Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1925. október (72. évfolyam, 220-246. szám)

1925-10-01 / 220. szám

Damit ist aber auch die ganze AirgÄegeicheii als er­­ivedigt zu betrachten. Die deutsche Regierung hat sich be­­-eilt, ihre Verbalnote mit der Betonung der Loyalität Deutschlands vor deut Eintritt ,in die Verhandlungen, «sowie die Antworten, die sie darauf echalten hat, dem 'eigenen Volk und der Welt im Wortlaut dekanntzu­­machen. Diese ihre Geste besagt offenkundig, daß es nicht an Deutschland gelegen sei, wenn der Versöhnung urü> Werständigung in Locarno gewisse heute noch unüber- Lvindliche Schranken gesteckt sein werden. Aber es war auch gar nicht zu eülvarten, daß die erste Zusammenkunft der Staatsmänner Deutschlands und der Alliierten gleich alle Hindernisse des DMerfriedens aus dem^Wege räu­men werde. Reales Dewken muß mit einer langsamen Mtwicklung der Dinge rechnen, die sich nicht ülbers Knie brechen lassen, wie es dem vorauseilenden Wunsche er­strebenswert erscheinen mag. Gelingt es den mitbeteilig­ten Mächten in Locarno Deutschlanid und Frankreich so wirksam voneinaitder zu trennen, daß an das neue Auf­flammen eines Kampfes nicht mchr gedacht werden kann, so dürften sich die Fragen zweiten Ranges, prinzipielle «Gegensätze und GmchfiNdkichlkeiten, im Laufe der Zeit nach und nach leichter lösen lassen. Die Hoffnung, daß die Dinge diesen Lauf nehmen werden, aufzugeben, weil der alle Groll noch einmal Ausdruck fand, wäre verfchlt. Schon kündet sich nüchterne Besinnung in dem Ums^tand an, daß keine der Parteien mit der nochmaligen Hervor-, kchrung chrer heikelsten Grundsätze der Konferenz Hin­dernisse bereiten wollte. Nun hat Locarno das Wort. War das Vorspiel zu dieser Konferenz nur ein Nachspiel der schrecklichen, cder konferenzlosen Zeit, Iso wird der Zu­stand, den zu fchaffen man sich nach dem friedlichen iGedirgsftädtchen der Schweiz begibt, die weitere Benthi- Aung unseres Kontinents als notwendige Folge !wch sich Ziehen.' , Wm Tage. Alngarn, der österreichischeAnschluß und dieKleineEntente. Im Journal de Gknève veröffentlicht Dr. Paul D. Auer einen interessanten Ariikéi über die Rückwir­­tkungen, die vom Anschluß Oesterreichs an das !Deutschc Reich auf Unga r n sich ergeben könnten. Er führt auA, daß dieser Anschluß -sehr leicht auch Ungarn mit sich chr reißen vermöchte, Mar nicht in Form einer Einschmelzung Ungarns in den Reichsverband, wolst aber in Form eines engen Bündnisses mit gemeinsamer Außenpolitik, Militärkon­­vention für den Kriegsfall und Zollunion. Der Anschluß würde also in diesem Falle dem Deutschen Reiche nicht bloß sechs Millionen Oesterreicher, sondern auch acht Millionen Ungarn zuführen können. Nachdem er dies vorausschiekt, schreibt der Verfasser weiter: — Das müssen sowohl die Westmächte, wie die Kleine Entente zur Kenntnis nehmen. Auch müssen sie sich klar dar­­über werden, daß eine solche Eventualität auch innerhalb an­derer Rahmen und anderer Formen, auch ohne sormellen Anschluß Oesterreichs eintreten könnte, denn das Bündnis der Anrainerstaaten Ungarns müsse früher wder später das Zu st a nde k o m m e n eines Gegenbündnisses zur Folae haben. Um dies zu-verhüten, gebe es bloß ein einziges Mittel, und dieses besteht darin, Ungarü die Friedenshand zu bieten. Dazu aber, daß zwischen Ungarn und der Kleinen^ Entente sich gute Beziehungen entwickeln, seien drei. Dinge er­forderlich: 1. Sichllbfinden mit dem Gedanken der Revi­sion des Vertrages von Trian o n; 2. unbedingt korrekte tastächliche und rechtliche Behandlung der unga r li­sch en Minderheiten; 3. Entgegenkommen Ungarn gegenüber bei Abschlüssen von Handelsverträgen. Auf