Pester Lloyd, September 1888 (Jahrgang 35, nr. 242-270)

1888-09-01 / nr. 242

69, By 1 ir "­­ en Malle um­bäßt; uhr. vielen Iamn; Budapest, 31. August. — In einem der Berliner Wahlbezirke, welcher früher durch­ einen sozialdemokratischen Abgeordneten vertreten war, ist in der gestrigen Kriegwahl abermals ein Sozialist, und zwar Herr Liebknecht gewählt worden. Dieses Mesultat an fi ist gewiß nicht Überraschend und es wird auch nicht durch Die maßlose Agitation, welche Reaktionäre, Antisemiten, Kartellparteien und alle anderen Elemente, welche sie unter das Regierungsbanner stellen, zu einem Ereignisse in die Höhe getrieben. Es ist nur natürlich, daß in einem vorwiegend von Arbeitern bevlferten Wahlkreise und bei dem allgemeinen Stimmrecht der Arbeiter-Kandidat die Majorität erlangt. Allerdings aber wird durch dieses Wahlergebniß deutlich bewiesen, Daß weder Die staatssozia­­listischen Alluren, welche die gouvernementale Politik an­nimmt, noch die streng gehandhabten Ausnahmegefege im Stande sind, die fest organisirte Arbeiterbewegung im Deuts­­chen Reich niederzuhalten. Ya, Deu­tschland mit seinen mancherlei V­ersuchen sozialistischer Gefeßgebung erscheint geradezu wie ein großes Ber­uchsfeld fr die praktische Lösung des Problems , doch sind die bisherigen Erfah­­rungen gar nicht ermuthigend. Wenn auf der einen Seite unbedingt feststeht, daß die Lüge der arbeitenden Mehrheit überall, vor Allem aber bei den Böltern mit entwickelter Industrie eine ungenügende ist, daß also die soziale Frage einen sehr thatsächlichen Hinter­­grund und die soziale Gefahr einen jeher ernsthaften Inhalt hat, so ist es auf der anderen Seite bisher nicht möglich ge­­wesen, für das Verhalten dieser Frage und Gefahr gegen­über eine Linie vorzuzeichnen, der Vorbeugung und Heilung errichten ließe, welches nicht andere gleich große oder noch größere Uebelstände mit sich führte, oder überhaupt nur den gewünschten Erfolg und nicht meistens vielmehr das Gegentheil, die Besichlimmerung des Uebels in sichere Aussicht stellte. Was bisher wenigstens an Gegenmaßregeln, sowohl organischer, wie mechanischer Natur, vorgeschlagen und theilweise ins Werk gelegt worden it, kann auf Grund der damit gemachten Erfahrungen, sas wie der sonst mit fast absoluter Sicherheit zu berechnenden Folgen nur als im besten Yale verfehlt bezeichnet werden, während es nur zu oft geradezu gemeinschädlich und gemein­­verderblich ist. Es handelt sich bisher im Ganzen um zwei als die Lösung der sozialen Frage in sich schließend ange­priesene Systeme: Das staatssozialistische, welches von konservativer Geste befürwortet wird, und meld­es auch einige Regierungen, woran die des Deutschen Reiches, zu einem größern oder geringern Theile angenommen haben, und das der sozialdemokratischen Partei. Das staatssoziali­­stische System kommt in seinem Grundgedanken auf dasselbe hinaus, wie das sozialdemokratische. Gees wie Dieses ver­­langt die Bereitung des freien Mitwerbens, oder meıtigt­stens tiefe Eingriffe in Dasselbe von Seiten des Staates, die auf eine völlige Unterbindung des freien Spiels der Kräfte hinauslaufen. Von staatssozialistischer Seite wird namentlich die Uebertragung einer möglichst großen Anzahl von beson­ders gewinnbringenden Unternehmungen in Form des Mono­pols auf den Staat verlangt; gegen das freie Mitwerben und namentlich gegen den Großbetrieb der verschiedenen Ge­werbe wird außerdem mit der Erneuerung der alten Zunft und Innungsbestimmungen, mit der Wiedereinführung der Meisterprüfungen, mit dem Verbot oder der starren Ein­schränkung des Hausi­handels und überhaupt mit einer Bes Fehlung aller besonderen Formen der modernen und modern­­sten Entwicklung der Gewerbe angesümpft. Im Deutschen Reiche kommt dann noch die auf eine materielle Unterstüßung der unbefriedigten Arbeiter gerichtete