Pester Lloyd, August 1896 (Jahrgang 43, nr. 188-211)

1896-08-01 / nr. 188

sc­he 48 , ausbricht : Budapest, 31. Juli. & Alter ehrlicher kad­ei! Mit geschmellter Zorn­­ader hat er das Antwortschreiben an den Troppauer M­änner­­gesangverein verfaßt, das sich wie ein ergreifendes Slagelied über ein verlorenes Leben liest, dessen edelste und bedeutungs­­vollste That in Desterreich heute nahezu völlig entwerthet it. Mit dem Namen des schlesischen Freiheitskämpfers Dr. Hans Kudlic ist die Befreiung des österreichischen Bauern­­standes aus der Leibeigenschaft unauflöslich verknüpft,­­wäh­­rend jegt in Oesterreich der Drang, wenn man so jagen darf, nach geistiger­­ Leibeigenschaft sich mit unwachsendem Ungestüm bethätigt. Man sehnt sich geradezu nach der Z Tyrannei alter, sei schon in Rußland beinahe allgemein verladhter Schlagworte, nach der Vormundschaft und den Authenftreichen der Reaktion. Und da erinnern­­ ihn die bie­­deren Troppauer Sänger an das Jahr 1848. — Als vor einem Dezennium Hans Kudlich seinem Geburts­­lande­­ einen­­ Besuch abstattete, da war ‚Oesterreich erst sieben Jahre vom Syften Taaffe­ angefeuchelt; da­ fehin­­merte und duftete noch manche Humanitätsblüthe, an freilich schon wurmstichigem Stamme, da stieß man noch auf spärliches Unkraut auf dem Aehrenfeld der Bil­­dung, da Draph­te man noch Unrecht und Vergewaltigung mit den Motiven fortschreitender Sittlichkeit und zollte so der Freiheit und Bildung wenigstens den Tribut der Heuchelei. Fest aber sucht man vergebens nach solchen D Blüthen, schießt nur Mutterforn üppig auf, jegt ruft man ohne jedes beschönigende Schamgefühl, daß man einander verfolgen und Ächten, daß man noch roher und Dimmer werden m­üste. Ja, Oesterreich Hat sich, was politische Reife betrifft, um ein halbes Jahrhundert Hinter das Jahr­ 1848 zurückgebildet. Da mag die gewiß gut gemeinte, die hul­­digende Mahnung an jene glorreiche Zeit den Greis schmerz­­lich genug bewegt haben, und es it nur zu begreiflich, daß er in die wehmuthsreichen und zugleich vorwurfsvollen­ Worte „wenn wir das hätten voraussehen, fünnen, mürden wir kaum unser Blut verspingt und Freiheit und Leben rissirt haben — pro nihilo !" Sn die herrlichen Ziele jenes itmembewegten Jahres sind für Oesterreich „ein Märchen aus alten Zeiten” ge­worden. Damals rühmte man es noch nicht als ein Gebot des P­atriotismus, die Ungarn zu halten, damals, da man die Meinung­ hegte, daß Bildung frei mache, wäre ein Bort Schlag, dem Bolte die Mittel auf Unterricht und Erziehung abzufangen oder gar vorzuenthalten, unter Entrüstungseufen niedergedonnert worden, hätte Niemand sich für den Frevel begeistert, daß man die S Hilfeleistung an einem auf der Straße Berungladenden erst von dessen Konfession abhängig mache. Und jett werd ein Gegentag ! Die wirthschaftliche und nationale Politik der meisten Parteien Oesterreichs regelt unter der Flagge des Nachschritts unter der Fahrtisb­ung : Judenfrage ; zwanzig Millionen Menschen glauben ihr irdisches Glück num dadurch erreichen zu können, daß unter ihnen zwei Millionen Menschen völlig rechtlos werden. Und Dieser Gegenrat konnte hervorgerufen werden, tecßdem man auf Einsicht gelangen mußte, daß die Bezrebungen des Jahres 1848 zu den für den Staat segensreichsten gehörten, daß ihre Durchführung vor alem daran scheiterte, weil der unvergleichliche politische Werth der Dynastie, die ja den Lebensnerv der österreichisch ungarischen Monarchie bildet, von dem revolutionären Weberschwang nicht ernannt wurde. Dieser Gegenzug konnte hervorgerufen werden, troßdem Die sozialpolitischen­ Bestrebungen des Jahres 1848 ungeschmälert 1867 zu geieglicher Geltung gelangten und unter ihrer Einwirkung Oesterreichs Ber­völkerung enormen Wohlstand gewann, die Monarchie zu erhöhter Macht und erhöhten Ansehen emporstieg. Bis in die untersten Schichten hinab hat das österreichische Bolt, was es an wirthschaftlichen Ergebnissen aufzuweisen hat, jenen meihevollen Tagen zu verdanten, die jeit schwücher Berunglimpfung preisgegeben sind. Und diese Ergebnisse sind ganz beträchtlich ; der Standard of life eines jeden Bürgers in Oesterreich ist ein ungleich verbesserter geworden. Un­­zufrieden und zurückgefegt fühlen sich nur Fene, denen es an