Pester Lloyd - esti kiadás, 1924. február (71. évfolyam, 27-50. szám)

1924-02-01 / 27. szám

kL8n:ir. S » machte, dm europäischen SozialismuZ unter die Boot­­mäßiMit d^ russischen Kommunismus zu bringen, indem er auf die in allen sozialistischen Lagern zutage treteickm Einheitsbestrebungen spekulierte. Radeks Plan ist damals MI dem jetzigm mglischen Premier geschâtert, der aus­drückliche Garantien gegen die EinmisckMng des revolu­tionären Radikalismus in die Kreise der evolutionär ge­richteten Landesparteien verlangte, die der Russe weder geben konnte noch wollte. In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, noch einmal der Beschlüsse zu gedenken, die auf dem HamüM- ger Kongreß, auf dem der jetzige englische Regierungschef ebenfalls in vorderster Reihe stand, hinsichtlich der Lage in Europa und der zu ihrer Besserung zu befolgenden Richtlinim gefaßt wurden. Es wurden daâ der „im­perialistische Friede", die Ruhrbesetzung, sowie alle For­men „internationaler Reaktion" als Faszismus, Weißer Terror, nationalistische Verfolgungen, Geheimverträge, auf das schärfste verworfen dagegen die „Demokra­tisierung des Völkerbundes" gefordert. Bezüglich des Reparationsprrblems verlangte der Kongreß: 1. Endgültige Festsetzung des Betrages: 2. Aus­wärtige Anleihen für Deutschland; 3. Verwendung der Zahlungen ausschließlich zu Reparationszwecken im engsten Verstand des Wortes; zu diesem Zw^ck niüffe darauf hingearbeitet werden, daß die Alliierten und Asio­­ziierten alle Ansprüche an Deutschland auf Zahlung der Militärpensionen aufgebm, und das; sie serner einer Ab­gleichung der interalliierten Schuldm zustimmen. Zwar werdm hier die Umrisse des Progrmnms, das Dèaodonald nunmehr als Leiter der englischen Politik KU verfolgen gedeM, sichtbar; andererseits zeigt aber auch seine bis­herige Stellungnahme derade zu dem letzten Punkt, Laß er nicht gewillt ist, sich sklavisch an jene Resolutionen der Internationale zu halten, sondern sich vor allem na!ch den Erfordernisien der nationalen Interessen seines Landes richtet. Der Otto-Wolff-Konzern und die Sowjetregierung. Wie bereits bekannt, hat der Otto-Wolff-Konzem in Berlin und Köln, der im. Jahre 1922 gemeinsam mit der Sowjetregisrung die Deutsch-Russische Han^dels- A.-G. gegründet hakte, den Vertrag mit der vorgesehenen zwölfmonatigen Frist gekündigt. Als Grund wird ver­tragswidriges Verhalten der Sowjetrsgierung angegeben. Krassin und Rykow suchen nun den Spieß unyudrehen und wünschen, um das Odimn der Schuld auf den reichsdeutschen Partner zu ivälzen, den Vertrag demon­strativ sofort Efzulösen. Diese Einstellung kann selbst­verständlich nicht verhindern, daß im Ausland die Ab­neigung gegen Wirtschastsbeziehungen mit den Solrjets, die sich bicher stets als unverlüßliche Kontrahenten erwiesen haben, neue Rührung erhalten wird. ,Um diese Wirkung abzuschwächen, tritt die Berliner sowjetrussische '.tzandslsvertvetung mit Behauptungen vor die Oeffent­­lichkeit, denen zufolge der Vertrag für den Wolff­­konzern, was dieser entschieden bestreitet, ein sehr gutes Geschäft gewesen sei, denn