soziale­ Reform­­geseßt­­gebung und­­ das Ausnahmegefäß wider die sozialdemo­­kratische Partei hinzu. Säimmtliche Maßregeln dieser Art — in welche äußere Form sie fi immer Heiden und mit welchen Schlagworten und glänzenden Redeflosteln sie begründet und verbrämt werden, und mit welchen Prätensionen immer sie auftreten mögen — sind im Grunde doch nur mechanischer Art und damit allein in ihr Charakter, ihre Werte und der Grad ihres möglichen Erfolges schon gekennzeichnet. Nicht anders als rein mechanischen Charakters können doch alle jene Be­­stimmungen betrachtet werden, welche eine Thätigkeit ver­­bieten, die an und für sich Durdans sittlich ist und daher von Naturwegen gestattet sein müßte, also alle Eingriffe in den freien Gebrauch der dem Menschen von Natur und duch Erziehung zutheil gewordenen körperlichen und geisti­­gen Kräfte zu an sich sittlicher und mnnnslicher Thätigkeit, mögen diese Eingriffe schon in früheren Zeiten bestanden haben und also das Gepräge des Geschichtlichen tragen oder nicht. Daß man durch solche, nur durch äußern Druck wirkende Mittel sich einbildet, eine Krankheit zu Heilen, die wie seine andere den gesammten Organismus des modernen Staats- und Volfs­­lebens ergriffen hat, das macht allerdings der Munität und — Frivolität der Befü­rworter solcher Meaßregeln alle Ehre.. Die grob-mechanische Natur des deutschen Ausnahme­gesebes wider die Sozialdemokratie nachzumeisen, dürfen wir uns wohl le — aber auch „die­ vielgerühmte deutsche soziale , Reform" verdient seine höhere Sklassifika­­tion. Denn was sie thut, ist doch immer nur die Linderung der aus der sozialen Krankheit zu Tage tretenden Uebel, allerfchlim­sten; an die Ursachen dieser Uebel rührt sie nicht. Si­e jest in allen ihren drei Zweigen, der Kranken, der Unfalls­amd Der Altersversorgung stets den hilflosen Arbeiter, den in Folge seines unauskömmlichen Verdienstes Hilffos geworbenen Arbeiter voraus, daran, den Verdienst des Arbeiters zu einem unskömmlichen zu machen und also die legte Quelle des ganzen sozialen Mitstandes abzugraben, daran Hat diese „Reform“ mit seiner Sylbe gedacht. amd auch nur der alleräußersten und # Anders Die Idee der Sozialdemokratie. Dieser läßt sie in abstracto wenigstens der organische Charakter nicht absprechen. Die Sozialdemokratie sagt der Wahrheit ent­sprechend, daß aus dem Zustande der Arbeit, wie er ich entwickelt hat und heute thatsächlich gegeben ist, seine gesunden Verhältnisse hervorgehen können und daß alle einzelnen Machregeln immer nur im Stande sein werden, Die schlimmsten Auswüchse des M­ebels zu Hindern. Demzu­ folge verlangt sie ganz folgerichtig eine neue Grundlage fü­r Aber wenn diese Forderung, dieser Gehalfe „organisch“ genannt zu werden verdient, so wäre Die Ausführung derselben,­ soweit sie überhaupt denkbar wäre, doch nur auf dem mechanischesten, Den ge­waltsamsten, nur auf dem Wege einer noch viel weiter an nach dem staatssozialistischen Plane gehenden Unterdrückung der freien Thätigkeit des Einzelnen möglich. Aber die Gesellschaftsordnung und­­ Arbeitsorgani­­sation der Sozialdemokratie ist eben überhaupt nicht mög­­li­­ es it gar nicht einmal nöthig, sich dieselbe bis in ihre Yegten Einzelheiten und Konsequenzen auszumalen, um sie als vollendete Utopie zu erkennen. Die bie und da von ultramontaner Seite fallenden N­edensarten endlich, daß die Kirche allein, aber auch um fehlbar im Stande sei, Das soziale Möbel zu heilen, sobald man ihr nur freie Bahn­rate, dürfen wir wohl, als zu wenig ernsthaft, bei Seite lassen. Wenn die Kirche den Sieg zwischen christlichen Staaten nicht verhindern und jedenfalls auch für das Seltenerwerden der Kriege aufrichtigerweise kein Verdienst in Anspruch nehmen kann, so wird sie wohl auch nicht im Stande sein, durch ihren Einfluß das soziale Mitvergnü­gen zu bannen, das eine zwingendere Ursache hat, als nenm neunzig Perzent aller zwischen christlichen Staaten geführten Kriege.