den ersten Blick mag das Sichabfinden mit der Revision des Ver­­träges von Trianon als eine kühne Illusion erscheinen. Die Kleine Entente kam ja eben zum Zwecke der Aufrechterhaltung dieses Vertrages zustande. Dennoch könne rnan, sich auf die Dauer diesem Gedanken nicht verschließen, weil dieser Gedanke den Schlüssel zum zukünftigen Frieden biete. Als Gegenwert -einer Revision, durch die Ungarn einen Teil der von rein magyarisc^r Bevölkerung besiedelten Landstriche zurirckbekäme, würden die Nachbarn' Ungarns zu einem Frieden gelangen, der zugleich auch dieRnhe LerWelt gewährleisten und die Mög­­lichkeit eines deutsch-ungarischen, eventuell russisch-ungaris(^n Bündnisses ausschlösse. Den ungarischen Minderheiten: gegen­über aber müßten die Minoritätenverträge unbedingt dürch­­gcsührt und die Normen des Minoritätenvcrfahrcns einer Mesorm unterzogen werden. Die Ablehnung der einschlägigen Anreg U N gen deK Grafen Apponyi durch die Völ­kerbundversammlung habe in Ungarn böses Blut gemacht. In einem Lande, das zwei Drittel seines Gebietes verloren hat, sei es begreiflich, daß die Bevölkerung das Schicksal der entrissenen Stammesgenossen mit besorgten Blicken beob­achtet und sich nur beruhigen könnte, tvenn der Völkerbund­rat über die Beschwerden im Rahmen des kontradiktorischen Verfahrens entscheiden wollte. Die Völkerbundversammlung wußte wohl nicht, daß sie, als sie die Anregungen Apponyis ablehnte, den Dolch im Herzen einer aus hundert Wunden blutenden Nation noch tiefer gestoßen hat. Was die wirt­schaftlichen Beziehungen betrifft, so haben daran die Nachbarländer Ungarns kein geringeres Interesse als Ungarn selbst. Für die Jndustrieürtikel der Tschecho-Slo­­wa5ei, für die Rohprodukte Rumäniens und Jugoslawiens stelle Ungarn einen wichtigen Absatzmarkt dar. -Hier bedeute mithin die Annäherung kein Opfer, sondern vielmehr einen Vorteil. Die Kleine âtente verfüge über hervorragende Staatsmänner, die sicherlich wissen, daß eine der wirksamsten Bürgschaften des Weltfriedens die endgültige Ver­ständigung mit Ungarn tväre, diese Verständigung abei: die Revision, den Mmoritätenschutz und die wirtschaft­lichen Verbindungen zur Voraussetzung hat. Wenn die Staa­ten der Kleinen Entente den Mut aufbringen, die Konsequen­zen aus der Lage zu ziehen, tverden sie nicht bloß ihren eige­nen Ländern, sondern auch der ganzen Welt einen Dienst er­weisen. Frankreich aber, dem die Beziehungen zwischen Ungani und den Nachbarstaaten schon wegen der deutsc^n Frage nicht gleichgültig sein können, wäre berufen, diese Ver­­stänRgung vorzubereiten, die sein Prestige wesentlich erhöhen würde". In Genf war die Rede von Megionalpaktm. ApPonyi war auch in dieser Frage ein getreuer Interpret des unga­rischen Standpunktes. Wenn dennoch Regionalpaste mit Aus­schaltung Ungarns zustande kämen, so würden sie eben keine Sicherheit bieten. Wünscht man sich auch mit Ungarn zu ver­ständigen, so hat das seinen Preis, und dieser Preis muß früher oder später entrichtet werden. Die Aufteilung der Stiftungen unter die Nachfolgestaaten. Aus Wien wird uns telegraphiert: Am 5. Oktober be­ginnt 'in Rom die Konferenz der Nachfolgestaaten, in der es sich um die Aufteilung der Stisiungen, Fonds, Stipendien gemäß Artikel 26S und 273 des Vertrages von Saint Gèrmain handeln wird. Die Angelegenheiten der Postsparkassen bil-den, da sie bereits erledigt sind, keinen VerhandlungSgegenstand. An der Konferenz werden die Vertreter Italiens, llngarns, Oesterreichs, JuMslâiens, Polens, Rumäniens und der TschechooSlowakei t^ilnehmen, Eine neue Verordnung über Lotterieveranstaltungen. Das Ung. Tel.-<Korr.