der Rein­gewinn der HandelsgesellsckM ^habe Las Vier­fache des Zlttienkapitalâ beirägen. Der Wolfs­konzern hatte sich verpflichtet, der Sowjotregierung auf ein Jahr einen Staatskredlt von 500.000 Pfund Steüiing und einen lauftnden Warenkredit von 750.000 Pfund Sterling âzuräumen. Diese Kredite scheinen von dem Moskauer Partner einerseits nicht genügend ausge­­mützt worden zu sein, andererseits wurden dem Wolff­­iKonzern bei der Erteilung der Einfuhrlizenzen Schwie­rigkeiten bereitet. Die rLichsdsutschcn Kaufleute, durch die ' Erfahrung getvitzigt, wollten nun die Erneuerung des Ab­­,kommens' von neuen Sicherheiten bezüglich der Einsuhr­­'lizenzen abhängig machen. Solcherart in die Enge ge­­ckrieben, sL)eint es die Sowjetregierung für vortesihafter erachtet zu haben, dc^ ganze Abkommen scheitern zu lassen. Wenn man das russische Kommunique über den Vorfall liest, so stehen die Bolschewisten rein wie Engel da. Unter andsrem sei dein Wolff-Konzern, der wegen der Nührbesetzung mit den Warenlieferungen in RückstMid geraten sei, EntgegenkoMmen gelvährt lvorden. Aber auch seither seien die Deutschen säumig Mbliân und llätten vcr allem hinsichtlich der 5dreditbedÍWMiMi neue For­derungen erhoben. Naturgemäß wird man allerorts der Mitteilung des Wolff-Konzern, daß die Sowjetretsiernng sein Vertrauen arg getäuscht habe, weit mehr (Äauben Mnken und sieht nun mit Spannung der von deutscher Seite angekündigten Veröffentlichung des Wtenrnaterials entgegen. ____________ Das Geheimms des bolschewistischen Erfolges. „Lenin ist tot, aber sein Werk wird ewig leben," tönte es von allen Aèorseapparaten uiw allen Amennen Rußlands Mer das Erdenrund am Tage, da der oberste Machthaber der Sowj-etrepublik bestattet wurde. Der Skep­tizismus, mit dem man der in diesen Worten liegenden Prophezeiung entgegentreten mag, braucht einen nicht zu verhindern, die außerordentliche historische Bedeutung anzuerkennen, die der nunmehr von der Weltbühne M- getretenen Hauptfigur in dem russischen Schicksalsdrama unbedingt beizumessen ist. Mag man sein Werk wie immer beurteilen, mag man es als auf Sand oder auf Erz gegründet erachten, man muß anerkennen, daß es sein Werk ist. Gerade darum mögen vielleicht diejenigen recht behalten, die der bolschewistischen Herrschaft keine allzu lange Frist mehr geben. Schon während Lenins Krankenlagers hat die Einheitlichkeit urrd die Stoßkraft des Bolschewismus merklich gelitten; die Beivegung lief nach den Gesetzen der Trägheit in scheiMar unvermin­derter Stärke loeiter, aber es war bereits zu spüren, daß die belebende und erregende Zentralkaft fehlte. Nun gar an seinem Sterbebette und mchr noch an seimr Toten­bahre beginnt der Streit der Diadochen zu toben wie nur I je nach dem Hinscheiden eines Alexander. Der Prüfstein für Lenins Werk wird es sein, ob seine Nachfolger jene Lehre der antiken Geschichte zu befolgen wissen und ob es ihnen gelingt, den Zerfall der Sowjetmacht Hintan­oder wenigstens für längere Zeit aufzuhalteu. Die Sowjetmacht, wenn auch ihre Ausgestaltung und Ausübung nicht ihm allein zugefallen ist, ist