Luft zu ehrlicher Arbeit oder an­zureichender­ Ber­gabung fehlt. Und gerade solche Leute haben sich unter der Gumnst einer verzweifelten Regierungspolitik, Die sie nur bei zunehmender Veffeindung der Er­werbsstände, der Nationa­­litäten und S Konfessionen erhalten konnte, zu politischen Wührern aufgeschwungen. Die haben nun in der leichtbethör­­baren Masse die verwegensten Leidenschaften aufgestachelt, die sagen ihr, daß der Jude, der eigentlich der Liberale sei, sie ausbeute, daß die Kräutlerin an medizinischen Wissen höher stehe, als der Arzt, daß die Schule­­ nur dann etwas ange, wenn der Geistliche sie dirigire, und daß der Menschenwerth auf dem Taufschein baffre. Was würden da auch Argumente helfen Sind nicht die zutreffendsten und schneidigsten sehen vorgebracht und stets von ihnen verlacht und nur mit Infulten erwidert worden? Solche Führer wollen nicht belehrt sein: das hieße ja,­­ sie ihrer Einkünfte und ihres Erwerbes berauben; solche Führer können sich nicht belehren haffen : das Hieße ja, sie auf ihre persönliche Bedeutung reduziren. In ihnen it Böswilligkeit mit Dumm­­heit gepaart; sie t­önnen besten Falls­­ durch eine Hirn­­erschütterung gescheiter werden, "durch einen tiefen Sturz, oder durch einen betäubenden Schlag. Darum regalist sie Kudli in seinem Briefe geradezu mit gesprochenen Prü­geln. Er schleudert ihnen Bezeichnungen an den Hohlschädel, wie man sie wuchtiger im Energieshat der Sprache nicht finden kann, er nennt das Treiben „knabenhaft dumm“ und „esel­­erregend“, bezeichnet­ es als „erbärmlich”, daß, was im Jahre 1848 „die Bajonnete nicht vermochten, sei die naive Dummheit der arischen Jugend" im Dienste der Kleritalen und Aristokraten, vollbringt. Solchem Treiben gegenüber gibt­ es im Allgemeinen, um die Menge zu Besinnung zu bringen, mit zwei Metho­­den: die des energischen Zur­ierdrängens, oder die des völli­­gen Gewährenlassens, um­ das Reifen der verderblichen Stonsequenzen zu beschleunigen. Wir sagen­ im Allgemeinen , denn für Oesterreich gäbe es nur eine einzige Methode. Alles, was jene Parteien und ihre Führer zu bemerkstelligen suchen, hat in Defterreich in ungeschmälerter Entfaltung bis zum Jahre 1848 bestanden und gerade­ dagegen haben sich die Bölfer damals in blutigem Aufstand geführt. Aber es hat, auch während der Reaktion , in den­ fünfziger Jahren und eigentlich ‚bis zum Jahre 1866 bestanden, wo die armen Bölfer mit so viel materiellen Opfern und Demüthigungen die gefährliche Weisheit der Negierun­­gen bezahlen mußten. Hat man nunmehr in Oesterreich wirflt­ noch das Recht des­­ Gemährenlaffens, um einer verspäteten insicht nicht­ zuvorzukommen ; Hat eine Staatsleitung, Die fir sich die Führung beansprucht, die moralisch ausreichend begründete Befugnis, den Bürgern, ‚eine unaus­weichliche und noch so überflüssige Besteuerung in der Form von Entgang, wirthschaftlicher­ Vortheile und von jeher tilgbarer Beschämung aufzuhalten? Da man sich aber zu einem energischen­ Zurückdrängen, wahrscheinlich nur aus konstitutioneller Skrupulosität nit aufraffen will, und lieber auf freundliches Bastiren sichh verlegt, sich von jenen Führern ein DBerhandeln bieten läßt, das nahezu auf dem­ Zuge der­­ Sleichberechtigung sie abwidert; darum muß man dem Pessimismus Kudlic’S leider Necht geben, daß „er eine Wendung und Neinigung nicht mehr erleben werde". Aber kommen muß. sie doch, soll Oesterreich nicht wieder Alles einbüßen,­­ was es durch 1848 und­ 1867­­ ger­­onnen hat. . s Wie der Wiener Korrespondent der Münchener „Allg. 3ta." von zuverlässiger Seite erfährt, werden zwischen dem Vatikan’ und Petersburg eifrige Verhandlungen geführt, die sehr wichtiger Natı­r zur sein scheinen. Um die Wiederherstellung der Bes­ziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Rußland allein kann­en sich, bei dieser diplomatischen Aktion fan handeln, ‘so sehmierig und bedeutungsvoll auch dies [diön műre, Nicht genug, daß, wie schon gemeldet, Monsignor Tarnaffi bereits seit vielen Wochen, seit der Moskauer Kaiserkrönung, in der russischen Hauptstadt weilt, was an und für sig bei den bisherigen Verhältnissen Schon außerordentlich viel bedeutet, ist auch noch ein zweiter Abgesandter des Papstes, wie man sagt ein hoher Funktionär des Vatikans, nach Petersburg gereift, um den Verhandlungen größeren Nachdruch zu verleihen. Ferner wird und mitgetheilt, daß die beiden­­ päpstlichen Abgesandten einige Tage vor der Ankunft des Czarenpaares in Wien eintreffen und hier während der Anwesenheit desselben verbleiben werden. Es hat also den Anschein, daß es si um eine Aktion des Balk­ans handelt, welcher die Unterstüsung Oesterreich-Ungarns zutheil wird. "Die Sache wird sehr geheim gehalten und man darf auf eine Aufklärung gespannt sein. ! - =—Zum Besuche Sr.Majestät in Rumänien wird dem,,Kel-C·rt.