­­ So vereinigen si Sozialdemokratie und Staatssozial­ismus in der Unterdrückung des freien Spiels der Kräfte; jene in einem Maße, die die sichere Gewähr der Unüberseh­­barkeit ihrer Theorie in die Praxis in sichh trägt. Dieser in einer Form, welche an sich möglich, aber dafü­r auch wir­­kungslos und mit tausend anderen Leben, woran eine von ihm wohl untrennbare allgemeine politische Neaftion, ver­­knüpft if,­­m unbedingt jeden Berjuch Schlimmerung heit, feinem unfruchtbaren, des dem wie sie sind, geistigen und selbst zur sittlichen Entwiclung der Mensch­­Staats in Gegengabe zu Diesen beiden ps der Lösung der gemacht für eine mit Wäre Daher in der That­mengen sozialen Frage, sind, liegt des Eingreifens drei Dingen gestellt : zwischen dem Verhältnisse, den beiden die Berechtigung der dritten Richtung, welche die Naturnothwen­­digkeit aus den einmal gegebenen Zuständen erklärt und von einem Weijeln zu befreien, nur eine erwartet. Denn das freie Spiel der Kräfte ist so unbedingt die Vorauslegung eines jeden staatlichen,­ volklichen und gesellschaftlichen Fortschritts, so sicher und und so sehr das Prinzip alles gesunden Lebens selber, daß es in der That gerechtfertigt erscheint, Lieber jedes Uebel zu ertragen und jedes Uebel zu erwarten, als dem freien Spiel der Kräfte, anstatt dasselbe je mehr und mehr von den ihm noch anhängenden neue Leffeln anzu­schmieden oder gar ihm die Art an die Wurzel an­leget, die Wahl nur zwischen den Staatssozialismus mit freiheitswidrigen und schänlichen Ein­­die das Einmengen nicht vertragen und mit den sonstigen ihm auflebenden üblen Folgen, der Sozialdemokratie mit ihrem unerträglichen Zwangsstaate, an welchen das Beste seine absolute Unmög­­lichkeit ist, und dem Prinzip des völligen laissez faire et laissez passer, dann möchte wahrlich immer noch das Ichtere, dde und hoffnungslos, wie es ist, als das Beste erscheinen, weil es wenigstens den inmeisten Lebenswert gesunder Staats- und Bollsentwicklung nicht antastet. Allein ist die Wahl in der That nur zwischen Diese Drei Dinge gestellt ? Ist der Umstand, daß bisher immer nur von diesen Drei Dingen die Nede gerwesen it, wenigstens auf der großen Bühne des öffentlichen Lebens, ein nothwendiger Grund, an­­zunehmen, daß es nicht noch einen andern Weg gibt? bak mat gar nicht mehr nach einem andern suchen darf? Sicherlich nicht! ES wäre lächerlich anzu­­nehmen, daß eine so verwicelte, eine mit allen Verhältnissen des Öffentlichen Lebens so eng zusammenhängende Frage nach bios dreimaligem vergeblichen Versuchen für unlösbar und bag aus ihr erwachsende Uebel für ein unenteinnbares Verhängniß erklärt werden müßte; es wäre aber auch lächerlich, anzunehmen, daß Der Ausweg aus ihr oder das Verhalten ihr gegenü­ber ein so einfaches, um nicht zu sagen: so bilfiges wäre, wie es das Nichtsthun auf der einen, der mechanische, zum Theile brutals Zwang, sei es mit, sei es ohne organische Veränderung der Grundlagen der Bestehenden Ordnung auf der anderen Seite sein wide. Es it denn and wirklich möglich, wenigstens noch eine andere Nichtung anzugeben, tt welcher, von vornherein nicht ohne Aussicht auf Erfolg, eine Lösung gesucht werden ann — nd mele Fan­ja im gegenwärtigen Stadium überhaupt nicht erwartet, noch geleistet werden. Budapest, 31. August. —n— von den Hängen des Col di Tenda, heffen gigantische Schneehäupter zu den rollenden Schaumlämmen des Rigischen Meeres hinabgräßen. Dis zu den rotha brüchigen Felsenbärgen des Fellathales in den Karnischen Alpen zieht sh in gewaltigem Bogen eine­ vielfach gebro­­ene Linie von GSpereforts, welche jeder Zugang aus Branfreih, der Schweiz eine Defterleih nach Sizilien ver­wehrt oder doch ungemein erschwert. mit dem Irrwande