Pester Lloyd, April 1896 (Jahrgang 43, nr. 82-104)

1896-04-04 / nr. 82

an cisf « « AV : « N . 3 — Budapest, 3. April. RC­Cs ist eine ganz eigenthümliche, aber Historisch er­­härtete Thatsache, daß der ruffische Einfluß jedes Mal, wenn er auf di Balfanh­albinsel zu entscheidender Position gelangt, unter den dortigen Bölfern nur Unfrieden und Unende verbreitet. Da beginn immer ein unheimliches Rauschen durch die höchsten Baumgipfel der Politit. Die­­ mit der jugendlichen Regier ausgerüstete Konjeturalpolitit be­herrscht dann alle Köpfe; man macht große Pläne, schneidet ganze Landkarten entzwei. Lebt sie wieder nach Wunsch und Geschmad zusammen und voll phantastischer Träumereien werden dann­ Zukunftsreihe entworfen, die natürlich der weiße Czar bei nächster Gelegenheit zu errichten hätte. Diese s­chwärmerische Ationsluft, die niemals nach den Mitteln der praktischen Dachführung fragt, sondern blos aus Yu­nfionen und Versprechungen entspringt, erscheint jedoch ganz natur­gemäß als ein Ausflug der traditionellen P­olitik des russi­­schen Reichs. Während in früheren Jahrhunderten die kaktu­­elle Bewegung in Rußland, von Byzanz kommend, ihren Weg von Giden gegen Norden genommen, hat diese Bewegung seit dem Niedergange der türkischen Macht, namentlich aber seit dem Frieden von Kütschüf- Kajnardiche einen raeiläufigen Kurs wieder gegen Süden genommen. Das ganze Sinnen und Trachten des russischen V Volksgeistes geht nach dem alten Byzanz und Die „freie Dachfahrt duch die Dardanellen” wirkt wie ein allmächtiger Magnet auf die Traditionen der russischen Bolitit. Hat an Stambul dur­ die Eröffnung des Suezkanals einen großen Theil seiner handelspolitischen Bedeutung bereits verloren, mag es auch auf der Hand liegen, daß diese Stadt nur als Mittelpunkt eines großen Neic­es den bisherigen politischen Werth behaupten könnte, so schrumpfen doch alle Diese Bedenken angesichts des südwärts treibenden Grundzuges der tuffischen Volitit völlig zusammen. 3 liegt ja hier nicht zum ersten Male in der Geschichte die Thatsache vor, daß si religiöse Motive und kulturelle Reminiszenzen viel stärker erweisen, als nüchterne politische Erwägungen, welche das zu erreichende Ziel nach seinem wirklichen inneren Werthe beurtheilen. Weil aber die russische Orientpolitik in ihrem eigenfrei, Wesen und in ihren fepten Hielen auf Eroberung, auf Die Zerstörung des türkischen Reiches in Europa ausgeht, ist es ganz begreiflich, wenn sich in jedem Augenblick, da der russische Einfluß in Belgrad oder Cetinje, in Sophia oder Athen vorherrscht, die gleiche Mftianzluft geltend macht. Man konnte das in der­ legten Zeit, seitdem Prinz Ferdinand nd König Alexander in die politischen Fußstapfen des Fürsten von Montenegro getreten sind, mannigfach beobachten. Es werden soeben in Belgrad und Sophia die verschieden­­artigsten Pläne ausgehebt und Kombinationen des ältesten Datums wieder besprochen und ernst genommen, als ob die Welt mit Broschüren und Rettungsartikeln einzurichten wäre. So erzählt man mit besonderem Nachdruch, daß Bulgarien mit Rußland bereits eine Militär­konvention abgeschlossen hätte, wonach für gemisse Zäle Rusland in den Häfen von Varna und Burgas ‚das Bejagungsrecht zugestanden worden wäre, wonach sich Bulgarien verpflichtet hätte, Schumla, das alte verschängte Lager aus“ türkischer Zeit, wieder herzurichten — von anderen Dingen nicht zu reden, welche sie auf die Führung der bulgarischen Armee durch russische Offiziere beziehen olfen. Die politische Situation schließt eine solche Konvention durchaus nicht aus. Fürst Ferdinand, der in dem Bestreben, seinen Thron sicherzustellen, Heute zu Allem zu haben ist, ‚was man an der Newa­ von ihm fordert, wurde ohne weiters auch diese Konvention zugestehen. Der Battenberger hat mehr dieselbe Phase der Russomanie durchgemacht und troß­­dem Schiffbruch gelitten, weil er es ein einziges