Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1936. július (83. évfolyam, 148-174. szám)

1936-07-01 / 148. szám

PESTER LLOYD ® 2 • Mittwoch, 1. Juli 19Ő6 Zu besprechen. Schon sprach man von bevorstehen­den iVerhandlungen über die Restaurationsfrage; aber neuere Meldungen wissen zu berichten, daß «der in Wien unabkömmliche Bundeskanzler doch nicht nach Genf reisen wird. Damit fallen natürlich 'auch die übrigen Kombinationen weg. Noch ist die­­(brennendste Frage, die der Sanktionen, nicht ge­löst, und schon stehen die großen prinzipiellen Aufgaben, die der künftigen Gestaltung der Völker­bundpolitik und 'die der Bereinigung des Locarno­konflikts — um nur diese zu nennen — vor der Tür. Die nächste Zeit wird entscheiden müssen, ob tdie führenden Mitglieder des Völkerbundes ent­schlossen sind, den Bund aus einer Situation lieraus- Zuführen, in der er nur fortgesetzte Enttäuschungen ■erleben kann. Hiezu wäre es vor allem notwendig, daß sie die konkreten Voraussetzungen einer fried­lichen Regelung in Europa klar erkennen. Das wichtigste Ziel ist und bleibt die Stärkung des Völ­kerbundes und die Zurückführung Italiens und ■Deutschlands in die europäische Friedensgemein- Schaft, ■ '•?; _________ V Kontinentale Wanderungen. Vom Universitätsdozenten Dr. IMRE FERENCZI (Genf), 5 Nach dem Weltkriege sind Innerhalb aller Welt- Seile Arbeiterwandemngen bisher in ungewohntem ^Umfange entstanden. Dies war einerseits eine Rück­wirkung der Einschränkung von überseeischen Wanderungen, andererseits aber von neuen wirt­schaftlichen und demographischeni Bedürfnissen. In Europa ist, namentlich in Frankreich, Belgien und Luxemburg, der Anbeiterbedarf außerordentlich ge­stiegen. Hingegen bat sich Deutschland, das wich­tigste Einwaiiderungsland! der Vorkriegszeit, aller ausländischen Arbeiter aus sozialen und nationalen Gründen langsam entledigt, so daß statt Hundert­tausend e im Jahre 1932 nur mehr 14.000 Einwande­rer zugelassen wurden. Andere traditionelle Wander­züge, so jene von jährlich 100.000—200.000 slowa­kischen Feldarbeitern, die zur Erntezeit in das un­garische Tiefland herabzogen, haben infolge der Verschiebung der Grenzen aufgehört. Die slowaki­schen Arbeiter konnten jedoch ebensowenig einen Ersatz in anderen: europäischen Staaten finden wie die ungarischen Landarbeiter (jährlich gingen bis 100.000 Auswanderer aus dem früheren Königreich Ungarn nach den Vereinigten Staaten, in 1934: 307 ungarische Staatsbürger.) Der Stillstand der Wan­derungen ist einer der Hauptgründe, daß man nach Maßgabe der Lebenshaltung im Donaubeeken trotz des langsamen Rückganges der Geburtenrate von übervölkerten Gebieten im Sinne von Malthus spre­chen kantt. Die kontinentalen Wanderungen haben sich ebenso konjunkturempfindlich erwiesen als die über­seeischen Wanderungen. Während zum Beispiel im größten Einwanderungsgebiet Asiens (d. h. in Bri­tisch-Malaya) 1927 noch eine halbe Million Arbeiter '(Chinesen, Inder, Malaycm) einwanderten, ist diese Zahl bis 1933 auf 50.000 gefallen und wurde von den 120.000 Rückwanderern überflügelt. Ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse in Ceylon, in der Mandschurei, in Indochina und Holländisch-Indien. In Europa haben nur die landwirtschaftlichen Sai­sonwanderungen eine gewisse Beständigkeit wäh­rend der Depressionszeiten bewahrt. Das wichtigste Einwanderungland Europas, Frankreich, erlitt in *) S. d. Pester Lloyd vom 28. Juni (Morgenblatt), den Krisenjahren einen reinen Wanderungsverlust (1927; 26.000, 1932: 40.000), während noch bei­spielsweise im Jahre 1830 der Wanderungsgewinn 178.000 (dm Jahre 1934 wieder 32.000) erreicht hat. In den Auswanderungsländern bedeutet die bestän­dige Fluktuation der Auswanderer eine ständige Be­unruhigung der wirtschaftlichen und sozialen Zu­stände. Während zum, Beispiel Polen noch im Jahre 1929 eine Auswanderung von 178.000 Seelen