Pester Lloyd - esti kiadás, 1933. április (80. évfolyam, 74-96. szám)

1933-04-01 / 74. szám

jSaanstag, i. April 1933 ♦ 9 • PESTER LLOYD len. „Ich bin,! schrieb er am 3. Mai 1915 an Bucha­nan, „für Bismarcks Politik gewesen, keine Bedin­gungen zu stellen, die den einstigen Gegner zwin­gen, die Zeit der Revanche abzuwarten.“ In der Tat, hätte sich Frankreich 1918/19 an das deutsche Beispiel von 1871 erinnert, so wären nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich selbst und der ganzen Welt unendliche Schwierigkeiten, Sorgen und Gefahren erspart geblieben, und aus dem ritterlichen Kampf hätte unmittelbar die Versöh­nung, sowie eine aufrichtige allgemeine Abrüstung hervorgehen können. Jetzt fällt es Frankreich furcht­bar schwer, auf einmal errungene Rechtstitel zu verzichten. Darum bleibt alles Entgegenkommen, zu dem es sich jeweils nach langem Würgen ent­schließt, Stückwerk. Entschließe sich Herr Herriot, in Absicht auf eine dem Ehrgefühl Deutschlands ge­recht werdende, aufrichtige und gründliche Revision des Versailler Vertrags der große Führer Frank­reichs zu werden! Dann braucht er nicht darauf zu warten, ob die deutsche Demokratie wieder erwacht, dann kann selbst unter Hitler die deutsch-französi­sche Verständigung von einem Tag zum anderen Tat* sache werden. Der Kampf um Revision und Abrüstung. Erst langsam beginnt sich Frankreichs Stellung­nahme zum römischen Viererpaktplan zu klären, doch es wird von Tag zu Tag offensichtlicher, daß eine schroffe Ablehnung des Planes, wie sic der Kleinen Entente genehm wäre, für die offizielle französische Politik nicht in Betracht kommt. Es werden gewiß weiterhin Bedenken gegen eine Aus­schaltung der „kleinen Mächte“ aus der Bereinigung der großen internationalen Fragen erhoben, doch ist es unverkennbar, daß die Idee der Friedens­revision selbst heute schon auf keinen unbedingten Widerspruch in Frankreich stößt. Sehr bemerkenswert irr dieser Hinsicht ist ein Artikel des ehemaligen Ministerpräsidenten Herriot im Lyoner Blatte Démokrate. Herriot hat in jüngster Zeit, gerade was die Revisionsfrag eanbelangt, eine vie unnachgiebigere Haltung an den Tag gelegt, als die offiziellen Wortführer der französischen Politik. Von diesem Gesichtspunkte aus muß der verständ­nisvolle Ton, den er gerade dem Mussoliniplane gegenüber anschlägt, in besonderem Maße gewürdigt werden. Vom Mißgeschick des französischen Konstruktiv­­planes in Genf ausgehend, meint Herriot, daß gewisse Staaten Frankreich abrüsten wollen, ohne ihm irgendeinen Gegenwert zu bieten. Der Abrüstungs­plan Macdopalds, der als Ersatz für das felilge­­schlagehc französische Projekt gelten soll, fügt be­züglich der Sicherheit der in Locarno über­nommenen Verpflichtungen nichts hinzu; was jedoch die eigentliche Abrüstung anbelangt, enthalte der Plan wertvolle Gedanken und stelle trotz gewisser fragwürdiger Seiten eine ernste Verhandlunggrund­lage dar. Viel wichtiger als der Macdonald-Plan ist heute *— fährt Herriot fort — der Vorschlag Mussolinis, der im wesentlichen die Organisierung des Friedens für die Dauer von zehn Jahren den vier westlichen Großmächten anvertrauen will und im übrigen die Notwendigkeit der Friedensrevision und der prakti­schen und stufenweisen Durchführung der militäri­schen Gleichberechtigung Deutschlands anerkennt. Wenn Mussolini sich Frankreich annähern will, so ist das sehr erfreulich. Anregend ist der Gedanke, daß die vier Westmächte in gemeinsamer Verhand­lung eine Einigung anstreben sollen. Dies dürfte unter Umständen der heutigen Entwicklung, die nach einer italienisch-deutschen Blockbildung weist, ein Ende, bereiten. Es wäre jedoch Wahnsinn, an Stelle der Völkerbundpolitik, die alle Staaten, kleine und große, als gleichberechtigt gelten läßt, ein System der Einigung der ausschlaggebenden Mächte zu setzen, namentlich wenn dabei die Möglichkeit der Friedensrevision zugelassen wird. Es gibt Franzosen, die bedenkenlos diesen Weg betreten möchten. Doch ist es denkbar, daß vier Lroßmächte sich ermächtigt fühlen, die Landkarte Europas und der ganzen Welt umzugestalten? Dies würde unbedingt zum Kriege führen. Zum Schluß betont Herriot, daß Frankreich sich auf keine abenteuerlichen Wege begeben dürfe, son­dern an der Völkerbundpolitik festhalten müsse. