Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1932. január (79. évfolyam, 1-25. szám)

1932-01-01 / 1. szám

PESTER LLOYD Und in diesen scheinbaren Paradoxien liegt dennoch ein tieferer Sinn der weltgeschichtlichen Entwicklung. Denn das welthistorische Drama, das j sich in diesem Jahre abspielte, ist die Weltrevolution seihst, nur in einem anderen Sinne, als sie von ein­fältigen Dogmatikern und undialektischen Phan­tasten vorgestellt wird. Der Weltkrieg war die erste Etappe dieser Weltrevolution, die überall die Reste der feudalen Machtorgandsationen hinwegfegte. Die technische Revolution der Nachkriegszeit war der zweite Akt des großen Schauspiels. Was sich jetzt vollzieht, ist die ökonomische und politische An­passung der Welt an die veränderten Wcrtrclationen und Struktunbeziehungen. Die soziale Anpassung aber, die die Demagogen und die Berufspropheten mit so lautem Geschrei fordern, vollzieht sich jeden Tag und zu jeder Stunde in der Wandlung unserer Sitten und Lebensformen, in der Herausbildung einer neuen Geistigkeit, neuer Verbrauchsgewohn­heiten. Und die ungeheure Tatsache dieser welt­geschichtlichen Dynamik läßt uns trotz der dunklen Atmosphäre dieser Jahreswende auf einen Aufstieg hoffen, den unerschütterlichen Glauben hegen, daß die Menschheit inmitten eines beispiellosen techni­schen Aufschwungs nicht in Hunger und Elend ver­kümmern wird. 1932 — ein Entscheidungsjahr der Weltpolitik. Das kommende Jahr verspricht in weltpoliti­scher Hinsicht ein entscheidendes Jahr zu werden. Eine Reihe hochbedeutsamer Konferenzen und poli­tischer Entscheidungen steht bevor; die Abrüstungs­konferenz und die Reparationskonferenz geben den Auftakt, es folgen dann die Präsidentschaftswallien in Deutschland, die preußischen Wahlen und die französischen Wahlen in Frankreich im Frühjahr, schließlich die amerikanischen Präsidentschaftswah­len, die die künftige Richtung der amerikanischen Politik bestimmen werden. Nach Vollendung aller dieser Entscheidungen, die heute wie Alpdrücke auf dein Weltbewußtsein lasten, muß ein Aufatmen der Erleichterung durch die Welt gehen, und es muß der konkrete, langfristige Abbau der Krisenmaß­­nabnicn, eine Befreiung der Welt von ihren gegen­wärtigen Fesseln auf den Gebieten des Menschen-, Waren- und Kapitalverkehrs beginnen. Durch Be­schränkung der Rüstungen, durch ein mehrjähri­ges Moratorium für alle Reparations- und Kriegs­­schuldenzahlungen, durch einen politischen Gottes­frieden könnten jene Abgründe des Mißtrauens über­brückt werden, an deren Rand die Welt im vergan­genen Jahr angelangt ist. Die Revision des starren politischen Zustandes durch wirtschaftliche Synthe­sen, das Wiederaufleuchten des ewigen Freiheits-Der Dinar: Bravo! Gut gebrüllt, Leu! Die Lira (verweisend): Valuta e mobile! Wenn man einem sein Hab und Gut genommen hat, soll man nicht darüber staunen, daß er nichts mehr besitzt Die Mark: Und schließlich ist das Gold heut­zutage wirklich nur Chimäre. Der französische Franc: Das behaupten bloß diejenigen, denen die goldenen Trauben zu sauer sind. Die Mark: Es gibt Valuten, die sich in einem Schlafrock aus Goldlamé ins Bett legen, einen hun­dertprozentigen Hochmut zeigen und dennoch vor der weiteren Ausbreitung der Weltkrise zittern... Der französische Franc (geziert); Mon Dieu! Sie denken hoffentlich nicht an mich?... Höchstens an die nordischen Valuten. Die norwegische Krone (mürrisch): Lassen Sie mich in Frieden! Ihnen, mit Ihrer Goldmode, habe ich meine Erkältung zuzuschreiben. Ich deckte mich mit einer Golddecke — ganz nach Ihrem Muster — zu, aber sie war zu kurz. Zog ich