Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1937. december (84. évfolyam, 273-297. szám)

1937-12-01 / 273. szám

« 5 » PESTER LLOYD Mittwoch, 1. Dezember 1937 RUMÄNIEN. Titulescu verhandelt mit Mihalaehe. — Furcht vor Attentaten? Bukarest, 30. November. (Havas.) Nach seiner Rückkehr aus Bukarest hatte Titulescu eine lange Unterredung mit Miha­­lache und dann mit Philipescu, dem Präsidenten der Konservativen Partei. Binnen allerkürzester Zeit wird er mit dem gegenwärtig in der Provinz weilenden Präsidenten der Nationalen Bauernpartei Maniu in Verbindung treten. Die Polizei ist der Ansicht, daß man auf Titu­lescu ein Attentat verüben werde, und darum bestie­gen einige Kilometer vor Bukarest zwei Polizeibeamte seinen Zug. Sie baten Titulescu, vor dem Zentral­bahnhof den Zug zu verlassen, weil es gefährlich wäre, die Fahrt bis dorthin fortzusetzen. Der ehe­malige Minister erklärte, es lieber zu riskieren, daß man ihn ermorde, als daß er sich verstecken sollte. Die Polizei wollte sodann den Wagen Titulescus nach einem andern Bahnhofe dirigieren und erst auf das energische Auftreten der ihn begleitenden „Bauemgarde“ ließen sie den ganzen Zug am Zen­tralbahnhof einfahren, wo Titulescu mit großen Ova­tionen empfangen wurde. Deutschfreundliche Rede Manius. Bukarest, 30. November. '(Inf.) Maniu hielt heute in einer Versammlung der Nationalen Bauernpartei in Kolozsvár eine aufsehenerre­gende Rede, in der er Hitler und Mussolini als Beispiel dafür hinstellte, wie das Gewissen eines Volkes mit festem Willen aufgerüttelt und es zu Taten angespornt werden könne, die nicht nur überall Bewunderung amlösen, son­dern, wie das Beispiel Adolf Hitlers zeigt, den Willen eines Staatsmannes auch einer ganzen Well aufzwingen können. Hitler habe nicht nur sein Vaterland vor gewis­sen Strömungen gerettet, sondern sei zu einem Faktor ge­worden, mit dem die ganze Welt rechnen müsse. Die internationale Welt habe zwar in der ersten Zeit Musso­lini und Hitler mit einer gewissen Reserve gegen über­­gestanden, was aber diese beiden Staatsmänner seither geleistet haben, beweise, daß ihre Handlungsweise in jeder •Hinsicht berechtigt war. Der objektive Beobachter könne ihren Werken nur Bewunderung zollen. Die Rede Manius hat innerhalb der Bauernpartei einige Überraschung hervorgerufen, weil ein Teil der Partei anderer politischer Ansicht ist. Maniu sprach in seiner Rede auch über den Bruder des Königs, Nikolaus Brana, und drückte seine Sympathien fiir den ehemaligen Plrinzen auis. RUSSLAND. Der Sowjet verwendet keine Junggesellen mehr im Auslanddicnste und benützt die Familienmitglieder seiner Angestellten bei den Auslandvertrctungen gegebenenfalls als Geiseln. Warschau, 30. November. (MTI) Wieczor Warszawski teilt Details über die Hausdurchsuchung im Gebäude der Sowjetbotschaft mit. Einer der Beamten der Botschaft, der die Rückkehr nach der Sowjetunion in der entschiedensten Form ver­weigert hatte, machte der Redaktion des genannten Blattes folgende Mitteilungen: Von den diplomatischen Beamten, die nach der Sowjetunion zurückbeordert wor­den sind, haben im Verlauf eines halben Jahres 72 die Erfüllung dieses Befehls verweigert und lieber das bit­tere Brot der Emigration gewählt. Als die Herren von Moskau sahen, daß die Lage sehr ernste Ausmaße anzu­nehmen beginnt, beschlossen sie nach kurzer Beratung, daß sie von nun an keine Junggesellen im ausländischen Diplomatendienst verwenden werden, ln Zukunft werden nur verheiratete Beamte und Familienväter zu den Aus­landvertrctungen des Sowjets gelangen, ihre Familien­mitglieder