Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. október (77. évfolyam, 223-249. szám)

1930-10-01 / 223. szám

tott1 cj'T'TT'TC? T T fiVD • fj • Mittwoch, 1. Oktober 1930 • 3 • müssen — immer nur stümperhaft und abträglich sein. Das Wirtschaftsleben hat seine ehernen Gesetze, die sich am Ende über alle Hemmungen hinweg durchsetzen. Die Politik jedoch wird in überwiegen­dem Maße von psychologischen Motiven bestimmt, und ihr Eingreifen in die Wirtschaft muß demgemäß das Geltendwerden der Wirtschaftsgesetze nur stö­rend beeinflussen, mehr oder minder retardieren. Auch die Wirtschaft mag vorübergehend Fehler be­gehen, doch korrigieren sich diese Fehler immer selbsttätig, noch ehe ein nicht gutzumachender Schaden angerichtet ist. Eingriffe der Politik in die Wirtschaft aber erschließen naturnotwendig Fehler­quellen, weil sie mit der Verkennung der wirtschaft­lichen Gesetzmäßigkeiten einherschreiten, oder sich anmaßen, diese Gesetzmäßigkeiten den jeweiligen po­litischen Zielen dienstbar machen zu können. Wie denkt sich nun Andreas Fleissig die Ent­wicklung seines Planeuropa? Schematisch faßt er diese Entwicklungsfolge folgendermaßen zusammen: „Die Entwicklung vom schrankenlosen, ungehemm­ten Kapitalismus zur gebundenen Planwirtschaft auf individueller Grundlage erfolgt innerhalb der einzelnen Wirtschaftseinheiten durch die aus dem Ausbau und Erstarken der Kartellwirtschaft entste­henden freien nationalen Produktionsgemeinschaften. Diese neuartige Wirtschaftsbasis der einzelnen Na­tionalwirtschaften vertieft sich dann aus sich selber heraus zu einer zwischenstaatlichen Kartellwirtschaft, die wiederum, durch natürliche Weiterentwicklung sich zu internationalen Produktionsgemeinschaften verflechtend, zu der neuen allgemeinen Wirtschafts­verfassung der kapitalistischen Planwirtschaft führt.“ In sehr interessanter und zum überwiegenden Teil auch einleuchtender Weise ist in der Studie An­dreas Fleissjgs der Werdegang dieser planeuropäi­schen Entwicklung im Gegensatz zu dem nebelhafteu Gebilde eines Paneuropa aufgezeigt. Das Paneuropa von Coudenhove und Briand ist eine politische Kon­zeption, die sich zumutet, die wirtschaftliche Neu­­organsation der europäischen Völker auf politischem Wege bestimmen zu können. Die neukapitalistische Planwirtschaft Fleissigs hingegen wäre ein von jeder Politik freies Sichauswirkenlassen der (jesunden Ziel­setzungen, die sich schon im Funktionieren der heu­tigen internationalen Kartelle offenbaren, und die nur eines ungehemmten Verlaufes bedürfen, um sich durch die Macht eines wirtschaftlichen Über­nationalismus zur vollen Geltunq durchzuringen. In Planeuropa würde eine überstaatliche Kartellwirt­schaft nicht bloß in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft das Problem sowohl von der Pro­duktionsseite, wie von der Verwertungsseite her an­fassen, durch Rationalisierung der Produktion und durch einträchtige Behandlung der Verwertungsmög­lichkeiten einerseits die Erzeugungsfähigkeit bis zur vollen Ausnützung der Kapazität steigern und ande­rerseits durch die Verteilung der Regiekosten auf eine wesentlich vergrößerte Produktionsmenge die Gestehungskosten herabmindern, was dann eine Preissenkung auf allen Linien, aber auch eine Stabi­lität in der Anzahl der beschäftigten Hände zur Folge hätte. Es ist schwer, dem Gedankengange des Ver­fassers im einzelnen zu folgen. Die Schrift selber will gelesen und gründlich erwogen werden. Hier sei bloß noch auf ein einziges Moment eingegangen, das speziell Ungarn inmitten seiner ausnehmend schweren landwirtschaftlichen Krise angeht. Es ist hier der auch von anderer Seite schon angeregte Gedanke lanciert, daß die