Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. május (85. évfolyam, 97-121. szám)

1938-05-01 / 97. szám

• 4 • PESTER LLOYD linge genannt, wobei Maurice der weit mächtigere unter den beiden ist. Jedoch er bleibt im Hinter­gründe und läßt seinen Bruder regieren. Sarraut hat sehr viel Feinde. Léon Daudet widmet ihm seit Tagen die giftigsten Leitartikel und wirft ihm die Schuld an der Ermordung König Alexanders vor. Sarraut, auch damals Innenminister, strich aus Sparsamkeitsgründen ,die vom Präfekten vorge­sehene Motorradeskorte um den Wagen des Königs, und man glaubt, daß das Attentat unmöglich ge­wesen wäre, wenn die Motorräder dagewesen wären. Daudet geht noch weiter: er warnt das Land vor diesem Innenminister, dem der Schutz Königs Georg VI. bei seinem Besuch in Paris am 28. Juni obliegt. Persönlich ist Sarraut ein alter, gemütlicher Herr, ein großer Freund dér Frauen und ein guter Kenner des edlen Tropfens. Der Marineminister Campinchi und La Chambre, der neue Luftfahrtminister, sind im Grunde nur Dekorationsfiguren. Die gesamte Landesverteidigung ruht in den bewährten Händen Daladiers, dessen offizieller Titel jetzt „Minister des Krieges und der nationalen Verteidigung“ lautet. Er herrscht in allen drei Ministerien und bedient sich Campinchis und La Chambres nur als Gehilfen bei parlamentarischen Debatten. Die neue Regierung ist nicht nur dem Na­men nach eine Regierung Daladier. Es ist die Re­gierung der nationalen Verteidigung, der der Front­soldat Daladier nicht nur Ziel und Richtung, son­dern auch den Inhalt gibt. In Europa wird weiter aufgerüstet. Von FML. a. D. Emmerich v. SUHAY. Zu Ostern ging ein Seufzer der Erleichterung durch ganz Europa, als die englisch-italienische Verständigung verkündet wurde. England hat über­dies, wie verlautet, angeblich bereits ein Abkommen geschlossen, daß in einem eventuellen Kriegsfall der gemeinsame Oberkommandant der englisch-franzö­sischen Landarmee ein französischer General sein wird, während zum Führer der Luftstreitkräfte bei­der Staaten, ein Engländer ausersehen ist. Auch wird den Mittelmeerdienst zum größeren Teil die fran­zösische Eskader übernehmen, damit die schwere englische Schlachtilotte für andere Aufgaben ver­fügbar bleibe. Ferner sollen auch in kürzester Zeit Verhand­lungen stattfinden -- durch England protegiert —, damit die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den lateinischen Schwesterstaaten, Italien und Frankreich, wieder hergestellt werden. Die westlichen Großmächte scheinen sich nun gefunden zu haben, und doch wird die Aufrüstung, besonders in den Lüften, in bisher noch nie da­gewesenem Maße fortgesetzt. Gegen wen? Die Primgeige spielt im \ufrüsten England. Nach den Erfahrungen des Jahres 1985/36 hat es eingesehen, daß durch die unerwartet rasche Ver­vollkommnung der Luftstreitkräfte es mit seiner „Splendid Isolation*' vorbei ist. Wenn es geschützt sein will, 1st es gezwungen, zu seinem alten Prinzipe zuiückzukehren: „Englands Macht muß so stark sein, wie jene der zwei mächtigsten Staaten auf dem Kontinent zusammen.“ Während aber früher unter »dieser Macht nur die Kriegsmarine zu verstehen war, [gilt heute dasselbe für die modernste Waffe, für die Luftstreitkräfte. England ist der Meinung, daß in einem Zu­kunftskrieg nicht nur das eigentliche Kingdom, die Inseln, in den Gefahrenkreis miteinbezogen sein werden. Der Radius dieses Kreises würde den grö­ßeren Teil des britischen Welthcrrsohaftsgebietes in seinen Bereich ziehen. Der größte Längendurchmesser des Inselreichs in Nord-Siid-Richtung beträgt 890 km, in Ost-West- Richtung 482 km. Die Kanalstrecke Dover—Calais beträgt 33 km. Die Küstenlinie, an der die am weitesten vorgeschobenen Posten des Flugmelde­dienstes etabliert werden können, ist weniger als 96 km