ganz außwordentlccher Kosten Hat Das junge Königreich Stalte­n innerhalb Der Tegien fihizegt Sabre plan­­mäßig an seiner Grenzbefestigung gemitbeitet. Die vor Kurzem bewirkte Vollendung dieser fortifikatorischen Arbeiten in den Ligwiihen wird in den Seralpen, im Waldenser Thale, in den Staiiischen, Perninischen und­ Tersinischen Alpen bildet nur die systematische Ergänzung der militä­­rischen Machtentwicklungfitaliens zu Wasser und zu Lande. Dieselbe war nicht zutreffender gekennzeichnet werden, als wenn man sagt, Italien hat im Verhältnisse zu seiner Größe und Bevölkerungszahl sogar beträchtlichere finan­­­zielle Opfer fü­r die Armee und Flotte gebracht als Deutschland und Frankreich. Das will sehr viel gesagt haben, stimmt aber genau mit den Thatsachen, wenn man Dieselben im Detail verfolgt. Das italienische Bolt hat willig und — unauffällig lange Jahre hindurch alle Opfer gebracht, denn es wußte — warum­ NS vor sechs Jahren der fran­­zösische General Rogerot mit seiner Division in Tunis einbrach, der französische Generalfonful Cambon dem Bey von Tumis Gefeße Diftivte, die von Den­talienern untersa­gten Rhroumirs in alle Winde zersprengt wurden und der italienische Generalfonsul Maccio Tunis ver­­lassen mußte, da ballte Italien die Hast in der Tasche, denn es war militärisc­h noch nicht fertig und mußte daher die Dinge an der nordafrikanischen Küste gehen lassen, wie sie gerade gingen. Die seitherigen, militärischen Austrewe­gungen habe­­ jede auch politisch das Königreich, Italien, in eine gesichertere Stellung gebracht, welche neben manchen anderen Ersc­heinungen der neuesten Bett auch die bestimmte Sprache Erispris im Verfehre mit der französischen Diplomatie erklärt. Die Italiener sind sehr genaue Nechier und der Neffende in Italien hat nur zu oft Gelegenheit, das wirthischaftliche Talent der römischen Nachfahren zu wür­­digen. Wenn Die Lepteren troßdem aund 1 ungeachtet mancher wirthichaftlichen Krisen, ungeachtet eines jährlichen Defizits von 45 Millionen Lire und Darüber des Heeres und der Flotte wegen sich in so empfindliche­n­nforten ver­­fegten, so wollen sie auch etwas dafür haben, und zwar in erster Linie Die Erweiterung ihrer Macht und ihres Ein­flusses im mediterraneischen Küstengebiet. Das Königreich Italien, welches um 10 Millionen Einwohner weniger hat Oesterreich-Ungarn, unterhält einen Friedenspräsenzstand von 245.000 Mann und hat­ ein­­ Kriegsbudget von 296 Millionen Lire, wobei die Sonder­­auslagen für das Unternehmen an der Küste des Notden Meeres nicht inbegriffen sind. Sole Zahlen ,weden bei einer Haushälterischen Regierung wie die römische es ist, eine Sprache, deren Klarheit nichts zu wünschen übrig Yäßt. Nur eine aktive Politik, welche für alle Zälfe auch stets über teodenes Pulver verfügen will, vermag einen solchen militärischen Aufwand zu begründen. Ja seit voriges Jahr Generallieutenant Ettore Bertole-Biale das Kriegsportefenille übernommen, sind die Beziehungen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kriegsministerium in­­ NRom engere denn je und als Folge dieser Verständnisinnigkeit trilt in jüngster Zeit eine weitere Steigerung der Wehrhraft Italiens in die Erscheinung. Vor Allem erfährt die Gebirgsartillerie eine V­ermeh­­rung. Die 32 Bataillone der Alpentruppen, welche ge­­gebenenfalls den ersten­ Anprall der Franzosen gegen die italienische Alpenmauer auszuhalten hätten, werden nunmehr von 9 Gebirgsbatterien, in drei Brigaden formirt, unter­­stüßt. Soda wendet Bertolo-Viale eine besondere Auf­­merksamkeit der Territo­rialarmee zu, die in der Hauptsache unserer Honv&d entspricht. Nur besteht dieselbe aus Mann­schaften erster und zweiter Kategorie, welche im Heere ge­­dient und eine Waffenübung in der Neserve mitgemacht haben, und aus Leuten der dritten Kategorie, welche nach den