Mal gewagt hatte, wahrhaft bulgarisch-nationale Politik zu machen und­­ den Forderungen der russischen Agenten und Generale einigen­­ Widerstand zu leisten. Wir fürchten, daß Fürst Ferdinand später einmal dieselben Erfahrungen machen werde — aber alle diese Erinnerungen fruchten nichts, wenn einmal rein persönliche Motive die Polität eines Staates leiten. Fürsten und Berfer pflegen, gleich­ einzelnen Individuen, selten aus der Erfahrung Anderer zu lernen ; sie müssen aus eigenem Schaden eng werden. Bei der heutigen Richtung der bulgaris­­chen Bolitit ist es daruum auch ganz gleichgiltig, ob eine Militär- Konvention zwischen Rußland und Bulgarien besteht. Wir möchten sogar eher glauben, daß sie­ bisher wenigstens nicht abgeschlossen wurde, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil Rußland einer solchen unter den heutigen Verhältnissen gar nicht bedarf. Es ist doch rar, daß Fürst Ferdinand und seine Minister in nächster Zeit Alles thun wollen und werden, was man in Petersburg in einem bestimmten Falle der Aktion von ihnen fordert. Sie werden sogar Rußland noch viel mehr gewähren, als in einer solchen Konvention enthalten sein kann. Erwägt man ferner, daß man an der Newa Schon seit Monaten Alles mit Aengstlichkeit vermeidet, was Die guten Beziehungen mit der Pforte trüiben könnte, darin liegt es wohl auch auf der Hand, daß man eine Militär-Konvention mit Bulgarien sehen darum nicht ab­­schliegen wird, weil ja deren Ziele und Ewede offenkundig gegen die Existenz des türkischen Reiches gerichtet sein müssen. Dazu kommt no, daß eine solche Konvention, die doch in erster Linie ein großes Zugeständniß seitens Bulgariens wäre, gewisse, wenn auch noch so geringfügige Konzessionen oder Verpflichtungen Nußlands zu unsten der Bulgaren auf­erlegen müßte. Mit solchen Gegendiensten braucht sich das P­etersburger Kabinet Heute gar nicht zu verpflichten; es kann die Bulgaren in ihrer Dienstbereitschaft und Abhän­­gigkeit viel billiger und ohne jede Mühe oder Gegenver­­brachtung erhalten. je Nicht viel besser steht es mit einem anderen Projekt, das seit einiger Zeit mit besonderem Nachdruch von Bel- Arad aus laneirt wird. Es ist dies der alte Baltan­­b­und, nämlich ein Bund der Balkanvölker, Der noch zu einer­­­ Beit Sim und einige Bedeutung hatte, als das politische­­ Gleichgewicht unter diesen Völkern ein Prinzip der Zu­­kunftspolitik, als der türkische Staat noch start und aktions­­kräftig gewesen. E­nfte Leute haben sich mit dem Balkanbund niemals andauernd beschäftigt, weil ja der erste Versuch, denselben auch nur zu konzipiren, die Unausführbarkeit­ des P­rojektes darlegen mußte. Wenn die Serben, Bulgaren und Griechen heute oder in nächster Zeit vor der Gefahr eines türkischen Angriffes stünden, da Tiere sich der Balkan­­bund noc als Schuß und Trupbündnis denten. In dem­­ Augenblicke aber, da es sich um aktive, gegen den Bett und Bestand des ottomanischen Reic­es gerichtete Aspirationen handelt, gibt es unter den Balkanstaaten nur Konkurrenten, aber keine DBerbündeten mehr. Man brand) , dabei nur an Mazedonien zu denken, wird es bekanntlich­ von allen drei Nac­hbarstaaten in gleicher Weise als Zukunftsbeute an­­gesehen und beansprucht wird. Oder hält man es Fir möglich, daß ss die Theilung eines solchen Gebietes im friedlichen Einvernehmen zwischen Serbien, Bulgarien und Griechenland durchführen ließe? Gerade in dieser Trage sind die Agitationen und Aspirationen der Bulgaren so weit gediehen, sie sind den Wünschen der Serben und Griechen­­ sehr über den Kopf gewachsen, daß da von einer fried­­lichen, gutwilligen Theilung nicht einmal auf der geduldigen Landkarte die Rede sein kann. Heute sind die Dinge bereits so weit gediehen, daß allenfalls von einem Bündnisse Serbiens und Griechenlands gegen Bulgarien, nicht aber von einem allgemeinen Ballanbund die Rede sein künnte. Zu alledem­ kommen