von London entfernt. Feindliche, von der französischen oder belgischen Küste heranziehende Geschwader würden also etwa 13 Minuten nach dem ersten Alarmsignal der Küstenstation über London erscheinen können. In dieser kurzen Zeitspanne ist es kaum möglich, den Luftschutz der Millionen­hauptstadt zu aktivieren. feie Luftmanöver 1936 hatten für die Angreifer einen vollen Erfolg gebracht. Obwohl die wolken­lose und sternklare Nacht die Tätigkeit der Luft­­abwehrbatlerien sehr begünstigte, gelang es doch der Hälfte der angreifenden Flugzeuge, die nächt­lichen Sperren zu durchbrechen und dem Gegen­angriff der 220 zur Abwehr aufgestiegenen Jagd­flugzeuge zu entkommen. Die Erfahrungen dieser und auch anderer Luft­­manöver gaben Fingerzeige, die darauf hinwiesen, daß England, abgesehen von anderen politischen Gründen, mit Frankreich stets auf gutem Fuß stehen soll. Aber selbst ein befreundetes Frankreich, Belgien imd Holland scheint der englischen Landesverteidi­gung wegen der fortschreitenden technischen Leistungsfähigkeit der Luftwaffe nicht mehr als ge­nügend wirksamer Schutz vor Luftangriffen auf das Inselland. Wir müssen nur der Worte Baldwins gedenken (1984): „Wir dürfen nicht ver­gessen, daß seit dem Tage, da die Luft erobert wurde, die alten Grenzen weichen mußten. Wenn Sie an Englands Verteidigung denken, dann müssen Sie an den Rhein denken. Dort liegt unsere Grenze.. Eine Veränderung der Rheingrenze müßte, nach englischer Auffassung, die Luftsicherheit des Insel­reiches nachteilig beeinflussen. Der deutsch-belgi­sche Nkhtangriffs- und Beistandsvertrag vom Okto­ber 1937 bietet England an Stelle des gekündigten Locarno-Vertrages — luftpolitisch — allerdings eine Entlastung. Aber nicht nur die direkte Sicherung spielt eine wichtige Rolle in der Aufrüstung seiner Luftstreitkräfte, sondern auch die Errichtung einer Luftkontrollc zur politischen Vorherrschaft des Empire im Sudan. Ägypten. Arabien, Transjorda­nien, in Palästina, im Irak, wie im Mittclmeere. Bis-her hatte zu diesem Zwecke England erstaunlich wenig Luftstroitkräfte verwendet; im ganzen 7 Bom­ber-, 1 Transportbomber- und 1 Fliegerstaffel. Mit dem Einmarsch Italiens in Abessinien änderte sich die Lage. Die Luftherrschaft Groß­britanniens schien im Mittelmeere, im Nahen Osten und in Nordostafrika bedroht. Die Ereignisse der letzten Tage, die Verständi­gung zwischen Italien und England scheinen jedoch auch hier eine Entspannung herbeizuführen. England verfolgt heute nur mehr strategisch defensive Ziele. Es hat seine Mittelmeerflotte gründ­lich verstärkt, und baut seine Luftstreitkräfte in kräftigstem Tempo aus. Die Fabriken des Insel­­reiches können nicht mehr nachkommcn. Bestellun­gen für Kanada mußten zurückgestellt werden. USA soll, wie verlautet, den Auftrag zum Bau 500 englischer Flugzeuge erhalten. Großbritannien hatte Ende 1937 zirka 2100 Flugzeuge I. Linie. 1937/38 dürften zirka 2900 Ma­schinen I. Linie fertig sein (hievon 1765 für die Hei­mat, 450 Übersee, 685 für die Flotte). Hiezu wäre noch an Front-Reservematerial 100—200 Prozent der Flugzeuge I. Linie anzunehmen. Liddle Hart schreibt 1935 in seinem Werke: „When Britain goes to war“: „Heute leidet England noch schwer unter den Folgen des Sieges, der nicht allein seinen Körper, sondern vor allem seine Seele zermürbt hat.