Heineinfinden, zur Wiederherstellung der inneren Ordnung umtauscht. I Ganzen scheint man diesmal wirklich auf gutem Wege zu sein und es ist zu hoffen, daß nicht ein unvorhergesehener Zwischenfall wieder Erfolge in Frage stellt, die man jegt als nahezu verbürgt betrachten kan. Ferdinand Magályi, Edmund Steinacher.­­ Die für heute anberaumt gewesene Sagung des Finanz­ausschusses des Abgeordnetenhauses wurde auf morgen verschoben, da heute Abends in unaufschiebbaren Angelegenheiten ein Ministerrath abgehalten wird. Die Dreier-Kommission des Ober­hauses verhandelte heute in den Mittagsstunden den rumänischen Handelsvertrag.­­ Die Angelegenheit der Pest-Semliner Eisenbahn ist, wie die „Reiter Korr.” berichtet, neuestens in ein Stadium ge­­treten, daß der Kommunikations-Minister in der Lage sein wird. Schon in den allernächsten Tagen dem­­ Reichstage die auf diese Bahn bezüglichen Vorlagen machen zu können, alentin -"«-.»«ikd.apests,13.-«Janner. ."--Die Wende 119,welche die Bejüngster­ Tagen genommen hat,darf als eines sehr be ·tedigende bezeichnet werden­.Wie es schemh maßte man sich einen Augenblick lang ziemlich ernsten Besorgnissen ein­geben. Die erste politische Richtung, welche der Pforte vor­­schwebte, war die des Widerstandes. Sie fdidte sich an, die Entgegennahme der P­ropositionen abzulehnen und, unter Prüfung auf ihre Winde und die Souveränetät ihrer Stellung innerhalb des europäischen Staatenverbandes, einen­­­­ Protest gegen das Einschreiten Europas zu formuliren. Eine derartige Haltung der Pforte konnte möglicherweise zu be­­denklichen Weiterungen führen. Demm in der That hätten die europäischen Mächte die einfache Verweigerung der Annahme des gemeinsamen Pazifikations- Projektes nicht ruhig hin­nehmen können. Um welche Lage aber die Türkei gerathen wäre, wenn sich zu der revolutionären Bewegung im In­nern des Neidig­aus noch die mehr oder weniger pronen­­te Seindseligkeit Europas gesellt hätte und damit der oralische Dund beseitigt worden wäre, welcher bisher die­­ aktive Betheiligung Serbiens und Montenegros an dem­­ Mufstande niederzuhalten vermocht hat, bedarf nicht exit näherer Ausführung. Wenn die Pforte, wie sich gezeigt hat, selbst der isolirten und von jeder ferneren Unterstügung nach Möglichkeit freigehaltenen Insurrektion weder militärisch noch politisch Herr zu werden vermochte, so lag eine ernste Ge­­fahr darin, wen Europa ihr die bisherige Unterstügung versagte und wenn damit das Losungswort zur Einigung aller negativen und revolutionären Kräfte sowohl im Innern des türkischen Reiches als an seinen Grenzen gegeben war. Wir wissen nicht, ob diese Erwägungen den Aus­­schlag gegeben haben, oder ob das Echauffement , welches einen Augenblick Lang die Entschließungen der tü­rkischen Staatsmänner beherrscht zu haben scheint, überhaupt nur ein Fünftliches und nicht ganz ernst zu nehmendes gemesen it. Jedenfalls scheint es an entschiedenen Vorstellungen seitens der Mächte in Konstantinopel nicht gefehlt zu haben. Sowohl das Petersburger als das Wiener Kabinet haben energisch darauf Hinge­wiesen,, daß die Türkei nicht das — —— Megt besige, Vorschläge, die nichts Anderes bezwehen, als — die Erhaltung des Friedens, gewissermaßen a limine zurid­­— guweisen. Und eben so wenig ist ihr das Recht zuerkannt worden, die Entgegennahme dieser Vorschläge von irgend­welchen V­orbedingungen abhängig zu machen. Die Pforte mußte daher auch eine identische oder Kollektivaktion der Mächte über sich ergehen hassen. Indeh ist wahrscheinlic, da man ihre Empfindlichkeit in diesem Punkte schonen und die innere Einheit des Vorgehens mehr in die Sache als in die Form verlegen wird. Und in der That berühren die eventuellen Entscheidungen der Mächte in dieser Bezie­­hung nur eine untergeordnete Seite der Frage. 