werden aber daheimbleiben, damit man sie gegebenenfalls als Geiseln verwenden könne. Die ver­heirateten Beamten wurden aufgefordert, ihre noch im Auslande weilenden Familienmitglieder unverzüglich heim­zusenden. Über das Schicksall der nach Moskau zurück­­beorderten Beamten ist keine Nachricht in die Öffentlich­keit gedrungen. So wissen die Angehörigen des Warschauer Sowjetbotschafters Dawtjan bisher noch nicht, wo sich der Botschafter aufhält. Ebenso ist auch noch keine Nach­richt über das Schicksail seines Nachfolgers Nikolajeff eingetroffen. Es steht aber fest, daß man den Presse­­attaebé Dawtjans, Alexandroff, erschossen hat.. ÄGYPTEN. Das Attentat auf Nahas Pascha. Kairo, 30. November. (Inf.) Die politische Spannung, die roach dem Atten­tat auf den Ministerpräsidenten Nahas Pascha zu Demon­strationen und tätliahen Angriffen gegen die von Mahmud Pascha geleitete Opposition führte, hält an. Bei Mahmud Pascha wurde im Zusammenhang mif diem Anschlag auf den Ministerpräsidenten eine Hausdurchsuchung .verge- j nommen, über deren Ergebnis bis jetzt noch nichts be- j könnt geworden ist. Muihmud Pascha hat sich übrigens \ der Entwaffnung seiner oberägyptischen Leibgarde, die in die Demonstrationen verwickelt worden war, energisch ■widersetzt. London, 30. November. (Inf.) Eie Blätter veröffentlichen ausführliche Mel­dungen über das Attentat auf den ägyptischen Minister­präsidenten Nahas Pascha. In einer Meldung des Daily Telegraph wird angedeutet, daß der Attentäter Izzedin Abd el Kader in ausländischen Diensten gestanden sein könne. Der Berichterstatter dies Blattes in Kairo schreibt iiazu, die Untersuchung habe ergeben, daß Abd el Kader In der letzten. Zeit wiederholt in Palästina gewesen »ei, obwohl er über keinerlei Mittel verfüge. Szebbet Uiá&a Ue&CAttél, -CfotctneUtéHifUíft esale 1Jue*-nél! Für lange Winterabende die beste Zerstreuung 1 Neuheiten der Weltliteratur in fünf Sprachen in der Leihbibliothek Or. 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Maron: Sensation im Zirkus Arabell Ralph Urban: Das Geheimnis um Mr. Tree André Maurois: La machine a lire les pensées Georges Duhamel: Les maitres 9940 Ernest Hemingway: To have and have not Pearl Back: Fighting angel Aldo Palazzeschi: II palio dei buffi nsw. usw. Andrássy-ut 58 Monatlich nur P 1.50 Zustellung In. Hau. I (Tel.) JAPAN. Anerkennung der Regierung des Generals Franco. Tokio, 30. November. (MTI) Wie die Domei-Agentur erfährt, soll Außen­minister Hirota dem ehemaligen spanischen Konsul in Kobe Francisco Jósé del Castillo mitgeteilt haben, daß die japanische Regierung beschlossen habe, die Regie­rung des Generals Franco am 1. Dezember anzuerkennen. Man hält es für wahrscheinlich, daß der Tokioter Ge­schäftsträger des Generals Franco Francisco Jósé del Castillo sein wird. Pozzo di Borgo. Nomen est ómen ... Paris, 30. November. Der Herzog von Pozo di Borgo, der un­längst verhaftete Führer der großen Kam­pagne der französischen Rechten gegen den Präsidenten der Französischen Sozialpartei Obersten De la Rocque, wurde heute wegen Teilnahme an der Cagoulard-Verschwörung einem eingehenden Verhör unterzogen. Ein Leckerbissen für Feinschmecker der welt­geschichtlichen Analogien — ein Schulbeispiel für die Verfechter der Vererbungstheorie — und eine der interessantesten Figuren der Vergangenheit. Er ist der Urgroßvater des soeben in Paris wegen Putschversuchen verhafteten Pozzo di Borgo junior und sein Lehenslauf bestätigt, daß das Blut nicht zum Wasser wird, sondern sich tatsächlich vererbt. Carlo Andrea Pozzo di Borgo ist einer der dia­bolischen