->Bureau teilt mit: Das in jüngster Zeit in großem Maße um sich greifende L o t t er iesp ie l ist äußerst schädlich auch vom volkswirt­schaftlichen Standpunkt aus, denn durch Erweckung der 'Spielleidenschaft und deren Ausnützung übt es auf den ohne­hin schwerfälli-g' einsetzenden Spartrieb ' der Bevöl­­'^runq recht ungünstigen Einfluß. Der Finanz mi n ister hat also auf Gründ eines Ministerratsbeschlusses vom 25. Sep­tember l.. I. in Angelegenheit der Bewilligumg von Ä ölte r ievsran sta l t u n gen eine Berord-nung erlassen. Im Sinne dieser Verordnung erteilt der Minister in bezug auf Verlosung von Effesten geringeren Wertes Und auf Veranstaltung von Tombolaspielen auch sn 'Zukunft der bisherigen Gepflogenheit entsprechend Erlaubnis. Zur Veranstaltung von Lotterien größeren Stils werden jedoch im allgemeinen bloß ausgesprochen wohltätige und'kulturelle Vereinigungen Erlaubnis erhal­ten, und zwar so, daß je ein Verein jährlich bloß eine Ver­losung veranstalten darf. Von dem Inkrafttreten der Verordnung an erteilt der Minister zur Veranstaltung nur solcher Effektenlotterien Erlaubnis, bei denen bis Zahl der ztr emittierenden Lose 5 0.060 Stück, der Nennwert der einzelnen Lose 16.666 Kronen, und also die für die Gssanrtzahl der Lose zu leistenden Einlagen im Endbetrag 5 6 0,6 0 0.0 0 0 K r o nea nicht übersteigen. Auf ledem einzelnen Lotteriezettel sjLoss muß der komplette Spielplan ersichtlich geiiracht sein, nämlich die Gesamtsiimme der ausgegebenen Lose, der Nennwert des einzelnen Loses und die Endsuinme der Einlagezahlungen für die Gesamtheit der Lose, ferner die Zahl der Gewinste und deren einzelner und Gesamtwert. Der KonMionär darf die Veranstaltung der Lotterie auf niemand über­tragen, sondern hat sie unbedingt in eigener Verwaltung und auf eigene Rechnung derart vorzunehmen, daß zu diesem Zwecke die Mitwirkung von keinerlei fremder Organisation ^Geldinstitut ufw.) in Aiispruch genommen werden darf. 'Weder darf mit Losen hausiert, noch dürfen sie aufder Straße verkauft werden. Die Gesuche um die Bewilligung der Veranstaltung von Effektenlvtterien müssen u. a. auch enthalten, daß der Erlaubniswerber sich allen in der vorliegenden Verordnung, sowie allen in der etwaigen Konzessiousverovdnung erst noch sestzustelleuden Bedingungen unter wirst und ohne jeden Anipruch auf Schadenersatz zur Kenntnis nimmt, daß, inso­­fern er nach Feststellung der Finanzbehörde irgendeine Be­dingung der Konzessionsurkunde verletzen sollte, die erteilte Konzession augenblicklich rückgängig gemacht werden kann. Im übrigen bleiben die Verfügungen der Lottoregie in bezug auf Bewilligung von Lotterioveranstal­­tüngen auch weiterhin in Geltung. bei dieser Kost wird die Mondäne zart, durchsichtig, dünn, atherisch, genau wie sie nach der Mode sein soll. Also: süss, aber ftlbstverständlich nicht süß wie Zucker, sondern Wie Sacharin. Leicht dürfte es feder Modedame sein, aus Speck und Wurst zu verzichten, aber diese Abstinenz genügt nicht, !um so schlank zu werden, wie die Mode vorschreibt oder Dis vor kurzem vorschrieb. Da nützen oft auch Milch-, Kar­­itoffel-, Obst- und Mineralwasserlsiiren wenig, Sport und Massage häufig ebenfalls nichts, und manche Frau, die seit Jahr und Tag ihre Knie nicht sah und jetzt dem Schauspiel der eigenen Beine ebenfalls zusehen will i^und zwar ohne Spiegel), muß sich entschließen, zum Chirurgen zu gehen. Dieser entfernt schneidig das über­flüssige' Fett und macht derart aus einer fülligen Bauchtänzerin eine grazile Shimnuihüpferin. Wenn aber die ärztliche Kunst versagt oder der eleganten Dame behagt, bleibt ihr noch der Weg zum Schönheits­institut offen: — allerdings ebenfalls ein bitterer Pas­sionsweg. Hier wird das