3 ist verhältnismäßig gleichgiltig, in welcher Form das Projekt zur Kenntniß der Türkei gebracht wird, wenn es nur wirk­­lich) Die gemeinsamen Anschauungen Europas repräsentirt und die Pforte nicht im H Zweifel darü­ber gelassen wird, daß es aus dem einmü­higen Entschlusfe der Mächte her­­vorgegangen it, den­ Friedens­nteressen um jeden Preis Nachdruch und Geltung zu verschaffen. Ueber den Inhalt der vom Grafen Andrássy ausge­­arbeiteten Bortschläge — sie tragen das Datum vom 30. Dezember — ist wo immer nichts in die Oeffentlich­­keit gedrungen und es scheint, daß man das Geheimniß in — dieser Beziehung bis zu ihrer offiziellen Uebergabe an die — — Borte bewahren wird. Dazu fehlt überdies noch der Anschluß Englands. Es ist indeß kaum anzunehmen, daß man in Kon­­stantinopel ganz ohne Kenntniß der Richtungen und der Trag­­weite jener Bortescläge geblieben sein sollte. Ist aber die Boraus­­sehung richtig, daß der Pforte wenigstens auf indirekten Wege Mittheilungen in dieser Richtung zugenommen sind, so darf aus ihrer zögernden Haltung und aus ihrer ur­sprünglichen Weigerung, die Depesche entgegenzunehmen, eine nicht uminteressante Folgerung gezogen werden. Denn jedenfalls ist damit der Beweis geliefert, daß die Borz­­schläge der Mächte auch noch Anderes enthalten, als was der Reform-Ferman des Sultans selbst der christlichen Be­­völkerung zu bieten vermochte und daß die Razifikationg- Mittel durch die Beschwichtigungs-Maßregeln des Septeren nicht erschöpft erscheinen. Denn in der That hätte Die Dopposition der Pforte so gut als feinen Sinn, wenn sie sie nicht zugleich­ auf das Meritu­m des Projektes erstrebt. Und umgekehrt, wird auch der Nachchluß aus dem Fallen­­lassen der formellen Einsprache auf eine größere Konfivenz in dem Sachflichen der Frage schwerlic ein ganz unstatt­­hafter sein. Wie die Dinge fest zu liegen scheinen, wird die Entgegennahme des Projektes kaum viel weniger An­­deres bedeuten können, als seine Annahme. Wie dem aber auch sein mag, den Schwankungen der Pforte ist wenigstens Die eine Konsequenz zuzuerkennen, daß sie die s­chriftliche Bevölkerung der infurgirten Pro­­­­vinzen nothwendig überzeugt haben es handle sich in dem Borschlage der Mächte um mehr als eine bloße Spiegelfechterei und um einige unwesentliche Mafregeln zur Verbesserung ihres Loses. Hätte sich die Depesche auf Vorstellungen beschränkt, wie sie seinerzeit zum Erlaß des Hatisscherifs von Gülhane und des Hat-Humayum’s, der niemals ausgeführten Charte der Religionsfreiheit, geführt haben, so hätte Die Pforte ohne Zweifel mit beiden Händen zugegriffen. Unleugbar erleichtern die Schwierigkeiten, die man in Konstantinopel macht, die Lösung der Fragen in­­ Bosnien und der Herzegovina. Auch die Verschleppung des Kabinett von St. James wird sich von diesem Stand­­punkte vielleicht nicht allzu sehr betrauern lassen. Man fennt in Bosnien und der Herzegovina die Tü­rfenfreundlichkeit der englischen Staatsmänner viel zu gut, um in­­­ieser zögernden Haltung nur ein günstiges Symptom für die fachlichen Nichtungen der diplomatischen Ak­ten zu erken­­nen. Und insofern dürfte die Stellung, welche die Pforte eingenommen, einerseits­ und die englische Reserve anderer­­­seits der Aufnahme des Projektes in Bosnien und der Herzegovina sogar geradezu das Terrain geebnet haben, ganz sicher nicht zum Nachtheile der Sache und nicht zur­­ Schädigung der allgemeinen Friedensinteressen. Denn daß die Reserve,als der Lor­d Derlin für den Augenblick noch festzuhalten scheint,sich zu einer förmlichen Ablehnuung des Projektes der drei Mächte steigern sollte,ist «nicht anzunehmen Man hat in der Downing-Street zu allen­­ Zeiten mit Vorliebe etwas individuelle Politik getrieben­, sich aber stets der herrschenden Meinung angeschlossen,so­­bald man sich cirkntaldeckfahr der SelbstisolirI­rIgernst­­fern gegenübergestellt sah. Für Die Spezialinteressen der iitischen Beficher türkischer Papiere wird sie ohne Zweifel irgend ein bescheidenes Pläschen in der Aktion finden und auf prinzipiellerer Basis dü­rfte die Opposition des Kabinets von St. James wohl kaum beruhen. Die volle Verstän­­digung Europas, die