noch­ die traurigen finanziellen und innerpolitischen Zustände, welche schon seit Jahren in Griechenland und Serbien herrschen und Die so gefahrdrohend ‚erscheinen, daß man in Belgrad und Athen alle Mühe haben ird, mit diesen Zuständen schlecht und recht­fertig zu werden und von darum Feine Muße hat, sich mit Allianzen und mit großen Eroberungsplänen zu beschäftigen. Wir möchten dabei nur an ein Symptom erinnern, das den Werth jener „großen Politis“ am besten illustirt, die man seit einigen Monaten in Belgrad auf die Tagesordnung gestellt hat. Seit einiger Zeit beschäftigen sich nämlich alle hervorragen­­den serbischen P­arteimänner mit der Abfassung politischer Memoiren. Riftics verherrlicht sie und seine Vergangenheit, PBirotscehanne rühmt die Politik des Fürsten Michael Obre­­novics, Garajdjanin die Klugheit seines Vaters, Grulis die Macht und Selbstlosigkeit des russischen Einflusses in Serbien — Turz­elle diese Herren reden und leben nun von der Ver­gangenheit, Feiner pricht von der trüben Gegenwart oder von der nächsten Zukunft. Kommt das nicht vielleicht daher, daß die Vergangenheit Serbiens in der Zeit vor den siebziger Jahren noch das Einzige ist, womit man sich angenehm be­schäftigen kann, daß dagegen die Zukunft so schwanzend und so unsicher erscheint, daß es nicht der Mühe mwerth sein kann, sie mit derselben zu beschäftigen. Das ist ein unwillkür­­liches, aber ein so deutlich redendes Symptom für Die politische Kraft und Leistungsfähigkeit des Königreichs Serbien, daß man demselben viel mehr Werth und Bedeutung bei­­legen darf, als den dithyrambischen Urtikeln, die soeben in den Belgrader Blättern über die Neffe des Königs Alexander nach Athen erscheinen. Moltke über Oesterreich, 1. —n— Ein sehr merkwürdiges Buchh Liegt vor uns, amü­sant und lehrhaft zugleich; die Dienstschriften des General-Lieutenants. — seit 8. Jumi 1866 Generals der Infanterie — Hellmuth v. Molttfe, als Chef des Generalstabs.) Bei Montebello und Balestro, bei Magenta und Solferino Hatte der, schwergetroffene österreichische Doppel­­adler ' seine todwunden Fittige zu Boden gesenkt. Das Ergebniß des Krieges von 1859 war nicht nur der Bericht der Lombardie Für das damalige „Kaisert­um Oesterreich“, sondern auch eine tiefe Verstu­mmung zwischen den Höfen von Wien und Berlin. Als die kaiserlihhen Truppen unter dem Befehle des Feldzeugmeisters Grafen Gyulay am 29. April den Ticino überschritten, hieß es in der­ kaiser­­lichen Proklamation an die Völker Oesterreichs. : „Ich hoffe in diesem Kampfe nicht allein zu stehen.“ An diesem Tage weilte noch der General der Kavallerie Erzherzog Albrecht, der Erbe der Jueen des großen Erzherzogs Karl, in Berlin, um mit dem preußischen Hofe eine Kooperation gegen Frankreich zu vereinbaren. Am Rhein sollte Die Arm­ee des Deutschen Bundes aufmarsc­iren um unter dem Oberbefehle des Erzherzogs Albrecht den Krieg nach Frankreich zu tragen und wie 1814 den Frieden­­ in Paris zu diktiven. Oesterreich hatte aus diesem Grunde die für die identische Bundesarmee bestimmten Truppen vom italienischen Kriegsshauplage ferngehalten­ und in Ober­­österreich, Salzburg und Böhmen versammelt, um sie im gegebenen Moment an das linke Rheinufer zwischen Man­heim und Mainz zu werfen. Der Erzherzog wurde am Berliner Hofe mit großer Auszeichnung empfangen; ihm zu Ehren wurde am ersten Tage seiner Anwesenheit bei der Wachparade die Bard­e „Somma Campagna", am zweiten „Mortara”, am dritten , Novara" ausgegeben. Der preußische Hof zeigte sich auch bereit zum Striege gegen Frankreich­ und machte sein Bundeskontingent thatsächlich mobil. Den Oberbefehl über die deu­tsche Bundesarmee aber sollte i P­reußgen führen Das konnte Desterreich, die erste deutsche Vormacht nicht zugeben. Amnerlich verstimmt, ver­­ließ Erzherzog Albrecht am 29. April Berlin. Die in der Kriegsproklamation ausgesprochene Hoffnung erfüllte­ sich nicht. Es kam der Tag von Billafranca. Was Kaiser Napoleon II und der junge Kaiser Franz Sofefl ohne Zeugen mit­einander gesprochen, weiß heute noch Niemand. Aber die Sage ging damals um, der Kaiser der Franzosen habe dem Kaiser von Oesterreich Beweise eines Hinterlistigen preußischen Doppelspiels ge­liefert.