Pester Lloyd, Mai 1878 (Jahrgang 25, nr. 120-150)

1878-05-01 / nr. 120

den Budapest, 50. April. Es dürfte kaum viel weniger als ein Jahr vertroffen sein, seit Baron Paul Sennyey­ sich von jeder Theil­­nahe an den Arbeiten unseres Parlaments zurückgezogen hat. Das Motiv, welches hiefür geltend gemacht wurde, die angegriffene Gesundheit Sennyey’s, war in der ersten Zeit dieses Lernbleibens leider nur zu jeher der Wahrheit entsprechend ; allein daß es nicht das einzige Motiv gewesen, da sie spricht wohl der Umstand, daß Baron Senuyey auch später, als in seinem Gesundheitszustande eine erfreuliche Befreiung eingetreten war, seinen Sig im Abgeordnetenhause nicht wieder einnah­m, sondern aus einem entlegenen Winkel Oberungarns, als wenn auch sicherlich nict theim­ahimsloser, so doch jedenfalls passiver Zuschauer, die politischen Ereignisse begleitete. Wir finden dies, offen gestanden, ganz begreiflich. Baron Sennyey hat sein Hehl daraus gem­acht, daß er den gegenwärtigen Ausgleich miß­­billige, daß er die Führung dieser Angelegenheit für eine vom Anfange her verfehlte halte und daß seiner Ansicht nach mit Verbesserungen in einem oder dem andern Detail nicht geholfen würde, sondern die ganze Arbeit wieder von vorne angefangen und auf anderer Grundlage vollführt werden müßte, wofür doch ein längeres Provisorium Zeit und Muße zu Schaffen wäre. Das Hat Baron Senmyey nur nur im Abgeordnetenhause offen ausge­­sprochen , sondern es ward ihm zur Zeit, als das Cinterium fifa seine Demission gab, an Anlaß, den­­selben Ansichten an maßgebendster Stelle Ausdruck zu leihen, fi gleichzeitig aber auch davon zu überzeugen, daß diese Ansichten dort keine H Znslimmung fänden. Da nun ein Staatsmann vom Schlage des Freiherrn v. Seny­­nyey nicht Opposition um der Opposition willen macht, sondern nur in der Absicht, an die Stelle des von ihm Mißbilligten etwas ihm besser Scheinendes fegen zu kön­­nen, und da ihm im vorliegenden Yale die Aussicht ge­­nommen war, das Werk des Ausgleiches, wenn er es auch schließlich den Händen des gegenwärtigen Kabinets entwindet, in der ihm zweckmäßig erscheinenden Form selber durchführen zu können, war es sicherlich das Einfachsste, dem Parlamente ganz und gar den Rüden zu fehren und ruhig geschehen zu lassen, was er seiner Ueckerzeugung nach nicht fordern und mit der Aussicht auf einen besseren praktischen Erfolg doch auch nicht­ hindern konnte. Wir sagen: das Einfachste; denn daß es auch das Beste gewesen, daß Baron Sennyey durch seine thätige­itwirkung, durch seinen weisen Mann und durch Geltend­­machung jener staatsmännlschen Einsicht jener Sache, welche ja auch ihm, glei­­chen Männern der heutigen Negierung, Jo sehr am Herzen liegt, nicht dennoch manchen guten Dienst hätte erweisen können, möchten wir nicht zu behaupten wagen. Freiherr v. Sennyey befand sic überhaupt seit seinem Wiedereintritte in das parlamentarische Leben in einer ganz eigenthümlichen Stellung. Als er zum erstenn­ale ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, schloß er sich der Deät- Partei an, nicht weil er in Allem und Jedem die Prinzi­­pien Dieser Partei theilte — der Ausgleich von 1867 mag in vielen Punkten seinen Ansichten keineswegs ent­­prochen haben­­, sondern weil diese Partei seinen An­schauungen wenigstens verhältnismäßig am nächsten stand, weil es eine andere Partei, welche seinen Ideen vollk­­ommen entsprochen hätte, nicht gab und weil er sel­ber eine solche zu bilden, sich wenigstens für den Anfang nicht die Kraft zutraute. Innerhalb der Dedk-P­artei aber Bürofelgten für seine Ansichten zu werben, und dadurch in der Partei, welcher er sich angeschlossen hatte, eine Spal­­tung hervorzurufen, dazu war er, ganz abgesehen von den ‚Chancen des Erfolges, ein zu ehrlicher, zu offener Charak­­­ter und so war es denn natürlich, daß er sie innerhalb­­ dieser Partei