«aus Bukarest gem­eldet.Minister-Präsident Demeter Sturdza wurde in Sinaia vom König empfangen und referirte über das Ergebnis seiner Berliner und Wiener Reise.Heute Nachmittags fand ein Ministerra­b­ statt,der sich u.A.auch­­ mit den Vorberei­­­tuungen­ für den festlichen­ Empfang des Kaiser-Königs Fraazosef beschäftigte.Die große Revue,an­ welcher 30.000 Man­n theilnehmen werden,wird voraussichtlich nicht auf dem Plateau von Cotrocenni,son­­dern auf dem­ Plateau von Floreasca stattfinden,«’"da die Terrain­­verhältnisse hier auch die Anwesenheit der Bürgerschaft gestatten. Die Stadt Bukarest selbst trifft große Vorbereitungen zu einem glänzenden Empfang des Monarchen­.Längs der Ein­zugslinie werden sieben Trium­phbogen projektivt,darunter ein­er unmittelbar vor dem Schlosse von Cotrocenni,wo der Monolrch Absteigquartiers nimmt. Der Bahnhof,auf welchem die Ankunft erfolgt,wird aus diesem Anlasse erweitert un­d festlich dekorirt.Zu­r Zeit des Besuches Sr.­« Majestät wird au­ci­·die Mutter der Kronprinzessin Marie,die Her­­zogin von Sachsen-Koburg-Gotha in Sinaia weilen.—Das Pr­ojekt der Reise unseres Monarchen nach Rumänien ist aus der eigensten Initiative unseres Königs hervorgegan­gen­ und,wenn es auch erst im Juli in die Oeffentlichkeit kam,s bereits seit Monaten eine be­­schlossen­e Sache.Kaiser-König Fraano sei sol schon­ Anfangs Mai in Budapest bei Eröffnu­n­g der Ittilienniu­ms-Ausstellung zu dem rum­änischen Gesandten Ghika die Aeußerung gethan haben,er wünsche dem König von Rumänien nach den Festlichkeiten am Eisernen Chor einen Besuch in seinem Lande­ abzustatten. = Seit lettem Samstag ist Birrich der Schauplat von S­talien erhegen. Der blutige Vorgang, welcher die Veranlassung zu den bereits telegraphisch gemeldeten Straßentumuften gegeben, hat sie nach der „Neuen Zürcher Zeitung“ folgendermaßen abgespielt : „Etwa um 242 Uhr (Sonntag) Morgens stritten sich einige Männer mit Italienern auf der Straße, und zwar derart, daß die­­­­ ‚herbeigeeilte Polizei Revolverschüffe abgeben mußte. Der DB Dre , alte Coeerenfillerer Nemetter, ein sonst wohl gelittener ann (Elsäffer), ging, um Hilfe zu holen, wurde aber, bei seiner Rückkehr von einem­­ Italiener durch einen furchtbaren Stich in den Unterleib tödtlich verlegt. Der ihm ernermwundete Nemetzer wurde nachhause getragen, und dort spielte ich eine herzzerreißende Sterbeszene ab.­­ Nach ungefähr zwanzig Minuten verschied der Unglückliche, ohne zur Besinnung gelangt zu sein. Er hinterläßt eine der Verzweiflung nahe junge Frau, ein zwölf Tage altes Kindlein und ein solches von etwas über einem Jahre. In dem Stadtteil, in welchem das Unglück geschehen, ist jede Dachlammer dicht von Italienern bewohnt; beson­­ders in den Nächten von Samstag auf Sonntag ist sein Bürger sicher, und die vorhandene Polizei genügt nicht. In ganz kurzer Zeit sind in demselben Straßenviertel fünf Todtschläge vorgekommen, und es ist sein Wunder, wenn der Bevölkerung die Geduld ausgeht.” Mit Blu­escchnelle verbreitete sich die Kunde von der DBlut­­that in ganz Zürich. Das Vort behaarte sich in drohender Weise zusammen und bildete eine Bürgerwehr, um, die Bevölkerung vor den italienischen Messerhelden zu schüsen. Die „N. 8. 3." meldet nan weiter: : „Mittlerweile hatten sich (am Montag) in der Lang-, Brauer und Feldstraße die fandalösen Auftritte vom Samstag und Sonntag wiederholt. I gewaltigen Schaaren zog die Menge vor die Wirth­­schaften und Häuser, in denen man Italiener, vermuthete, und wieder begann das Zerstörungsnwert. Zwei­­­olizisten, welche sich dem Treiben entgegenstellten, wurden durch Messerstiche bedeutend­­ verlegt. CS stellte, sic ‚heraus, daß selbst die erheblich verstärkte ‚ Polizeimacht zur Wiederherstellung der Ordnung nicht­ ausreichte.