Wehrgehege überhaupt mut 15 Zage aktiv Dienen. Daß diese Legteren militärisch kaum ins Gewicht Fallen, braucht nicht exit gejagt zu werden. Aber Diese Kategorie umfaßt 80.000 Mann im jedem Jahrgange. Statt diese Leute für 15 Tage einzuberufen, beabsichtigt man nur 20.000 einzuziehen, dieselben aber einen vollen Monat aus­­zubilden und überdies nach einiger Zeit für eine Woche zu den Schiegübungen einzuberufen. Was die Territorialarmee Die Arbeit, auf welcher sich ein System einzigen, die bisher gefahrdrckend, die eigentliche sozialen Uebel, groß und Zriebfeder zur materiellen­ Bei­nhalte herein. Unter den sonstigen militärischen Neuerungen Italiens heben wir auch die charakteristische Thatsache hervor, daß mit Beginn dieses Jahres die zweite Hälfte der Infanterie- Hauptleute beritten gemacht wurde. I­talien it also in dieser Beziehung Oesterreich-Ungarn voraus, da bei uns bekanntlich nur zwei Hauptleute per Bataillon beritten sind. Dazu tritt noch der Umstand, daß Italien in dem septen advent auffallende Ah in der Pferdezucht gemacht hat. Früher hat die apenninische Halbinsel den größten Theil der Militärpferde aus Ungarn bezogen. Um sich vom Auslande unabhängig zu machen, wurden vor mehreren Jahren sechs Memonten-Depots in Grossato, Persano, Bal­manova, Portovecchio, Scordia auf Sizilien und Bonoroo auf Sardinien etablirt. In Folge dessen sind voriges Jahr von mehr als 3000 Memonten aus diesen Depots der Armee zugeführt worden. Das System der Aufzucht im Freien — allerdings unter einem italienischen Himmel­ — ohne Unterkunftsraum bei Tag und Nacht, gibt, nach einer Schilderung der »Revue militaire de V­etrangers den ita­­lienischen Remonten eine genügende Widerstandskraft gegen die Unbilden der Witterung. Wenn ihnen auch Ebenmaß in der Figur und Schnelligkeit mangeln, so sind sie doch gut entwickelt und kräftig. Häufig in Landsteichen geboren, in denen die Malaria herrscht, haben sie nicht nöthig, exit den Asklimatisirungsprozeß der ungarischen Pferde durchzumachen. Als Truppenpferd ist Hauptsächlich Die Kleine jehnige Nase aus den Maremnıen, Toscana, dem Bundgebiete von Rom und Neapel, Kalabrien und Eigilien zu verwenden. Mehr als Die Hälfte der italienischen Fußtruppen ist gegenwärtig schon mit dem Schnellladegewehr Bitali be­waffnet. Dasselbe, eine­ Erfindung des Artillerie-Haupt­­manns Vitali, ist eine Umarbeitung­ des bisher im Ver­brauche gestandenen Retterfis Hinterladegewehrs. Es beruht auf dem System der Padet-(Biündel-)Ladung, und zwar sind je vier Patronen von dünnen Weißblech umschlossen. Die Bü­ndel werden von oben eingeführt und das Gewehr kann als Einzel- oder Diehrlader benügt werden. Ganz Außerordentliches wurde aber, wie schon ein­­gangs erwähnt, auf dem Gebiete des Befestigungsmereng geschaffen. Wueilich hat Italien in seiner langaestrecten Küste auch eine sehr empfindliche Grenze. La Spezia, Venedig, Delfina, Gate und Tarent sind zu mächtigen Ortifika­­tionen ersten Manges ausgestaltet worden. Gegen eine Wan­dung an der Riviera di Ponente sind die Befetigungen von Bado und Genua, sowie der Bälfe im Ligurischen Apennin, insbesondere Napa, Zuccarello, Velogno, Altare, Giovo di Grenfiello, Turin, Scoffera, Cento-Eroei und Boco bestimmt. Gegen eine Landung an der toskanischen Klüfte flii­gen die Befestigungen auf der Insel Elba. In Mittel-Italien gilt es Nom und Neapel zu fhssen. Hier finden wir Monte Argentaro, Eivitavechta, Gaeta und Mom selbst in impo­­santer Weise befestigt. In Sizilien ist die Meerenge von Delfina mit formidablen Werfen bewehrt worden, wodurch nicht blos der Flotte eine gesicherte Station zwischen dem Zyrrhenischen und Ionischen Meere geschaffen, sondern auf die Verbindung Siziliens mit dem Festlande vermittelt wurde. Für Sardinien besigt der Artipel von Maddalena die Höchste Bedeutung, ebenso wie