­­ Sei dem wie immer : es folgte Der Friede von Zürich). Die Berstimmung zwischen den Höfen von Wien und Berlin wurde immer tiefer. Wie weit sie schon im Frühjahre 1860 gediehen war, welche Ansichten und Absichten schon zu jener Zeit il den maßgebenden Berliner Streifen herrichten, das ex­it hochinteressanten umfangreichen Denkschrift zu entnehmen, welche Hier die militärische S Korrespondenz Moltte's eröffnet. Es ist eine Studie, welche also fün sechs Jahre vor Beginn des eigentlichen Krieges den Aufmarsch der preußischen Armee gegen Oesterreich­ erörtert. Diese Studie hat allerdings niemals praktische Bedeutung erlangt, denn bis es wirklich zum Aufmarsche kam, lagen manch politische und strategische Verhältnisse anders als sechs Jahre früher und erheirschten daher auch andere Maß­nahmen des Generalstabes. Allein mit dieser Denkschrift war eine durchdachte Arbeit geschaffen, deren leitende Ge­­danken fü­r­ das operative Bureau des preußischen General­­stabes auch Später richtunggebend blieben... Die in dieser Nichtung ich bewegenden Geister wurden also Durch die herannahenden Ereignisse nicht überrascht, während zur selben Zeit der Generalstab in Oesterreich von gestern, auf heute, von der Hand in den Mund lebte, und weitausschauende Gesichtspunkte ihm völlig fremd waren. Allerdings muß die Ursache des leiteren Umstandes in der Unklarheit und in den rasch wechselnden Zielen der auswärtigen Politik Oesterreichs gesucht werden,­­wodurch ein systenatisches Zu­­sammenmitten zwischen dem Auswärtigen Amte und dem Generalsstabe in Wien unthunlich wurde. Inzwischen nehmen die großen politischen­ Ereignisse ihren Gang. Am 4. März 1865 fühlt sich der preußische Kriegsminister General-Lieutenant am R­ho­on bereits ver­­anlaßt, drei bestimmte Fragen an den Generalstabschef über die Stärke der österreichischen Armee, über die Zeit, welche dieselbe zur Kriegsvorbereitung braucht, endlich über den Stand ihrer materiellen Ausrüstung zu richten. General-Lieutenant v. Moltfe beantwortete drei Tage später diese ragen in einer Weise, welche eine sehr genaue Kenntnig­ der österreichischen Armeeverhältnisse ber­­undet. Moltte sagt unter Anderem in seinem Berichte : Em. Grzelfenz berichte ich auf die geehrte Zuschrift vom 4. d. M. ganz ergebenst, daß die normale Friedensstärke der E. f­. österreichischen Armee von 242.000 Kombattanten mit Rücksicht auf die B Verhältnisse in Italien, Galizien ze. gegenwärtig faktisch auf 283.693 Kombattanten sich beläuft. Die normale Kriegsstärke it befannt sich 551.000 Kombattanten. Für Erreichung dieser Höhe weisen die Grundbestandsbücher der Regimenter nicht nur die Zahl der zur Kompletirung von vier Bataillonen und einer Depot-Division erforderlichen Urlauber, sondern auch noch einen Hebersichuß disponibler Mannschaften nach. Da seit 1858­ jährlich durchschnittlich 80.000 Rekruten aus­gehoben worden sind, so­ll hieran sein Zweifel. Außer 3 Jahrgängen Urlauber sind dann noch verfügbar die sogenannten Neserven, nämlich der 9. und 10. Jahrgang. An ausgebildeten Mannschaften it fonad Fein Mangel und man darf annehmen, daß davon nach Abzug ausreichender Perzente mehr als 100.000 Mann überschießen, welche für Neuformationen vers­wendet werden können und deren Werth etwa unserer Landiwehr zweiten Aufgebots gleichkommen möchte. An Pferden bedürfen: die Smlanteeie­­, ee 10.0B rd­ Dia, Ramarlerie, en 2 en DR, Die ICHHBM­e­­era­ge LAID 0, das Genie- und Pionnierkorps ... 692 „ das Fuhrmesencorps --- --- ..-7..- 31.167 " zusammen .-. 