Pester Lloyd - esti kiadás, 1931. június (78. évfolyam, 121-145. szám)

1931-06-01 / 121. szám

PESTER LLOYB o S • Es liegt mir fern, die Kartelle zu verteidigen, denn ich unterhalte zu ihnen gar keine Beziehungen, ich bin völlig unabhängig und kann also mit größter Objektivität sprechen. Allerdings wird es sehr Schwierig sein, den Nachweis zu erbringen, in wel­chen Fällen sich die Kartelle Mißbräuche zuschul­den kommen lassen, wenn auch eine solche Mög­lichkeit nicht bestritten werden kann. Bemerkens­wert ist jedenfalls, daß der deutsche Reichswirt­schaftsrat in einer seinerzeit veröffentlichten Publi­kation darauf hinweist, daß speziell in Deutschland die Ausbeutung der Arbeiter durch die Kartelle Überhaupt nicht vorkommt. Dagegen darf man von einer eventuellen Gefahr von seiten der internatio­nalen Kartelle sprechen. Diese haben die Macht und den Einfluß, einzelne Industriebetriebe aufzulassen; ja, sie können die Industrie eines ganzen Landes vernichten, wenn ihr Interesse das erheischt. Schon 'von diesem Gesichtspunkte1 aus betrachtet, ist die Regelung der Kartellfrage notwendig, aber diese Regelung bedeutet bei weitem keine unbegründete Einmischung des Staates in die Kartellwirtschaft. In Deutschland haben die industriellen Kreise seiner­zeit gegen die Regelung des Kartellproblems sehr lebhaften Einspruch erhoben, aber inzwischen haben sie sich davon überzeugt, daß es die Pflicht des Staates war, die Bürger gegen die Ausbeutung einzelner. Kartelle zu schützen. Mich erfüllt diese Vorlage insofern mit einer gewissen Beruhigung, daß wenn sie ins Leben treten wird, die Kartellfrage auf einen Ruhepunkt gelangt und die Reibungs­flächen, die bisher zwischen Landwirtschaft und Industrie bestanden, vollständig aufhören werden. Diese Vorlage mußte also geschaffen werden; ihre Bestimmungen sind zweckmäßig und richtig, denn es gibt im Wirtschaftsleben nichts Gefährlicheres, als die einzelnen Produktionszweige in Gegensatz zueinander zu bringen und dadurch die Produktion der Harmonie zu berauben, deren sie jetzt so drin­gend bedarf. Was die ungarischen Verhältnisse betrifft, so gibt 'es in Ungarn 46 Industriekartelle, von denen die-Re­gierung an sieben beteiligt ist. Internationale Kartelle Existieren in Ungarn 11. Im Zusammenhang damit muß auch über die Preisfrage gesprochen werden, weil ja diese das punctum saliens ist. Hier können die meisten Mißbräuche Vorkommen,, und darauf bezieht sich ja auch der größte Teil der Beschwerden. Es kann nicht geleugnet werden, daß ein großer Unterschied besteht zwischen den Indexziffern der Industrie- und denen der Agrarprodukte, und es läßt sich auch nicht In Zweifel ziehen, daß es Relationen gibt, in denen die Preise der industriellen Erzeugnisse unbegründet hoch zu sein scheinen. Da muß mán aber auch auf die andere Seite der Erscheinung hinweisen, und Zwar sind erstens die Preise in den Staatsbetrieben nicht geringer, als die in der Privatindustrie, und zweitens arbeiten nicht jene Industrien mit den höch­sten Preisen, die kartelliert sind, und am auffallend­sten ist die Disparität zwischen den Konsumpreisen für Lebensmittel und den Preisen, die die Produzen­ten dafür erhalten. Nach diesen Feststellungen ging Baron Josef Szterényi auf den letzten Teil seiner Rede über. Er befaßte sich sehr ausführlich mit den einzelnen Be­stimmungen des Entwurfes und stellte dabei fest, 'daß das Grundprinzip des Entwurfes, die Kartelle anzuerkennen und sie unter öffentliche Kontrolle zu stellen, richtig sei. Er billigte auch die Methode 'der Kontrolle, bezeichnete es aber als einen schwe­ren Fehler, daß die Kartellfrage in die Kompetenz 'des Wirtschaftsministers gewiesen wurde, statt sie Im Wirkungskreise des Handelsministers zu belas­sen. Dadurch wird aus einem Ministerium ohne Portefeuille letzten Endes ein Ressortministerium gemacht, und überdies wird das zu bureaukratischen Verwicklungen führen. Da es keine besondere Kartellpolrtik gibt, sondern diese einen Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik bilden muß, wäre es richtiger, die Kartellfrage in die Kompetenz des Handelsministers