bedingungslose Einigung der Mächte auf Grundlage der Abmachung der drei Sag­ermächte scheint uns ganz außer Frage zu stehen. Im diesen Falle aber wüßten wir nicht, doch welche Umstände ein Scheitern der Aktion herbeigeführt werden könnte. Die Pforte wird sich­ den Bericitte Europas unterwerfen und die Insurgenten werden ihm seinen Widerstand entgegenstellen können. Es it möglich, daß die Ausführung des Protestes noch seines­­wegs ideale Zustände in den imjurgirten Provinzen schaffen wird. Es ist möglich, daß es nicht ausreichen wird, die Ausbrüche des Hafses und der politischen Leidenschaften in der dortigen Bevölkerung sofort zu dämpfen und niederzu­­halten. Allein es wird die Bewegung loyalisiren, ihrer poli­­tischen Gefahren entkleiden und vor Allem die Zielpunkte der Entwicklung definitiv firkren. Die­christliche Bevölkerung wird sich mit den zu gewährenden Kongessionen leichter zufrieden geben, wenn sie weiß, daß sie das äußerste Aus­­maß des für sie Erreichbaren repräsentiven und die Pforte Budapest, 13. Jänner. (H) In seinen Briefen an Boltaire behauptete der große Friedrich : um den Franzosen zu Willen zu sein, müsse man alle zwei Jahre eine neue Revolution und einen netten König machen. Das hieß den Franzosen grausam Unrecht thun. Haben wir’s doc in diesem Jahrhundert wiederholt gesehen , wie sie an die fünfzehn und zuweilen sogar an die zwanzig Jahre lebten, ohne neue Revolution und ohne neuen König — länger als 20 Jahre freilich nie ! Und jedesmal, wo der siegreiche W­olfsunmille sich an­­schickte, das Steuer zu übernehmen , lenzte er seine ersten Schritte nach dem Gefäßgebenden Körper. Die TZuile­­rien wurden vorerst verschont ; die Monarchie fuhr jedes­­mal in dem traditionellen Fraser davon , unbeachtet und unbehelligt. Das Haus der Abgeordneten aber wurde erstr­emt ; die Abgeordneten wurden bejubelt oder auch an ihrem Leben bedroht. Schlimmeres jedoch als das und Schlimmeres als das Schlimmste, was je einer gefegt gebenden Körperschaft widerfahren, geschah der zweiten Hälfte der Gefesgelung dem Senat, der BPak­z­­tammer — sie wurde vergessen! Am 24. Feber 1848, als fir das Königthum Schon Alles verloren war, fanden sie im Luxembourg einige eln wirdige Greife von antifem Muth, an ihrer Spise Dupin der Weltere: ‚Hier ! unser Bla, riefen Tie, wir wollen bleiben und Der Tobrer­­warten!" Und sie blieben in der That und warteten, sie warteten zwei lange lange Stunden, umsonst — der „Zod" Hatte sie vergessen In Ermanglung eines Beffern mußten sie sich entschließen, frisch und gesund nachhause zu gehen. Der Senat des zweiten Kaiserreichs hat nicht einmal einen solchen Zug heroisscher Thorheit auf­­zumeisen. As Herr Nouher am 4. September sah, daß die Dinge nicht recht geheuer seien, schloß er vorsichtig die Sigung mit der üblichen Formel: „Die Zeit der nächsten­­ Sigung wird den Herren Senatoren wie gewöhnlich, Fund­­gegeben werden." Sonst nichts, mann so vafh alg möglich ; — wunmöthige Angst ! Senat war vergessen! Ohnmächtig in Revolutionszeiten, war der Senat stets bedeutungslos in den Tagen des politischen Friedens. Zwar gab es in der illustren V­ersammlung oft große Red­­ner, erprobte Patrioten, erfahrene Politiker und selbst einige Staatsmänner;­ das zweite Kaiserreich verstand es sogar dur­ die Ernennung von Fournalisten und sonstigen Gottesleugnern seinem Senat einen gewissen demokratischen Anstrich zu geben — die Folge davon war, daß das Publikum sich für einzelne „Szenen interessirte, wie z. B. für die Vertheidigung Nenan’s durch Sainte-Beuve, oder für die Rede des Generalprokurators Dupin gegen den Zuruf der Frauen; im Allgemeinen aber hatte der Senat kaum eine größere Bedeutung als etwa bei uns zu Lande die­­ Magnatentafel. In dem neuen Senate des französischen Volkes soll das anders werden. Dieser Senat soll seine Pairs­­iam­mer sein nach alte­n Mutter, sondern, wie Gambetta es in seiner Rede vor den Wählern von Belleville aus­­drückte: „die Kraft und das Mark des französischen Rol­fe, der Hohe Rath der 36.000. franzö­­sischen Kommunen” Im Sinne des neuen Ge­­jeges besteht der Senat aus 300 Mitgliedern. 