Fett mit Dampf bearbeitet, mit Essenzeli angegriffen, mit Massage zerdrückt, kurz, mit Brutalität verfolgt. Falten werden geschnitten und dann vernäht, Runen gezogen und hierauf verklebt, sa der ar­men Patientin wird ihre gute, alte Haut förmlich über die Ohreir gezogen und schließlich eine neue hervorgezaubert. Täglich,' oft'stündlich muß das dicke Versuchskaninchen auf die' Wage sich stellen, damit ziffermäßig nachgewiesen 'werde, ob sie die weiteren ^chönheitsprozeduren auszu­­halten vermag, die man in ähnlicher Weise ehedem bloß sin den Kühlräumen der Jnquisitioir verübte. „Erst wägen, Dann wagen." Freilich stehen die öetreffenden ungarischen 'Einrichtungen noch weit hinter den amerikanischeii^zurück. Wenn maii- dem bekannten Schriftsteller Upton Sinclair Glauben schenkeii darf, jammern die fetten Damen in den Schönheitsanstalten der Vereinigten Staaten derart, daß man es einige Meilen weit hört. Nicht einmal in den Folterkammern der schönen alten Zeit dürfte es lebhafter zugegangen sein,.—' Mscherrr.MWsi Mâ ähnlichesi,SM-derungen Schlüsse ziehen kann. Nur ein magexer Auszug aus einem offertbar dick aufgetragenen amerikanischen Bericht sei hier wiedergegeben: „Ich sah etwas, was einem Gebirge aus Fleisch glich.^ Es scheint einst mit gestickter Seidenwäsche bedeckt gewesen zu sein, doch war diese nun völlig durchnäßt und durchsichtig wie Seidenpapier. Aus den Poren floß Schweiß, Schweißtropfen vereinigteir sich zu Bächen, liefen das Gebirge entlang und mündeten auf dem Fußboden. Anscheinend müssen der Hitze ausgesetzte Fleischberge schmelzen und flach werden, deshalb tvar es notwendig, die Masse zu stützen, was von drei Angestell­ten des Schönheitssalons besorgt wurde. Zwei hielten die Frau unter den Armen, die dritte hielt das Kinn fest. Von Zeit zu Zeit stöhnte das Fleischgebirge auf: O—o—o—oh! Dann brach es zusammen; es schien, als drohe ein Bergrutsch.. Obzwar in dieser Beschreibung zweifelloL amerikani­sche Uebertreibung liegt, bleiben, selbst wenn man Len Wolkenkratzexstil auf europäische Maße reduziert, noch immer überrascherrde Tatsachen zurück. Es ist nicht zu leugnen, daß die elegante Dame Pässionswege verfolgen mutz, falls sie mit der Mode Lurch Lick uuL dünn gehen will, und daß es nicht geringer Opfer bedarf, um aus einer üppigen Frau eine schlanke, aus einer RubenAgestalt eine Botticellfflgur zu machen. Viele Monate dauern oft Lis Bemühungen der Mondäne, um „in Forin" zu kommen, das heißt,' ihre Formen zu verlieren, und wenn dann nach heißen und kalten Bädern, Schwitztouren und Turnübuli­­gen, Massagen, Blutabzapsungen und Hungerwochen die starke Dame endlich schlank geworden ist, kann ihr das Un­glück widerfahren, daß sie sich umsonst quälte und quälen ließ. Dies ist jetzt wieder einmal der Fall, da die hyper­­inagere Mode gleichsam über Nacht aus der Mode kam. Wer Augen hat, zu sehen, wird bemerken, daß dis eleganten Dameri wieder Fettansätze zeigen, allerdings vorerst rück­wärts, wie wenn sie andeutcn wollten, daß sie sich nicht darum scheren, was hinter ihnen vorgcht. Doch iinmer be- Linrrt-rine Mode mit bM'efdenen.Mthely»-gleichjam Piano, um später zum Forte und Fortissimo aufzusteigen. Wer aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen vermag, der weiß, daß die mageren Frauen bald anti­quiert, die üppigen dagegen modern sein werden. Der Kreislauf der Mode hat früher bloß alte Trachten wieder an die Oberfläche gebracht, heutzutage jedoch, wo die Mode auch die Körper 'derb anfaßt und sozusagen ins Fleisch schneidet, formt sie auch die Frauengestalt. Nun enffteht aber die Frage, wamm eine üppige Frau leiden mußte, um schlank zu werden, wenn sie