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzun­gen über den Mussolini-Plan innerhalb des französi­schen Kabinetts weist Pcrtinax im Echo de Paris auf den gestern abend herrschend gewordenen Eindruck hin, daß im Kabinett die Gegner des Planes die Ober­hand gewonnen haben sollen. Die Ablehnung würde natürlich unter den höflichsten Formen erfolgen. So werde z. B. die Lösung ins Auge gefaßt, eine Weiter­leitung des Planes an den Studienausschuß der Euro­päischen Union vorzuschlagen. Zum Schluß tritt Per­­tinax für eine rasche Klärung des Regierungsstand­punktes ein. République kommt in ihrem Leitartikel auf das Revisionsproblem zu sprechen und meint, da im Mussolini-Plan ganz allgemein die Notwendigkeit von Revisionsverhandlungen betont werde, dafür aber keinerlei bestimmte Fälle genannt seien, würde auch Frankreich, wenn es den Plan unterzeichne, weder für die Annahme, noch für die Prüfung eines be­stimmten Falles sich verpflichten. Die Frage des pol­nischen Korridors sei sehr delikat. Die deutsche Kor­ridorforderung müsse dem Urteil des Völkerbundes unterbreitet werden, nur sei cs ganz klar, daß, falls diese Frage ohne vorherige Verhandlung vor den Völkerbund käme, wenig Aussicht bestände, daß sie gelöst werde. Wenn Frankreich einerseits mit seinen Alliierten und andererseits mit seinen Kollegen vom Bund der vier Großmächte das Problem prüfe, sei es sehr gut möglich, daß aus dem Meinungsaustausch ein Projekt entstehe, daß der Genfer Versammlung unterbreitet werden könne. Die englische Presse nimmt zum Mussolini-Plan auch weiterhin in freundlichem Sinne Stellung. Daily Telegraph begrüßt warm den italienischen Plan und bezeichnet als dessen größten Vorteil, daß er eine friedliche. Revision ermöglicht. Das Blatt weist auf die vorsichtige Haltung Frankreichs hin, die jedoch keiner glatten Ablehnung des Planes gleichkomme. Weekend Review hält eine Revision auf Grund des Artikels 19 der Völkerbundsatzung für möglich und angebracht. Außenminister Simon habe die Kleine Entenie sicherlich beruhigt, daß man keinen gewaltsamen Druck aut- sie ausüben werde. Man müsse territoriale Änderungen ohne gewaltsame Mit­tel ermöglichen. ■ Titulescus Verhandlungen in Paris veranlassen die Zeitschrift Time and Tide zu folgenden Ausfüh­rungen: Der schlaue und gewandte Titulescu hat sich beeilt, in Paris im Namen der Kleinen Entente Ver­handlungen anzuknüpfen. Die Kleine Entente ist der französischen Freundschaft nicht mehr sicher und schlägt daher einen Höllenlärm wegen der Revisions­gefahr. Frankreich ist offensichtlich müde geworden, sich in die Nöte seiner östlichen Freunde verstricken zu lassen, und sucht andere Wege ausfindig zu machen, um seine Sicherheit zu festigen. New Statesman äußert sich skeptisch über die Möglichkeiten einer territorialen Revision, da eine solche nur durch Gewalt oder im Tauschwege durch­geführt werden könnte. Der Pariser Korrespondent der Morning Post be­laßt sich mit den Verhandlungen Titulescus, glaubt aber nicht, daß die Kleine Entente in Paris das letzte Wort sagen werde. Der französische Botschafter in Rom, Jouvenel, werde sicherlich alles unternehmen, um eine glatte Ablehnung des römischen Planes durch Frankreich zu verhüten. Er schlage gewisse Änderun­gen vor, denen auch Mussolini