75 Mit­glieder wählt die Abgeordnetenkammer; der Nett fällt dem gesammten Wahlkörper anheim. Senatorial-Wähler sind : die Abgeordneten für das Unterhaus in ihren Wohnbezir­­ken, die General­ und die Arromdissement-Räthe und schließ­­lich die Delegirten der Gemeinden — daß heißt: die jänmt­­hien Ermwählten des Stimmrechtes. Die Wahlen erfolgen an dem Hauptsitz des Departements und mittelst des Listensfrutiniums. Die Abgeordneten der Gemeinden, deren Manche sonst nie über ihre Dorfgrenze hinausfamen, wer­­den nun gendm­igt sein nach der Stadt zu­sommen, mit den Vertretern jener städtischen Bevölkerung zu verkehren, welche man ihnen stets als die ärgsten Bauernfeinde dar­­gestellt hat; man wird sie unterrichten, anregen, aufklären, und der Unterschied zwischen früher und jegt wird der sein, daß jene Maffe der Ja-Sager, die früher ihre einzige politische Belehrung vom Steuereinnehmer und Briefträger empfing — vornehmlich vom Briefträger — Finftighin von den intelligenten städtischen Bürgern und gelegentlich auch durch eine freisinnige Zeitung über den Gang der öffentlichen Angelegenheiten Kenntniß erhalten wird. Bei einer solchen Zusammenlegung der Wahlversam­­­lungen war es vorauszusehen, daß jene nichtssagende, würdelose, weibliche Politik, die Herr Buffet v repräsent ist, eine Niederlage erleiden mü­sse, so groß, wie ganz Frank­­reich. Als Herr Buffet bei den Senatorial-Wahlen in der Kammer geschlagen wurde, konnte er sein Portefeuille behalten, unter dem Borwanbde, eine in Auflösung begriffene Versammlung könne für ihr Votum nicht das Recht bean­­spruchen, über die Personen und die Richtung der Negie­­rung zu bestimmen. Sein ähnlicher Vorwand könnte ange­­sichts der Generalwahlen für den Senat gebraucht werden und er mußte Herrn Buffet, der sein Land fennt, ü­berdies für sein, daß der Erfolg der Senatorial-Wahlen auch für die Abgeordneten Wahlen entscheidend werden müsse. Für den Minister galt es darum, die Senatorial-Wahlen ganz frei und ganz in seinem Sinne zu leiten, und dazu be­­durfte es vor Allem der Entfernung der republikanischen Elemente aus dem Kabinet, die allenfalls eine sehr unan­­genehme Kontrole ausgeübt hätten. Auf uns machen die Maßnahmen Buffet’s den Ein­druck, als hätte der Minister mit Ziel und Absicht sich noch reaktionärer gegeben, als er wirklich ist, um seinen Kollegen, und namentlich Herrn Leon Say, das Verbleiben im Kabinet ganz unmöglich zu machen. So holte man vor Allem die offizielle Kandidatur hervor, die Herr Buffet unter dem zweiten Kaiserreich im Corps Legislatif in einer berühmten Rede für eine „Schande" erklärte. Es wurde eine Lite­ von 75 „patronisirten Kandidaten” — „patronifirt" ist nämlich der neue Anspruch — aufge­stellt. In dieser Liste fand sich ein Republikaner sanftester Boulenr und daneben die vornehmsten Führer der Bona­partisten: Herr Rouher, der ja zur Genüge bekannt ist; Herr Mage, der gefich­teste Finanzkünstler des Kaiserreichs, den die Pariser Börse sanst — sie wußte warum zärtlich­ „Papa Magne“ nannte, Herr v. Barten, den man den Finanzgelehrten des Staffer­­reihe nennen künnte, ein Mann von seltener Gelehr­­tanfeit und trefflicher Leder, und schließlich Herr Ro­u­­[a­ud, der leitende Direktor der Bank von Frankreich). Alle ü­brigen Negierungs-Lieblinge gehören der ehemaligen Broglie-Partei an: Männer, die zwischen Orleanismus und Bonapartismus schwanzen ; theilweise stark kompromittixt, theilweise ganz unmöglich, fast ausnahmslos ganz unfähig ; die abgewirthschafteten Invaliden aller abgewirthschafteten Parteien — „Qui sont hommes d’état, parce qu’ils m­ont aucun 6tat.