für die Mandorirfähigkeit der Flotte. Was mehrere betrifft, so würden die Unternehmungen derselben fie auf drei Seefestungen ersten Ranges flogen: auf La Spyia, Venedig und Tarent. Und was das Thmwimmende Flottenmaterial betrifft, so bemerken wir, daß zu Umfang dieses Jahres die Flottenliste 180 Kriegsfahrzeuge zählte und überdies mehrere Schiffe verschiedener Typen im Baue waren. Hinsichtlich des Tonnengehaltes, der Bewehrung und der technischen­­ Einrichtungen k­aliei­­ren die italienischen Kolosse mit­ den englischen. Das junge Königreich­ hat überhaupt während seines Terrzen Bestan­­des Nederraschendes, zu Land und zu Wasser Außer­­ordentliches geleistet, um seine Stellung als europäische Stoßmacht zu sichern. Diese Thatsache muß insbesondere unter den heutigen Umständen als Kalful in die politische Berechnung einbezogen werden. Wenn Französische Blätter über die militärischen und maritimen Anstwengungen Italiens wißeln und auf dem Echee der italienischen Waffen bei­­ Dogali und Saganelli verweilen, so glauben wir als unbe­­fangene Beobachter Doch bemerken zu sollen, falle in überseeischen Ländern nicht immer maßgebend sein missen fir die Beurtheilung der Wehrkraft einer euro­­päischen Großmacht. Auch die französ­ischen Waffen sind von machen Unfällen in­ Zoufing Heimgesucht worden, und es it Doc­ Niemanden­ eingefallen, daraus Schlüffe auf die militäriische Macht Frankreichs zu ziehen. Das sollte man sich recht auch in den Pariser Redaktions-Bureaus gegen­wärtig halten und ss daran gewöhnen, das Stalien von heute­ mit anderen Augen anzusehen, als das Kleine Stalien von­ wiedem. Berlin, 31. August. Der "Reichsanzeiger" veröffent­­et einen Erlaß des Kaisers, in welchem es heißt: „Die legtwilligen Aufzeichnungen des Kaisers Wilhelm I. enthalten ein herrliches Beugniß ,­­einer erhabenen Seelengröße und edlen,frommen Sinnes,· dessen Kenntniß ich dem Volke nicht vorenthalten will.Ich­ habe deshalb an dem heutigen,für mein Haus bedeutungs-·s vollen Tage beschlossen,einen Auszug derselben bekannt zu geben­ als Denkmal zur­« Egzre des Entschlafenen und ag" Vorbild für meist aus undolk.«Hieran schließen sich vier Auszüge aus den Aufzeichnungen vom 10. April 1857, vom 31. Dezember 1866,,vom 31. Dezember 1871 und vom 31. Dezember 1878. Berlin, 31. Augus. (Orig. -Telegr.) Aus den Au­fzeichnungen des K­aisers W­il­­helm I. ist hervorzuheben: Am 31. Dezember 1866, s­rieb der damalige König über die Konfliktsjahre und der beendeten Krieg: Diese Kämpfe haben mich tief erschüittert. ch vergebe Allen, die sich meinen Absichten entgegenlegen, um die Macht der Krone zu schmälern. Vergessen mögen meine Nachkommen aber nicht, daß Zeiten möglich wären, wie die von 1861—1866. In Demuth erkenne ich die Gnade, die mich ausersehen hat, in meinem vorgerücten Alter diese Wendung der Verhältnisse herbeizuführen. Das Werkzeug, das so Großes geschaffen, die Armee, steht ma übertroffen vor der Welt.“ Silvester 1871 schrieb der Kaiser: „Gott war mit uns. 1866 mußte ich glauben, daß mein Tage­­werk vollbracht ist und daß es meinem Sohne beschieden sein werde, die südliche Hälfte Deutschlands mit der nördlichen zu vereinigen, aber, nach Gottes unerforschlichem Nathiehluffe sollte ich berufen werden, selbst noch diese Einigung herbeizuführen. Wenn je in der Geschichte sich Gottes Finger sichtlich gezeigt hat, so ist dies 1866, 1870, 1871 geschehen. Gottes Wille stellte mir Männer zur Seite, so Großes volldringen zu können. Mit demüthig dankerfüllten Herzen preife ich Gottes Gnade. Möge Frieden uns beschieden sein, die Güter in Demuth zu genießen, die in blutigen heißen Kämpfen errunge­n wurden.“ E Berlin, 31. August. (Orig.-Telegr) Fürst Bismarc hat die Badereife nac Kissingen aufgegeben. — Goblet’s Note an Italien findet wenig Beachtung. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ lobt an ihr das Bestreben, den Streitfall nicht weiter zu treiben. Hiernach seheine die Maffanah-Frage das britische Stadium, so weit davon gesprochen werden konnte, überwunden zu haben. — Bennigsen soll nicht lange Oberpräsident bleiben, sondern einen en Posten im Reichsdienste erhalten. Mit großer Bestimmtheit taucht wieder das Gerücht auf, daß die Schaffung von Reis­ministerien geplant werde. Es sollen bereits die bezüg­­lichen Verhandlungen zwischen den Bundesstaaten schrieben und soll Bennigsen Vizepräsident des Staatsministeriums und zugleich Reichsfinanzminister werden. Auch wird von einer Verwendung Schorlemers in Heere­mann’ (Beide vom Zentrum) für höhere Staatsämter gesprochen. Kiel,31.August.Der Kaiser hat,indem er den Kön­g­ von Schweden als Admiral à la suite der kaiserlichhen Marin­e stellte,die gleiche Stellung in der schwedischen­ Marine eingenommen. Ostende,31.August.(Orig.-Telegr.) Boulanger verweilte drei Tage in Brüssel,wo er in der nächsten Nähe des Prin­zen Viktor Napol­leon­ logerte.Er reiste gestern Vormittags über Holland und Dänemark nach Rußland- Toulon,31.August.Min­ister-Präsident Flouet und Marineminister Krantz wohnten heute den ec­­manöverns bei.Heute Nachtss stießen zwei Torpedo­­bonte­ zusammen und erlitten schwere Havarien Von der Bemannung wurde"Nie"m­andverletzt. » « ,Madridk31.A11g11st.Nachrichtenacts Tanget Tif zufolge ist es dem Susltan von Marokko gelungen,­­die von den Stämmen­ im Süden des Atlas errichtete Vlokadez 11 brechetk.Die rebellischen Stämme unters­perfen sich. London, 31. August. Meldung der „‚Treffe‘: Einem­­ hier eingelangten Telegramm aus Kairo zufolge nahmen die Abessinier wider Kefen ein und konzentrirten daselbst eine starre Truppenmacht, um einer etwaigen Inva­­sion der Ialiener Widerstand zu leisten. London, 31. August. Meldung der "Agence Reuter" aus Lorenzo-Marquez (Delagabai): Aus Lisssabon ist der Befehl zur Eriegung des provisorischen Gouverneurs duch den Kapitän eines portugiesischen Kriegsschiffes ergangen. Konstantinopel, 31. August. Orig.-Telegr.­ Meldung der „Bol. Korr.": Der Sultan ließ dem Herzog von Edinburghduch Edhem Pascha nochmals das Anerbieten machen, einen der kaiserlichen Ba­­llfte als Absteigequartier zu benüßen, was der Herzog jedoch daufend ablehnte. Am Tage seiner Ans­kunft war der Herzog zur Kaiserlichen Tafel geladen; heute findet ihm zu Ehren auf der britischen Botschaft ein Diner statt und am Sonntag­sreihh erfolgt die Abreise. Die auf den 27. August anberam­mt gebesene Audienz des Deutschen Botschafters v. Radomwit beim Sultan ist in letter Stunde verschoben worden. Da die Pforte vorgetreren noch nicht auf die von österreichisch-ungarischer Seite erfolgte Anregung, in der Postfrage zu einem definitiven Medereinkommen zu ge­langen, geantwortet hatte, urgirte der Tf. u. Be­schäftsträger Baron S­chieß­ persönlich beim Großwezir diese Frage. Die Hoffnung auf eine rechtzeitige Regelung der Frage wird festgehalten. Für die nächste Zeit steht der Abschluß eines neuen Handelsvertrages zwischen dr Ti­rfei und Italien bevor, in welchem anstatt des bisherigen Boll» jages ad valorem die Zölle spezifizirt sein werden. Die Pforte hat die Suezkanal-Ko­n­­vention noch nicht endgültig unterfertigt. Belgrad, 31. August. Orig.-Telegr.­ Das Konsistorium Hält morgen Sigung, um über die Chean­­gelegenheit des Königspaares zu Be­rathen und wird die Einwendungen der Königin prüfen. Auch das Ministerium Hieft Heute in Dieser Angelegenheit eine Sigung. — Den Gemeinden und Kirchen wurde Die Veier des Geburtstages der Königin ‚Natalie, welcher auf den 7. September fällt, offiziell ‚untersagt. ‘- Sophia, 31. August. Orig-Telegr) Meldung der : „Pol. KRore.