sie über den Kopf, bekam ich Frostbeulen an den Füßen, bedeckte ich meine Beine, — vereiste mein Gehirn. Heute sehe ich aus wie ein eingefrorener- Kredit! Der Leu (von oben herab); Der Weise muß sich eben nach der Decke strecken ... Der Dollar (streng): Etwas mehr Bescheiden­heit! Bedenken Sie, daß mancher Geldschein bloß Scheingeld ist. Der Dinar (für den Leu eintretend): Wir stehen bombenfest... Der Dollar (ablehnend): Ich habe schon größere Zwerge gesehen! Und auch andere Bomben! Also, machen Sie sich nicht patzig ... Der Schweizer Franc (neuerdings das Wort nehmend): Meine Verehrten! Man muß Opfer bringen... Die Mark (bescheiden); Gold gab ich für Eisen... Der Schilling (noch bescheidener): Gold gab ich für Mist, nämlich für Creditanstaltsaktien,., . Um aber auch die Aussichten einer wirtschaft­lichen Annäherung genauer prüfen zu können, müssen wir uns vorerst mit Grundsätzlichem aus­einandersetzen. Die Frage muß beantwortet werden, Der französische Franc: Sie beginnen wieder zu jammern. Ich soll wohl abermals mit einer neuen Anleihe aushelfen? . . . Bei mir ist nichts mehr zu holen . .. Ich will ebenfalls mein Moratorium haben. Der Schweizer Franc (salbungsvoll): Aber lieber Nachbar, bedenken Sie doch, daß Sie zur Edelvaluta erster Klasse gehören. Und die-starken und gesunden Valuten sollten schwache und kranke Kollegen stützen. Der Dollar (zornig): Jawohl, es wäre unsere Pflicht, zu helfen. Was nützt der Mantel, wenn er nicht gerollt ist, was unser Gold, wenn es nicht roll!. Da gibt es arme und brave Valuten, wie Mark, Schilling und vor allem Pengő... wir müssen ihnen aufhelfen, sie stützen und stärken, dann werden sie wieder stramm und kräftig in unseren Reihen mar­schieren ... * * Der kleine, bescheidene, noch nicht abgebaute Beamte fährt nun im Traum mit den Händen über die Valuten, die sich ungeberdig benehmen, und er hört bald nur das Knistern der Banknoten zwischen seinen Fingern. Da ertönt scharfes Pochen an der Tür. „Wer ist da?“ fragt der Beamte. „Detektive von der Schieberabteilung suchen Sie, Herr Direktor!“ „Das neue Jahr fängt gut an; jetzt bin ich sogar schon Direktor und die Detektive sind bereits hinter mir her...“ brummt er­schrocken der aus seinem Silvestertraum Geweckte. Als er sich jedoch die Augen reibt, bemerkt er zu seiner Freude, daß er gleichsam einen Doppeltraum träumte, daß keine Edelvaluta vorhanden ist, aber auch kein Detektiv. Die Sonne des ersten Tages Anno 32 lacht ihm freundlich ins Gesicht, worauf er ebenso freundlich zurücklacht, sich -selbst ein glück­liches neues Jahr wünscht und hocherfreut ausruft: „Es ist kaum zu glauben, welches Vergnügen es einem bereiten kann, keine Edelvaluta zu haben.“ • 4* ideals könnten den allmählichen Selbstheilungspro­zeß der Wirtschaft beschleunigen und die politischen Grundlagen einer neuen Sanierungsj^riode legen. Der Glaube daran, daß diese Perspektiven sich er­füllen werden, daß die bürgerliche Welt nicht dem Untergang geweiht ist, sondern durch immer neue Revolutionen hindurch immer neuen Höhen zutreibt, darf uns in diesem kahlen, kalten Weltenwinter mit innerer Wärme und Erleuchtung erfüllen. Ungarns Landwirte und die Annäherung der Tschecho-Slowakei. Von LUDWIG LEOPOLD. „The Whiggish sheep.