durchaus Lenins eigenstes Weick. Ilm dies zu orkennen, braucht man sich nicht in eine minutiöse Geschichte der Entwick­lung des Bolschswismus und seiner Eroberung der Herr­schaft über Rußland zu veriieftn. Aus jeder wahrheits­getreuen Darstellung dessen, was heute Rußland ist, rvas in seinem Staats- und Volkslörper vorgeht, kann man es mit Händm greifen, daß das Geoeinmis des welt­historischen Erfolges des Bolschewismus in seiner Hennát vor allem auf Lenin zurückgeht, und zwar nicht nur nach der Seite des rein rovolutionären Erfolges, des Ulnstur^ und der Ergreifung der Mackst hin, sondem auch nach der — eum ssrano salis gesprochen — evolu­tionären Richtung >der Befestigung und Verwurzelung dieser Macht hin, die es ermöglicht haben, daß die Sowjecherrsck)aft in Rußland, der man anfangs nur wenige Monate gegeben hatte, nun schon im siebenten Lebmsjahre stbht. Denn wie kein andsrer unter den bolschowistischön Führern hatte Lenin vor ân Dingen erkannt, -daß wer immer in Rußland herrschen will, sich auf -das bäuerliche Prolstariat stützen müsse und daß das industrielle Proletariat, von dem die wcst> lichen GÄinder und Tli-eoretiker des Kommunismus aus­gingen und aus das sie in der Hauptsache ihre Ideen stellten, für RuhlcmL nur ein sekundärer faktor sei. Das Werk Lenins lM das Werk Peters des Großen wenn nicht vernichtet, so doch auf jeden Fall für llmge hinaus aufgehoben und aufgowogen. Es liegt daher eine gewisse Ironie darin, daß die Stadt PetrochMd, die dem großen Zaren ihre Gründung vevdanbt und deren Nisdörgang die Sowjetherrschaft verschuldet hat, nunmehr in Lenin­grad umgetaiuft -worden ist. Wladilnir Jljitfch Uljanow g-Lhört nicht nur in der Geschichte Rußlands, sondern auch in d« Kulturgeschichte Europas rmbsdingt neben Fjo^r Michai-lowitsch Dostojewskij, -desien. Haß auf Westeuropa er fortgesetzt und, wenn auch gewiß in anderer Weise, als Dostojewskij es erträumt h-chte, erftrllt hat. — Ein echter, halb rchsischer, halb tatarischer Bauernschüdel, Vie man il)n zu k^-usendm in Rußland überall trifft. Kichl­­köpfig. Dor Schnitt des Gesichtes ganz besonders kantig, hart, brutal. Kleine Schlitzäu-Kein, aus Äonen ein wilder^ Funke sprüht. Die Stirn breit, alles auvere im Antlitz verdrängend. Stoß-krast im Ausdvwck. Nichts Krankhaft^. So ftehcher da, in einem einfachen bis zum Haffe zugek-nchfften Fi-euch-Anzug. Gesucht schlicht. L-eute wie Lenin sind in Aeußerlichkeitvn- nicht eitel. Sie kennen vielleicht M-r einen Genuß: Macht. Eine ^âewegung genügt, daß alles schweigt. Man könnte eine Stocknadeil sall-on hören. -—L-sni-n ist ein gl-änizender R«öu-er. Er redet M Ta-rffenden, als eb er in einem N-einen Stübchen mi-t wenigm Studenten, seinen Stu-diengenossen disputierte. Er stricht leSendig, witzig, saársKsch. Ein Gedanke scheint -dem- anderen zu verdrängen, ehe der erft-e noch ausg^rochen ist. T-er -Gesi-chtsMsdruck wechÄt oft. Bald schaut er todernst bald kneift er das linke Auge zu und blinzelt fchau. Er geMrt zu jènen voWtiMNl-ichen Rednern, Vic man fi-e sonst nur in Englamd trifft. Redn^ hat es im allen Rußland nie -gegeben. Die zaristischen Staatsmänner und P-a ria ment ar ier haben s i ch nie bem üß igt ge fiihkß vor VokEsvers-amm­­kungen zu reden. Die B-ol-schewisien tun es beharrlich, und darin liegt sicher tsilweife das Gehermnis ihres Erfolges. — Lenin, Ler JniernatiMmlist, redet ganz „russisch". Er ge­­braruht -ost scher-zha-ftq, derbe B-^Ma-usdrück-e und berührt hie und da die iwti-onalen Saiten -der r-usfihhon Votksseeâe. Keiner 'kennt diese Seele so gut wie er, wie Lenin,, der^kommUnistisch -e Pan ftaWi st „W-ladiwostok gehört wieder uns", s-sgt er tÉ-mphi-srend, Mtd M-es -brüllt wr Be­­getstertmg. Er führt die Mentzel, ohne d-crß -sie es m-evkt. Er, der Da-teN-mienfch, lM gvoßes S-gMst-vertUMLir auf das Be­stehen idisses Prol-eta-vier-Si-aat-es, den er gefchaffen. ll-nd ! darimn r-sdet er so, daß jeder merkt: er weiß, was er will. ! ,Wir haben uns nur zum Rückzug enLchl-osscn, -um später -rmn j so weiter zu fprinigen,," univ in sein-er Ä-stM -liegt fchon etwas R-aMier-artiges. Er spri-cht wie â Schulm-eiffter zu qiner Rotte Buben. Jedes Wort eit« Lehre, wenn nötig, ein lMra­­lds-cher Schk-ag-. Gewaltsam häinmevt er den „i!n-t-cll«kt«ellen Massen" seine Ideen in- den Kopf. Doch am m-silsten fSssÄ-t s-oin Geist den- Zu-Hörer, wenn er fast prophetisch die di« Jahr­­hu-nd-erte beiveg-enlde-n,, gvoßen Weltproblem-e und Zufammear­­hän-ge bewührt ... Diese Schilderung Lenins, die darum doppelt inièress-ant und lebendig ist, weil sie den Mann i-n einenr Diom-ent der Höchstspan-rrung seines an splnrnend-en u-nd angesparm­­t-en Pchasin w-ahrlich nicht armen Lebens packt, stammt aus einer Samml-u-ng von ausg-ezeichn-eten Aufsätzen -des in Rutzlcmd geborenen und erzogenen Teutschruss-en Georg Po Po ff, di-c dieser unter dem GesamEel „Unter -dem Sowjetstern" jüngst in dèr Frank für t-er Sozietäfsdruck-erei G. m. b. H. hat erscheinen lasten. Sie sind die Frucht eines zwei­maligen längeren Zlufenthaltes in -Sowjetrußland wäh­rend der Jahre 1922 und 1923. Bis auf einm klenken , Epilog, worin dem „Geheimnis -des Bolschewismus" ! nahezttkommon versucht wird, ist das ganze Buch in deni ! lebendigen StA gehalten, den die obige Kostprobe ver-mit­­! telt. Kapitelüber'schrifi-en, wie „Sowjetfühver bei der Ar­­! beit", „Wie man in- Sowjetrußland lebt und re-ist", „Die Stadt der schreienden Kont-r-aste" usw. zeigen, 'o.'ß erfreu­lich wenig darin th-eoretisiert wird, daß man aber eiir die Tatsachen getreu spiegelndes Bild der Zuftä-nde in be-m allerdings heute nicht nrehr gar so mysteriösen Lolsche­­wistonlande empfängt. Es wurde schon darauf hlngewie­­sen, daß auch aus ihm, als die beiden wichtigsten Fak­toren des llkußland, wie es heute ist und geworden ist, sich abheben: die Persönlichkeit Lenins und die Macht des Muschik. Das Verhältnis dieser beiden j^storen zueinander wird am bestM durch das von Popoff zitierte Wort Lenins gekennzeichnet: «Entweder wir versorgen den Bauer mit Ware, oder er jagt uns zu allen Teufeln." Dieser Satz, im Jahre 1922 gesprochen, ist die Keimzelle jener „Nèeuen Wirtschaftspolitik", mit durch Lenins Einsicht und