hatte, ging diese 1934 auf 22.000 zurück, so daß ein uner­wünschter Wanderungsgevviun zu verzeichnen war. Desgleichen hatte Italien 1930 noch 220.000 euro­päische Auswanderer, hingegen in 1934 nur mehr 42.000 gegenüber 80.000 (1935 sogar 90.000) Rück­wanderern. Die Rückwanderung aus den überseeischen Staaten wies eher allmähliche und voraussehbare Proportionen auf. Hingegen ist die brüske Umkehr der europäischen Wanderungen hauptsächlich die Folge von plötzlichen Zwangsmaßnahmen von seiten der Einwanderungsländer. Nur Italien hat auf diese seinerseits mit Repressionsmaßnahmen geantwortet, der Mangel an Solidarität unter den übrigen, an Arbeitskraft reichen, aber sonst armen Auswande­rungsstaaten bildet die Haupterkärung, daß eine noch nie dagewesene Gegenwanderung beinahe ganz den Interessen der Eihwanderungsstaaten gemäß verlief. Eigentlich wurde die Gesetzgebung zum Schutze des Inlandmarktes gegen Ausländer nach dem Vorgehen Großbritanniens unter dem Druck der wiederkehrenden Arbeitslosigkeit in den verschiede­nen und zuletzt auch liberalsten Ländern eingeführt und immer mehr verschärft. Am lehrreichsten ist das Beispiel Frankreichs, das die Wiederherstellung seines Gebietes, die Er­neuerung seiner Volkskraft und das beispiellose Auf­blühen seiner Produktion hauptsächlich der staat­lich geförderten Einwanderung europäischer und anderer Arbeitskräfte zu verdanken hat. Diese wurde mit verbündeten Auswanderuhgsländem frühzeitig in kollektiven Anwerbungsverträgen geregelt und sicherte den Ausländern auch große soziale Vorteile zu. Erst ab Ende 1930 zeigte sich in diesem Lande die Krise in so scharfen Formen, daß man zur Ein­schränkung und dann in immer schnellerem Tempo zur Abschnürung der Einwanderung (bis 1932 auf 100 Prozent) Zuflucht nahm. Dann wurden die ab­gelaufenen Arb eit sausweise nicht) mehr verlängert, die Arbeitslosen zurückhefördert (refoulement) und dann immer größere Massen einfach ausgewiesen (déportation). Zuletzt verfielen sogar Löhnangestellte diesem Los, die schon mehr als zehn Jahre im Lande ansässig waren. Die endgültige Grundlage dieses Ver­fahrens bildete das Gesetz vom 10. August 1932, das die Regierung ermächtigte, nach Anhörung der be­teiligten' Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisatio­nen die zulässige Prozentzahl (bis zu 10 Prozent) der Ausländer im VerordnuhgswegC zu be­stimmen. In den letzten Jahren wurde von dieser Ermächtigung für eine immer größere Anzahl von Industrien1 Und Gebieten Gebrauch gemacht. Die früheren Vorschriften be­treffend die Aufenthaltsgenehmigung, deren Verlän­gerung, bezw. die Ausweisung von Ausländern wur­den im Verordnungswege außerordentlich ver­schärft. So kam es, daß die Arbeitslosen, namentlich wenn sie auf Grund von gegenseitigen. Übereinkom­men keinen Anspruch auf besondere Fürsorge hat­ten — ohne Möglichkeit einer Berufung — an die Grenze gebracht und deportiert wurden. In vielen Fällen mußte dem Aitsweisbefehl Genüge geleistet werden, ohne daß das Mobiliar verkauft und für die zurückgebliebenen Familienmitglieder hätte ent­sprechend gesorgt werden können. Auch die Zahl der Grenzgänger wurde in so großem Maße einge­schränkt und ihr Arbeitslohn wurde so ungünstig geregelt, daß es noch immer Spannungen mit dem verbündeten Belgien gibt. Diese Verwaltungspraxis wurde im Wesen auch auf ausländische Heimarbei­ter und Gewerbetreibende ausgedehnt. Weiter wuin den. seit 1933 betreffend die Betätigung von Auslän­dern in den freien Berufen (Anwälte, Ärzte, Inge­nieure, Krankenpfleger, Artisten usw.) vielfach auf Wunsch der Interessenten neue Gesetze mit beson­derer Spitze sogar gegen die naturalisierten (und militärdienstpilichtigen) Ausländer geschaffen. Die massenhafte Auswanderung der durch Sonderbe­stimmungen getroffenen wohlhabenden Ausländer zog auch die Beschränkung von ausländischem Dienstpersonal nach