57.208 Stüd. Oesterreich befist 2.233.440 Pferde, die über drei Jahre alt und nicht Hengste oder tragende­­ Stuten sind. Rechnet man davon auch nur 5 Berzent als militärbraubar, so gibt dies 111.670, also fast das Doppelte des Bedarfs. Allerdings erfordert die Beschaffung 10 bis 12­ Millionen Gulden, welche beim freihändigen Anlauf­paar zur Hand sein­ müßten. E85 wird angegeben, daß bei den Depotabtheilungen der Truppen Waffen, Ausrüstung und Bekleidung in ausreichenden Maße vorhanden seien. Genaue Auskunft darüber ist schwer zu erlangen, binfigtlig der Bekleidung menigstenő dürften einige Zweifel er­laubt sein. Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß das Material zur Aufstellung eines Heeres von etwa einer halben Million Kombattanten im Lande notständig vorhanden ist, und daß es nur bei Geldmittel bedarf, um es verfügbar zu machen. Diese vorausgefebt, würde die Mobilmachung der Truppen in ihren Standsquartieren binnen vier Wochen beendet sein können. Die Infanterie braucht dazu 14, höchstend 21 Tage. Die Kavallerie, welche ihre Depot-Gsladrons shon im Frieden bei den Regimentern formirt hat, 8 bis 10 Tage. Die Artillerie und das Fuhrwesen werden­ wegen Heranführung einer sehr großen Zahl von Pferden früher als nag 21 bis 28­ Tagen in ihrer Gesammtheit schmwerlich marschbereit sein. Ein Mobilmachungsplan, wie ihn unsere Armee hat, besteht nicht; das Kriegsministerium behält sich die Leitung für jeden besonderen Fall vor. Die Korps werden nach Bedarf zusammengelebt und mit Traing, Lazarethen 2c, entsprechend ausgestattet, ebenso mit Pferden versehen. Für eine partielle Mobilmachung hat dieser Modus­ erhebliche Vortheile. Das Fuhrmesenkorps gibt die im Frieden ausgebildeten Pferde sofort an die Artillerie ab, wodurch ein Theil ,derselben früh­­zeitig marschfähig wird. Das allmälige Mobilmerden von Truppen­­theilen aller Waffen gestattet, den Eisenbahntransport­ frühzeitig zu beginnen. Bei einer Mobilmachung der gesanmten Armee dürften aber leicht Schwierigkeiten hervortreten und sechs bis acht Wochen für Auf­­stellung eines bedeutenden Heeres an der Landesgrenze zu rechnen sein, obwohl die vorhandenen Schienenwege­­ die Konzentration nach allen Nichtungen erleichtern. Die gegenwärtige Vertheilung der Friedensstärke auf die vers­­chiedenen Provinzen weist das nachstehende Tableau nach; zugleich Die Kr­iegsstärke, wenn die Truppen in ihren derzeitigen Standquartieren mobil würden.­­­­ Hinzu treten noch 10.000 Mann Fuhrmesen, Sanitäts­­truppen 2c., ferner zehn dritte Bataillone in Italien und Böhmen zu 224 Mann, die noch in der Formation zu einem höheren Etat be­­griffen sind. . «·Wenn von den oben nachgewiesenen 383.871»912 alm Feld­­truppen die Besamttngen der Bundesfestungen und Elbherzogthümer als unabkömmlich vorweg mit 14.014«abgezogenk werden Jo sind 369.857 oder rund 370.000 Kombattanten die Stärke, mit welcher Desterreich zu einem großen Kriege ins Feld rüden tanz. Diese Zahl wird indessen nicht in jeder Richtung ver­­fügbar sein. Die besonderen Verhältnisse in den italienischen, ungarischen und slavischen Ländern des Kaiserstaates erfordern die Anwesenheit einer bewaffneten Macht, für melche die Bejagungs- und Depot­truppen nicht ausweichen. Wie Stark daher das Heer sein Tanıı, welches Desterreich Ins Feld führt, hängt davon ab, ob dasselbe an der einen oder der anderen Grenze des Reiches zu versammeln­ ist.­­ Bei einem Kriege­­ in Italien würde man Truppen aus Ungarn und Galizien gegenwärtig kaum fortziehen dürfen. Die bedeutende Macht, welche bereits südlich der Alpen versammelt ist, würde aber doch auf etwa 285.000 Kombattanten gebracht werden können. Gegen Rußland würde die italienische Armee nicht abkömmlich erscheinen, wohl aber könnten in Ungarn, Siebenbürgen und Galizien 230.000 K­ombattanten aufgestellt werden. Gegen Preußen würden die Truppen in Italien und Galizien ausfallen ; wenn man aber ungefähr die Hälfte der in Ungarn stehen­­den für abstimmlich­ hält, so verbleiben für eine Konzentration in Böhmen etwa 170.000 Kombattanten.