“ Diese Liste Hätte allein genügt, um den Machtvitt der Republitaner aus dem Kabinet zu motiviren ; dazu kamen dann noch die Maßregeln Buffets gegen die Breffe. Diese Maßregeln charakterisiren besser als irgend Etwas den Fleinlichen, intriguenfranten Geist Buffets. Es it Herrn Buffet gelungen, von der Nationalversammlung die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes in drei Depar- Wahlperiode zu erpresfen.­­­­ Mit dem Belagerungs- Cavour meinte freilich ements für die Dauer, der­­ etwas derb zustande könne , der erstbeste dumme Kerl‘ regieren ; allein Herr Buffet glaubt in anderer Weise nicht in der Lage zu­­ U sein, Religion, Eigentum und Familie in Frankreich zu Irngen. Was Herr Buffet aber selbst in der National­versammlung nicht erreichen konnte, das war die Aufrecht­­erhaltung jener Disfretionären Gewalt, die es ihm in Die Hand gab, einer Zeitung ohne weiters den Straßen­­verlauf zu verbieten, ein Verbot, das in den meisten Fällen gleichbedeutend war mit dem finanziellen Ruin eines Blattes. Diese Gewalt wurde dem Minister und seinen Organen allerdings entzogen ; allein Herr Buffet ist Iglan ! Yu einem Zirkular ladet er die Präfekten ein, alle Zeitungen, gerechte und­ ungerechte, gute und schlechte, frei verkaufen zu lassen ; nur mit einer kleinen Beschrän­­kung : den Zeitungsverläufern, die dafür bekannt sind, „Schlechte” Zeitungen zu verkaufen, soll die Lizenz zum­­Ver­­kauf überhaupt entzogen werden. Das ist, wie man sieht, jeder findig. Die Zeitungen bleiben unbehelligt, sie „können” verkauft werden, ihnen wird man nichts anhaben — allein die Leute, welche schlechte Zeitungen verkaufen, werden bestraft. Der Verkauf ist frei. Die Berläufer — wide! Nun ist die Welt aber böse, wie man weiß, und umnbegreiflicherweise liest man gerade die „schlechten" Zeitungen am meisten ; die Pariser Zei­­tungsverfehleißer wollen also Strafe machen und erklären, wenn sie nicht alle Zeitungen verkaufen dürften, wollten sie überhaupt nichts verkaufen. Daß seine Verführung der sachlichen Gegenfage auf­­komme, dafür sorgte überdies der persönliche Haß zwischen Buffet und Say. Für diesen Haß gab es hundert Gründe. Der Finanzminister hatte während der Dauer der National­versammlung mit einer gewissen Absichtlichkeit gerade gegen die von dem Kabinetschef ant­wärmsten vertheidigten Anträge gestimmt. Das lehnte der Präsident des Kabinets nun in der Weise, daß er dem Seine-Präfekten auftrug, die Senatorial-Kandidaten der Linien in seinem Kreise ernstlich zu besämpfen , unter welchen Kandidaten sich zufällig auch der Finanzminister befindet. Herr Buffet erließ sodann an sämmtliche Beamten, vom P­räfekten bis zum Feldhüter, die Ordre, im ganzen Lande mit allen Kräften für die „Konservative” Wahlliste zu agitiren; das be­wog natürlich seinen Kollegen vom Finanzministerium, fűr­­ iden Finanzbeamten jede Einmischung in Wahlangelegen­­heiten bei Strafe sofortiger Entlassung zu verbieten. Das „Journal des Debats", dessen Eigenthüümer Herr Leon Say­it, formmentirt diese Erlässe und erklärt Herrn Buffet für einen gemissenlosen Imtriganten ; darauf läßt der Minister des Innern im " Figaro", dem einzigen Blatte, das der Marshall Mac Mahon Tieff, einen Artikel er­­scheinen, worin erklärt wird , der Finanzminister fonspirire in Gesellschaft der Radikalen gegen den Marshall-P­rä­­sidenten. Wir haben im Vorstehenden versucht, dem Leser ein möglichst übersichtliches Nefumd der früheren Geschehnisse zu geben, weil es nach den einander folgenden und ein­ander widersprechenden telegraphischen Nachrichten fast­­ möglich ist, ein einiges Bild der Situation zu gewinnen. In Folge der hier skizzirten Ereignisse erschien in der Dienstag Nummer der „Debats" die Nachricht , Herr Leon Say, habe „aber Aufforderung des Mar­shalls Mac Mahon“ seine Demission gege­­ben. Auf diese Nachricht hin erklärte der Siegelbewahrer Dufaure ebenfalls seinen Entfehlun, die Regierung zu verlassen, um. Diesem Beispiele folgten, wie man sagt, der Kultusminister Wallon, der Minister für öffentliche Arbeiten Catillaux und sogar der Herzog von De­­­caz3ec. Das war man viel mehr, als Herr Buffet er­­wartet hatte und als der Marschall