sich. Während in normalen Zei­ten die Ausländer kein besonderes Arbeitslosenrisiko trugen, ist eine große Steigerung hievon in der Zahl der nicht genau ausgewiesen.en Rückwanderer zum Ausdruck gekommen. Die Zahl der Lohnangestell­ten betrug f931 noch rund 1.3 Millionen lind ging bis Mitte 1935 auf 750.000 Personen zurück. Gegen­über dieser unsichtbaren Arbeitslosigkeit betrug die Zahl der gezählten Arbeitslosen tatsächlich nicht mehr als etwa eine halbe Million. Die demographi­­scheii Wirkungen dieser unsteten Fremdenpolitik gehen aus den Volkszählungen hervor. Darnach wa­ren (in Tausenden) im Jahre 1851 380 (1.5%) der Bevölkerung, in 1911 1.160 (2.9%), in 1930 2.890 (3.3%) Ausländer im Lande anwesend. So wurde selbst die seit Jahrzehnten mit Erfolg betriebene Populationspolitik Frankreichs, den Geburtenaus­fall durch die Einwanderung und Assimilation wett­zumachen, geopfert, um in einer Panikstimmung die Krise zu bekämpfen. Der Inlandarbeitsmarktschutz der übrigen Län­der beruht heute ebenfalls auf dem Prinzip der indi­viduellen Ermächtigung, auch der Kontingentierung, bzw. des Verbotes der Anstellung von ausländischen Arbeitskräften. In einzelnen Ländern wurden in ge­wissen Berufen die Ausländer in der kürzesten Frist vor die Tür gesetzt, so z. B. 15.000 ungarische Holzarbeiter in der Tüskei. In anderen Ländern wurden wenigstens für die schon seit einigen Jah­ren ansässigen Ausländer Ausnahmen getroffen. Andererseits wird die Zulassung von neuen, gelern­ten Arbeitskräften nur zugestanden, falls sie sich verpflichteten, während der befristeten Dauer ihres Aufenthaltes eine entsprechende Zahl von inländi­schen Jugendlichen auszubilden. Grelle Flecken brachte der entartete Nationalismus in einigen Län­dern in das allgemein ungünstige Bild. So gibt es Staaten, :n denen der Ausdruck „Ausländer“, „Fremder“ in dieser Brotfrage auch auf Staatsbür­ger angewendet wird, die einer ethnischen Minori­tät oder fremden „Rasse“ angehören. Anderorts wird auch das fremde Kapital nur in einem gewis­sen Verhältnis zugelassen und unter der Bedingung, daß die Verwaltung im richtigen Verhältnis ein­heimischen Staatsbürgern anvertraut wird. Es erwies sich demnach selbst bei der heutigen zwischenstaatlichen Regelung der kontinentalen Wanderungen als die größte Anomalie, daß wäh­rend des Bestehens des ersten Arbeitsverhältnisses gewissermaßen der Gleichbehandlung mit Inländern Rechnung getragen wird, dieses Prinzip jedoch so­fort geopfert weiden kann, sobald eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit des Ausländers eintritt. Die größten Opfer dieses Zustandes sind die Rückwanderer -— Bitte, bitte, — wisperte sie verlegen, — es ist So wenig Platz hier,,, die Wohnung ist so eng, wollen Sie sich gütigst hieher setzen? Oder vielleicht auf das Kanapee..», — Und sie wußte gar nicht, wohin sie mich setzen sollte, trippelte bloß in dem mit Möbeln vollgepferchten Zimmer umher, wahr­haftig, wie ein erschrockenes Mäuschen. Wie scharmant es hier ist, — sagte ich ganz begeistert, — wie herzig diese winzige Wohnung, wie lieh die Möhel, die Bilder, die Handarbeiten. Ganz wie in einem Puppenheim. ■— Oh, oh hüstelte Mäuschen, — alles ist ja So bescheiden und armselig. Freilich, bisher wars gut genug für mich; wenn ich aber heirate, muß ich mich nach einer größeren Wohnung Umsehen. Es war ihr anzumerken, es habe sie erleichtert, daß sie <fas große Wort über die Lippen gebracht habe und sich nun an meiner Überraschung weide. ■— Sie heiraten? 