zu verweisen, Weil sonst zu befürchten wäre, daß sich eine eigene Kartellwirtschaft herausgestalten wird. Es wäre auch richtiger gewesen, die Zwangs- und Staatskartelle aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herauszuheben und die Frage der Exportkartelle unberührt zu las­sen. Es knüpfen sich große Interessen daran, daß solche Kartelle in möglichst großer Zahl zustande kommen, und zwar um so mehr, als ja in diesem Punkte die Preisgestaltung für uns vollständig gleichgültig ist. Zu schweren Bedenken gibt es Anlaß, daß die Kartellprozesse in den Kompetenzbereich der königlichen Kurie gewiesen worden sind. Diese hohe Gerichtsstelle des Landes muß freigehalten Werden von den Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens, und die kön. Kurie ist auch gar nicht dazu geeignet, in so hochbedeutsamen Wirtschaftsfragen eine Entscheidung zu treffen. Jedenfalls ist es erfreu­lich, daß auch die Landwirtschaftliche Kammer in dieser Frage einen ähnlichen Standpunkt einnimmt und die Zuweisung der Kartellprozesse an die kön. Kurie bemängelt. Schließlich erklärte« Baron Josef Szterényi, daß er die Vorlage für richtig und zweck­mäßig erachte, weil sie keinerlei Bestimmung ent­halte, die eine Einmischung in das Wirtschaftsleben bedeutet. Die gehaltreichen, trefflich dokumentierten und Schlagend begründeten Ausführungen Baron Szteré­­riyis machten starken Eindruck und wurden auf allen Seiten des Hauses mit lebhafter Zustimmung aufgenommen. " "'7' •• , Weiteres im Morgenblatte* ' i Rom gegen Rom. y Vatikanische Verschwörung gegen Mussolini?­(Von unserem Korrespondenten.) Rom, ‘Ende Mai* Die Aussöhnung zwischen Quirinal und Vatikan ist zwar eine historische, aber keine aktuelle Tat­sache. Der Friede der Lateranverträge hat nicht alle befriedigt, sondern die alten Gegensätze verschleiert und neue geschaffen, insbesondere im eigenen Lager. Sowohl Mussolini wie Pius wird vorgeworfen, zu weit gegangen zu sein; diesseits und jenseits des Ti­bers ist ein . Riß in der Machtgruppe unübersehbar. Während aber die faszistische ihre unübertreffliche Parteidisziplin zur SchäU tragen muß und nur die Liberalen im stillen Kämmerlein über die noch enger angezogenen Ehefesseln, seufzen dürfen, erkennt man in der vatikanischen einen linken und einen rechten Flügel. Die Päpstlichen sind in zwei Gruppen gespal­ten, die man als die kirchenstaatliche und die pazi­fistische bezeichnen könnte, wenn man nicht etwas grob zwischen aktiv und passiv, militant und geistig unterscheiden will. Die Aktiven sind die Urizufriedenen, die es dem Papst nicht verzeihen können, daß der von ihnen prophezeite Kirchenstaat nicht zustande kam. Wie schön hatten sie ihn ausgemalt, welche ausgedehnten Grenzen ihm zugesprochen! Wer vor dem 11. Fe­bruar daran zu zweifeln wagte, daß Mussolini wieder einen Staat im Staat schaffen und ihm rombeherr­schende Forts, wie zum Beispiel die Pineta Sacchetti, ausliefern würde, wurde als Ketzer verschrien. Und dann stellte sich heraus; daß das Kernstück der La­teranverträge nichts anderes war, als die erste, frei­willige und endgültige Verzichtleistung des Papst­tums aufs weltliche Gewalt! Gegen diese Erkenntnis sträuben sich noch heute die Unentwegten, sie wollen die „Vatikanstadt“, die. kleiner ist als das unbe­strittene päpstliche Gebiet der Vorlateranzeit, um je­den Preis größer erscheinen lassen, als sie ist, und machen gar kein Hehl daraus, daß ihrer Meinung nach der gegenwärtige Zustand kein ewiger zu sein brauche. Sie wüten gegen die anderen, die sich mit der Tatsache abfiriden, und vor allem gegen die parteilosen Berichterstatter, mit einem oft komischen Eifer. So drohté «in dér deutschen Botschaft beim Vatikan attachierter deutscher Monsignore einem deutschen Journalisten, er würde dafür sorgen, daß ihm der Eintritt in die Vatikanstadt (die ja jetzt ab­geschlossen und von bajönettbewehrten Schweizern bewacht ist) gänzlich verboten werde. Warum? Weil der Marin sich erlaubt hatte, nicht das erträumte Flächenmaß der Vatikanstadt, sondern das wirkliche anzugeben,, riebst anderen Wahrheiten, die gewisse