­­ Mehrere Wirthschaften wurden von der sinlos aufgeregten Menge heimgesucht, die Senfterscheiben wurden eingeworfen, Thiren ein­­gesprengt, und es wird behauptet, daß viele Angehörige italienischer Race von Tumultuanten in ihren Wohnräumen aufgesucht und angegriffen worden seien; auch sollen Grntere­ von Revolvern Gebrauch gemacht und von oben unter das Bublikum geschoffen haben. In einem dem Baumeister Bini gehörigen Haufe an der Beldstraße wurden Fenster und Thüren im Grögefchoß total demolirt; das Gleiche geschah in einem dem Genannten gehörenden Haufe an der Langstraße. Die Polizei nahm eine große Anzahl Verhaftungen vor und brachte die betreffenden Erzedenten nach dem Kreisgebäude II, was zur Folge hatte, daß eine große Zahl Tumultuanten vor das Kreis­­gebäude zogen und sich anfchidten, gegen dasselbe thatsächlich vorzu­­gehen. Es wurden vereinzelt Steine von der Größe einer Faust , gegen den Eingang und die geschlossenen Läden geschleudert. Die Polizei hatte einen Kordon vor dem Kreisgebäude gezogen, um den Zugang frei zu halten; im Ferneren war militärische Hilfe requirirt worden. 63 war 1012 Uhr, als zwei Kompag­­ien von verschiedenen Seiten her mit aufgepflanztem Bajonnet anrücten. Sie wurden vom Großtheil der enge mit Hutradrufen empfangen, andererseits DE ein­zelne Pfiffe hörbar, deren Urheber nicht ermittelt werden­onnten. " " « Der Platz vor dem Kreisgebäude wurde nm gänzlich abge­­sperrt,von Zeit zu Zeit langte ein Transport von Verhafteten von der Landstraße h­er amJu der letzteren hcu­tedquilitär eine sehr schwierige Ausgabe,da die Volksmassen­ kompakt­ waren,und die Aufregung durch die Nachricht vom Ausrücken­ des Militärs ihren Höhepunkt erreicht hatte.Es wurde nun Vorsorge zur Räumu­n­g der Straßenzüge getroffen.Langsam,mit gemessene­m Schritt rückten d­i­e Kolonnen v­or,und wenn wieder eine Stellung frei war,so wurde sie besetzt und·festg­ehalten.Ein Mann­,der nicht­ weichen wollte,erhielt einen leichten Bajonnetstich.Ein­ An­derer,welcher das Militär beschimpfte,wurde von einem Polizisten verfolgt,unch nicht weit vom­ Militärkordon trotz Gegenwehr und schließlichen Bitten um Freilassung festgenommen abgeführt.Bei diesem Anlasse erhielt er von einem Zivilisten einen­"Stockschlag auf­ den Hinterkopf.Es sind im Ganzen­ 60 bis 70 Verhaftungen vorgenommen worden ; 5 bis 6 Polizisten wurden leicht verwundet. Um Mitternacht waren u I D ° Hir Hundert Personen auf dem Schauplatz der Erzeife zu finden. "Weder den städtischen P­olizeivorstand wurde vielfach geschimpft ; im Besonderen wurde der Vorwurf erhoben, daß nicht besser gegen solche Erzeife vorgesorgt worden war. Eril mit dem Morgengrauen traten die legten Zuschauer den Heimwieg an, sie hatten eine Aus­­dauer beriesen, welche besserer Dinge würdig ge­wesen wäre. Eine große Zahl Italiener hat Zürich verlassen.“ Wir haben bereits gemeldet,daß sich die Tumulte seither noch in verstärktem Maße wiederholt haben,und daß es bereits zu ern­sten Zusammenstößen mit Polizei und Militär gekommen ist.Auch Blut ist bereits geflossen.Die Züricher Infanteriebataillone Nr.70 und 71 sin­d zu den Waffen gerufen.(S.Telegr«.) Telegrammedes,,Weflerxloi1d·-. ‘auf 6000 fl. erhöht. Gran­ 31.Juli.Der Kultus-und Unterrichtsminister ha­t d­ie Staatssubven­tion der Graner Walschu­le von 2000 ft. ‚Großgwardein, 31. Juli. Der Zentral-Wahlausschuß des Biharer Komitats­­ fegte in seiner heute unter dem Präsidium des Bizegespans Peter Sz­any­og. bh gehaltenen Situng den 8. August für die Abgeordnetenmwabei im Magyar-Gsereer Bezirk ams Wahltag fest. Der einzige Abgeordnetenkandidat ist der griechisch­­orientalische, bischöfliche Vikar Yosef ©­o [di 3, der mit liberalem Programm auftritt, Wahlpräsident wird Nik­laus Zigre fein, Wien, 31. Juli. Orig.Telegr) König Carol in Rumänien wird Anfangs der kommenden Woche auf der Durchreise­ nach Nagag zu eintägigem Aufenthalte in Wien erwartet; der König wird den Minister-präsidenten Goluhomwsti in Audienz empfangen. Wien, 31. Sul. Orig-Telegr) Botshafter Frei­herr v. Baretti it aus Rom heute hier eingetroffen. Wien, 31. Jul. Orig-Telegr) Der Gesandte und