“‚ Hier zirkuliren Menßerungen‘ zum Theil” politischer Färbung, welche die Entführer des bekanntlich ohne Lösegeld wieder in Freiheit gefegten Photographen Stojanom Lebterem gegenüber gethan haben. So entriffen z. B. die Räuber Stojanom seine Taschenuhr mit den Worten: „Also, ihre Anderen möget nich die Auffen, was?" Die Räuber erklärten, daß sie es auf den Fang eines Ministers, insbesondere Stambulom­’s abgesehen hätten, für den sie ein Lösegeld von 100.000 t. Pfd. verlangt haben würden. „Zrogdem,” fügten sie Hinzu, „hätten mir möglicherweise Stambulom nach Empfang des Lösegeldes den Garaus gemacht." . Sie planten sogar eine Entführung des Prinzen F­erm­­and von Koburg und behaupteten, daß dieser Plan ihnen anläßlich der Fahrt des Prinzen nach dem lofter Nillo gelungen wäre, wenn neue Mitglieder ihrer Bande sich in einem dazu bestimmten Hinterhalt rechtzeitig eingefunden hätten. „Wir hätten dem Prinzen,“ erklärten sie, „nichts zu Leide gethan, weil sonst die Belegung Bul­­gariens durch Oesterreich (!) zu befürchten wäre, die wir durchaus nicht herbeiführen möchten.“ Sie erkundigten sich hierauf bei Stojanom über die politische Gesammtlage in Bulgarien und befragten ihn um seine Meinung über die Haltbarkeit der Stellung des Prinzen Ferdinand. Zum Schlusse erklärten sie, daß sie, falls die Regierung ihnen Amnestie gewährt, friedlichen Beschäftigungen nachgehen würden. Andernfals werde das Brigantagaio im nächsten Früh daß Unglicds­ «­­. _ Gelegeamme des , eh­er Lloyd, Wien, 21. August. Die „Politische Korrespondenz" meldet: Se, Majestät geht morgen Früh zum Ber jude der rufsischen Kaiserin nach Emunden und fehrt Nachmittags­­ wieder hieher zurü­ck. Berlin, 31. August. Bei dem Galadiner, zu welchem 170 Einladungen ergangen sind, sahen die Kr­nigin von Sachsen, der König von Schweden, der Hoheit Erzherzog Karl Ludwig und der Groß­­herzog von Meclenburg zur Rechten und Er­herzogin Maria Theresia, der König von Sachssen und die Großherzogin von Mecklenburg zur Linken des Kaisers. Vom König von Schweden wu­rde ein Toast auf den Täufling, ausgebracht. Der König von Schweden begab sich um 4%, Uhr Nachmittags mit dem Kaiser nach Berlin. Nachmittags um 51, Uhr fand: Unter den Linden vor der Universität Die Uebergabe der Sahnenbänder an die Leibkompagnie des ersten Garde-Regiments, sowie an das zweite und vierte Garde-Regiment und an das Garde- Füsilier-Regiment statt, deren Kommando der Kaiser vor der Thronbesteigung­ geführt. Der K­aiser erschien im dem von den Truppen gebildeten Biered zu Pferde und hielt nach dem­ Abreiten der Front eine­ Ansprache, in welcher­ er ungefähr sagte: Es sei sein Wille, Die Truppen, deren Kommando er unter der Regierung des­­ glorreichen­­ Großvaters erhalten, doch Verleihung­ der F­ahnenbänder besonders zu ehren. Der Kaiser fuhr sodann fort: „Ihe waret die einzigen Truppen, die mein Vater als Kaiser gesehen. Wir erinnern uns Alle wehmiüthig des Tages, da dieser Brigade die Ehre. Hatte, dem Kaiser Friedrich. vorgeführt zu werden. Im Andenken daran weihe ich diesen Regimentern die Bänder und hoffe, die Regimenter werden Die Ehre der Fahnen hoch halten aud zu „wahren­ willen.“ Die aus dem Palais des Kaisers Wilhelm gebrachten, mit den neuen Dündern versehenen ahnen wurden Hierauf in die Regi­­menter eingestellt. Der Kommandant der zweiten Garde- Infanterie-Brigade General Salfenstein dankte für für Die den Truppen erwiesene Hohe Ehre, worauf die Truppen ein dreimaliges Hurrah! auf den allerhöchsten Kriegsheren ausbrachten und sodann im Parademarsh an dem Kaiser vorüberzogen. Die hohen Gäste des Kaisers wohnten der Feierlichkeit auf dem Ballon des Balais weiland des Kaisers Friedrich bei. Berlin, 31. August. Erzherzog Karl Ludwig and Erzherzogn Maria Theresia fuhren um 11 Uhr mit dem Potsdamer Zuge nach Babelsberg zum Besuche der Kaiserin Augusta und begaben sich von dort nach Potsdam. S . 7­7­5 , 5 e

Next