Geister nicht hören können.. , Kein Geringerer als der Papst selber hat noch am Tage, der Lateranverträge gegen die Eiferer, die unversöhnlichen Kirchenstaatler, mit einem Humor Stellung genommen, der bei anderen sicher anders bezeichnet werden würde. Aber mit der Zeit nahm die Schar der Radikalen zu, und sie fand Unter­stützung irii Vatikan .selbst, ja, sie rühmen sich heute der direkten Förderung durch den Papst, ob zu Recht oder Unrecht, ,bleibe dahingestellt. Allge­mein bekannt ist ja, daß sich die Reibungsflächen zwischen Faszismus und Kirche in letzter Zeit so sehr vermehrt haben, daß es zu heftigen Auftritten kam, wenigstens in der Presse, zu Ausfällen, wie man sie vor der „Versöhnung“ nicht gewohnt war, zu antiklerikalen Demonstrationen, auf den Straßen Roms. Und es ist auch nicht damit zu rechnen, daß sich diese Spannung legen wird, denn es gibt Fra­gen, beispielsweise auf dem Gebiete der Jugend­erziehung, in denen sich Papst und Duce treffen, wie Feuer und Wasser. Zwei Weltanschauungen stehen sich in diesem Kampf um die Jugend gegen­über. In den letzten Wochen spitzten sich die Dinge plötzlich bedenklich , zu. Wer heute einen Blick in die italienischen Zeitungén wirft, der kann lesen, daß von der Vatikanstadt her die faszistische Front unterwühlt werden soll, daß die Azione Cattolica eine Verschwörung gegen das Regime angezettelt habe Und die obersten Führer der Ecclesia militans von einer Eroberung der Macht träumen und dazu anfeuem. Das Stichwort ging vom Lavoro Fascista aus und wurde so allgemein aufgenommen, daß das Organ des Vatikans, der Osseryatore Romano, zu erklären wagte, man erkenne daraus, daß es von oben gekommen sei und daß an den Gewalttätig­keiten gegen Mitglieder und Institute der Azione Cat­tolica nicht nur diejenigen schuld seien, die sie aus­führten. Damit ist ja nun allerdings der Krieg erklärt. Die Regierung wird nicht mehr länger schweigen können, um so weniger, als ihre Presse „außer­ordentliche Maßnahmen gegen außerordentliche Vorgänge“ stürmisch fordert. Was sind das für Vorgänge? Die Enthüllungen jagen sich. Man fühlt sich ln die Zeiten der furcht­barsten Geheimbünde, der Sanfedisten oder —Frei­maurer versetzt. Die Freimaurer' sind ja die ver­haßtesten Gegner des Faszismus, denn er fürchtet ihre unterirdischen Minierarbeiten. Und die Azione Cattolica. müßte in ihren aktiven Gruppen noch schlimmer sein, wenn das alles wahr ist, was jetzt dramatisch aufgezogen wird. Offenbar haben die Faszisten gute Spione, denn das von ihnen beige­­■brachte Material scheint erdrückendä ein unumstöß­licher Beweis für den Geheimkrieg des Klerus gegen das Regime. Die Azione Cattolica rühmt sich, daß in ähren Reihen schon 140.000 eingeschriebene Mitglieder fechten, neben 160.000 Aspiranten, und daß der Zu­lauf zu dem katholischen Kampfbund ununterbro­chen wächst. Verzweigungen durchdringen die Kolonien und das Ausland, vor allem die katholi­schen Grenzgebiete nördlich der Alpen. Ein Verband von solcher Schlagkraft kann sich natürlich Führer von Ruf und große Versammlungen erlauben, die als „geheim“ zu bezeichnen übertrieben scheinen mag. Jedenfalls ist es Faszisten oder Spitzeln ge­glückt, dort ihre Aufklärungen zu holen. Sie be­kamen zu hören, daß der Faszismus der natürliche Feind séi, der schon Furcht zeige, weil er erkennen müsse, daß die katholischen Bünde überall Fuß ge­faßt, bis in die kleinsten Provinznester ihre Keim­zellen vorgetrieben hätten und bereits stark genug seien, sich auf ein Zeichen zu erheben und eine Änderung der gegenwärtigen Lage herbeizuführen. „Generalassistent“ der Azione Cattolica ist Monsi­gnore Pizzardo, einer der hervorragendsten und eifrigsten Führer der Kurie, von dem soeben gesagt wird, er sei als Nachfolger des Kardinalstaatssekre­tärs ausersehen, da Pacdli amtsmüde sei. (Durchaus möglich, denn die passive Richtung wird immer amtsmüde, wo die aktive durchbricht.) Monsignore Pizzardo soll nun, was man von diesem feinen Diplomatenkopf kaum erwarten konnte, eine große Versammlung mit einem politischen Feuerwerk geschlossen haben, das in der Apotheose einer