Gustav Freiherr v.Rossef, wurde zum wiflihen Geh­eimratbh ernannt. Wien, 3. Suli Drig-Telegr.) Heute Abends fand Hier eine Versammlung von in Wien und Umgebung etablirten Fabrikanten slat, um anläßlich der legten­­Wusstände einen festen Zusammenschluß der Fabrikanten herbeizuführen. ‚ Sabrilani Göbel erklärte mit Bezug auf die jüngste Audienz des industriellen Aktionssomites beim Minister-Präsidenten, die Industriellen seien nicht um Polizeihilfe gegen die Arbeiter zur­ Regierung flehen gegangen ; man habe sich es, gegen die rare Handhabung der­­ bestehenden Gefege und­ die Duldung völlig ungefeglicher Eingriffe beschwert. Landtags-Abgeordneter Kitschelt plaibirte gleichfalß für einen festeren Zus­ammenschluß der Sabrifanten. Herr Baftrec führte aus, die Aktion richte sich nicht gegen die Arbeiter, sondern gegen die fremden störenden Elemente. Treißler erklärte, das österreichische Fabrikantenthum habe angesichts der politischen Konstellation in Oesterreich nur in der Arbeiterschaft seine fünftigen politischen Freunde zu suchen. E83 wurde schließlich eine Resolution einhellig­ beschlossen, in welcher ein­ enger Zusammenschluß der Rabrikanten rünsichtlich der sozialistischen Ngitationen als nothunwendig, erklärt wird. Szafau, 31. Zul... Orig-Telegra Wie der „Sza8“ berichtet, begibt sich Minister-Präsident Graf Badeni gegen 8. August nag Rusi, wo er 10 Tage zur Erholung zu vers bleiben gedenkt,­­ Lemberg, 31. Sul. OrigeTelegr) Die galizi­schen Ruffophilen veranstalten unter Führung­ der Redaktion des ruffophilen „Halyezanin” einen Ausflug nag Rußland, und zwar­ zur Besichtigung der Ausstellung in Nischny-Nomwgorod. Die Abreise von Lemberg erfolgt am 2. August. J­: Triest,31.Juli.(Orig.-Telegr.)Das in­ Battaros­ erscheinen­de serbische Journal»gurovnik«erklärt die Verlobung des Kronprinzen vorhab­en mit der Prinzessin H­elene von Montenegro für ein fait accompli, dessen offizielle Verlautbarung baldigst erfolgen dürfte, da der Kron­­prinz Mitte August in Montenegro erwartet werde. In Getinje­ werden große Vorbereitungen getroffen, den Hohen Gast uniürdig zu empfangen. Gleichzeitig wird heute aus Neapel gemeldet, der Kron­prinz werde sich in einigen Tagen auf der Yacht „Gaio­a“ ein­schiffen, um eine Nefse durch das Ionische Meer und den südlichen Theil des Noriatischen Meeres zu machen. Berlin, 31. Juli. Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht­ ein Telegramm, welches der­ österreichisch,ungarische Marinekommandant Admiral Freiherr vd. Sterne dan den Admiral Hollmann nlägig des Unterganges des „SLti 3“ gerichtet hat, welches besagt: „Die f. u.­­ Marine theilt in treuer Kameradschaft die Trauer der deutschen Marine wegen des Verlustes von Schiff, Offizieren und Mannschaft, die durch heldenmüthige beispiellose Pflichts­­erfüllung in den Tod gingen.“ — Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht gleichzeitig ein­ Danktelegramm des Staatssekretärs Hollmann, Berlin,31.Juli.Das deutsche Kriegsschiff,,Cormoran«" kehrte am­ 30.d.nach Tschifu mit der Nachricht zurü­ck,daß das Schiff »Arconci«den Sachverhalt des Sinkens des»Iltis«bestätige. Die Ursache ist noch unbestim­mt.Der Kom­mandant und die Besatzung des,,Iltis«gin­gen unter dreimaligen Hurrahis­rufen auf den Kaiser in den Tod­ Berlin,31.Juli.Der»Reichsanzeiger«11 meldet:« Kaiser Wilh­elm empfing heute vormittags in Kiel an Bord der»Hohenzollern«den französischen Militär-Attache,welcher beauftragt war,ihm die Theilnahme­ des Präsidenten der Französischen Republik an dem Untergange des „Sltis” auszusprechen. Berlin,31.Juli.Nach einer Drahtmeldung des Gouverneurs von Dars es-Salam wurde der bei der Ostafrikanischen Plantagen­s gsesellschaft angestellte Pflanzungsleiter Friedrich Schröder wegen verübter Gewaltthätigkeiten vom Gerichte in Tanga zu einer 16jährigen Zuchthausstrafes vers­urtheilt. Kiel, 31. Juli. Der Kaiser verließ in Begleitung des Prinzen Heinrich und des Erhgroßherzogs von Oldenburg unter dem Salut der Kriegsschiffe die " Hohenzollern" und reiste Mittags, vom Publikum mit Hochrufen begrüßt, ab. Wehlheiden, 31. Juli. Kaiser Wilhelm ist um 8 Uhr Abends auf Wilhelmshöhe eingetroffen und wurde von der Kaiserin und den Prinzen em­pfangen. Bürih, 31. 