Figuren der Geschichte. Wenn Haß und Neid je die Laufbahn und das Schicksal eines Men­schen bestimmt haben, so war es hier der Fall. Er ist wenige Jahre vor Napoleon Bonaparte ebenfalls auf der Insel Corsica geboren, unweit von Ajaccio, in Alata, und schon in früher Kindheit war er mit dem kleinen Napoleon und auch mit Josef Bona­parte eng befreundet. Beide Familien: die Bona­partes und die Pozzos, gehörten dem alten Adel Cor­­sicas an — und beide waren arm wie die Kirchen­maus. Doch gelang es dem jungen Pozzo di Borgo, sich als Delegierter Corsicas nach Paris zur Natio­nalversammlung entsenden zu lassen und wurde in der gesetzgebenden Nationalversammlung ein gern gehörter rechtsstehender Abgeordnete. Als er in 1792 nach Corsica zurückkdbrte, wurde er von dem aufständischen General Paoli mit offenen Armen empfangen, und bald wurde der junge Pozzo Procureur-Général-Syndicus, das heißt der Chef der bürgerlichen Administration, während Paoli selbst Generalissimus der Armee wurde. Aus dieser Zeit stammte seine scharfe Gegnerschaft zu den früheren Freunden der Bonapartes, die sich damals schon so ziemlich eindeutig für den An­schluß an Frankreich und für die republikanische Revolution erklärten. Aus der Gegnerschaft wurde bald eine Feindschaft, eine Feindschaft auf Leben und Tod, wie sie nur unter dem heißen Himmel Corsicas möglich ist, eine Feindschaft, die das weitere Leben Pozzos bestimmte. Von dieser Zeit an folgte er dem Aufstieg Napoleon Bonapartes, wie der Schatten dem Lichte: doch in seinem Fall trachtete der Schatten unaufhörlich das Licht zu erlöschen. Sein Haß gegenüber den meteoreniiaft auf das politische Firmament aufsteigenden jungen Bona­parte bestimmten ihn, ausländische Hilfe uind eng­lisches Geld anzunehmen, ja sogar Corsica unter englische Herrrschaft zu setzen. Die Engländer waren dankbar: zwei Jahre hindurdh, von 1794 bis Í796, wurde der junge Pozzo Regierungschef unter dem englischen Gouverneur Sir Gilbert Elliot. Als Bonaparte, der seinen Gegner nicht weniger haßte, als dieser ihn, Schiffe und Truppen zur Eroberung Corsicas entsandte, mußte Pozzo fliehen und wandte sidh zuerst nach Rom. Doch forderte Bonaparte seine Auslieferung und er wurde auch tatsächlich aus Rom ausgewiesen. Pozzo kam nach unzähligen Abenteuern nach London, wo Sir Gilbert Elliot, aus dem in der Zwischenzeit Lord Minto wurde, sich seiner annabm, und als Lord Minto zum Bot­schafter am Wiener Hofe ernannt wurde, nahm er den heimatlos gewordenen Pozzo di Borgo dort­hin mit. In Wien entfaltete der junge Diplomat eine un­glaublich intensive Tätigkeit, die nur ein einziges Ziel kannte, Bonaparte zu schädigen und womöglich seinen Sturz herbeizuführen. Während meiner zwölf­jährigen Arbeit im Wiener Haus-, Hof- und Staats­archiv fand ich Tausende, buchstäblich Tausende von Dokumenten, Eingaben, Plänen, Entwürfen von der Hand Pozzo di Borgos an Kaiser Franz, an Met­ternich, an den Zaren Alexander und an fast alle Souveräne Europas gerichtet. Aus jeder dieser Schrif­ten strömt brennender Haß und der Wunsch, den „Antichristen“ zugrunde zu richten. Endlich wurde Fürst Adam Czartorsyki auf den zweifellos sehi begabten Pozzo aufmerksam und übernahm ihn in den russischen diplomatischen Dienst. In 1805 fungiert er bereits als russischer Kom­missar bei dem aniglo-neapolitanischen Heer, und ein Jahr später in gleicher Eigenschaft im preußischen Hauptquartier. In 1807 erhielt er eine wichtige Mission bei der Hohen Pforte in Konstantinopel. Nun fühlte er sich endlich ganz in seinem Element: er konnte alle Brunnen Europas