nicmals ganz heimlsch fühlte, so wie denn­­ auch die Partei nicht recht wußte, was sie mit ihm an­sargen­­ sollte. Wir Haben dieses "eigenthümliche­ Ver­­hältnis vor Jahren eingehend erörtert und die Folge "hat gelehrt, daß + unser­ Untheil ein richtiges ge­­wesen. ALS dann die Desk-Partei die Fusion mit dem ‚ Tinfen Zentrum einging, hatten sich­­ durch. "Diesen Wand­­lungsprozeß die Berührungspunkte zwischen ihr und Baron­­ Seunyey seineswegs vermehrt, wenn sie sich auch nicht­­ in dem Maße vermindert hatten, um das Ausscheiden Sennyey’s aus der fusionirten Partei als eine Nothwen­­digkeit­­ erscheinen zu lassen. Dennoch hat Baron Sennyey damals diesen Austritt vollzogen, und heute darf es wohl offen ausgesprochen werden, daß­ dieser Schritt ein gro­­ßer politischer Lehrer gewesen, der gerade von jenen Elementen der liberalen Partei, welche dem Frei­heren v. Sennyey, die aufrichtigste Verehrung entgegen­­brachten, in entschiedenster Weise mißbilligt wurde. Diese Elemente dachten nicht daran, so wie sie heute nicht daran­­ denken, insgeheim die Konsistenz einer Partei zu unter­graben, welcher sie sich offen angeschlossen hatten; allein es gab und gibt Fragen, bezüglich deren sich auch inner­­halb der Liberalen Partei zwei entgegengefegte Ansichten ziemlich schroff gegenüberftcehn und in manchem Kampfe derselben gegen­einander würde das Ansehen Semyeys sicherlich schwer in die Wapfschale gefallen sein. Ar der Spike einer ganz kleinen Schaar, welche viele ausgezeichnete Männer in ihrer Mitte zählte, aber eben ihrer numerischen Schwäche wegen dort, wo die Stimmen gezählt werden, nur wenig ins Gewicht fällt, — an der Spike­fold einer. Keimen. Schaar hielt Baron Semuyey nach den jüngsten Wahlen seinen Einzug in’g Abgeordnetenhaus und wir können heute nur wiederholen, was wir damals sagten: selbst ein Molife an der Spite der Armee des Fürstenthums Liechtenstein, auch wenn bdiez selbe aus Lauter Helden bestände, ist nun einmal feine ‚Imposante. E­rscheinung.­ Weshalb der BVersuch, des . Freiherrn­­ v. Senuyey, eine eigene konservative Partei zu­­­­ gründen, von­ so geringem.Erfolge begleitet war, darüber­­ wollen wir heute nicht eingehender sprechen; die Anhänger . Seniyey'3. sagen, es gebe im Lande konservative Elemente ‚genug, ‚allein eg fehle ihnen der­ Math, sich als solche zu befennen.. Dem gegenüber möchten wir fragen, ob denn Freiherr v. Seniyey selber diesen Muth gehabt Habe, ob­ er nicht: selber davor ° zurückgeschreht sei, die "konser­­vative Fahne" offen zu entfalten, und ob es dann Anderen verübeft werden könne, wenn ‚gesichts des­­ zaghaften und­­ verschwommenen Programms, ‚unter dessen Fahne die neue konservative Partei sich for angen sollte, die Frage aufwarten, worin denn eigentlich ‚der Un­terschied zwischen dieser und der liberalen Negie­­rungspartei bestehe und ob es um einiger subtiler Nuancen wegen der Mühe werth sei, sich von der Majorität loszus­­agen? Die numerische Schwäche seiner Partei wirkte­­ dann selbstverständlich auch deprimirend auf die parlamen­­tarische Thätigkeit des Führers und diese blieb daher auch im gegenwärtigen Reichstage an Bedeutung weit Hinter jener zurüc, welche Baron Sennyey in der vorhergehenden Reichstags-periode entfaltet hatte, und sie führte schließlich zu jener Aestinenz, von welcher wir eingangs gesprochen und die in der heute publizirten Mandatsniederlegung des edlen Freiherrn ihre zwar nicht ganz unerwartete, aber dennoch überraschende Kulmination gefunden hat. Weberraschend, weil ja Freier v. Sennyey troß seines gebesserten Gesundheitszustandes schon seit Monaten das Abgeordneten Mandat faktisch nicht ausübte, ohne deshalb die Notwendigkeit zu fühlen, sich­­ auch äußerlich von diesem Mandate loszusagen. Unwillkürlich forscht man daher nach dem Grunde, der Se­ Erzellenz veranlagt haben mag, nachdem er Monate lang trog