3 Juli. Orig-Telegr) Die Ruhe: is­t nied er vollständig eingetreten; die Truppen­­ werden die nächste Woche wieder entlassen. Zahlreiche Personen, die Fi geflüch­tet hatten, führten heute zurück. Nom, 31. Juli. Das Amtsblatt veröffentlicht Heute Abends ein von gestern datirtes Dekret, welches die parlamentarische Session vertagt. London, 31. Juli. Ueber 100. Unterhaus-Mitglieder aller Parteien unterzeichneten ein Gesuch an den Staatssekretär des­ Sunern, umfirge amejsfon und Genoffen die Begünsti­­gung von Gefangenen erster Alaffe auszumirken unter Hinweis auf die Umeigenmügigkeit ihrer Beweggründe, die Unrecht sie auch­ immer haben möchten, und mit Rücksicht auf deren bereits in Sidd­afrifa erlittene Gefängnißstrafen. ·London­ 31.Juli.(11nterhau­s.)Staatssekretär Wh­ite Rirdlely erklärt,er habe es nach Erwägung der Um­stände für seine Pflicht gehalten,Jamesson­ und seine Genossen­ dennach der Königin zu­ empfehlen,so daß sie als Strafgefangen­e erstehlasse behan­delt werden.—Bartley fragt an­,was das Kriegs­amt gegen­ die Offiziere zu­ veranlassen beabsichtige,welche am Einfa­lle in­ Transvaal betheiligt waren,gegen­ welche jedoch im Prozesse gegen Jamesson die Verhandlung nicht durchgeführt wurde.Parlaments­­sekretär Brodrick erwidert,er könne keine Antwort geben,weil­­ diese Frage noch erwogen werde. London,31.Juli.Jamesson und Genossen wurden heute Nachmittags von Wormwood-Scrubs nach Holloway gebracht, wo sie als Streifgefangene erster Klasse behandelt werden. London,31.Juli.,,Reuter’s Office«meldet aus­«Sinila: Die von General Wolseley vor der in Lon­don­ tagenden Kom­­mission für die indischen Zivil-und Militär-Ausgaben gethane Aeußerung,daß In­dien die gesammten­ Kosten des britischenneres­landien tragen"müsse,da Indien der britischen Herrschaft Alles verdanke,und die Aeu­ßerung,daß er(Wolseley)nich­t mit indischen Truppen­ gegen Frankreich,Deutschland oder ein anderes Lan­d kämpfen möchte,erregt in­ Indien allgemeine Entrüstung.In indischen­ Regierung-Kreisen meint man,Wolseley’s Aeußerungen könnten Unzu­­­friedenheit hinter den eingeborenen Truppen erregen. ‘bevollmächtigte Minister am griechischen Hofe, « « Jessiilleton. Die Schule des Denkens, jeden Menschen zum Bemwußtsein seiner geistigen Kräfte gelangen zu lassen, das wäre die eigentliche Erziehung. Der geistig starre Menü müßte den geistig Schwachen erziehen. Der Staat, als der Stärkste von Allen, müßte die stärksten Denker erziehen und die Kraftsteigerung der künftigen Generationen vorbereiten. Welche Träume! Nichts von alledem, oder gar das Gegentheil von alledem geschieht. Der geistig Starke unterdrückt den geistig Schmaden, hält ihn in Sklavenbanden, er mißbraucht seine geistige Stärke zur Tyrannei über die Maffen. Nicht die Aufklärung, sondern die V­erdummung der Maffen war von je das Ziel der Bolitit. Und in ganz begründeter Weise. Die Macht der Einzelnen konnte sich naturgemäß nur auf der Ohnmacht der Menge aufbauen. Nur fo­st die Weltgeschichte zu verstehen. Einzelne von diesen Startgeistern risfen sich 108 von ihren Kameraden. Die Schwärmer! Sie wurden ans Kreuz geschlagen, wie Christus, verfolgt, wie Galilei, gesymäht und geächtet, wie Marr. Sie wollten ja den geistig Armen erhöhen, die Welt von dem Uebermuth des Reichthums emanzipiren, Nein, die Maffen müssen ihm wachsinnig bleiben, damit die Macht in den Händen weniger stark geistiger Familien erhalten bleibe. Diese Wenigen machen auch die Erziehungspläne für die Jugend, drängen die humanistischen Studien zurück, damit Die griechischen Seale der Männerwürde und reiheitsliche seine Verheerungen anrichten und Niemand über den Werth der menschlichen Persönlichkeit nachdenken lerne. Die humanistischen Studien waren und sind revo­­lutionär. Bor­chysft und Mathematik scheinen sich die Machthaber weniger zu fürchten, als vor der Rhetorik eines Demosthenes oder Cicero. Wir müssen uns darüber [Mal werden, daß unser Erziehungs­­system wesentlich reaktionär ist, daß es nicht auf die Entfaltung, son­dern auf die Hemmung der Massen losgeht. Der Unterricht ist durch und durch Dogmatisch, die Schüler müssen Alles auf Treu und Glauben hinnehmen. Niemals eine Kritik, eine Prüfung, eine Diskussion. Nicht ohne Grund nennt der