nunmehr wieder trachten muß, dick zu werden. War schon die Hungerkur quälend, die unausbleibliche Mastkur wird noch unangenehmer sein. Warum all diese Aergeriiisse und Bitternisse, Qualen und Leiden? Den mageren Frauen imponierte eine magere Mondäne inehr oder weniger sicherlich nicht, den Fettèn schon aus Neid ebenfalls nicht, und den Männern wäre eher eine kleine Abwechslung erwünscht gewesen. Variatio âslootat. Dennoch wollten die eleganten Damen schlank sein und sie wurden es auch. Warum gehorchen sie der Mode, ob diese nun schön oder häßlich, schmerzhaft oder erfreulich ist? Warum übt die Mode Gewalt, Magie, ja geradezu Zauber aus? Wie entsteht, besteht und vergeht 'sie? Wer könnte dieses Rätsel ergründen? Ist es doch âensowenig lösbar, wie die meisten ermsten Rätsel Lieser Welt, ob sie nun Entstehen oder Vergehen, Blühen oder Welken, Erde oder Himmel, Leben oder Tod heißen mögen. Wir bewegen uns immer zwischen Rätseln (nicht bloß zwischen Kreuzworträtseln) und können wahr-, hastig noch zufrieden sein, wenn sie uns in der Erschei-. nung einer mit der Mode durch dick und dünn gehenden eleganten Dame vor die Augen treten. Ein von Goethe gern angeführtcs altes deutsches Sprichwort lautet: „Gott gibt die Nüsse, aber er beißt sie nicht auf." Nur ein alter philosophischer Nußknacker dürfte sich demnach an die A-­­sung Les großen Rätsels heranwagen, das Mode heißt- Freilich auch er müßte sich da die Zähne ausbeißen, falls er noch welche hätte. voimeâs', 1 Oktobsr 1925 Uor derSicherheitskonfere«; iuKorarvo. — Telegramm unseres Korrespondenten. —. Paris, 30. September. Wenn man sich hier auch heutv noch mit dem durch die deutsche Note provozierten Zwischenfall bsfaßt, so geschieht cs, .um Strefemann -vorzuwerfen, einen übe r r a sch ein den p o litässch-dip'IIoMatischen Mißgrtifs getan zu haben, in einem Augenblick, in dem ansonften die Atmosphäre für die Zusammenkunft in Locarno günstig war. Es herrscht hier die Meinung vor, daß Stresemann entweder die deutschen Nationalitäten oder die alliierten Regierungen ohne jeden Erfolg W täuschen versucht habe, und daß sein Manöver nicht allein bei den Alliierten, sondern in ebensolchem Maße auch in Deutschland sich gegen ihn selbst wende. Stresemann - hätte, sagte man sich in 'den französischen Kreisen, wohl im voraus ahnen können, .daß seine Demarche, mochte sie noch so platonisch gemeint sein, ganz bestimmt eine Reaktion in London und Paris auslösen, dabei aber auch die deutschen Nationalisten nicht befriedigen würde, letzteres bloß aus dem Grunde, weil sie eben platonisch un-d belanglos war. Temps schreibt an leitender 'Stelle, die unzeitgemäße Demarche habe 'dem Prestige Stresemanns weder im Auslande noch im Jnlandè genützt, und L'eser poliíische Fehler werde es ihm sehr erschweren, das Gesicht der deutsc^n Diplomatie zu wahren. Wären die Alliierten, insbesondere die sranzösische Regierung, nicht von dem aufrichtigen Wunsch beseelt, zu einem Ergebnis zu gelangen, und hätten sie sich nicht auf eine Beilegung der Sache geeinigt, so wäre alles auf nie wieder gutzumachende Art kompromittiert gewesen. Die höfliche, aber klare undkat egorische Anlwort von Paris und London habe die Situation gerettet. Temps fügt dann noch hinzu, daß aus dem Zwischenfall sich zwei Belehrungen er­geben. Zunächst sollte Stresemann daraus erkennen, daß die Alliierten auf dem Boden des Sicherheits­paktes verbleiben wollen und niemals zugeben -werden, daß der Pakt einer Revision des Vertrages von Ver­­sailles die Tür öffne. Zweitens Knne Stresemann sehen, dich er, wenn er sich von den Nationalisten beein­­flussen lasse, Gefahr laufe, sein» eigene Politik zugrunde

Next