europäischen Getreideexportstaaten sich mit den europäischen Getreideimportstaalen zu verständigen hatten, um im beiderseitigen Interesse eine gemeinsame Plattform zu finden, die es ermög­licht, daß die europäische Landwirtschaft, befreit von der erdrückenden Dumpingkonkurrenz der über­seeischen Getreideexportgebiete, ihren Weg zur kollaborativen Planmäßigkeit betreten und somit den Anschluß an die plankapitalistische Entwicklung finden könne. Dem Verfasser schwebt hier ein von den europäischen Staaten einvernehmlioh zu schaf­fendes Antidumpinggesetz nach amerikanischem Vorbild vor, das die Einfuhr von Waren, die unter Dumpingbegünstigung erzeugt werden, mit ent­sprechend hohen, eventuell gleitenden Differenzial­zöllen belasten sollte. Wenn die Agrarier der europäi­schen Industrieländer gut beraten sind, müssen auch sie einsehen, daß durch ein derartiges Dumping­gesetz die Landwirtschaft der europäischen Industrie­länder in ihrer bisherigen Geschütztheit nicht ge­schmälert würde, doch wäre damit auch für sie die Grundlage gegeben, „aus ihrer heutigen Treibhaus­wirtschaft — auf dem Wege der für die gesamt­europäische Landwirtschaft ermöglichten plan­kapitalistischen Entwicklung — herauszukommen und sich entwicklungsfähig zu gestalten, ohne der eigenen Nationalwirtschaft weiter zur Last zu fallen“. In diesem Planeuropa der Zukunft würde also, wie der Verfasser betont, kein Interessen­gegensatz zwischen den vorwiegend Industrie- und den vorwiegend Agrarländern Europas bestehen. Die von Fleissig befürwortete neukapitalistische Planwirtschaft kann zustimmend begrüßt, kann nach eingehender Kritik auch abgelehnt und be­kämpft werden. Die Ideenkette dieser Konzeption ist neuartig, wenn auch nicht jedes einzelne Glied dieser Kette durch seine Neuheit überrascht. Immerhin ist der Art und Weise, wie hier die Erscheinungen der wirtschaftlichen Gegenwart zu einem Zukunfts­bilde zusammengefaßt und wie aus der Verflechtung zum Teil bereits bekannter Gedanken die neuen Um­risse einer zukünftigen Entwicklung geschöpft wer­den, ein nicht alltägliches Maß von schöpferischer Originalität zuzuerkennen. Man kann die Schrift „Planeuropa“ als Wegweiserin in die Zukunft werten, man kann auch scharfe Kritik an ihr üben, aber ignorieren darf man sie nicht. Auch hoffen wir, daß die Konzeption Andreas Fleissigs in der inter­nationalen wirtschaftlichen Literatur und Publizistik die verdiente Beachtung finden und einen Ideen­austausch hervorrufen wird, der vom Standpunkte der europäischen Zukunft nur belehrend und be­fruchtend sein kann. Jedenfalls aber darf es in Un­garn Genugtuung erregen, daß diese Debatte sich an den Namen und die Geistesarbeit eines jungen un­garischen Denkers knüpfen wird, der eines der wich­tigsten Zeitprobleme mit seinen schöpferischen Ideen beleuchtet hat. Sie können auf die mechanische Reinigung der Zähne nicht verzichten. Odol-Zahnpasta reinigt gründ­lich, ohne den Zahnschmelz anzu­greifen. Vom Tage. Ministerpräsident Graf Bethlen in Gödöllő. Ministerpräsident Graf Bethlen, der schon gestern nach Gödöllő gereist war, um dem Reichsverweser Bericht zu erstatten, hat auch den heutigen Tag in Gödöllő ver­bracht. Er nahm heute morgen an einer Jagdveranstal­tung teil und erschien nachher in längerer Privataudienz beim Reichsverweser. Am Abend ist er nach Budapest zurückgekehrt. Eine stürmische Komitats-Generalversammlung. Der Munizipalausschuß des Békéset Komitats hat, wie uns aus Gyula gemeldet wird, seine diesjährige ordent­liche Generalversammlung heute abgehalten. Die General­versammlung, in der der Sprecher der Opposition, Dr. Johann Gyöngyössy, meldete, daß sich 114 Mitglieder des Ausschusses