ertragen konnte. An­­gesichts der bevorstehenden Neuwahlen durfte man es nicht zu einer Ministerfrise von dieser Ausdehnung und dieser Bedeutung kommen lassen. Der Marschall hatte u. A. eine Unterredung mit dem Freiherrn v. Rothschild, und dieser — der gemeinhin nicht im Rufe eines Petro­­leums steht — erklärte sich, wie es heißt, mit vieler Ent­­schiedenheit gegen Buffet und Für den duch Leon Say vertretenen „Nachfallsmus". Der Pariser Chef des Hauses Rothichild gehörte von jeher zu den Freunden Ihiers’, der ihn auch während der Verhandlungen mit dem Firsten Bismard vielfach zu Nam­e 309, und aus jener Zeit dürften auch seine Verbindungen mit Leon Say datiren, der im Vereine mit Pouyer-Quertier die großen Finanzoperationen nach dem Kriege durchführte. Bei den neuen Verhandlungen scheint es, daß Yuffet den Republikanern einige Konzessionen gemacht hat, denn es wird gemeldet, die Einigkeit im Kabinet­t eine „Einigkeit" nach solchen Vorgängen­ — sei wieder hergestellt, die Meinister verbleiben im Amte und in Folge gemeinsamen Einverständnisses exlasse der Präsident der Republik eine Wahl-P­roflamation an das französische Bolt. Diese Proflamation Liegt uns mut im Auszuge vor (siehe die Telegramme des jüngsten Abendblattes) und wir könnten nicht sagen, daß wir schon oft ein unbedeutenderes politisches Schriftftich gesehen hätten, als dieses. Man spricht wieder von der sozialen Gefahr und von antisozialen Doktrinen ,md das einzige Erfreuliche und Wesentliche, wenn auch nicht Neue, ist die V­ersicherung des Marschalls : er sei entschlossen, die ihm anvertraute Gewalt zu be­­wahren und kräftig zu handhaben. Wir verfolgen die Dinge in Frankreich mit dem aufmerksamsten und sympathievollsten Interesse, aber wir künnen nicht entdecken, wo denn eigentlich die „soziale Ge­fahr” sei, von der man immerfort spricht? Das Land hat ich zu den Wahlen an mit einer musterhaften Ruhe, mit einer ungewohnten Mäßigung und mit einem Ernst und einem hohen Verständniß, die seine Feinde wie seine Freunde in Erstaunen verfegen. Alle Klassen der Gesells­­chaft arbeiten und gedeihen, man verlangt nichts als Ruhe . Die einzige Unordnung schaffen jene, die vor­­geben, die Ordnung zu festigen, wie in besuchten Ver­sammlungen die Ruhe-Rufer in der Regel den größten Lärm machen. Ein solches Land erträgt Vieles; es wird auch diese Ministerkrise ertragen, und alle jene Krisen, die der­jenigen voraussichtlich folgen werden bis zu dem Zeitpunkte, wo die Nation ihre souveräne Entscheidung getroffen hat zwischen der Republik und jenem namenlosen System der Furcht, das Herr Broglie erfunden und das Herr Buffet so unglücklich praktizirt. Di he auf genöthigte Aftion orientalische Frage in­­ wenn sie dafü­r den Uebergang zu geordneten Zuständen und Dann rettete sich jeder: Der = Die Entscheidung Englands über d­ie Reformvorschläge des Grafen An­­drasfy­oifte kaum vor nächster Woche bekannt werden, da wegen der Abwesenheit Disraeli’3_ der Ministerrath bis zum 18. b. M. vertagt werden mußte. In welchen Sinne die Entscheidung erfolgen wird, darauf läßt sie aus einer Henderung Earl Derby’s schließen, welcher privatim erklärte, England woll er nichts folirt blei­ben. Das heißt allerdings mit anderen Worten, daß Eng­­land sich dem Vorgehen der Mächte anschließen werde. Freilich scheint eine solche Entschliegung dem englischen Kabinet einigermaßen schwer gefallen zu sein.