der Absenti­­zung von den Berathungen des Abgeordnetenhauses sein Mandat ruhig in der Tasche behielt, dieses Mandat gerade, in d­iesem Augenblicke, wo uns im besten Sale nur wenige Wochen vom Schluffe der Reichstagsperiode tren­­nen, in die Hände seiner Wähler zurückzulegen ? Man spricht zwar in den Kreisen der Konservativen — pardon, der vereinigten oppositionellen Partei von einem, für diese Partei sehr schmeichelhaften Schreiben, in welchem Baron Sennyey die Gründe seines NRüchrittes näher erörtert. Weder den Inhalt dieses Schreibens, das morgen im „Kelet Nepe” erscheinen sol, ist uns nichts weiter bes­pannt , die Öffentliche Meinung aber — vielleicht irrt Die­selbe, sie vermag jedoch schlechterdings keinen anderen Grund zu finden — die öffentliche Meinung sieht in dieser Mandatsniederlegung eine Demonstration ge­­gen die Bereinigung der früher von Sennyey geführten Opposition der Rechten mit den übrigen opposi­­tionellen Fraktionen, und das Heutige Auftreten eines Führers dieser vereinigten Opposition, des Barons Ludwig Simonyi, kann nur dazu beitragen, diese Ansicht zu bestärken. Es geschieht nur in ganz außerordentlichen Hällen — unseres Erinnerng bildet nur die Mandatsnieder­­legung Kolomen Ghyczy’S bei seinem Austritte aus dem Iinien Zentrum hiefür ein Beispiel —, daß im Abgeord­­netenhause der Nachtritt eines Peputirten zu einer Kunde­gebung des Bedauerns Anlaß bietet und auch der heutigen kurzen Nede des Freiheren v. Simonyi war es sozusagen an der Stirne geschrieben, daß sie nicht so sehr im Inter­­esse des Freiheren v. Sennyey als vielmehr in jenem der vereinigten Opposition gehalten wurde, daß durch den Ausbruch des Bedauerns über die Mandats-Niederlegung Sennyey’s wenigstens der V­ersuch unternommen werden sollte, die Ansicht zu entkräften, als ob­ der Führer der Konservativen mit dem Eintritte seiner ehemaligen Partei genossen in die vereinigte Opposition n­i­ch­t einverstanden wäre. Indessen ist das schließlich eine Häusliche Angelegen­­heit der Opposition, mit welcher wir ung nicht weiter zu befassen haben. Das Bedauern über den Rücktritt Seny­­nyeys wird jedoch sicherlich von allen Parteien bes Hanses ebenso ehr getheilt, wie die Hoffnung, daß der hochbegabte Staatsmann sich damit keineswegs noch definitiv und für immer von der parlamentarischen Arena zuriegezogen habe. Wir befiten seinen solchen Meberfluß­­ an staatsmännlschen Kräften, daß ein Mann von der Begabung­­ Sennyey’s bei der großen politischen Arbeit für die Dauer entbehrt werden konnte. Wir geben zu, daß für ihn in der vereinigten Opposition ebensowenig eine passende Stelle zu finden wäre, als sich unter den heutigen Verhältnissen sein sofor­­tiger Wiedereintritt in die Negierungs- Partei erwarten ließ und da ihm eine völlige Soh­wung am allerwenigsten zus fagen konnte, mag der Entschluß, den er heute ausgeführt, so ziemlich der einzige ge­wesen sein, den er überhaupt in diesem Momente zu fassen in der Lage war ; allein er hat damit sicherlich nur eine P­ause begonnen und nicht eine politische Carriere geendet. Mit welchen Gefühlen Freiherr v. Sennyey nunmehr auf die jüngst verfroffenen Jahre seiner parlamentarischen Z Thätigkeit zurückblicht, vermögen wir nicht zu sagen ; allein wenn er den Wirkungskreis, den er — sicherlich nicht aus persönlicher Ambition, sondern im Bewußtsein seiner hohen Befähigung und in dem Wunsche, dieselbe für sein Vaterland nugbar zu machen — ange­­strebt Hat, — wenn er, sagen wir, diesen Wirkungskreis nicht gefunden, dann möge er die Ursache nicht außerhalb seiner selbst, oder wenigstens nict ausschließ­lich dort, sondern auch ein Klein wenig darin suchen, daß er in seinen eigenen Entschliegungen vielleicht nicht immer das zur Zeit Nichtige und Zweckmäßige getroffen und daß er manchen Schritt gethan haben mag, welcher ihn von dem Ziele entfernte, dem­ er