in einem oppositionellen Block vereinigt haben, nahm einen sehr stürmischen Verlauf. Die Er­regungen begannen schon, als Dr. Gyöngyössy eine Dekla­ration des oppositionellen Blocks verlas. Diese war näm­lich in einem so aggressiven Ton gehalten, daß der präsi­dierende Öbergespän Baroit Bertold Feilitzscli sich, als der Redner von moralischen Verfehlungen sprach, die die Regierung dulde und deren Warmbeet die Inkompatibili­tät zahlreicher Abgeordneten und Staatsbeamten sei, ver­anlaßt sah, Gyöngyössy das Wort zu entziehen. Das hatte lärmende Protestkundgebungen der Opposition zur Folge, die sich nur noch verstärkten, als der Obergespan dem folgenden Redner, dem sozialdemokratischen Paul Szcmcnyci, gegenüber die gleiche Verfügung traf, weil dieser behauptet hatte, die Regierung hätte in den Lilla­­füreder Waldungen Bären akklimatisiert, um die Fremden dorthin zu locken. Das gleiche Schicksal widerfuhr dem ebenfalls sozialdemokratischen Andreas Nyilas, der lür die wirtschaftliche Situation die Verschwendungs­sucht verantwortlich machte. Unter andauernden Lärm­szenen nahm nach Nyilas Johann Kiss, ein Mitglied der oppositionellen Kleinlandwirtepartei, das Wert, der jedoch nur wenige Worte sprechen konnte. Als er gleich zum Anfang seiner Rede die Verwaltung des Komitats Békés als korrupt bezeichnet hatte, wurde auch ihm das Wort entzogen. Neuerliche Sturmszenen setzten ein, — die energischen Maßnahmen des Präsidenten hatten aber dennoch den Erfolg, daß sich die folgenden Redner Mäßigung auferlegten. Die Stärke der Opposition hat sich übrigens in der Versammlung wiederholt erwiesen: sie hat so manche Unterbreitung der Komitatsbehörden nic­­dergestimmt. Auch dem Komitalsvoranschlag wäre auf ein Haar das gleiche Schicksal beschieden gewesen, — der Obergespan jedoch erklärte das Budget für angenom­men, noch bevor die Opposition nach erfolgter Abstim­mung die Gegenprobe hätte beantragen können. In der Generalversammlung wurde übrigens auch beschlossen, die Regierung in einer Adresse um Errichtung eines Landesnotstandsfonds zu ersuchen. In der Adresse wur­den überdies die Inartikulierung der achtstündigen Ar­beitszeit, sowie u. a. auch die Besteuerung der Lieferan­ten für öffentliche Körperschaften zu Zwecken des Not­­standsfonds angeregt. Das Ausscheiden Paul Sándors aus dem Leopold­­slädter Bürgerklub. Di-rekt'ion und Ausschuß des Vereinigten Leopold­städter Bürgerklubs haben heute abend unter Vorsitz des Oberhausmitgliedes Dr. Samuel Glücksthal eine gemein­same Sitzung abgehalten. In der Sitzung machte die Klub­­leitung Mitteilung davon, daß Reichslagsabgeordneter Paul Sándor seinen Austritt aus dem Klub angemeldet hat. Zu­gleich stellte die Leitung den Antrag, Paul Sándor durch eine Abordnung darüber aufzuklären, daß die Beweg­gründe seines Entschlusses uuf einem Irrtum beruhen und ihn zugleich zu ersuchen, die innigen Beziehungen zum Kliulb, der ihn in seiner politischen Tätigkeit dreißig Jahre hindurch so hingebungsvoll unterstützt hatte, nicht abzubrechen. Der Klub, so heißt cs in der Begründung dieses Antrages, wünsche sich an der politischen Agitation dér verschiedenen Parteien nicht zu beteiligen und sell unversehrt auch für die Zeit erhalten bleiben, in der sich die Wellen der Komniunalwahlen geglättet haben werden. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Die neue österreichische Regierung. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, 30. September. Das Kabinett Vaugoin ist nunmehr heute ge­bildet worden, nachdem Landbund und Groß­deutsche ihre Teilnahme an der Regierungsbildung abgelehnt hatten. Noch im Laufe des heutigen Nach­mittags hat der designierte Bundeskanzler Vaugoin sein Kabinett gebildet, das aus christlichsozialen Parteimännern und zwei Vertretern der Heimwehr besteht. Das neue Kabinett ist ein Minderheits­kabinett, dem die anderen Parteien des Hauses die Unterstützung versagten, so daß es den Versuch nicht unternehmen kann, vor das Haus zu treten. Aus diesem Grunde wird der Bundespräsident mor­gen die Auflösung des Hauses verfügen, wozu er auf Grund der neuen Verfassung ermächtigt ist. Die Ausschreibung der Neuwahlen erfolgt aus dem Grunde schon für den 9. November, weil der Wahl­kampf möglichst abgekürzt und die bäuerliche Be­völkerung in den Alpenländern davor bewahrt wer­den soll, nach Anbruch der strengen Jahreszeit zur Urne gehen zu müssen. Das neue Kabinett, das be­reits heute abend seine Angelobung geleistet und den ersten Ministerrat abgehalten hat, besteht aus folgenden Männern: Bundeskanzler und Heerwesen: Karl Vaugoin, Vizekanzler und soziale Verwaltung: Richard Schmitz, Äußeres: Dr. Ignaz Seipel, Inneres: Fürst Ernst Rüdiger Starhemberg, Finanzen: Dr. Otto Juch, Unterricht: Dr. Emerich Czermak, Handel und Verkehr: Eduard Heini, Justiz: Dr. Franz Hueber, Landwirtschaft: Andreas Thaler. Der Eintritt der Heimwehrvertreter in das Kabinett erfolgte nach einer Beratung der Bundes­führer mit dem christlichsozialen Parteivorstand. Die Heimwehr stellt sich auf den Standpunkt, daß die untimarxistische Einheitsfront durch das Ausschei­den der Großdeutschen und der Landbündler zer­trümmert worden ist und sie betrachtet es nun als ihre Aufgabe, mit der größten antimarxistischen Gruppe vereint in den Wahlkampf zu ziehen. Wie verlautet, hat die Christlichsoziale Partei den Ver­tretern der Heimwehr eine Reihe von Plätzen auf den Kandidatenlisten in den einzelnen Ländern einge­räumt. Andere Bedingungen sollen seitens der Heim­wehr an den Eintritt ihrer Vertreter in die Regierung nicht geknüpft worden sein. Die neue Regierung wird ihre Hauptaufgabe in der Durchführung der Neuwahlen erblicken und sich sonst auf eine Reihe von Maßnahmen beschränken, die nicht auf dem Ge­setzeswege, sondern auf administrativem Wege zu treffen,sind, so vor allem die Regelung der Bundes­bahnfrage hinsichtlich der Besetzung der leitenden Posten. Wien, 30. September. (Wiener Amtliche Nachrichtenstelle.) Nach Er­nennung der neuen Bundesregierung trat sofort ein Ministerrat zusammen, der beschloß, dem Bundes­präsidenten vorzuschlagen, die sachliche Leitung der auswärtigen Angelegenheiten dem Bundesminister Dr. Ignaz Seipel und die sachliche Leitung der inne­ren Angelegenheiten in dem Umfange, wie sie bisher einem eigenen Bundesminister übertragen war, dem Bundesminister Fürsten Ernst Rüdiger von Starhem­berg zu übertragen. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, 30. September. Von den neuen Männern ist Justizminisier Dr. Franz Hueber etwa 36 Jahre alt und Notar in Mattsee bei Salz­burg. In Salzburg gilt er als Vertreter des nationalen Flügels der Heimatwehr. Er ist bekannt durch seine Be­strebungen, Mattsee als judenreine Sommerfrische auszu­bauen. 5Telegramm des Fester Lloyd.) Wien, 30. September. Um 7 Uhr abends fand die Vereidigung der neu ernannten Minister statt. Den scheidenden Ministern ver­lieh der Bundespräsident das große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik. Der abtretende Bundeskanz­ler Schober erhielt ein besonders herzliches Handschrei­ben des Rundespräsidenlen, in dem die großen Ver­dienste Schobers gewürdigt werden. Die Parteien des Nationalrates hielten in den Abend­stunden Beratungen ab, die sich ausschließlich mit den .Vorbereitungen für die Neuwahlen beschäftigten.

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