“ Außenminister Benes und der Temps 'haben in den jiingstversflossenen Tagen die ungarische Land­wirtschaft zu einer grundsätzlichen Stellungnahme gezwungen. Sie haben eine wirtschaftspolitische An­näherung zwischen Ungarn und der Tschecho­slowakei befürchtet, von der sie historisch-politische Ergebnisse erwarten. Dieser Gedanke setzt sich aus zwei Komponen­ten zusammen; einem geschichtlichen und einem wirtschaftlichen. Es hat wohl weder Herr Benes, noch der Temps daran gedacht, daß der wirtschaft­liche Komponent nunmehr auch den Platz des historischen einnehmen soll. Hätten sie dennoch daran gedacht, so wird es geraten sein, gleich ein­gangs zu erklären, daß die -wirtschaftliche Annähe­rung höchstens ein Mittel, aber durchaus kein Vor­wand zur Erreichung historischer Ergebnisse sein kann. Für uns würde die wirtschaftliche Annähe­rung den Anfangs-, nicht aber den Eendpunkt einer Entwicklung bedeuten. Wir könnten nur der ge­nauem Abgrenzung, nicht aber der Verdunkelung der historischen Kategorie zustimmen. Andererseits erhoffen wir von dem bewilligten Vorsprung der wirtschaftlichen Auseinandersetzung so manches. Wir hoffen, daß hinfort kein handels­politischer Giftstoff die ohnehin eiternde geschicht­liche Wunde infizieren wird. Vielleicht werden wir auf diese Weise diesseits und jenseits Zeit zu einer aseptischen Entfernung der historischen Geschwulst gewinnen, während wir inzwischen, uns auf das Rein-Wirtschaftliche beschränkend, den tauschreifen Werten zum Tauschverkehr verhelfen können. Thomas Coke of Norfolk war in dem England des achtzehnten Jahrhundertendes ein begeisterter Anhänger Fox’ und gleichzeitig einer der hervor­ragendsten Schafzüchter seines Landes. Trotzdem konnte er geschäftlich nicht emporkommen, denn die unter den Gutsbesitzern maßgebenden Konser­vativen stellten die Southdowns des Coke als whiggish sheep, „liberale Schafe“, bloß. Wir bitten um einen unpolitischen Schweine­­export. Auch möge die tschechische Nachbarschaft unseren Ausfuhrweizen auf seinen KlebergChalt un­tersuchen. Und nicht seine ungarische Herkunft beanstanden. Die Glasknöpfe von Gablontz. ob denn der Industriestaat noch die wirtschaftliche Führung der Welt innehat, ob er dem Agrarstaat noch immer sein eigenes Maß aufzunötigen vermag, wie dies gestern und vorgestern zwangsläufig der Fall war? Vor wenigen Jahren noch konnte die Antwort bloß die Suprematie des Industrialismus unterstreichen. Die Fabrik erzeugt auf wirtschaft­lichere Weise, mit einer konzentrierteren Sparsam­keit an Kraft und Stoff, weil ja in ihrem Erzeugungs­­system die mechanische Wiederholung überwiegt. Ihre Erzeugung ist gleichmäßig, gleichförmig und typisch-massenhaft, infolgedessen vermag sie die Warenmenge im vorhinein auszudehnen oder ein zu - schränken. Die Verwertung kann durch Verein­barungen gesichert und kalkulativ vorbestimmt wer­den. Krisen vermag sie auch ohne Preissturz zu überwinden durch Einschränkung der Produktion und indem sie einen Teil der Arbeiter entläßt. Noch unmittelbar vor dem Zusammenbruch des Pfund Sterling vermochte England bei einem Friedens­index von 151 zu exportieren, gleichzeitig aber nur 119 Friedensprozente für die eingeführten Waren zu bezahlen. Ist es also wunderzunehmen, daß sich die fortgeschrittensten Völker Nord- und Osteuropas und der die Union gründende ostamerikanische Stamm das geringschätzende Urteil des Engländers allmählich zu eigen machten, daß Landwirtschaft keine rechte Beschäftigung für den weißen Mannsei. Noch am 30. Juni 1928, am Ende des Fiskal­jahres, schrieb Hoover, dazumal Handelsminister, in seinem Report: „Das Inventar der Landwirtschaft nimmt gar nicht, oder nur kaum in größerem Maße zu, als die Volkszahl, obgleich der überwiegende Teil ihrer Produkte elementarer Lebensbedarf ist. Demgegenüber wächst nahezu grenzenlos der Ver­brauch an Industrieartikeln, wenngleich viele davon zur Hälfte, oder ausschließlich Luxusartikel sind. Wenn aus einer Warengattung schon genug erzeugt wurde, dann meldet sich sofort eine feinere Be­arbeitung und der verfeinerte Bedarf.