gescheidtere Schüler diese Art des Ler­­nens : „ochsen“ oder „büffeln“. Dies Lernen ist in der That nichts als ein Wiederkäunen des sorgsam ausgelesenen, zubereiteten Futters. Dazu kommt noch die Unverschämtheit mancher Unterrichtsmethode, welche den zum Denken veranlagten Schüler zum Papagei degradirt, indem sie ihn zur mörtlichen Wiedergabe des oft recht geistlosen Lehr­­stoffes anhält. Freilich, von reaktionären Standpunkte aus ist Dies unerläßst, denn der Mensch ist nur dazu da, unmenschlich gedrillt zu werden, um mit maschinenmäßiger Tadellosigkeit zu fungiren. So sieht die moderne Erziehung, aus in welcher der Geist der Klafsiker ent­­entflohen ist, aus. Und ist dies au) in einem so liberalen Staate, wie Ungarn, der Fall? Beider ist auch hier unseren leitenden Staatsmännern der Staat nicht gestochen. Im Wesen erzieht man unsere Jugend gerade so, wie zu Bags Zeiten, Bielheit ohne Einheit, Kenntnisse ohne Gk­enntniß — das war die Unterrichtsdenkfe des Abfahrtismus. Aller­dings hat man unter Thun fleißig und viel gelernt, oder gebüffelt. Früchte für den allgemeinen Fortschritt, für die Volksfreiheit hat dies System bekamntlich nicht getragen. Unser heutiges Unterrichtssystem ist Feines liberalen Staates würdig. &3 ist — bis auf die national gewordene Unterrichtssprache — nur ein NbHlatsch­ des österreichisch-preußischen Drillsystems, geeignet, ruhige und denkschtwache, ästhetisch dufelnde Bürger, im besten Falle gedrillte Beamte zu erziehen. Der Unterschied it der, daß in Oester­­­reich und Deutschland von jeher mehr gebüffelt worden ist, als in Ungarn, an positiven Kenntnissen und Fertigkeiten man uns dort also weit, sehr weit überlegen ist. Bekanntlich hat in unserer „nationalen“ Periode die Lernluft der Jugend nicht besonders zugenommen. Da der 3wed 068 Lernens bei den Meisten die Garriere ist, die Garriere aber weit leichter duch Protektion gemacht werden kann, so läßt sich denken, mit welcher Begeisterung unsere Jugend die Studien­­ betreibt. Die Macht der Protektion ist ja bei uns so weit gediehen, daß sie aus stimmlosen Badfischen Brimadonnen, aus farbenblinden Malern Ans­würtler der goldenen Medaillen, aus Analphabeten Nationaldichter hat. Wir täuschen uns, wenn wir glauben, daß wir ein nationales und liberales Unterrichtsmwesen besigen. Dazu hätte es eines nationalen Pädagogen bedurft, wie die Schweiz ihn in Bertalozzi besaß. Dieser ihligte Schulmann hat, durch seinen Anschauungsunterricht mehr für die Möglichkeit der Emanzipation des Menschengeistes gethan, als sechsundzwanzig W Regierungssysteme vor­ ihm. Seine herrlichen Prin­­zipien sind verk­üppelt in der Anwendung auf Schulen, welche „unter Staatsaufsicht” stehen. Man hat so viel Gewicht darauf gelegt, daß die Schule von der Kirche getrennt werde! Es­ ist nicht besser dadurch ges­worden, daß die Schule mit dem Staate vereinigt wurde. Die politische Tendenzmacherei, der bureaufrau­sche Eigendünfel hat die einst so goldene Schulluft verpestet. Warum wir das Alles sagen? Weil allerseits die Kräftigung des Wolfegeistes als Paracee angepriesen wird, und weil gerade die Schule, in welcher die Wurzeln des Geistes so recht Fröhlich gedeihen sollten, um Stüppel erzieht. Wir müsfen uns an die Erwachsenen­­ halten, da die Jugend in reaktionären, staatlichen Händen ist. Mir müsfen uns selbst erziehen, wir müssen selbst das finden, m was uns persönlich frei und unabhängig macht, wir müssen den Mächtigen die Waffen rauben, mit denen sie uns beherrschen. Wir müsfen Alle denkstarf werden. Mie beschämend das singt, wir miffen denkstarf werden ! Sind wir denn nir Alle denkende Wesen? Es ist mit dem Denken, wie mit der Musfelkraft, wie mit der Gesundheit, Jedermann sollte, wollte, könnte ein Athlet, von tadelloser Gesundheit sein. Die Affent­­lüften, die Spitäler belehren uns über eine traurige Degeneration der physischen Menschheit. Und der erfahrene Seelenarzt *) sagt geradezu: Der Mensch ist von Natur­dentsden, die meisten Menschen sind schm ac­. ‚finnig. Schwachfinnig! Und das sagt die heutige Wissenschaft vom homo sapiens, von den Nachkommen des Cäsar und Seneca. Schwach­­finnig! Und da empört sich Niemand darüber, da fpricht Niemand nach Gründen, da fuhr Niemand nach Abhilfe! Als