vergiften, alle Herr­scher des Kontinents gegen den gehaßten Napoleon aufwiegeln. Und gerade als er sich dem Ziele nahe fühlte, erlitt seine Karriere den Schiffbruch durch die Versöhnung, ja die Verbrüderung des Zaren Alex­anders mit Napoleon in Tilsit. Pozzo di Borgo zog sich nach Wien zurück, doch wurde er jetzt aus dem Jäger der Gejagte. Napoleon forderte seine Auslieferung, worauf Metternich ihn schleunigst zum Verlassen des Landes veranlaßte. Pozzo wandte sich nach London; wo er in scheinba­rer Ruhe seine Intrigen noch intensiver denn je be­trieb. Endlich rief ihn der Zar im Jahre 1812 nach seinem Bruch mit Napoleon zurück und stellte ihn wieder in den russischen diplomatischen Dienst. Pozzo di Borgo versuchte diesmal Napoleon mitten ins Herz zu treffen: durch seine reichlich bezahlten Agenten, Spitzeln und Spione versuchte er im franzö­sischen kaiserlichen Haushalt selbst Unfrieden zu stiften. Auf seine Veranlassung wurden alle Nach­richten, die sich auf Napoleons angebliche Untreue bezogen, sofort in die Hände Maria Luisens gespielt und umgekehrt, er sorgte dafür, daß Napoleon selbst an der Treue seiner kaiserlichen Gattin zu zweifeln begann. Gleichzeitig aber arbeitete Pozzo mit größtem Eifer daran, eine neue Koalition gegen den „Usurpator“ zustande zu bringen. Die Abwen­dung Bernadottes von seinem früheren Herrn und sein Verrat an Napoleon waren das persönlichste Werk Pozzos Nach dein unglücklichen russischen Feldzug nach Leipzig und nach dem Zusammenbruch zog Pozzo endlich triumphierend in Paris ein und wurde ails Vertrauensmann der Sieger neben — richtiger ge­sagt über — die provisorische Regierung gestellt. Alle Maßnahmen, die aus dieser Zeit stammen und gegen die Person und Familie Napoleons gerichtet sind, entstanden auf Anregung dieses großen Hassers und Intriganten. Nach der endgültigen Restauration der Bourbo­nen wurde Pozzo russischer Botschafter in Paris. Am Wiener Kongreß spielte er neben Tayllerand und Metternich die erste Geige und das waren die schön­sten Tage seines Lebens. Nun konnte er Napoleon alles heimzahlen, was er ihm schuldig war. Er be­gleitete die Bourbonen während der hundert Tage nach Belgien und war der Verbindungsoffizier zwi­schen Ludwig XVIII. und Wellington. So ist es keine Übertreibung, wenn wir behaupten, daß Pozzo di Borgo eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung von Waterloo gespielt hat. Der alte Diplomat kam dann wieder auf seinen Pariser Posten zurück Lnter Karl X. wurde jedoch sein Einfluß am französischen Hofe 6chon schwä­cher; auch dafür blieb er nicht schuldig, denn er überredete später den Zaren, Louis Philippe anzu­erkennen. In 1835 wurde er als russischer Botschaf­ter nach London ernannt als Nachfolger des Fürsten von Lieven. Vier Jahre lang bekleidete er noch die­sen Posten, dann zog er sich, ein beinahe Achtziger, nach Paris zurück. Dort erwartete ihn noch ein har­ter Schlag: er mußte in 1840 die Heimholung der irdischen Überreste Napoleons erleben und Zeuge der übermenschlichen Liebe des französischen Vol­kes zu seinem toten Gegner werden. Dies gab ihm den Gnadenstoß, denn gegen den Toten konnte er nichts mehr unternehmen. Von diesem Tage an kränkelte er, besuchte aber noch zwei Jahre hin­durch Tag für Tag Napoleons Grab im Dom des Invalides. Genau vor 95 Jahren starb er dann endlich, um jetzt in der Person seines Urenkels wieder auf der zeitweiligen Bühne des Welt­geschehens zu erscheinen. Der alte Intrigant schlief nur und setzt nun sein trübes Spiel fort. Dr. Otto Ernst.

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