zustimmen würde. Es sei möglich, daß die französische Regierung Gegen­vorschläge machen werde, die das Revisioasprinzip zulassen, aber zugunsten der kleinen Staaten wesent­liche Vorbehalte enthalten würden. Vom Tage. Hitler empfängt heute eine Abordnung ungarischer Nationalsozialisten. Aus Berlin meldet die Bud. Korr.: Reichskanzler Hitler empfängt heute eine Abordnung ungarischer Nationalsozialisten unter Führung des Abge­ordneten Zoltán Meskó. Das Internationale Friedensamt zum Konflikt im I Feruen Osten. Die Direktion des Internationalen Friedensamles nahm in ihrer Märzsitzung mit Befriedigung zur Kennt­nis, daß der Beschluß der Völkerbund Versammlung vom 24. Februar dem Gerechtigkeitsgefühl der Welt Genüge lat, indem er die Haltung Japans gegenüber China ver­urteilte und Japan als verantwortlich für die Verletzung des Völkerbu.udpakts erklärte. Die Direktion des Inter­nationalen Friedensamtes ist jedoch der Ansicht, daß dieses Urteil keine bloß prinzipielle Entscheidung bleiben kann. Japan muß zur Verantwortung gezogen und gleichzeitig die Mitgliedstaaten des Völkerbundes zu ganz bestimmten Maßnahmen und zu einer entschlossenen Haltung ver­pflichtet werden. Infolgedessen vertritt die Direktion die Anschauung, daß die Mitgliedstaaten des Völkerbundes durch ihre Unterzeichnung des Völkerbundpakts sich nicht nur verpflichtet haben, die Punkte 3 und 4 der Ar­tikel 10 und lö, sondern auch Artikel 16 anzuwenden, und daß sie daher verpflichtet sind, im Geiste des Pariser Paktes folgendes zu unternehmen: 1. jede Handels- und Finanz.bezie.hung zu Japan abzubrechen; 2. infolgedessen jede Rüstungslieferung oder Rohstoffslieferung für Rü­­slungszwecke einzustellen; 3. jede Kreditgewährung und Auflegung einer öffentlichen oder privaten Anleihe zu­gunsten Japans zu untersagen; 4. jede private Handels­beziehung ihrer Staatsbürger zu Japan zu verbieten und aus Japan importierte Waren zu beschlagnahmen; 5. die territoriale Integrität Chinas auf Grund des Artikels 10 des Völkerbundpaktes streng zu beachten und sich jeder Beziehung zu enthalten, die eine Anerkennung der Souve­ränität des Mandschu-Kuo involvieren kennte; 6. ihre diplomatischen Vertreter aus Japan zurückzuberufen, und 7. China die im Artikel 10 des Völkerbundpaktes zu­­gesieherle Unterstützung zu gewähren. Die Resolution ist im Namen des Internationalen Friedensamtes vom Präsidenten Lafontaine und vom Generalsekretär Golag unterzeichnet. GROSSBRITANNIEN. Eine Rätselfragc Lloyd Georges. London, 1. April. In einer Rede auf dem Kongreß der Universitäten in Cambridge erklärte Lloijd George, daß der Weltkrieg nur von einem einzigen Manne gewünscht worden sei. ln einigen Wochen werde er sagen, wer dieser Mann gewesen sei. Dieser Mann habe weder in Frankreich, noch in Eng­land, weder in Deutsch land noch in Rußland gelebt. Ob­wohl nur dieser eine Mann den Krieg gewollt habe, er­klärten dennoch sämtliche Herrscher dér Welt den Krieg, da riesige Rüstungen den Krieg immer unvermeidlich machen. Man müse daher die Mittel des Krieges schwä­chen und die Friedensorganisationen stärken. Bei Fettleibigkeit, ^tmimgsbeschvieröen, Gicht, Rheumatismus und Krankheiten der Blutgefäßen ist Saxlehncrs natürliches Bitterwasser Hunyadi János das idealste Mittel zur Förderung des Stoffwechsels, der Blut* Zirkulation und Darmfunktion. Vor einem Ultimatum an Sowjelrußiand? London, 1. April. (Bud. Korr.) Mitglieder des Kabinetts sind, wie der politische Mitarbeiter des Daily Telegraph meldet, be­reits mit der Ausarbeitung eines Ultimatums beschäftigt, das unter Umständen an die russische Regierung gesandt werden soll, falls sich die Lage in bezug auf die in Mos­kau verhafteten Engländer der Vickers-Gesellschaft wei­ter verschärfen sollte. In diesem Ultimatum werde eine