­­Tru­gen nicht alle Anzeichen, so sollte die Erklärung der Pforte betreffs der Weigerung zur Entgegennahme von Reformvorschlägen England eine Handhabe bieten, um der gemeinsamen Ation der Mächte fernbleiben zu künnen. Dieser Vorwand ist in­dessen beseitigt und nun gipfeln die Bedenken der englischen Politiker min in der Befürchtung eines Engagements zu irgend­einer Aktion, welche den Forderungen der Mächte Nachdruck verleihen sol. Zur Debatte über den Gelegentiwurf bezüglich der Verwaltungs: Unsfh­üfte sind noch vorgemerkt: für = Aus dem Meidslage. A Nur der Abgeordnete Ferdinand Eber war heute im Stande, die Debatte über die V­erwaltungs-Nus­­shüfte vor gänzlichem Beifall zu retten, denn die anderen Neden nahmen ziemlich ausnahmslos einen Hastigen Lauf nach abwärts. Herr Eber hat sich auch in seiner heutigen Nede als denkender, gebildeter und vielerfahrener Politiker gezeigt, allein die Konsequenzen jener Grundwahrheiten, die er über Selbstverwaltung, über die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft, über die Dynamik des öffentlichen Lebens vorbrachte, zeugen nicht nür, sondern ganz direkt gegen den Standpunkt, den er in der Verwaltungsfrage einnimmt. Als wir ihn eine fast begeisterte Schilderung von der erziehlichen Einwirkung des preußischen Staates auf­ das ganze Wolfsthum eben doch die Administration entwickeln­ hörten, da konnten wir nichts Anderes voraus­­jegen, als daß­ er in seinen Schlußfolgerungen zu unseren Anschauungen gelangen werde, die ja eben aus denselben Moti­­ven, die er erörterte, ihre praktische Berechtigung ableiten. Und als er später auf die englishe Verwaltung zu sprechen kam und das Wesen des englischen­ Selfgovernments entwickelte , als er auf die allgemeine Dienstpflicht und die unbesoldete Dienstleistung Hin­wies, auf denen das Selfgovernment be­­ruht, als er die gesellschaftlichen Zustände Englands recht ausführlich erörterte und die individuelle Initiative und­ das persönliche Verantwortlichkeits-Gefühl des englischen Bürgers in wahrhaft glänzenden Farben hervorhob — da mußten wir wieder glauben, er habe all dies nur deshalb so gewinnend dargelegt, um in ü­berzeugender Weise aus­­zuführen, daß hierzulande von einer solchen Selbstverwal­­tung absolut nicht die Rede sein fan, und daß die Ver­­waltungsreform unter unseren­­ Verhältnissen vor Dingen auf die Herstellung einer guten Verwaltung und auf die Schaffung derjenigen Garantien abzuzielen habe, welche die Interessen des Staates um zugleich die Heran­­ziehung der entwickelten Gesellschaftsschicchten an den öffent­­lichen Dienst sichern. Aber Herr Eder zog aus allen seinen Prämissen nur die Folgerung, daß­­ der Gefegentwurf über die Verwaltungs-Ausschüsfe gut sei. Das ist Geschmad­­sache und darü­ber läßt sich nicht rechten. Zum Schlusse der heutigen Sigung gab es so ein interessantes Moment. Von Herrn Helfy herausgefordert, rechtfertigte der Ministerpräsident sein vielangefochtenes Verfahren gegen das Budapester Munizipium. Seine Er­­lärung gipfelte darin, daß er nach allen den bekannten Vorgängen berechtigt war, dem Mu­nizipium einen Verweis zu ertheilen und daß der Meiniszer nicht die Aufgabe haben könne, ein säumiges Munizipium mit bittenden Worten an seine Pflicht zu erinnen, sondern daß er das Recht habe, die Pflichterfü­llung nachdrücklich zu fordern Nun denn, es will uns doch scheinen, daß zwischen einer Bitte und einer solch­en Aufforderung, wie sie Herr v. Tia gebrauchte, ein gewaltiger Unterschied sei. Die nachdrückliche Aufforderung ist ja ganz in der Ordnung, aber es ist eben der Ton, auf den es ankommt. Oder glaubt Herr v. Zeißa wirklich, daß sein Exlaß eben nur eine nachdrückliche Mah­­nung enthielt Wie lautet doch die alte , leider etwas unästhetische Anekdote von dem zänkischen Ehepaar! Das Weib beklagt sich beim Pfarrer, daß der Mann sie thätlich mißhandelt habe. , Aber, Here Pfarrer", sagt der Mann auf die Vorstellungen des ehrunwirdigen Herr, „Ich habe sie nur mit dem Zarchentuch geschlagen.”" — „freilich”, replizirt darauf das Weib, „freilich, aber sein Taschentuch it ja seine Hand." 3­­ II. ; Im Nachtrag zu unserem im Abendblatte mitgetheilten Be­richte haben wir über die heutige Sigung des Abgeordneten­­hanfes noch Folgendes mitzutheilen :­­ 99naz Helfy_ gibt seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß nach mehrtägiger Debatte der Standpunkt der Parteien, beson­­ders aber der Standpunkt der Regierung noch immer nicht klar­­gelegt ist. Die Nenner der liberalen Partei haben durchaus nicht in