“ Dieser Diagnose Mr. Hoovers gegenüber erwies sicli jedoch, daß die Industrie nicht nur ihre Produkte leicht wiederholen, sondern auch ihre Produktion leichter wiederholt werden kann. Ihr Standort hängt weniger vom Klima ab, als der der Landwirtschaft. Der japanische Bauer vermag in der kalten Man­dschurei nicht Fuß zu fassen, aber die Webstühle seiner Heimat wetteifern bereits mit Brünn und Reichenberg. D:e Frohwüchsigkeit und Mastfähig­keit unserer Fettschweine verstanden wir um etwa hundert Prozent zu heben, wo doch der Selcher in Prag beute während eines Achtstundentages fünfmal so viel Schweine schlachtet und aufarbeitet, als vor Anwendung der Maschinen und der fabriksmäßigen Arbeitsökonomie. Aber das Mangalicaschwein ge­deiht in Böhmen und Mähren nicht, während die Schweine in Kapuvár und in Békésgyula mit dersel­ben Maschinerie und mit derselben fabriksmäßigen Methodik verarbeitet werden können. Gern liebäugelt Prag mit dem russischen Wei­zen. Daß aber Rußland im Jahre 1929 bereits der fünftgrößte Eisen- und Stahlfabrikant und der viert­größte Baumwollverbrauoher der Welt war, dar­über wird weniger geredet. Manchester und Not­tingham schickten einst Weber, Birmingham schickte Eisendrechsler nach Amerika, nun schickt Amerika seine Textil- und Maschineningenieure nach Rußland. Zwischen 1913 und 1930 Irat Großbritan­nien 30 Prozent seiner Produktion und seiner Aus­fuhr an Länder verloren, die das Handwerk von ihm gelernt haben. Wenn auch die Tschecho-Slowakei diesen jähen Niedergang vorerst noch weniger zu fühlen bekam, so ist dafür ihre industrielle Widerstandskraft auf dem sich absperrenden Weltmarkt unzweifelhaft ge­ringer. Es gibt heute 20 Millionen Arbeitslose auf der Welt, und von dieser Zahl entfallen schon heute 400.000 auf die Tschecho-Slowakei. Im Verhältnis zu Areal und Volkszahl zeugt diese Ziffer, daß die Tschecho-Slowakei ein Wetterwinkel der industriel­len Krise zu werden beginnt. Dem fleißigen und fähigen Volk bot das ihm von der alten Monarchie zugefallene industrielle Erbe (nach amtlichen Da­ten: die ganze Porzellanindustrie, 92 Prozent der Glas- und Zuckererzeugung, 70 Prozent der Leder­industrie, 65 Prozent der Papier- und 60 Prozent der Metallindustrie usw.), fast das volle jetzt ab­geschlossene Jahrzehnt hindurch reiche Gelegenheit zu materiellem Aufschwung. Auf der anderen Seite aber mußte sich die indu­strielle Hypertrophie am gefährlichsten gerade in der Tschecho-Slowakei melden, als der Umschwung der Konjunktur und die Krise der Industrie heran­brachen. Das tschecho-slowakische Nationalver­mögen bestand und das tschecho-slowakische Volks­einkommen stammte in supernormaler Quote aus Produktionsstätten, die Bedarfsartikel zweiter und dritter Wichtigkeit für den Warenmarkt erzeugten in einem Zeitalter, das selbst für den erstrangigen Bedarf kein Geld hatte. In den letzten fünfzehn Jahren ist die Weltwirt­schaft durch eine zusammenhängende Reihe von Katastrophen durcheinander geworfen worden. Die Wirtschaftlichkeitsgrenzen der Erzeugung, die Werturteile des Verbrauches sind verkümmert und verdunkelt. Die damit einhergehende globale Ver­armung mußte die Welt wählerisch machen. Die Be­dürfnisse melden sich ohne Fettansatz, ohne Mus­keln, als Haut und Knochen. Die verfeinerten An­sprüche, deren ununterbrochene Entwicklung Mr. Hoover noch Mitte 1928 der Weltindustrie verspro­chen hatte, müssen sich hinter einer begnügsamen Freitag, i. Januar 1932

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