“ Nun scheint aber England seine seelische Müdigkeit bereits abgelegt zu haben ... Frankreich besitzt heute, abgesehen von Ruß­land, die stärkste Luftmacht Europas. Ende 1937 hatte es über 5410 Flugzeuge im Stande. Dazu kom­men noch etwa 1200 Flugzeuge in den Fliegerschu­len und zirka 600—700 unbewaffnete Stafetten­flugzeuge. Zum Unterschied von England sind Frankreichs Lüftstreitkräfte auf die kräftigste Offensive eingestellt. Die Flotte gliedert sich in die Bomber und Aufklärer der „Aviation de defense lourde“ und in die Aufklärerverbände fii r das Heer. (Gooperation). Die operativen Luftstreitkräfte wer­den in 3 schwere Divisionen, je 2—3 Boniberbriga­­den, gegliedert. England ist auf ein Kooperieren mit Frank­reich jedenfalls nicht weniger angewiesen, als dies umgekehrt der Fall ist. Italien hat stets — besonders aber in letzter Zeit — seine Bereitwilligkeit gezeigt, in den Mittelmeerfragen mit England und Frank­reich zusammenzugehen. Auch Delbos versicherte, daß Frankreich eine Verständigung sucht, um so mehr, als die Lage in Spanien und im Fernen Osten ein Zusammenwirken der Mittelmeerstaaten und Großbritannien erforderlich e["Wünschen ... Italien: Der Duce erklärte in Palermo im Som­mer 1937 nach Beendigung der Manöver: „Sizilien ist der geographische Mittelpunkt des italienischen Weltreiches l“ Italien ist flinch in die Reihe der großen europäischen Kolonialreiche eingetreten. Es wird, was Größe und Kolonien anbelangt, nur von Frankreich mit 5 Millionen Quadratkilometern und von Großbritannien mit 13 Millionen Quadratkilo­metern übertroffen. Die Herrschaft über seine afri­kanischen Besitzungen kann Italien aber nur dann behaupten, wenn der See- und Luftweg zwischen dem Heimatsland und den Kolonien gesichert ist. Die Erstarkung der Wehrmacht bildete daher Mussolinis größte Sorge. Heer, Flotte, besonders aber die Luftwaffe, wurden neu und in einem mäch­tigen Tempo, vom Grund aus ausgebaut. Die Tüch­tigkeit der italienischen Luftwaffe hat der abbessi­­nische Feldzug bewiesen. Der weitere Ausbau der Luftstreitkräfte wird mit zäher Energie fortgesetzt. Im Jahre 1939/40 soll die dreifache Stärke der jetzi­gen erreicht werden. Bemerkenswert ist, daß Italien sich die An­schauungen seines großen Lufttheoretikers Douhet nur teilweise zu eigen machte. Neben der „Operati­ven Luftwaffe“, d’e aus drei Luftdivisionen besteht, hatte man Fliegerverbände für die Zusammenarbeit mit dem Heere und der Marine beibehalten. Die Luftarmee, Italiens gliedert sich heute in 7 Brigaden mit 22 Regimentern, die insgesdmt Ende 1937 mehr als 3600 Flugzeuge im Stande führten. Die italienische Luftwaffe ist heute eine der besten der Welt, sowohl Material wie Ausbildung des Personals betreffend. Sie ist auf dem Wege, das Ideal zu erreichen, das ihr Mussolini bereits 1930 steckte, als er folgende Äußerung tat: „Unsere Luft­fahrt muß so stark und mächtig werden, daß ihre Sonntag, f. Mai 1938 Flügel die Sonne über unserem Land verdunkeln. Denn ich sehe voraus, daß wir zwischen den Jahren 1935—1940 einen Wendepunkt der europäischen Geschichte erreichen. Dann müssen wir unsere Stimme erheben können und unsere Rechte zur Anerkennung bringen!...“ Der bewaffnete Friede wird, scheinbar wenig­stens noch einige Jahre, der Zustand der Zukunft sein. Aber Quo usque tandem? ... Wie lange kann dieses Wettrüsten noch fortgesetzt werden? Die Spannung, durch diese hervorgerufen, wächst ins Ungeheure und ist gefährlich. Ein Fun­ken, ganz unerwartet, kann eine Explosion hervor­­rufen, wie sie die Weltgeschichte bisher noch nicht gekannt hat. Die Volksgruppe als Rechts­persönlichkeit. Von ÁRPÁD TÖRÖK. Der zweite Punkt jener Forderungen, die Kon­rad Henlein im Namen des Sudetendeutscbtums in seiner großen Rede gestellt hat, lautet folgender­maßen: „Anerkennung der sudetendeutschen Volks­gruppe als Rechtspersönlichkeit zur Wahrung die­ser gleichberechtigten Stellung im Staate.