übereinstimmender Weise die Grundidee des Entwurfes darge­legt, ja selbst in der Regierung scheint seine Lebereinstimmung zu herrschen, denn während der Minister die Vorlage als Definitivum hinstellt, erklärt der Staatssekretär sie für einen bloßen Berfuch. Der eine Redner acceptirt den Gelegentwurf, weil in demselben eine Annäherung an die Zentralisation enthalten ist, ein anderer, weil die Selbstverwaltung gewahrt wird. Man besingt Die Vorzüge der­ Selbstverwaltung in dem Augendlide, da man daran geht, se zu vernichten, gerade wie die Störche, bevor sie nach dem Süden ziehen, sich im Kreise aufstellen und nach ihrer Weise einen Gesang anstimmen über einen Storch, den sie dann tödten. Dan sagt allgemein, die Verwaltung in den Munizipien sei schlecht, ohne zu bedenken, da­ daran die Negierung schuld sei, in­­dem sie nach und nach den Munizipien alle bedeutenden Rechte ent­zogen hat. Nun sollen diese Rechte durch Kreisung der Verwal­­tungs-Ausschüsse noch mehr beschränkt werden ; man sagt, daß dafür der Parlamentarismus desto kräftiger werde, aber dieser darf nur den Schlußstein der Selbstverwaltung bilden, ohne welche er seinen Werth hat. Bei uns wurde der Parlamentarismus beschränkt und das Abgeordnetenhaus ist nicht? Anderes als eine erweiterte Komi­­tats-Kongregation, damit sie aber als mehr erscheine, will man die Rechte der Munizipien beschränken. In der vorgeltrigen N­ede habe der Minister an die Oppo­­sition die Warnung gerichtet, nicht immer dagegen zu agitiven und es anzugreifen, wenn er gegen administrative ehler streng auf­­tritt. Das konnte auf nichts Anderes hinzielen, als auf den Kon­­fitz, welcher zwischen dem Minister und der Hauptstadt ausgebro­­chen ist. Das sei an eine Ursache, weshalb Redner die Vorlage nicht acceptirt. Denn wenn die Regierung in der Weise mit dem ihr recht zustehenden Nechte vorgeht, mas wird erst dann sein, wenn ihre Macht, wenn auch indirekt, vom Zentrum bis zur letten In­­stanz reichen wird ? Wenn ein Minister in solchem Tone zu der ae der Hauptstadt eines großen Königreiches spricht, wie der Minister in seinem legten Erlasse an die Hauptstadt, in­­ wel­­chem er einen Ton anmendete, wie ihn in einem andern zivilisirten Lande nicht ein selbstbemngter Diurnist dulden würde (Bere­ung im­entrum) — was wird dann sein, wenn die Macht des 18 zum legten Dorfe reichen wird. (Bewegung im Zentrum.) ‚Nachdem Mehner noch gegen einige weitere Bemerkungen des Ministerpräsidenten polemisirt­ hat, erklärt er, daß er den Beschluß­­antrag Macsary’s acceptirt. (Beifall auf der äußersten Linken.) Ministerpräsident Koloman Tip­a verleitirt zunächst auf die Aeußerung Helly’s, daß den Mitgliedern des Hauses nicht genügend Zeit gegönnt worden sei, den Gefäßentwurf zu studiren. Wie seinen Herr Helly und seine Prinzipiengenossen behaupten — fragt Ned­­ner — die Vorlage sei so unendlich schlecht, gefährlich, wenn sie m­eht Zeit hatten, in deren Verständniß einzudringen ? (Lebhafte Heiterkeit.) » Sie erklären demnach Etwas für schlechtt u­nd schädlich,1 was sie noch gar nicht verstehen Weint der Abg.Hi­lfysat,unser Parlament seinechts Anderes,als eine erwed­erte omitats­­»ongregatione,foift·das eine Sache der­ Auffassung;jedenfalls« hängt es von den Mitgliedern des Parlaments ab,daß dem nicht" so sei und es ist·nothwendig,daß die Mitglieder es als solches betrachten 1111d die Zeit der Legislative nicht mit Redenzaubern die sehr oft nicht als die Glanzzeit,sondern an dieroche des« Beifalles der Komitate gemahnen. Zentrum.­ Der Ministerpräsident fährt hierauf wörtlich fort :» Der g. Herr Abgeordnete hatte die Freund ichkeit, zu be­­merzen, daß ich mit einer Behörde Ungarns in einem Zone prad­, wie ihn in einen Lande, wo man Selbstbewußt sein hat, nicht ein­­mal ein Diurnist dulden miürde. (Hört! Pa Sch bedauere, daß der Herr Abgeordnete, wenn er dieser Ansicht ist, in dieser­­ Lebhafte Zustimmung im allen mnisters AA,

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