näher zu­sommen die Absicht hatte. Eines hat er jedoch unstreitig erreicht: al jenes, sinnlose Schwag von „reaktionären“ und „ultramontanen“ Ten­­denzen, welches ihn bei seinem Wiedereintritte in die parlamentarische Karriere eine Zeit lang umsehwirrte, ist Längst und wohl für immer verstuimmt­em Gegentheile — wenn einmal jene unerquidlichen fragen, an deren Löfung sich das gegenwärtige Srinisterium mit einer firmwahr nicht genug anzuerkennenden Selbstverleugnung und Ausdauer abmüht, aus der Welt geschafft sind, wenn dann jene großen Fragen der inneren Organisation und Kon­inistra­­tion, von denen der Eintritt Ungarns in die Reihe der Kulturstaaten abhängt, ernstlich in Angriff genommen werden sollen, dann werden sich eben die Diidte der wahr­­haft Liberalen Elemente, welche eine Lösung dieser Fragen in modernem Sinne auftreben, wieder nach dem Breiheren v. Senmnyey wenden, als nach einem ihrer ausgezeichnetsten Kampfgenossen, nicht um diese oder jene Regierung zu stürzen, sondern um einer jeden, gegenüber manchen widerstrebenden Elementen, denen man heute noch gewisse Rücsichten schuldet, Kraft und Muth zu verleihen zum entschiedenen Bortschritte auf jener Bahn, welche allein unser Vaterland zum Heile zu­ führen geeignet it. Budapest,30.April­­('s.)von Berlin aus kam die Kmedexegsei Kriegsge Sicht. Das war im Sommer des Jahres 1875. Kaum hatte die Schredensfunde ich verbreitet, da flogen schon Kaiser Alexander II, der Friedensfürst, und der russische Kanzler nach Berlin, um den großen ,emporte" zu­­ besänftigen und Frankreich vor einer neuen Intuasion zu retten. Wer von uns erinnert sich nicht an jene schwilen Sommertage ! Das gesanmte Europa litt vor banger Kriegsfurcht, als durch russische Agenten die stolze Mittheilung versandt wurde, es sei dem Einflusse und dem Willen des Kaisers Alexander gelungen, Frankreich, das hieß den Frieden, zu retten. Wenn dam­it Bismarc auch jegt in seinen alten Tagen so gut „Buch zu führen“ weiß, wie er in einer fei­­ner legten­­ P­arlamentsreden von sich rü­hmte, dann kann es seinem Zweifel unterliegen, daß sich für jenen Liebesdienst vom Sommer 1875 ein recht ansehnliches Konto bei ih­n vorfindet, nicht gerade zu Gunsten Rußlands. Das Ents fegen zu beschreiben, welches jene Kriegsdrohung in Frank­reich hervorrief, ist geradezu unmöglich. Noch stand vor Aller Augen die Erinnerung an die Invasion und an die Revolution.­­ Syebes Heilungsblatt, das in Paris erschien, brachte Tag für Tag Verb­ote über neue Steuer-Auflagen, welche in Folge der Ereignisse des Kriegsjahres nöthig ges­worden waren ; bei einem Gange durch die Rivoli-Straße konnte man. mit leiblichen Auge noch­ an den Zuiler­en die Ver­wilflungen sehen, welche der Wahnsinn der Kom­­mune verschuldet hatte. Auf 9020 Millionen Francs bes­trechnete der Ftanzminister gerade damals den in Geld best­rechenbaren Verlust, den Frankreich erlitten, wobei der Verlust der Einnahmen des Elsaß und Lothringeng uns beachtet blieb. 1r Parlamente wechselte Tag für Tag die Majorität ; das Staats-Oberhaupt schien von Haß und Verp­achtung erfüllt gegen die Institutionen, deren Schuß ihm anvertraut war. Vom Parteigeist besessen, ohne Autorität und ohne Organisation schien die Armee mehr eine Gefahr für die innere Ruhe, als eine Schußwehr gegen äußere Feinde. Wie ein Abbild der öffentlichen Bustände war jede einzelne Familie. Es gab kaum ein Haus, welches duch Krieg­sund evolution nicht einen Angehörigen verloren hatte. Troß der aufge­klärten Generasität des Staates, troß der wirthschaftlichen und häuslichen Tugenden des französischen Volkes, konnte es nicht gelingen, den Nachgang des privaten und des öffentlichen Wohlstandes zu hindern. Als wäre das Bild des Todes in jedem Hause erschienen, so war's im ganz Frankreich, da die Kriegsdrohung aus Berlin antant; wen mag es Wunder nehmen, daß man dann