Orga­nisation gipfelte, die fähig sein müsse, die Macht an sich zu reißen, Er verwies warnend auf Spanien, lobend auf Bayern, wo die Azione Cattolica schon so mächtig sei, daß sie Übergriffe verhüten könne. Besser wäre es gewesen, wenn jener Spanier, der unter Primo de Rivera in Rom einen kostbaren Kelch kaufte, für das Geld eine katholische Zeitung gegrün­det hätte. Vier große Tageszeitungen werde die Azione Cattolica, so kündete der Leiter des Osser­­vatore Romano darauf an, binnen kurzem in Italien haben. Außerordentlich interessant sind di© Kampf­direktiven des Bundes. Der Faszismus soll vorerst nicht frontal angegriffen, sondern vor der ganzen Welt als Kirchenfeind denunziert werden. Man müsse es so hinstellen, als verfolge er die militanten Katho­liken nicht aus staatlichem Interesse, sondern aus­schließlich wegen ihres religiösen Bekenntnisses. „Wie muß unsere Taktik aussehen? Vor allem müssen wir uns keine Blöße geben, sondern sein, aber nicht scheinen!“ Es soll also, so erklären es die faszistischen Blätter; der Dolch unter dem Priester - gewand versteckt werden. Unter heuchlerischer Maske wird ein Staatsstreich geplant. Und das alles während und nach einer feierlichen Messe! Der Papst hat wiederholt jede über das rein­geistige Gebiet hinausgehende Tätigkeit der katho­lischen Verbände bestritten, nie sei etwas verborgen worden, im Gegenteil, eine Zusammenarbeit mit den faszistischen. Behörden werde angestrebt. Man hält ihm nun den schreienden Widerspruch zwischen Wort und Handlung vor, aber es wäre doch noch zu beweisen, ob er tatsächlich über alle Vorgänge bei der Azione Cattolica unterrichtet war. Sicher ist nur, daß im Vatikan heute die welt­liche Politik so wenig erloschen ist, wie zur Zeit des Kirchenstaates. Und soweit sie Macht anstrebt, stößt sie jetzt nicht nur gegen einen schwachen Hof und liberale Weltanschuungen, sondern gegen einen ge­schlossenen Einheitsstaat, gegen den Faszismus und seinen Führer, von dem der Grundsatz stammt: Alles für den Staat, nichts gegen den Staat, und nichts außerhalb des Staates! Vatikanstadt, 1. Juni. In einer Ansprache an Pilgerabordnungen äußerte sich gestern Papst Pius XI. in sehr scharfer. Weise über die Angriffe auf die „Katholische Aktion '■— Wir sehen bereits —- sprach der Papst — die Früchte einer Erziehung, die alles eher als christlich genannt werden kann, weil sie die Jugend zu Haß und Gewalttätigkeit anspornt. Wir haben erwartet, die re­ligiöse Erziehung würde wieder zum Leben erwachen; statt dessen geschah es jedoch, daß die linke Hand zer­störte, was die rechte geschaffen hatte. Die jüngsten Tage habén gezeigt, wohin die unchristliche Erziehung der Jugend führt. Wir haben das Recht und die Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die bestehenden Verträge und das Konkordat Verletzt worden sind. Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt lenken wir auf den gegen uns began­genen Treubruch, gegen den wir die nötigen Schritte ge­tan haben, und wir haben den Bischof von Rom beauf­tragt, an zuständiger Stelle unseren Protest anzumelden. — Man kann uns das Leben nehmen, aber man kann uns nicht verstummen machen. Man hat uns in unserem Herzen tief verletzt, unseren Glauben kann man jedoch nicht erschüttern. Anfänglich kam der Feldzug auf dem Gebiete der Presse mit Verleumdungen und Beleidigungen in Gang, dann folgten Straßenkundgebungen, die schmach­­vollst und schamlosest waren, und sogar Blut ist geflossen. In unsere kirchlichen Erziehungsanstalten wurde einge­brochen, unsere Güter wurden konfisziert, und es wurde auf das Gesetz Bezug genommen, als diese Beraubungsakte begangen wurden. Man kann sich unsere Überraschung vorstellen, zumal wir erst gestern im Wege unseres Nun­zius die Botschaft empfingen, daß man uns nichts sagen zu lassen habe. — Den verfolgten katholischen Verbänden rufen wir zu: „Habet keine Furcht, denn ich sage euch, wir stehen an eurer Seite heute und für alle Zeiten, (Wenn ihr mich1 fragt, was Ihr nun tun sollt, so antworte Jchi Gehorchet Montag, 1. Juni 1931

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