“ In die­ser Forderung wird noch entschiedener zum Aus­druck gebracht, was in den vor einem Jahr ein­­gereichten Gesetzanträgen der Henlein-Partei bereits enthalten war. Jene Gesetzesanträge bezweckten einen gewissen, verfassungsrechtlichen Umbau des Staates, indem sich alle Volksgruppen (also auch die «taatsführenden Tschechen) gesondert zu Verbänden öffentlichen Rechts zusammenzuschließen hätten. Diese Verbände sollten auf der einen Seite das Ge­meinschaftsleben der Volksgruppen regeln, auf der anderen aber einen wirksamen Schutz gegen etwaige Benachteiligung durch andere Volksgruppen, bzw. durch den Staat bieten. In diesen Verbänden wäre eigentlich die Rechtspersönlichkeit der Volksgrup­pen bereits verwirklicht. Die Volksgruppe als Rechtspersönlichkeit ist eine allgemeine Forderung der internationalen Min­derheitenbewegung, der in der einschlägigen Lite­ratur immer wieder Ausdruck verliehen wird. Die staatliche Rechtsordnung kennt Verbände öffent­lichen Rechts, die auf anderen Gebieten des Gemein­schaftslebens ihre Funktion mitunter sehr erfolg­reich aüsiibcn. Vor allem sind es die einzelnen Kir­chen, die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet und daher in der Lage sind, nicht nur ihr besonderes Eigenleben zu regeln, sondern etwaige Rechtsver­letzungen, von denen Einzelpersonen in ihrer kon­fessionellen Eigenschaft betroffen werden, als eine Verletzung der Kirche zu behandeln und in diesem Sinne Wiedergutmachung zu fordern. Auch im Wirtschaftsleben begegnen wir ähnlichen Einrich­tungen. Die Wirtschaftskammern besitzen ebenfalls Rechtspersönlichkeit und betrachten Rechtsver­letzungen, die ihre Mitglieder in dieser ihrer Eigen­schaft erleiden, als Verletzung ihres Gruppenrech­tes. Es ist somit keineswegs ein Novum,, daß eine Vielzahl von Staatsbürgern in ihrer Gruppeneigen­schaft Rechtspersönlichkeit erhält. Auch die Min­derheitenschutzverträge enthalten solche Ansätze, obzwar sie weit davon entfernt sind, die Rechtsper­sönlichkeit der Minderheit grundsätzlich auszuspre­chen. Diese Ansätze beschränken sich auf gewisse kulturelle Funktionen der Volksgruppen. Wo näm­lich bereits rechtlich anerkannte minderheitliche Kulturorganisationen vorgefunden wurden, hat man sie in ihrem bisherigen Rechte bestärkt. So die Székler, die sächsischen, die jüdischen Gemeinden, die Pinduswalachen, die als Gemeinschaften zu Trä­gern der aus den Schutzverträgen fließenden kul­turellen Rechte geworden sind. Auch die Bestim­mungen. wonach die Minderheiten berechtigt sind, Schulen zu erhalten und zu verwalten, sehen eben­falls die Möglichkeit vor, daß die Minderheiten zur Erfüllung dieser Aufgaben als Gesamtpersönlichkeit Rechtssubjektivität erlangen. Mit anderen Worten: daß sie zu Rechtspersönlichkeiten werden. Wurde die Forderung nach Ausstattung der Volksgruppe mit Rechtspersönlichkeit auch als eine solche der allgemeinen Minderheitenbewegung be­zeichnet, so ist es klar, daß ihre Verwirklichung dort einen besonderen Sinn hat, wo die Volksgruppe ein entsprechendes Eigenleben führt. Je differenzierter ihr Gruppenleben ist, je vielgestaltiger ihr sozialer Aufbau, je höher ihre spezifischen Leistungen als Volksgruppe, um so selbstverständlicher ist ihre Ausstattung mit Rechtspersönlichkeit. Hier gilt das gleiche, was rechtspolitisch allgemeine Geltung hat: die Rechtsnorm setzt erst dort ein, wo das Leben bereits gewisse Formen hervorgebracht hat, die einer rechtlichen Sanktion oder, insofern sie ein Problem bilden, einer rechtlichen Lösung bedürfen. Die unterschiedliche Lage der einzelnen Volksgruppen schließt es natürlich nicht aus, daß über diese Frage, insbesondere im Zusammenhang mit den Minder­heitenschutzverträgen, grundsätzliche Erwägungen angestellt werden, Diese Erwägungen und die dies­bezügliche Auslegung der Verträge hängen natur­gemäß mit der Staatsauffassung der betreffenden Kritiker aufs innigste zusammen. Die individuali­stische Staatsauffassung der Franzosen kommt auch hier zur Geltung. Juristen, die dem französischen Kulturkreis angehören, wollen selbst die geringen

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