mit über: ‚schwenglicher Begeisterung den Namen jenes Fürsten feierte, von dem man annahm, er habe die Katastrophe von dem Lande abgewendet! So verging die Zeit in maßloser Angst und maßlosem Zuber; Experimente, Abenteuer, Enttäuschun­­gen, Sntriguen, Gewaltatte bezeichneten die verschiedenen Stadien in dem öffentlichen Leben des Landes ; gesellschaftl­liche Desorganisation und wirtbschaftlicher Niedergang wa­­ren die Merkmale des Zustandes, in dem die Gesammtheit der Nation sich befand. Damals tröstete ein großer fran­­zösischer Schriftsteller sein Bolt mit diesen Worten: „Die Völker, die nicht gelitten, geklagt, geweint, geblutet haben, verdienen nicht, die Freiheit zu rennen, zu lieben, ihr zu dienen. Die Agitation it nicht immer unfruchtbar. Ein Bolt in Bewegung, das ist wie siedendes Erz, aus dem später die Statue fi) formen wird..." Welche Ueberraschung war es für ganz Frankreich, als zur Zeit dieser trostlosen Wirren pröglich die Sydee einer allgemeinen Bariser Ausstellung auf­tauchte! Der Ruhm, Diese­dee zum ersten Male aus­­gesprochen zu haben, gebührt Émile­­ Girardin, dem Redakteur der „France, den manche seiner Bewun­­derer den größten Journalisten seiner Zeit nennen, der jedenfalls der ideenreichste politische Schriftsteller dieser Zeit ist. Anfangs wie eine Utopie behandelt, brach sich die dee der Ausstellung immer mehr Bahn, bis sie schließlich alle politischen Kreise des Landes beherrschte. In der That, es war vornehmlich eine politische 9 Dee Frankreich hatte nahezu aufgehört, im euro­­päischen M­athe zu zählen, und seine Siolirung, wie seine Betlaffenheit gestalteten sich immer peinlicher. Jeder Ver­­such, sie politisch und militärisch zu reorganisiren, ließ den Krieg in Sicht erscheinen; man gab in Europa vor, Franfreich dente an nichts, als an eine militärische Revanche. Diesen Befürchtungen und Zumuthungen trat Frankreich in unzweideutiger Weise entgegen, als er die­dee der Weltausstellung acceptirte. Einem Volke, das die ganze Welt sich zu Gaste ladet, kann Niemand friege­­rische Hintergedanken zu mathen. Es war wie ein feier­­liches Dementi aller ihm zugeschriebenen Kriegspläne, als Frankreich die offizielle Einladung an die Staaten zur Betheiligung an der Ausstellung ergehen Tief. Frankreich stellte sozusagen sich und seinen Frieden unter den euro­­päischen Schug. Und ebenso bedeutsam war dieser Entschluß für die innere Entwicklung des Landes. Die Weltausstellung bedeutete in ihrem Anfang das Vertrauen der republikanischen Regierung in ihre Dauerhaftigkeit und in die europäische Sympathie. E83 war den Bauern und der furchtsamen feinen Bourgeoisie Hunderttausendmal das Märchen vor­­gehalten worden, die Nepublis sei ein Gegenstand des Abscheues und des Hafses für das gesammte Europa, das si­cer Segnungen monarchischer Staatsformen erfreut. Die verminderte Ausfuhr französischer Produkte, den ver­­ringerten Fremdenbesuch in Paris, das Fernbleiben der Fürsten, Bringen und Nachods, Alles Hatte Die Republik verschuldet. Diese Infinuationen finden ihre Widerlegung, selbst dem blödesten Arge erkenntlich, in der Bek­eeidung der Weltausstellung von Seite fast aller eingeladenen Nationen. Es ist, als wäre die Republik erst fest offiziell in die europäische Staatenfamilie eingeführt worden. Diese Hunderttausende Besucher aus allen Theilen Staufreichs werden nach Baris strömen und verwundert sehen, daß die Republik eben so viel Glanz, N Reichthm­, Ansehen und Initiative zu entwickeln vermag, wie das Kaiserreich. Wenn die Ausstellung nie in bescheidenem Maße gelingt, wird sie eine Rechtfertigung der Republik in den Augen der konservativen Volksklassen Frankreichs und wie ein triumphaler Wiedereintritt Frankreichs in die europäische Politik sein. Und­ darin, meinen wir, liegt die eigentliche Bedeu­­tung des großen Werkes, das sich Heute in Paris vor aller