Geh-eiß die rein kommuni­stische Wirtschaftsweise, deren Undurchführbarkeit sich er­wiesen hatte, aufgegeben mld so dem ganzen BolsckMis­­mus di-e Spitze abgebrochen, ja man kann wohl sagen, das Fundament abgegraben wurde. Die Momente, die den russischen Bauer überhaupt bestimmt haben, sich nicht nur mit dem Bolschewismus abzufinden, sondem ihm auf die Dauer auch treue Gefolgschaft zu leisten, werden von Popoff in einleuchtender Weise in dem bereits erwähnten Anhang erläutert. Das vomehmlichste Motiv dazu er­kennt er in der durch die Folgen von Krieg und Umstrrrz hervorgerufenen Unterbindung der Getreideausfuhr.die dem msstschen Bauer zum ersten Male die Möglichkeit gegebm hab-e, sich sattzuesten. „Es dürfte außerhalb Rußlands nur wenig bekannt sein, daß der berühmte Getreideerport des mstischen Zarenreichs ausschließlich auf dem Nichk­­s-att-esseai der Landbevölkerung be-gründ-et war", schreibt Popoff, und er zstht daraus den Schluß, daß die Bolsche­wisten, wenn sie wirklich „ihre bisherigm kindischen Ver­suche in der Richtung auf Aufnahme des Getreideerports in größerem Ausmaße wiederholen". Lies „ein neues, un­­heschreibliches Verbrechen am mstischen Volke" wäre. „Denn solange in Rußland eine Vorherrschaft der kleinen, selbst Getreide verbrauchenden Wirtschaften besteht, und es nicht gelungen ist, eine vernünftige Agrarreform durch­­zufüHren, d. h. eine ansehnliche Zahl von Großwirtschaften zu begründen, kann ein nennenswerter Getreideexport mir auf âten Les eigenen Volkes betrieben werden." Wie fchr ferner der BolsckMismus dem rnssischen Volkscharakter entgegenkam und die Z-eitumstän!^ als Schrittmacher für ihn gewiAt l)aben, gcht aus folgender, sehr interessanten Stelle in dem Buche hervor: „So hatten es die Bolschewiftm, â sie ans Ruder kaniLn, nicht mehr nötig, das Volk M lehren, wie es „sich seidst -ontdecken" W spre-nMe svine kanventionellen, .patriarchalischen" Fesseln -slâst. Wer diese Entrviârig ging weiter. M-ests an u-nd für sich unziviNsierte Volk wür-de mm spstMmt-ifch «Pwl-etairifie-rt". Und es gab sich mit T^llust diesem Rausch hin; denn es sühlte sich gewalp-am i-mrner tiefer in -den bPlfche-mftff-ch-afiatls-chM Pstchl gezo-gen, der eigentlich seinem Wesen Mt-sprach und ihm natürilich schien. S-o erklärt es sich -beifpi-elswei-se, daß G-veife, die noch die Anfhsbung der LeÄe-wenischaft mitèvlM oder saft ein ha-lbes Jahrhundert treu ihrem Gutsherrn g-edstM harten, Plötzlich chre Treue, vergaßen und gem-sin-smn mit den von der Front zu-rü-ffluten» i den Soldaten die Schlösser ihrer „Wo^tÄer" in Brand »steckten-, pWirderten und — Bo-lschttvisten wurden. — In diesen BerhültNiisscn tvnchs die ganze bvifchewisÜ» j sche heran, die überhaupt kerne „oesfcrsn -Zeit-sn" gefHèn hat. Es ist ersta-uM-ich, daß dre vielen Aus-­­länder, die sich in den rlfffijchen VeichältWisten zu-vschtsindM^ Vollen, gewöhnlich die einfcMte Drtsache außer acht lassen: daß s-sit -dem Krige schon über neun Ähre und feit dem B-ol-, schoivismus fast sechs Jahre vergangen sind, daß m-ii anderen Worten eine ganz neue Menschengenerativn^ hera-ngewachsen ist, die sich den Bolschewisten gegenüber ganz anders verhalt als ihre Väter, nicht! Prv- èr antibolschewiftffch, sondem gedanstn­­loscr und unbefangener. Das Men-fchcnmLtenal, das heute in Ruß--­­land in der Armee, in den Fabriken, in den Dörfern, in deii Hoch-j schulen urrd in den Rcgierungsinstik^ckionen arbeitet und mit­bestimmend wirkt, besteht reichlich zur Hâlft-e auL 20-- bis 30- jährigen Männern, die vor sechs bis neun Jahren Halbwüchsige, Kinder waren und damals noch nicht selbständig ürchteu. — Das alte Regime hatte ihrem Geist noch keine be­stimmte Richtung gegeben. Die Revolution war ihr erstes großeL Erlebnis- Was Wunder, daß sie sich gegenüber der Macht Ufurpatoren von Anfang an toleranter, (vielleicht neugieriger) verhielten als die übrige Masse deS rustisch-eu ' BolkeS. Di-efe neue Generation hat überhaupt den Frieden und geordnete Ver­hältnisse gar nicht gekannt. „Friede? WaS ist das? Ern Tier?" So siagtcn "die im Dreißigjährigen 5^iege geborenen Kikider ihre Eltern. Die jungen Russen haben ebenso eim Be­rechtigung ihre Eltern zu fta-gen, ob cs überchaupt je ein mcht­­bolschewistisches Rußland gegeben hat . . . So erklärt es sich schließlich, daß dieses Auftreten einer neuen Ge­neration, verbunden mit der Rückkehr deS russischen Bauern zur asiatischen Ideologie, jene geschichtlichen Wandlungen bewirkte, die das Berhättnis der Bolschewisten zur Bauernschaft etträglich gestalteten mid dazu beitrugen, die Stellung der Sowjctregiemng westmlich zu festigen." Und so kommt Popoff zu folgendem Erp-ebnis, daZ seiner politischen „Weisheit letzten Schluß" über die Zukunft des Bolschewismus bedeutet: ,Den Machthabern im Kreml genügt es, wenn sie bis 110 Millionen Dauern, die das russische Volk darstellen, nicht in der -Opposition gegen sich sehen. Es ist ihnen ge­lungen, allerdings nicht viele, aber doch die a l l erwesen t lichften Bedürfnisse dieser „Masse" zubefrredigen. Darin besteht dcis „Geheimnis" ihrer Macht. Und solange sie die Möglichkeit besitzen werden, eine Poli­tik zu betreiben, die nicht di esc n gröbsten materiellen Interessen der Bauernschaft entgegenläuft, muß mit ihrem Verbleiben am-Staatsruder noch für längere Zeit ge­rechnet werden." -Es darf angenommen werden, daß der jetzt verstör­­bene „Bauernzar", wie man Lenin manchmal genannt hat, dieses „Geheimnis" seinen nächsten Anhängern als Vermächtnis auf die Seele gebunden hat. Ob sie es be­wahren und in seinem Sinne handeln werden, ist eine andere Frage. Schon machen sich bekanntlich Strömungen geltend, die davon abzuweichen trachten. Und nur von Leitins klügstem und energischestem Mitarbeiter, Trotzkij, hört man, daß er sich im Geiste Lenins für eine unbe­dingte Rücksichtnahme auf die Stimmung der Bauern­schaft auLspricht. So wird der Ausgang des Kampfes um die Nachfolgerschaft Lenins, der sich letzten Endes als ein .Kampf zwischen Trotzkij und seinen Widersachern charak­terisiert, das positive oder negative Schicksal der Sowjet­herrschaft besiegeln. L« k^sltax, 1. I'tzbrE 1924

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