1— Aber selbstverständlich. Hellmut ist mein Bräutigam; im Herbst heiraten wir. Wcáitísohiweiűg erzählte sie sodann, Hellmut sei «ein Landsmann von ihr, eine alte Liebe... aber natürlich, der Krieg war dazwischen gekommen, und1 noch manches andere dazu, mm aber sei er ihr hieher gefolgt und wenn er irgendwo Stellung er­halte, heirate er sie. Glühende Röte übergoß Mäuschens Gesicht, iwährend sie sprach, und sie machte unmenschliche Anstrengungen, um jeden etwaigen Verdacht von sich abzuwähreh. Sie sei ein anständiges^ sitten - reines Mädchen, Gott behüte, daß man sie, weil sie leinen Männerbesuch empfange, für „So eine“ halte. Aber Helhnut habe keine anderen Bekannten in Pest, daher komme er so oft hieher, und schließ­lich sei er ja doch ihr Bräutigam.,* Ich trachtete nach Möglichkeit, sie zu beruhi­gen. Verdolmetschte - ihr- die- Hochachtung des ganzen Hauses und wünschte ihr zu ihrer bevor­stehenden Eheschließung Glück. Mäuschen zeigte sich von da an wie befreit und in Ruhe aufatmend mit ihrem blonden Hünen. Ihre kleine rundliche Gestalt kugelte ordentlich neben dem gewaltigen Hellmut einher. Die Ärmste ahnte gar nicht, welch komischen Anblick sie dar­bot und daß eben dies der Grund war, aus dem sich die Leute nach ihr lächelnd umblickten. Der Sommer schwand. Alle hatten sich bereits an Mäuschens Glück gewöhnt, es fiel gar nicht mehr auf, daß sie immer Rüschen und Spitzen trug, daß ihre Verjüngung gefährliche Dimensionen anzunehmen begann, -— das pflegt ja bei Frauen schon so zu sein, sobald sie verliebt sind. Allmählich kam der Herbst heran, die Sommer­gäste der Villa siedelten nach der Stadt zurück, nur wir Urinsassen und Mäuschen verblieben dort. Die herbstlichen Regenschauer bannten uns in die Woh­nung; so sahen wir Nachbarn einander nur noch selten. An einem Oktobertag aber begegnete ich der Maus. Ich ging auf dem Bergpfad heimwärts, sie abwärts, wohl zu irgendeinem ihrer Schüler, und wollte mit niedergeschlagenen Augen an mir vorbei­huschen. Sie war ungewöhnlich blaß, hatte körper­lich abgenommen, war in ihrem grauen Herbst­mäntelchen und schwarzen Hütchen ein betrüben­der, ein ergreifender Anblick. Ich! grüßte sie. Wohl hatte ich keine Ahnung von der Tragödie, die sieh! mittlerweile abgespielt hatte, aber das Äußere der Maus legte Zeugnis davon ab, etwas müsse vorgefallen sein. 1 Fort ist er! — brach sie endlich in Schluch­zen aus, und hellichte Tränen kollerten ihr aus den binnen Augen. — Irgendein schlechtes Frauen­zimmer wat ihn mir abspenstig gemacht, eine junge deutsche Lehrerint so eine gewöhnliche Person -, Dann erfuhr ich von der armen Maus, sie habe ihr bißchen erspartes Geld Helhnut gegeben, Gott, so sind ja die Männer! Sie wollen nichts von soliden, anständigen Frauen wissen, bloß „Solche“ mögen sie.. v Mäuschen verwandelte sich in der Folge wieder zurück in die, die sie gewesen war. Höchstens war sie noch grayer, noch scheuer und schüchterner als ehedem; schloß sich in ihrer kleinen Wohnung her­metisch ab und mied alle Welt. Sie schämte sich zu Tode wegen der Episode, die ihr jungfräuliches* keusches Leben aufgewühlt hatte, ging mit gesenkten Augen umher, als habe sie irgendein schreckliches Verbrechen begangen: es war nicht gut, sie anzu­­blickcn, so tiefes Bedauern und Mitleid mußte man für sie empfinden. Eines Tages hielt ein Möbelwagen vor der Villa. Ungeschlachte Lümmel bemächtigten sich der win­zigen Fahrhabe Mäuschens und packten alles auf den Wagen. Maus lief aufgeregt hin und her zwischen Wohnung und Möbelwagen, ihr bangte um ihre Kost­barkeiten in solch rohen Händen, und es war ihr anzumerken, sie sinke vor Müdigkeit fast um. Als die kleine Dependance geleert war, schloß Mäuschen die Tür hinter sich, reichte ihrer alten Hausfrau mit zitternder Hand den Schlüssel und lispelte- > , — Nichts für ungut, verzeihen Sie, wenn ich’ ausziehe, aber ich mag mich nicht von Erinnerungen quälen lassen. Ihre Stimme schlug In Weinen um, sie holte rasch ihr Tüchlein aus der Tasche, dann trippelte sie eilig aus dem Höf. Ein herbstlicher Schnürlregen fiel sachte herab, Mäuschen ging hinter dem knarrenden Möbelwagen einher, mit verweinten Augen, als gebe sie einem teueren Toten das letzte Geleite..

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