Welt eröffnet. Die aufrichtigste Sympathie für Frankreich) wird Niemanden verleiten können, zu jagen, Daß irgend eine wirthschaftliche Nöthigung für diese Ausstellung vorlag. Mit der Zeit werden Fach- und Landesausstellungen diese sogenannten Weltausstellungen­­ verdrängen,­­ die ja im Grunde weder eine wirkliche Unterhaltung noch eine wirk­­liche Belehrung bieten. Möglich, daß sie wie eine Art inter­nationaler Festesfundgebung auch in Zukunft noch auf­tauchen werden, wenn eine Zeit von Weit und Freude dieser oder einer kommenden Generation bestimmt ist. Allein, weiten sollten wir uns in diesem Augenblicke freuen ? Die Zeit, die seit der legten Weltausstellung verging, war politisch eine Zeit des Kampfes, der Verfiche, der unge­rechtfertigtesten Revolution und der gewaltsamen Unters drücung.. Im Augenblickk, da auf dem Trocadero die Aus­stellung eröffnet wird, sammelt sich auf jener anderen Bölfevstraße um S Konstantinopel eine Anstellung an, so vielfältig und pittoresk, wie irgend­eine. Mohamedaner, Hindus, Egypter, Rufen, Engländer, Torken, Menschen jeder Tarbe und jedes Glaubens, zusammengefonmen aus drei Welttheilen, versammeln sich zu einem Heereslager so bunt und wild, daß dagegen die Heere der Kreuzfahrer schlicht und einheitlich erscheinen. Bevor Die Heere einander moch recht ins Aange geblicht, haben sich schon einheimische Kraufheiten vom­­ Typhus bis zur Bett eingefunden, um die Fremdlinge zu zichtigen. In­zwischen v­üjtet der ganze Welttheil, und die Gefahr einer allgemeinen Konflagration läßt vorerst das ganze Getriebe des­ Welthandels und der Weltindustrie zum Stehen gelangen. Die legten fünf Jahre waren­­ steril, sowohl in Entdefungen als in Verbesserungen ; weder die Art des Produktes, noch der Zustand der Produzenten hat figy verbessert. Die Arbeitgeber verarmen, die Arbeiter strafen in allen Ländern und in allen Zweigen der In­dustrie. In England selbst weit das Handelsamt seit drei Jahren ein stetiges Sinsen des Handelsverkehrs nach. Dasselbe gilt für Italien,­­ Belgien, theilweise für Frankreich und in höherem Maße als für alle diese Lün­ der, für­ Defterrei-Ungarn.. Bu den Besten­­ unserer Väter, da der Wunderglaube frär­er und die Kenntniß von der inneren Solidarität aller menschlichen­­­erhältnisse seltener war, hätte man in einem Zustande, wie dieser, im einem gleichzeitigen Zusammentreffen aller Uebel des Krieges und des­ Friedens, aller Uebel, welche das Schicsal und die Menschen heraufbesch­wören können, sicherlich das verderbenbringende Walten höhere Kräfte gesehen. Nicht in der Lage Europas also, sondern in der Lage Strantreichs Liegt der Grund und die Berechtigung der Ausstellung. Und darin liegt auch die hauptsächlichste Garantie ihres Erfolges Eine Anstellung i­ wie eine staatliche Anleihe; ein armes Vort mag die ganze Welt zu Hilfe rufen, 08 wird Doc­ nicht genug Kredit erhalten; ein reiches und zivilisirtes Vort genügt sich selbst, behält seine Anleihen und erhält seine Unternehmungen aus Eigenen. Eine Ausstellung in Wien muste auf die Beltlage spetuleren und da die Weltlage eine ungünstige war, konnte auch die Ausstellung nur zu Mißerfolgen füh­­ren; eine Ausstellung in Paris rechnet in erster Weihe auf die Bewohner Frankreichs und wenn nur dieser Theil der Rechnung sich bewährt, Kann einer derartigen Unter­­nehmung ein resportabler Erfolg nicht abgeben. « So fassen wir die Eröffnung der Altausstellung auf. Wir meinem das Ereigniß sei vorerst wie ein politisches anzusehen,cie Frankreich auch nicht,d­ie man von ge­­wisser Seite vernehmen läßt,sofort nach der Ausstellung eine große Aktion nach außen unterniimmt,so ließt es sich­ nicht verkennen,daß die französische Regierung künftig akch nicht jene Enthaltsamkeit von allen europäischen Angelegen­­heiten­­ird fortsetzen können,welche sie seit sieben Jahren gezeigt hat.Und ohne dem eine