­­ Ein Krieg gegen Fraukreich läßt sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht ohne gleichzeitigen Krieg gegen Italien denken. E 3 fielen dabei abermals die Truppen­ in Ungarn und Galizien aus. Wollte Desterreich dann den Krieg in Italien renn defensiv führen, wozu seine italienische Armee ausreicht, so verblieben für Deutschland 137.000 Kombattanten. Es hat aber Oesterreich ein offenbares Interesse, Firdlich der Alpen offensiv vorzugehen. In Frankreich kann es seine Eroberungen beabsichtigen, in Italien dagegen das Verlorene, und m­ehr, r wieder zu gewinnen hoffen. Andererseits ist es Defterreich viel empfindlicher, wenn die Franzosen in die Schweiz einlüden und so in Vorarlberg öster­­reichisches Gebiet unmittelbar gefährden, als wenn sie­ einstweilen Schwaben überziehen, wo Defterreich nur erst indirekt bedroht ist, sofern einiger Widerstand des 7. und 8. Bundeskorps zu ver­­wärtigen ist. Es wird daher in hohem Grade wahrscheinlich, daß Oesterreich seine Armee in Italien verstärkt und für Deutschland höchstens sein Bun­deskontingent bestimmt. Auch dann wird es sich mit der Vers­theidigung des oberen Rhein nicht übereilen, sondern mindestens ein Korps in Tirol belassen und mit dem Nest bis Ulm vorgehen. Daraus folgt, daß, wenn das mit Preußen verbündete Oester­­reich durch Angriffe auf Italien einen Krieg mit Frankreich provozirt, wir diesen in erster Linie auszufechten haben werden. 63 wäre dies an sich seine unlösbare Aufgabe. Trautreich hat zur Zeit in Algier 54.100 Mann, „ Merito 20.200 ,, „um 8.200 auf dem Heimwege von Codhindina 2.000 „ 84.600 Mann“. 63 “würde demnach zu einem Offensivkrieg über etwa 270.000 Mann verfügen. Wollte er diese Macht, Italien gänzlich preisgebend, ausschließlich gegen Deutschland führen, so m wirden mir ihr, auch ab­gesehen von der Bundeshilfe, allein sehen mit ausreichenden Kräften entgegentreten.­­ Dagegen ist fehmner abzusehen, meldhe materielle Entschädigung ein solcher Krieg uns gewähren könnte, während Desterreich sich an Italien entschädigte. Nur in einem Falle würde Desterreich noch ungleich werth­­vollere Erwerbungen als die jenseits­ der Alpen machen können, und ebenso auch Preußen, wenn nämlich bei einem Kriege beider Mächte gegen Frankreich vorauszulegen wäre, daß die übrigen Bundesstaaten zu Transreich hielten und man sich zur­ Theihing nach der Main-Linie entschlösfe. Bei einer solchen Umgestaltung der europäischen Verhältnisse würde aber nicht nur auf Frankreich, sondern auch auf Rußland zu­rücksichtigen sein, in welches bei der gegenwärtigen Lage binnen sechs Moden sehr wohl 200.000 Mann an der schlesischen und galiziischen Grenze zu einer Offensivunternehmung versammeln kann. Bei einer diesfertigen Defensive gegen Miten und Süden treten dann aber an die bisher außer Berechnung Ylassenen preußischen­ und österreichischen Bejasungs-, Crlag- und Depottruppen, zusam­­men über 300.000 Mann, wenigstens zum Theil mit in Wirk­­samkeit, . 3 | Gestüst auf das starke italienische Festungsvierer würden, 50.000 Mann Bejagungstruppen, melde­n don dort vorhanden sind, und etwa 80.000 Mann Feldtruppen, also 180.000 Mann, Dienetier wohl ausreichend sichern, j­­ ’««­« ist Ungarn und Galizieikstehm«einschl.Eiksatzimgstruppen ebenfalls 130.000 Mann.