die­ Potentaten ihre Söldnerheere in Volfsheere umwandeln mußten, da machte man ein starres Bolt durch gute Nahrung und Einführung des allgemeinen Turnunterrichts. Bei starken Mustern hat sich der Staat noch nie ge­­fürchtet. Aber vor dem Starkdenten ! Gott set Dant, die Mehrzahl der Menschen ist noch Schmach- Wer als Apostel der Dentstärke auftreten wollte, würde nur eine Heine Gemeinde finden. Für und it die Sache nur ein beliebtes akademisches Schreib­­thema. Wir unterhalten uns mit dem einen oder anderen/Zefer über diese hochnothpeinlichen Dinge. Wir schaden Niemandem damit, Worin besteht die von Professor Benedik­ gerügte Schwach­­sinnigkeit? Er findet sie zumeist in der Unfähigkeit der Meisten, „abstraft zu denken“. Den Nagel auf den Kopf getroffen! Die Meisten wissen ja nicht einmal, was „abstrakt” ist. Doch ist die Sache, näher betrachtet, durchaus nicht so geheimnißvoll, nicht so gefährlich und bes­igmierlig, als man glauben sollte. Das Leben ist auch hierin der beste Lehrer. Wenn Agathe in ihrer Jugendblüthe seufzt und betet: „Gott, gib mir nur diesen Mann!” und später mit ergrauenden Loden higpert : „O Gott, gib mir nur einen Mann!" so hat sie das erste “) „Die Seelenfunde des Menschen, AS reine. Er­fahrungsmissennghaft“ von Professor Dr. Moritz Benedikt. Leipzig, Reizland, 1896. Mal konkret, das zweite Mal abstratt gedacht. Denn dieser Mann sagen wir, er heiße Alfred, besaß ein funfelndes braunes Nugenpaar, ein zierliches Schnurbärtchen, war schlanf, von süßer Tenorstimme, mit einem Wort, er bestand aus lauter angenehmen, tonfreien Eigens­chaften und unterschied si auf das vortheilhafteste von allen feinen Nebenbuhlern. Wie farblos, wie grau, wie unangenehm ist der „abstrakte“ Mann dagegen. Was kann das für ein Mann sein? Ist er schwarz oder grau? Ist er jung oder alt? It er gerade oder buhlig? run oder reich? Ungenehm oder ein Ungeheuer? Die alternde Jungfrau kümmert sich um diese wichtigen kontreten Einzel­­heiten nicht mehr, sie will im Allgemeinen, in abstracto einen Mann haben. Freilich, wenn sie ihn dann erhalten hat, dann weiß sie be­stimmt, daß er grau, fesant, pflegebedürftig, mäßig geistreich ist und dam­­it aus der Abstraktion wieder ein lang erichmwh nichtes, aber nicht sehr befriedigendes Konfretum geworden. Das ist der Kreislauf zwischen Konfretem und Abstraktem, die sich jeden Augenblick in ein­ander verwandeln können, da sie einander innerlichts verwandt sind. Wenn die belragenswerthe Jungfrau, welche die Leiter der Ab­­straktion bis zum Mann hinaufstieg, auch dort nicht einmal ein ab­straftes­ Ideal finden sollte, dann träumt sie weiter, abstrahirt vom Manne und findet im Kolibri, im Bologneser Hündchen, in einer Kate, mit einem M­ott in einem „lebenden Geschöpf“ ihr Behagen. Das lebende Geschöpf verhält sich zum Mann, wie dieser zum Alfred. Treten an Stelle des Pintschers Blumen, dann ist die Abstraktion bis zum bloßen organischen Wesen fortgeschritten, mird sie Liebhaberin von Edelsteinen oder Kunstgegenständen oder wird sie gar Samarita­­nerin, so hat sie die Leiter der Abstraktion vom schönen Alfred bis zur Tugend der Barm­herzigen oder bis zur Liebe zu Gott, dem allume faffenden, also abstraftesten Begriff durchgemacht. Sie hat denten gelernt, denn sie zieht folgendermaßen die Summe ihres Lebens: IH brachte ein heißes Herz in das Leben mit und liebte einen jungen Paladin. Das Leben versagte mir feinen Besis und ich wollte mich doch der menschlichen Bestimmung, den häuslichen Pflichten nicht entziehen. Das Leben spielte grausam mit mir, es beraubte mich sogar meiner Lieblingsthiere, eine Heberschwemmung zerstörte meinen Garten, Vermögensverluste beraubter mich meiner Kameen- und Bildersamm­­lungen. Betäubt von so viel Schief als schlägen, gebrochenen Herzens schleppte ich mich zum Kreuz und wurde die Braut dessen, der­ das Leid der ganzen Welt auf sich genommen. So ging ic denn von der fün­­freien tedlichen Liebe aus und bin in den Hafen der göttlichen Liebe eingelaufen. .«.. Jungfer Agathe ist durch das Leben zu sehr a­bstrakten Ge­­danken gelangt,welche eine Art Resum­e des menschlichen Schicksals . . ‚sinnig, den Potentaten kann nichts geschehen.

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