größere Bedeutung beizumessen, als billig begründet ist,können wir aus einem solchen Er­­eignisse auch für Europa seine anderen, als die Heilsamsten , Sorgen erwarten. Wenn man die großen Daten der­ franz­­ösischen Geschichte des legten Jahrhunderts neben­einander stellt, ist es Jedermann dar, wie die Erhebung oder die Erniedrigung Frankreichs stets auf Europa zurückgewirte hat. 1789, 1793, 1813, 1830, 1848, 1851, 1870 7— diese Zahlen relumiren die politische Geschichte von ganz Europa. Nach unerhörten Niederlagen hat Frankreich sei 1870 in w­ürdevoller Zurücgezogenheit der Welt gezeigt wie ein großes Bolt sich erhebt. Es hat alle Zweige des Staatsdienstes neu organisirt oder reformirt, die Armee, die Justiz, den Unterricht auf neue Grundlage gelegt; eine weite Steuergereggebung hat ihm ermöglicht, ein nec un­übersehbar großartiges Net von Eisenbahnen und Kanälen anzulegen. Fünf Milliarden so viel, als das Kaiserreich an die Feinde verspielt hat, so viel will die Republik an die neuen Handelsstraßen wenden. „Die Krönung dieses Gebäudes,­ wie Napoleon II. zu jagen liebte, bildet die Anstellung. Wir überfhagen dieselbe zum mindesten nicht, da wir sagen, sie bedeute feine europäische, sondern eine wahlerhaft französische Angelegen­­heit. Wir erinnern uns dabei an alle Fehler Frankreichs, die es bitter gebüßt hat, wir erinnern uns aber auch, daß es zu Zeiten seiner Macht niemals ein Verbrechen gegen Europa begangen oder geduldet hat; niemals hat es die Schwachen ausgeliefert, um mit den Hebermüthigen zu theilen ; niemals ist es brutal, unedel, unmoralisch ges wesen. Seine Erhebung war stets der Anfang einer bessern Zeit ; sein Verschwinden aus dem europäischen V­erbande bedeutete allemal den Anfang einer unheimlichen Periode des Nacganges und der Nänie. Erst in jüngster Zeit, da es schien, daß die reaktionäre Koalition vom 16. Mai des legten Jahres endgültig zum Siege gelangt sei, — wer von uns fühlte nicht, wie dieses unqualifizirbare Ereigniß seine Wirkungen den verschiedensten Ländern mittheilte! . .. Welches immer die Schicsale sein mögen, zu denen unser Welttheil und unser Land in der Zeit berufen sei, die nun kommt, alle unsere Sympathien begleiten die neue große Unternehmung des französischen Volkes. Wir freuen ung feiner Erhebung, wir wünschen sein Gedeihen ! sie­­ ans nen­­n ‚die Einhaltung. Budapest, 30. April. (Nth.) Der dur­­ den Justizminister heute im Abs­geordnetenhause eingebrachte Entwurf eines Polizeis Strafgefeßes wird berufen sein, das leider durch die gemachten Erfahrungen g praktisch motivicbare, jedoch vom prinzipiellen Standpunkte ganz unbegründete Odium zu brechen, das sich hierzulande an das Wort „Polizei“ und dessen Appertinenzien knüpft.­­ Ungarn hat eben bisher keine geieglich geregelte Pris ventiv-Justiz gekannt, wie dieselbe sich in den fortgeschrits­tensten Staaten entwickelt hat, und wie sie im heutigen Mechtsstaate mit Entschiedenheit gefordert werden kann. Statt derselben befamen wir unter dem absolutistischen Mis­sime ihr Zerrbild nicht nur zu sehen, sondern noch dazu durch tastlose Organe gehandhabt, auch zu fühlen. Unter solchen Umständen darf es nicht Wunder nehmen, daß die Polizei bei uns, wie dies anch anderswo nicht zu dem Seltenheiten gehört, kein beliebtes Institut ist. Dies soi und muß sich aber ändern, da das eigenste Interesse der Bürger eine energische, in ihrer Meachtgrenzen wohl: bewußte, kontrollrbare und geachtete Polizei geradezu fordert. Ein, und zwar ein entscheidendes Moment it in dieser Hinsicht ein Polizei-Strafgefegbng. Schon als man im Jahre 1843 die K­odifikation der Strafgefege anstrebte, war die Regelung der Präventiv-Justiz in Aussicht ge­ nommen, und der Strafgeieg-Entwurf vom Jahre 1843 enthielt einen Anhang von 39 Paragraphen, welcher von den polizeilichen Uebertretungen handelt. Seither ist in dieser