­­­. Für die Offensive gegen Westen würden Oesterreich ein Felds truppen ü­ber 200.000 Kombattanten verbleiben­,und die gleiche Zahl stellen wir,weil außer den Land mehr­«Bataillon­en der östlichen Pros­vinzen drei Armeekorps gege­n Blach stehenbleiben. Aus Allem geht hervor,welch gewaltigen­ds nicht die beidenx Deutsch-Großmächte«ve­rs­eint in die politische Waagschale Europa zu werfen. Wien­eit für un­s der Wertheiner Allianz mit Oesterreich durch dessen Finanzlage gemin­dert wird, welche seine Nützlngen verzögern oder selbst unmöglich machen könnte, vermag ich von meinem Standpunkt aus nicht zu beurtheilen. Nach den, was oben über ein aggressives Vorgehen Oesterreichs in Italien gejagt wurde, scheint mir aber ein Bü­ndnis, welches auf ein bestimmtes Handeln ge vig­tet is, vortheilhafter und sicherer zu sein als ein solche3 Das allgemein den gegenseitigen Besigstand garantirt. Man sieht, dieser Bericht offenbart nicht nur eine staunenswerthe Kenntniß aller Einzelheiten der österreichischen Armeeverhältnisse, sondern in den Schlußfägen auch eine Größe der politischen Auffassung, welche so ganz die geistige Tiefe und Bedeutendheit des „großen Schweigers in sieben Sprachen“ widerspiegelt. Im Dezember- Jänner 1865/66 arbeitet der General Lieutenant eine neue Denkschrift über einen Krieg gegen Oesterreich aus, in der wir Erwägungen begegnen, welche mutatis mutandis zur Stunde noch beinahe aktuelles Unter- E3 muthet uns eigenthümlich an, wenn wir in der Einleitung dieser Studie folgenden Ausführungen begegnen: 1 Nil gemeinen G­utmanf Würde Breußen dur­ zwei oder drei benachbarte Großmächte gleichzeitig angegriffen, so müßte er sich zwar vertheidigen, wie es kann, aber freiwillig wird man eine Situation nicht herbeiführen, aus welcher­ selbst der große König nur dur die wechselvolle Politik der Höfe von Versailles und Petersburg siegreich hervorgehen konnte. Es muß also vorausgelest werden, daß Preußen, wenn es Oesterreich den Krieg erklärt, eine Garantie dafür hat, von Frankreich und Rußland wenigstens anfangs nicht beunruhigt zu werden.­­ Müßten mir auch nur zur Beobachtung zwei Korps am Rhein, zwei an der Weichsel zurüclaffen, so würden zu einer kräftigen Offensive gegen Süden die nöthigen Mittel nicht übrig bleiben, in Kriege mit Oesterreic­h werden wir bei der gegenwärtigen Lage der Dinge unzweifelhaft Sachsen und troß seiner augenblicklichen Ur­göpfung vielleicht Dänemark und auch wohl Süddeutschland als Feinde gegen uns, als z­weifelhafte Nachbarn Hannover, Nassau, Heisen zc. neben uns haben, als thätigen Verbündeten aber auf Italien rechnen dürfen . Denn wenn die Italiener ihre Anspr­üche auf ganz Italien jemals realisiren wollen, so ist dies der Moment dazu. Den wichtigsten Faktor für uns bildet in jener Kom­bination­ Oesterreich,dessen Heer in der vollen Kriegsstärke 544.000 Kombat­­tanten zählt, sp­­­ Dagegenwärtsithalten für die Offensive gegen Venetien über 200.000 Mann ins«Feld 311 stellenwerrung,so ist wohl sicher darauf zu rechnem daß«Oesterreich vor1 der zur Zeit im­ Werdthgst, Tirol und Dalmatien dislozirten,80.400 Mann starken Armee nichts fortziehen darf. dv Me Die Kriegsstärte derselben beträgt 171.400 Mann im Minimum, selbst für die bloße Defensive. Wie die eben fest jchwebenden Verhältnisse in den ungarischen und slavischen Ländern sich entwickeln, läßt sich noch nicht übersehen ; möglich ist, daß sie Oesterreich überhaupt Krieg zu führen nicht ges­­tatten werden. Wo es sie aber um die Gristenz des Kaiserstaates handelt und andererseits die Niederwerfung der preußischen Macht­reihen Erjag in Deutschland gewähren würde für Alles, was außerhalb Deutschlands geopfert wäre, da muß man darauf gefaßt sein, daß das Wiener Kabinet namentlich Ungarn die unweitestgehenden Konzessionen nicht vers­teigern wird, um alle seine Streitkräfte verfügbar zu machen. Wenn angenommen werden darf, daß Oesterreich in allen Ländern nördlich der Alpen die Ruhe im Innern Durch die Grfoß­­truppen und Depots zu sichern vermag und diese nur etwa durch eine Reserve von 30.000 Mann unterstüßt, so vermag es 240.000 Mann im nördlichen Böhmen gegen uns zu versammeln, denen etwa 25.000 Mann Sahsen bei Dresden als Avantgarde dienen würden, in Summa 265.000 Mann. € 8 fan wohl sein, daß diese Ziffern bei weitem nicht erreicht werden. Die Truppenmacht in Italien erscheint kaum