genaue und befriedigende Erklärung der Räteregierung über die gegen die Verhafteten erhobenen Beschuldigun­gen und die Möglichkeit des freien Zuganges zu den Ge­fangenen verlangt werden. Im Verneinungsfalle werde England ein Einfuhrverbot für russische Waren an­­diohen. Die Verhinderung des allindischen Kongresses. (Telegramm des Pester Llogd.) - ■London, 1. April. Die Massenverhaftungen von Mitgliedern des all ind i­­schen Kongresses, die den Zweck haben, den Zusammen­tritt des Kongresses zu verhindern, haben nach Meldun­gen aus Kalkutta gestern ihren Fortgang genommen. Dailg Telegraph berichtet, daß die ganze Stadt einem be­waffneten Heerlager gleiche, und daß das Geschäftsleben zum Stillstand gebracht sei. Die Angaben über die Zahl der Verhaltungen schwanken zwischen 500 (Times) und 1700 (Daily Express). Aus New Delhi wird gemeldet, die indische gesetz­gebende Versammlung habe gestern eine Entschließung angenommen, in der die im Weißbuch der englischen Re­gierung enthaltenen Vorschläge für eine Reform der in­dischen Verfassung als unbefriedigend und unannehmbar bezeichnet werden, falls diese Vorschläge keine grund­legende Änderung erfahren. FRANKREICH. Annahme der Budgetzwölftel für April—Mal. (Telegramm des Pester Llogd.) Paris, 1. April. Kammer und Senat haben in zum Teil sehr erregten Nadhtsitzungen, die bis halb 3 Uhr dauerten, die Budget­zwölftel für April und Mai mit großer Mehrheit ange­nommen. Blut-, Haut- und Nervenkranke erreichen durch den Gebrauch des natürlichen „Franz-Joscf“-Bitterwasser geord­nete Verdauungsverhältnisse. Spezialärzte von hohem Ruf bescheinigen, daß sie mit der Wirkung des altbewährten Franz-Josef-Wassers in jeder Beziehung zufrieden sind Das Franz-Joscf-Bitterwasser ist in Apotheken, Drogerien und Mineralwasserhandlungen erhältlich. ÖSTERREICH. Die Auflösung des Wiener Heimatsschutzes — wirkungslos. Wien, 1. April. (U. T.-K.-B.) Das Bundeskanzleramt hat dem Rekurs des Wiener Heimatsschutzes gegen seine vom Wiener Landeshauptmann angeordnete Auflösung Folge gegeben. Die sozialdemokratische Parteidruckerei unter Vorzensur. Wien, 1. April. Wie die Arbeiterzeitung miteilt, wurde die Partei­druckerei ,,Vorwärts“ auf Grund des Paragraphen 2 der Presseverordnung unter Vorzensur gestellt, die sich so­mit auch auf die Plakate erstreckt, die in der Druckerei hergesteJlt werden. Der tägliche Bummel in Wien. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, 1. April. Für heute mittag war ein Bummel der Angestellten der Bundesbahnen auf dem Schwarzenbergplatz vor dem Gebäude der Generaldirektion geplant. Tatsächlich kamen nach 12 Uhr einzelne kleinere Gruppen von drei bis fünf Mann, die auf dem Schwarzenbergplalz auf- und ab­­promenlerteu. Gegen halb 1 Uhr riegelte die Wache die Zugänge zum Schwarzenbergplatz ab. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen. Nach reichsdeutsebcm Muster. Ttlegramm unseres Korrespondenten. Wien, 1. April. Auch in Innsbruck hat der nationalsozialistische Boykott eingesetzt, indem auf den Schaufenstern jüdi­scher Geschäfte zahlreiche Zettel mit der Aufschrift: „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ angeklebt wurden. Auch wurden Flugzettel mit der gleichen Aufschrift verteilt. Eine Adolf Hitler-Gasse in Wien? (Telegramm des Pester Lloyd.) Wien, 1. April. In der Bezirksvertretung von Mariahilf, einem der größten Bezirke Wiens, brachten die nationalsozialisti­schen Bezirksräte einen Antrag ein, die Hirsohcixgasse, wo sich jetzt das Braune Haus befindet, in Adolf Hitler- Gasse umzubenennen. Der Bezirksvorsteher erklärte, den Arttrag an die zuständige Magistratsabteilung weiterleiten zu wollen. UNOERTTAUSEHDE I«« tigucii die KLEINEN ANZEIGEN ■»PESTER LLOYD

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