Richtung keine gefegliche Ver­­fügung getroffen worden. Der gegenwärtige Entwurf bildet ein selbständiges Ganzes, ohne mit dem Strafgefeg: buch über die Verbrechen und Vergehen in äußerlichem­ Bujfanmenhange zu stehen. Die wissenschaftliche Kontrol­verse, ob dies richtig sei, oder ob das B Polizei-Strafgefeg mit dem Strafgefeg über Verbrechen und Vergehen zu verbinden sei, ist bereits durch den geießgebenden Körper bei Annahme des selbständigen Strafgefeges in ersterem Sinne entschieden worden. Wenn auch daher das äußere Band zwischen den beiden erwähnten Geiegen fehlt, so stehen dieselben doch in einer innigen Wechselbeziehung, da beide einen integriren­ den Theil der Strafgefeggebung bilden, die dur das Fehlen des einen oder des andern Theiles ihre V­ollständigk­keit eimbilden wirde. Die Strafgefege sind nämlich nicht erschöpft durch die Festlegung der Verbrechen und Vergehen sowie deren Strafen. Außer den in diese Gruppe gehörigen Handlungen gibt es noch eine besondere Klasse der Handlungen und Unterlassungen, die im Interesse der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung, der Nähe, der Sicherheit der Person und des Eigentums unter Strafe verboten werden müssen. Diese Gruppe bilden die polizeilichen Uebertretungen. Die Wissenschaft und die Gereggebungen fassen unter diesen Namen ein wechselvolles und buntes Konglomerat verschiedener , absichtlich oder aus Nachlässigkeit bes­­angener oder unterlassener Handlungen zusammen, die entweder direkt eine Rechtsverlegung­­ herbeiführen oder blos eine Bedrohung der R­echtsverhältnisse involviren. Es gelang aber eben in­folge dieser Verschiedenartigkeit der einzelnen Momente bisher nicht, das Wesentliche der po­­lizeilichen Webertretungen durch eine allgemeine und chas­­arteristische Begriffsbestimmung hetzustellen und so den prizipiellen Unterschied zwischen diesen und den anderen strafbaren Handlungen zu begründen. "Zwischen den meisten im Po­lizei-Strafgefegbucie ents haltenen Bestimmungen besteht jedoch­ m nicht,destoweniger ein verbindender Gedanke dadurch, daß dieselben Die Ver­hinderung­­ von Verbrechen und Hintanhaltung von Ge­fahren bezwecen.­­ Und dieser Gedanke: drückt . an dem Entwurfe : das charakteristische Gepräge der­ Präventivs Justiz aus. Der Entwurf erstreckt sich außerdem­ auch noch noch« wendigerweise auf jene Rechtsverlegungen,“ die ihrer Ge­ringfügigkeit halber nicht mit einer Kriminellen, sondern nie mit einer Ordnungsstrafe belegt werden können. Unter diese gehört z. B. der Diebstahl von Ehwaaren in ges­ringen Quantitäten. ae : Nun tritt aber die Frage heran, ob es möglich und zweckmäßig ist, alle jene Handlungen und Unterlassungen, die im uteresse der Öffentlichen Hude und Sicherheit mit Ordnungsstrafen belegt werden müssen, erschöpfend mit allen ihren Merkmalen und einer genauen Strafsanktion ins Gefeg aufzunehmen. Der Ent­wurf antwortet auf diese Frage mit Nein, da es in der That unmöglich ist, alle die geringen Stereffen, die wegen ihrer Alltäglichkeit Schuß verdienen, im einem Gefege nicht mir er­schöpfend aufzuzählen, sondern auch unverkennbar zu charakterisiren und dann die Straffüße den vers­­chiedenen Sitten der einzelnen Gegenden eines ausgedehnten Staates anzupassen. Der Entwurf zieht daher bezüglich vieler Uebertretungen nur den äußeren Kreis derselben, und überläßt die Schaffung eines Fonfreien Inhalts ent­weder dem Ministerium, oder einer anderen Behörde. So z. B. fett der S. 72 eine Strafe bis 100 fl., im Wieder­holungsfalle bis 300 fl., auf die Nichteinhaltung der Sperrstunde fest, wobei jedoch die Anwendbarkeit dieses P­aragraphen von dem außerhalb des Gefäßes gestellten Umstande abhängig ist, ob eine tofalpolizeiliche Anordn­ung überhaupt eine Sperrstunde feststellt. Ebenso gebietet §. 14 der Vorschriften ng EEE

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