ausreichend der Gefahr gegenüber, für alle Zeiten vom Meere abgedrängt zu werden. E83 wird sch­wer sein, Ungarn und Polen zufrieden zu stellen, auch tritt die gänzlich zerrüttete Finanzlage in Betracht, aber die Möglich­­keit einer Machtentfaltung, wie die oben bezeichnete, kann nicht­ in Abrede gestellt und muß daher ins Auge gefaßt werden. Oesterreich wird im Kriege gegen Preußen sich wahrscheinlich nicht das Ziel jegen, Schlesien direkt zu erobern und­­demmächst zur vertheidigen, sondern duch Niederwerfung der preußischen Mtacht überhaupt die größtmöglichen Vortheile zu erringen. Berlin Liegt nur sechs Märsche von der ungeschüssten Grenze gegen Sachsen, welches dem Durchmarsch österreichischer Hesre fs nicht widerlesen, sondern weit eher sid) ihnen anschliegen wird. Keine Wertung und sein größerer Terrainabschnitt stellt sich diesem Bors dringen entgegen; umser ganzes Kriegstheater hat hier bis zur See wenig mehr als 30 Meilen Tiefe. Der Berlust von Berlin halbirt den Staat, duchschneidet alle Verbindungen vom Rhein nach der M­eichsel und wűre auch politisch ungleich wichtiger als der von Breslau und ganz Schlesien, zu deren Wiedereroberung alle Kräfte versammelt werden könnten. Für den Schuß der Hauptstadt wird daher jedenfalls ein Theil der Armee verwendet werden müssen, welcher gegen Wedterlegenheit der feindlichen Streitkraft nicht auf Berlin zurückzugehen, sondern eine offensive Staatenvertheidigung, dafiit auf die Festungslinie der Elbe, zu führen hat. Dirk Fraglich kann aber erscheinen, ob wir unsere Hauptmacht in der­ Laufiß oder in Schlesien konzentriren wollen, Im ersteren Falle sichern wir die Marken direkt,Schlesie indirekt,aber auch umgekehrt,denn es ist nicht zu verkeimen,daß das österreichische Hauptheer nicht auf Berlin marschiken kann,wenn wir aus Schlesien gegen Wien oder Prag vorrücken.Gewiß wäre das Richtigste,die Armee inberschlesien zu versammeln,um gegen Wien vor­zugehen,wenn wir wesentlich früher und stärker als Oesterreich auf den­ Kampfplatz.311­ erscheinen vermöchten.­­ Beides ist aber nicht der Fall. Nach den vorliegenden Berechnungen ist die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen,daß Oesterreich seine Streitkräfte annähernd­­ in derselben­ Zeit in Böhmen versammeln kann wie wir die unseren in der Leursitz..­­ Die Konzentration in Mähren verkü­rzt für Oesterreich die Zeit nicht wesentlich,die inberschlesien verlängert sie als er fü­r uns.... Zweifelhafte Nachbarn wie z.B.Hannover,Passau und Hessen werden wir vielleicht durch den Druck der ersten Konzentration des VfL Armeekorps zur Neutralität bestimmen Sie zu aktivelx Bundesgenossen zu machen,s dazu fehlt es uns an Zeig ihnen­ an Wichtigkeit. Nehmerk wiraxtchaff,daß Dänenmrk vorerst zur Wieder­­aufnahme der Feindseligkeiten noch nicht erstarkt ist,so müsså wir doch die sü­ddeutschen Staaten­ als feindlich und im Butte mit Oesterreich betrachten.Baiern,Württemberg und eventuell Baden . . . Ä­effe befiten. ..« . Gegenwärtige Friedensstärke Kriegsstärke en Bejasungs- Feldtruppen. Bejabungs­­und und­­ Depottruppen Depottruppen DODO: ur­mer u ELOT, 2458 30.391 15.910 Oesterreich --- --- 26.384 1554 48.640 17.295 Mähren -+ --- ag : 10.592 1030 17.877 9.054 Galizien. --­­=­ 23.190 2231 20.163 11.861 Ungarn u. Sieben­ DÜRER sss­een ae DRIN 7040 64.885 32.345 Banat u. Kroatien 12.027 2579 89.792 25.684 Benetien u. Dal­matien --. --­­---. 116.650 8519 148.109 50.505 Bundesfestungen 1.826 —­ 3.104 —_ Elbherzogthümer 4.644 — 5.910 — zusam­men 254.192 20.411 383.871 162.652­­ .") Mtoltfes militärische Korrespondenz. Aus den Dienstschriften des Krieges 1866. Herausgegeben vom Großen Generalstabe, Abtheilung für Kriegsgeschichte. Mit einer Uebersichtskarte, fünf Plänen und einer Tertifiage Berlin, 1896. Ernst ©. Mittler u. Sohn, fünigliche Hofbuchhandlung.

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